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Noch steht das deutsche Volk erstarrt am finstern See, Noch scheint der Fluch im Spiel der Wellen Aus schwarzer Tief' empor mit heiserm Laut zu gellen, Und Jeder wähnt, schon stürze tödtlich Weh Aus dunkler Wolken Schooß. Laßt ab vom feigen Grauen! Beginnt der Ritter jetzt, wir stehn in Gottes Hand; Uns trifft kein Fluch, wir wollen dem vertrauen, Der unsern Schritt gelenkt und uns den Sieg gesandt. |
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2. |
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Was mir die Zauberin verkündet, Das lenke Gott mit gnäd'ger Huld. Noch bin ich rein von blut'ger Schuld, Doch dunkel sind und unergründet Der Vorsicht Pfade stets. Kann Einer unter euch Jetzt solcher schwarzen That mich werth und fähig zeihen, Der tret' hervor: nicht soll den Todesstreich, Eh größre Schuld mich deckt, mein sünd'ger Busen scheuen. |
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3. |
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Heil Adalbert! Heil unserm edlen Herrn! So jauchzt das Volk, das Unglück bleibe fern Von deinem Haupt! Den mag der Fluch vernichten, Der kühnlich über dich zu richten, Dich zu verdammen wagt! Herab, Hernieder mit den falschen Göttern! Zerbrecht den Runenstein! Tief soll im Wellengrab Ihr eigner Opferherd die Lügenbrut zerschmettern. |
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4. |
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Hin stürzen sie; schon wankt der Stein, Von ihrer Hand gefaßt, schon liegt der Herd zerbrochen, Er stürzt hinab; aufschäumend kochen Die Wellen rings empor, es bebt der alte Hain, Der hoch auf schroffen Felsengipfeln Sich um den See mit kühner Wölbung hebt, Und horch, ein schaurig Säuseln schwebt Wie fernes Geisterdrohn in seinen dunkeln Wipfeln. |
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5. |
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Indessen tritt an Reinalds Hand Cäcilie herbei. Sanft glühen ihre Wangen Von zarter Scham, von jungfräulichem Bangen, Und züchtig ist ihr Blick zur Erde hingewandt. Herr Ritter! flüstert sie, ihr schütztet unser Leben, Ihr zeigtet Menschlichkeit mit hohem Muth vereint. Ich dank' euch, tapfrer Held! für mich und meinen Freund, Den bessern Dank mag eure That euch geben. |
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6. |
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Ist gleich mein Schwert dem Himmel nur geweiht, Erwidert Adalbert mit edler Höflichkeit, So konnt' ich nimmer doch die Pflicht so schön erfüllen, Die Gott mir auferlegt. Doch dieser wackre Held, So fährt er endlich fort, und auf den Sänger fällt Sein Blick, hat seinen guten Willen Weit kräft'ger noch als ich für euer Heil bewährt, Und wohl verdient er es, wenn euer Herz ihn ehrt. |
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7. |
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NurTreue gab mir Kraft, und Großmuth wird mir lohnen, Beginnt, das Zartgefühl Cäciliens zu schonen, Der Sänger jetzt. Ich bin der niedrigste Vasall Des edlen Fräuleins hier, allein wir Alle gäben Mit Freuden Gut und Blut und Leben Für ihre Wohlfahrt hin. Er spricht's; mit leisem Hall Verräth ein Seufzerhauch, den er umsonst verhehlte, Daß Ehrfurcht nicht allein ihn jüngst im Kampf beseelte. |
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8. |
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Sie schaut ihn dankbar an, doch als ihr Blick zugleich Den Ritter trifft, da zuckt ein Fieberbeben Um ihren Mund. O Gott, mein Traum! er tritt in's Leben. So seufzt sie leis' und taumelt matt und bleich In Reinalds Arm. Der kämpft mit Lust und Leiden, Dies ist sein bitterster, sein schönster Augenblick: In seinem Arme ruht sein Glück, Es ruht in seinem Arm, um ewig dann zu scheiden. |
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9. |
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Der Retter tritt besorgt hinzu. Mein edles Fräulein, gönnt der Ruh Euch einen Augenblick, ermuntert eure Sinnen, Euch schreckt Erinnrung hier, bald ziehen wir von hinnen, Schon liegt im Port das Schiff bereit. Gern geb' ich bis zum Strand der Sachsen euch Geleit, Vertraue dann euch sichern Freundeshänden, Um in die Heimath euch, wohin ihr wollt, zu senden. |
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10. |
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So spricht der Held, und schüchtern weilt Sein Blick auf ihren schönen Zügen. So fühlte nie von Schmerz und von Vergnügen Sein Busen wechselnd sich getheilt. Rasch wendet er sich ab und eilt Zu seinen Schaaren hin, die Wallung zu besiegen. Ihm ist auf dieser Welt kein heitres Loos verliehn; Was zarte Liebe beut, das muß er ewig fliehn. |
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11. |
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Indeß erhebt wie zum verjüngten Leben Das Fräulein sich. Wie ist ihr Blick so licht, Ihr Herz so still, so voll! Ihr Busen zittert nicht. Nie darf der Sturm, was Gott geweiht, umschweben. Allmächt'ger Glaub' und heil'ge Lieb' umweben Mit klarem Glanz ihr helles Angesicht; Dem fliehnden Engel gleich entschwebt dem niedern Kreise Der Welt ihr trunkner Blick und lächelt süß und leise. |
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12. |
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So prangt der Rosenkelch, der von der Knosp' umringt, Des Regens Sturm ertrug im feuchten Nebelthale, Wenn jetzt sein blühnder Schmuck beim ersten heitern Strahle Mit sehnsuchtsvoller Kraft aus seinem Hülle dringt. Vom Rand der Knospe rinnt das helle Silber nieder In seinen zarten Schooß und flammt Im Glanz des goldnen Lichts, und was vom Himmel stammt, Der geist'ge Duft, erhebt sich jetzt zum Himmel wieder. |
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13. |
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So steht sie schön und frei vor Reinalds feuchtem Blicke. Gieb mir die Hand, wir müssen scheiden, Beginnt sie jetzt, mich fordert mein Geschicke; Du darfst nicht länger für mich leiden, Nicht länger fruchtlos kühn den Pfad Der wechselnden Gefahr an meiner Seite gehen. Du hast ein großes Herz; laß um die kühnste That, Laß um die schönste mich jetzt nicht vergebens flehen. |
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14. |
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Du siehst ja selbst, wie arm ich bin; Ich kann ja nicht, was du gethan, vergelten. O sey getrost! Wohnt nicht in schönern Welten Ein großer Gott? Zu ihm mit frommem Sinn, Laß uns zu ihm den Blick, den Geist zu ihm erheben, Der Licht dem Sonnenkreis, dem Herzen Liebe giebt; Dir wird er Trost und mir Verzeihung geben, Daß ich so lang, so bitter dich betrübt. |
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15. |
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Vergiß mich, armer Freund! vergiß die Undankbare! Wohl wird es weh mir thun, doch nicht darf längre Qual Für mich dein Herz – – – o nein, vergiß mich nicht, bewahre In treuer Brust den heil'gen Strahl! O sieh mich an! schwimmt nicht in heitrer Milde Mein sel'ger Geist? Nie wird der Traum der Sehnsucht mein, Doch ewig hängt mein Herz am heißgeliebten Bilde; Die Lieb' ist süß, auch du wirst glücklich seyn. |
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16. |
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Wohlan, es sey! Ich will auch das dir schenken, Ruft Reinald aus, nicht soll mein stummer Gram Dein heil'ges Herz mit ird'scher Sorge kränken. Der Gott, der dich, der alles Glück mir nahm, Er wird mir Kraft verleihn. Ich will in Lust mich kleiden, Und lächeln soll mein nasser Blick, Wenn er zu dir sich hebt; ich will an deinem Glück, Wie an dem letzten Strahl der Sterbende, mich weiden. |
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17. |
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Und wenn auch fern zu fliehn dein Wille mir gebeut, Ich widerstrebe nicht. Leicht wird sich ja des Armen Ein dunkler Hain, ein stilles Thal erbarmen, Das friedlich seinen Schutz der kranken Brust verleiht. Dort soll dein ew'ger Reiz in meinen Liedern blühen; Die Blumen, die du einst geliebt, Will ich wehmüthig dort mit zarter Sorg' erziehen, Und jeden Traum umfahn, der dich mir wiedergiebt. |
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18. |
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Indeß hat schon zur weitern Fahrt sich wieder Die deutsche Schaar gereiht. Ihr Führer tritt hinzu, Sein Busen bebt, er senkt die Augen nieder, Indeß erröthend zwar, doch mit geweihter Ruh Das Fräulein ihn empfängt. Sie sehn sich an und schweigen, Und Beiden ahnt der Anbeginn Schmerzreicher Tage schon; doch mit getrostem Sinn Schwört Jeder dem Beschluß des Himmels sich zu beugen. |
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19. |
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Jetzt laßt uns ziehn, wenn's euch gefällt, Die Krieger stehn bereit, beginnt der deutsche Held, Auch euch wird's lieber seyn, nicht länger hier zu weilen. Zwar wird die Nacht uns auf dem Meer ereilen, Doch besser ist's, von wilder Fluth umrauscht, Im offnen Kampf dem Sturm zu widerstreben, Als hier, wo still der Trug feindsel'ger Mächte lauscht, Vor tückischem Verrath, der heimlich schleicht, zu beben. |
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20. |
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Das Fräulein beut den Arm ihm dar, Sie gehn, es folgt die Schaar im blanken Waffenkleide. O welch ein Sturm, welch eine Stille war Jetzt in des Ritters Brust! Wie war von zartem Leide Sein Blick so feucht, wie war sein Blick so klar Vom Glanz der reinen Lust! Wie schmiegte leis' um Beide Gleich duft'gem Mondenlicht und fernem Harfenlaut Die heil'ge Sehnsucht sich, des Glaubens keusche Braut! |
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21. |
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Der Sänger folgte still von weiten Dem Zuge nach. Das Harfenspiel Des Skalden, der im Kampf für seine Brüder fiel, Umfängt sein Arm. Bald regen laut die Saiten Ihr zitternd Gold, bald schmilzt mit Westeswehn der Klang; Er klagt nicht mehr, ihm ist's, als sängen ferne Lieder Ihm weiche Ruh in's Herz, und still zum Untergang Der Sonne schaut sein Blick mit feuchtem Lächeln nieder. |
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22. |
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Schon senken sich die wald'gen Höhn Dem Meere zu, schon sieht die Schaar am Strande In farb'gem Spiel die bunten Wimpel wehn, Schnell ist das Schiff bemannt und treibt hinweg vom Lande Mit munterm Ruderschlag. Bei seinen Gästen sitzt Der deutsche Paladin, und in den letzten Strahlen Des heitern Sonnenlichtes blitzt Zur Labung goldner Wein in leuchtenden Pokalen. |
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23. |
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Indeß der Schimmer nun auf rother Fluth verglimmt, Aus fernem Meer die Sterne freundlich tauchen, In mattem Glanz die stille Woge schwimmt, Und duft'ge Kühlung schon der Dämmrung Flügel hauchen, Erzählt der deutsche Held, wie er, die stolze Macht Der frechen Räuber zu bekriegen, Den Wellen sich vertraut, und wie nach manchen Zügen Sein guter Engel ihn an Hertha's Strand gebracht. |
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24. |
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Zwar muß ich bald mich von Euch trennen, So fährt er seufzend fort, mich bindet eine Pflicht, Die Gott mir auferlegt; das darf ich nimmer kennen, Was schmeichelnd oft zu meinem Herzen spricht. Ihr, schönes Fräulein! könnt ein Glück mir noch vergönnen, Ich bin an Glück nicht reich, vergeßt zu bald mich nicht. Zwar hab' ich Nichts zu fordern mehr am Leben, Doch könnte dies, dies Einz'ge, Trost mir geben. |
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25. |
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Er spricht's. Sie schweigt, doch fällt ein Blick auf ihn, Der Alles lindern kann und jedes Leid vergüten, In welchem Scham und Huld und alle Wunderblüthen Des heiligsten Gefühls mit stillem Zauber blühn. Ach, solch ein Blick bezähmt das glühendste Verlangen, Macht jeden Sturm und alle Sorgen ruhn; Verzweifeln kann der nie und nimmer Sünde thun, Wer einmal nur solch einen Blick empfangen. |
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26. |
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O Strahl der Seligkeit! Du heil'ger Harfenlaut, Wenn zart der tiefsten Brust geweihte Saiten tönen! Du Himmel des Gefühls, woraus verklärtes Sehnen Und Mild' in's bange Herz und Lust hernieder thaut! Du reiner Quell, worin das ew'ge Streben Der keuschen Phantasie die bunte Welle regt! Du wunderbarer Blick! wie hat dein stilles Leben Mein tiefstes Herz so oft geheimnißvoll bewegt! |
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27. |
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Indeß hat schon der Mond die weiten Meeresfluthen Mit flücht'gem Zauberglanz erhellt, Der Lüfte kühler Hauch und Meer und Himmel ruhten, Und für die Träume wob die Nacht ihr dämmernd Zelt. Schon sank zum Schlaf die müde Schaar hernieder, Das Fräulein träumte schon im schwankenden Gemach, Und friedlich gaukelte auf leisem Wellenschlag Des Lebens sanftes Wehn mit stillerem Gefieder. |
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28. |
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Da blickte von des Schiffes Rand Der Sänger fern hinaus. Mit weichen Zauberschwingen Umsäuselt ihn die Ruh; was seine Brust empfand, Das ließ sein irrend Spiel auf leisen Saiten klingen. Wie war sein Herz so klar, so groß, Wie fühlt' er freundlich sich von heil'ger Lust umschlungen! Ein heitrer Strahl aus dunkler Wolken Schooß, Entschwang sein Lied sich durch die Dämmerungen: |
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29. |
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Ihr schwebt so leis' in lauer Nacht, Ihr Wellen! durch die duft'ge Ferne, Und hold in blauer Tiefe lacht Das zarte Liebesbild, das Bild der goldnen Sterne. Doch schäumend hebt ihr jetzt die Fluth Und strebt zum Himmel auf mit wildem Sehnsuchtstriebe. O trübt es nicht, das Bild, das euch im Schooße ruht! Heiß ist der Sehnsucht Kampf, doch süß die stille Liebe. |
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30. |
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Wohl irrt' ich düster einst und wild, Und Ruhe durft' ich nimmer finden; Mich reizt' ein tief verhülltes Bild, Doch was der Schleier barg, das konnt' ich nicht ergründen. Da trat es leuchtend vor mich hin, Daß sich zu seinem Glanz mein zweifelnd Aug' erhübe, Und selig ward mein Herz und sprach mit gläub'gem Sinn: Heiß ist der Sehnsucht Kampf, doch süß die stille Liebe. |
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31. |
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Doch düstrer schwebte jetzt um Hertha's heil'gen Strand Die trübe Nacht, graunvolle Wolken drohten Verhängnißvoll hoch von der Felsen Rand, Und heulend wandelten des nahnden Zaubers Boten, Die Wölfe, durch den Wald; dumpf ruhten Luft und Meer, Unholde grinsten rings aus blassen Nebeldüften, Und ächzend stahl in todten Lüften Der scheue Tanz der Geister sich umher. |
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32. |
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Ein starres Schweigen lag rings auf dem Schlachtgefilde, Nur seufzte leis' am Strand die heil'ge Fluth empor, Rings drängte durch den duft'gen Flor Der Mond sein trübes Licht, und Panzer, Helm' und Schilde Umwob ein bleicher Glanz. Vermählt mit grauser Ruh Lag hier des Kampfes Bild in regungslosem Drange. Nur Geier wachten noch, und zischend schlich die Schlange Dem kalten Leichenmahle zu. |
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33. |
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Horch, da beginnt's im See zu leben, Es rauscht empor, in weiten Kreisen weicht Die Wog' an's Land zurück, Thorild' und Skiold erheben Sich aus der offnen Fluth; stumm an's Gestade steigt Das düstre Paar, doch ungebeugt Scheint trotziges Vertraun auf ihrer Stirn zu schweben, Und schweigend sinkt auf's offne Grab Der muth'gen Dänenschaar ihr finstrer Blick hinab. |
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34. |
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Da ruht sie jetzt, beginnt mit dumpfem Tone Der nord'sche Held, da ruht die tapfre Schaar, Und netzt mit eignem Blut, dem stolzen Feind zum Hohne, Den hingeschmetterten Altar. Kein Jäger späht auf weiter Haide Nach ihrem hohen Grab und hört das Lied der Schlacht Um ihren Hügel nahn, und liest mit stolzer Freude, Was seine Väter einst vollbracht. |
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35. |
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Du treues Volk! wie hat in heißen Tagen So oft dein starker Arm die nord'sche Kraft bewährt Und weit die Banner Skiolds und seinen Ruhm getragen, Und deines Königs Schlacht durch kühnen Muth geehrt! Du Heldenschaar! die manchen Thron erschüttert, Kalt liegst du jetzt, der gier'gen Wölfe Raub, Und höhnend führt der Sturm den namenlosen Staub Zu fernen Ufern hin, die einst vor dir gezittert. |
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36. |
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Warum hat mich dein Arm erweckt Zum Anblick meiner Schmach? Warum, gewalt'ge Norne! So fährt er wilder fort und blickt mit finsterm Zorne Thorilden an, warum hat Schande mich befleckt Durch deines Zaubers Zwang? Soll in der Heimath Hallen Ich schimpflich ruhn, indeß der nord'sche Mann Lauthöhnend ruft: Für Skiold sind sie gefallen, Die Tapfersten, doch Skiold entrann! |
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37. |
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Schweig, Thor, beginnt mit finsterm Blicke Thorilde, richte nicht vor sterblichem Gericht Den Zwang der ewigen Geschicke. Ob dir zum Schmerz, ob dir zum Glücke Ihr Lied die Zaubernorne spricht, Gehorsam ist dir Noth, und Zürnen fruchtet nicht. Wähnst du, ich hätt' umsonst tief in den Felsenspalten Des nie erforschten Sees dein Leben dir erhalten? |
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38. |
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Soll ungerächt, befleckt vom Feindesschwert, Der eignen Kinder Blut der heil'ge Boden trinken? Soll in der Göttin See ihr eigner Opferherd, Besiegt von Menschenhand, die Macht der Götter sinken?Besiegt von Menschenhand die Macht der Götter sinken. – Die skandinavischen Völker vertrauten auf die Allmacht und Unbezwinglichkeit ihrer Götter eben nicht sehr. Das beweisen schon die ewigen Kämpfe der Götter mit den Riesen, wobei die Ersteren nicht selten zu kurz kamen. Vergl. das Gespräch Harbard in Gräter's nordischen Blumen, und Edda, Fabel 38 und 41. Daß überhaupt ungebildete Nationen die Kraft der Menschen der göttlichen Allmacht entgegensetzten, sieht man schon aus dem Homer an vielen Stellen. Il. V. 383–415. 336. 856. VI. 131. 559 [? 559 gibt's nicht]. Ein grauses Schicksal naht, noch schläft's in finstrer Nacht; Auf, auf, eh flammend es erwache! Es gilt für dich, für mich, für Odin gilt die Schlacht, Die Pflicht ermahnt, und wüthend spornt die Rache. |
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39. |
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Ich liebe dich, nie nahte Liebe mir; Jetzt lieb' ich dich mit ungezähmten Gluthen. Dir folg' ich nach durch Land und Fluthen, Durch Sturm und Nacht und Kampf, zum Tode folg' ich dir. Du sollst mein Rächer seyn, du sollst die Götter rächen! Sey stark, mein kühner Held! Dein harrt ein großer Schwur: Der Feinde Trotz, du sollst ihn brechen Und sterben, wenn es gilt, doch mit Thorilden nur! |
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40. |
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So ruft sie aus, und ihre Blicke sprühen Helllodernd Lieb' und Haß. In wilder Größe steht Die hehre Jungfrau da, des Zorns Gewölk' umziehen Todkündend ihre Stirn, der Rache Sturm durchweht Gewaltig ihre Brust, und herrlich, im Vertrauen Auf sich und auf den Gott, der ihren Mund belebt, Legt sie die Recht' auf's Herz und hebt Die Linke kühn empor durch's finstre Nebelgrauen. |
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41. |
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So flammt ein leuchtend MeteorSo flammt ein leuchtend Meteor. – Der Nordschein, der am nördlichen Himmel eine sehr gewöhnliche Erscheinung ist, gleicht oft ganz dieser Beschreibung. Am nord'schen Himmelssaum aus trüber Nacht empor. Rings dämpft ein hellverklärter Schleier Des Glanzes blendend Licht, doch sprühn mit regem Feuer Gluthstrahlen rings hervor; rasch wie ein schäumend Meer, Und bunt im Farbenglanz wogt's um den Himmel her, Und furchtbar jetzt, jetzt herrlich anzublicken, Erweckt es Zagen bald, bald schauriges Entzücken. |
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Ha, kühnes Weib! Heil uns, wir sind gerächt, Ruft Skiold erfreut, dich ließ ein Gott mich finden. Mit Starken soll der Starke sich verbinden, Daß hoch ein tapferes Geschlecht Nachwandle seinem Pfad. Nimm mich! Ich bin dein eigen, Und meine Schwüre, nimm sie hin! Nie weich' ich ab von dir, nie soll mein ehrner Sinn In fremder Götter Joch dem fremden Volk sich beugen. |
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Ihr AasenAasen oder Asen heißt der jüngere mythische Götterstamm, der nach der Vorrede zur Edda und nach Snorres norwegischer Chronik aus Asiaten bestand, die vor den Waffen des Pompejus in die nordischen Gegenden entflohen und sich dort religiöse Verehrung zu verschaffen wußten. Tyr, der Sohn Odin's und der Frigga, der stärkste unter den Göttern. – Und du Zerschmetternder – Thor, der Gott des Donners. Von ihm heißt es in der Edda:
(Jöturheim, das Land der Riesen, Jötunnen). Skulda, die Norne der Zukunft. , die ihr hell in Asgard's Hallen wohnt!Held Odin, heil'ges Licht der Götter! Und Tyr, du in der Schlacht ein Blitze schleudernd Wetter! Und du Zerschmetternder, der hoch auf Donnern thront! Jungfraun der Schlacht! vernehmt's, streitkundige Walkyren! Und Skulda grab' in ew'gen Fels den Schwur: Für euch, für's Vaterland und für Thorilden nur Soll Skiold die mächt'ge Lanze führen. |
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Er schwört's. Sie bietet ihm die Hand, Und fest umschlingt er sie. Die kühnen Herzen schlagen Laut an einander ohne Zagen, Und gegenseit'ge Kraft ist ihrer Treue Pfand. Sie wollen kämpfen, stehn und wagen, Ein Herz, Ein Leben seyn; ihr Muth will kühn das Band Der ew'gen Schicksalsmächte brechen, Beschirmen ihren Stamm und ihre Götter rächen. |
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Jetzt höre, was schon längst die Sterne mir vertraut, Beginnt die Priesterin, bald wird, um Lethra's ZinnenBald wird um Lethra's Zinnen – Wo Harald's Königsburg – Lethra war die uralte Residenz der dänischen Könige, die Rolvo, der dreizehnte dänische König, erbaut hatte. Saxo Gramm. II. p. 39. Harald Blaatand, der 59ste König in Dänemark, wurde von dem Kaiser Otto I. angegriffen und gezwungen, die christliche Religion anzunehmen. Dem Dichter wird es erlaubt seyn, sich dieser historischen Thatsache nach Willkür zu bedienen. , Wo Harald's Königsburg vom Felsen niederschaut, Des Kampfes wilder Sturm beginnen; Verderben naht, in düstern Sternen dräut's, Schwarz ziehn am nord'schen Pol Gewitter sich zusammen, Und freundlich naht ein leuchtend Kreuz Vom Süden sich heran und zuckt in rothen Flammen. |
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Dort blüht, mit mächt'ger Kraft begabt, Ein heil'ger Rosenkelch in Lethra's Tempelhallen: Nie kann der Dänenstamm und nimmer Odin fallen, So lang sein Volk an diesem Duft sich labt. Ihm naht ein Jeder sich mit Zagen, Weil den, der ihn berührt, des Todes Pfeil erreicht; Doch kühnem Sinn wird jeder Frevel leicht, Und was die Furcht verbeut, das kann der Wahnsinn wagen. |
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Dorthin, wo die Gefahr mit nahnden Blitzen droht, Dorthin geht unser Pfad, dort ist Vertheid'gung noth, Dort wollen kühn wir stehn und Odin's Tempel stützen, Die Säulen seiner Kraft, und vor dem Tode nicht, Nur vor der Schande fliehn; des Glaubens heil'ges Licht Soll dort verzehrend rings von Schwert und Lanze blitzen, Das edle Kleinod zu beschützen, Womit der ew'ge Ruhm der Dänen sich verflicht. |
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48. |
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Doch erst soll volle Rach' uns letzen An jener deutschen Schaar. Wohl wird ihr Führer fliehn, Denn dunkle Schicksalsmächte ziehn Um ihn den heil'gen Kreis; doch ha, bald stürzt Entsetzen Vernichtend auf ihn hin, wenn er die blut'ge That, Die ich ihm droht', erfüllt. Jetzt geh; im Nebelgrauen Ziehn Geister schon umher, des Zaubers Stunde naht, Kein sterblich Auge darf die düstre Feier schauen. |
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Er geht. Sie bleibt in öder Nacht zurück. Ihr Athem eilt, die raschen Pulse streben Gewalt'ger schon empor, verderblich rollt ihr Blick, Und trunkner Wahnsinn scheint durch jedes Glied zu beben; Sie stampft den Grund mit lautem Schritt Und streckt den mächt'gen Stab hinaus zu allen Winden Mit murmelndem Gesang; die bleichen Sterne schwinden, Die Woge bebt, die Felsen beben mit. |
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Und Kräuter häuft sie jetzt und morsch Gebein zusammen Auf glühndem Zauberherd' und netzt mit eignem Blut Den regen Kampf der bunten Flammen, Und bläulich zischt und kocht und ringelt sich die Gluth. Und als die Flammen jetzt mit matterm Glanz erbleichen, Und trüber Dampf die schwache Gluth umgraut, Bedräut sie rings die DänenleichenBedräut sie rings die Dänenleichen – Wiedererweckung der Todten, besonders derer, die in der Schlacht gefallen waren, gehörte zu den schauderhaftesten Proben der nordischen Zauberei. So liest man in der 67sten Fabel der Edda, daß Hilda, die Tochter Högner's, die von ihrem Liebhaber Hedin entführt war, in dem Kriege, der hierüber zwischen Högner und Hedin entstand, die Krieger, die des Tages in der Schlacht gefallen waren, des Nachts wieder erweckt habe, und daß so diese Schlacht bis zur Götterdämmrung fortdauern werde. Etwas verschieden erzählt dieselbe Fabel Saxo Gramm. V. p. 135, welcher den Högner Hoginus und den Hedin Hithinus nennt. Mit hochgeschwungnem Stab und ruft mit dumpfem Laut: |
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51. |
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Erwacht! Erwacht! euch ruft Thorilde: Noch einmal füllt des Körpers starren Raum, Ihr Geister! aus; ersteht, hohläugige Gebilde! Und fühllos hüllt und bleich euch in des Lebens Traum! Um euern Schild sey kaltes Grausen, Um euern Helm Gewitternacht, Um euern Pfad der Stürme Brausen! Thorilde ruft, erwacht, erwacht, erwacht! |
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52. |
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Und gräßlich rasseln rings die Waffen, Und zögernd folgt die Schaar dem trotzigen Gebot: Noch einmal rinnt ihr Blut, die breiten Wunden klaffen, Sie stehn empor; doch starrt in ihrem Blick der Tod, Und träumend schwanken sie und tragen Die schweren Glieder kaum, matt an den Einen lehnt Der Andre sich, und zuckend schlagen Sie Schild an Schild, ihr hohler Busen stöhnt. |
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53. |
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Und jetzt zum dunklen Luftgefilde Hebt sich der Jungfrau Stab, und schaurig tönt ihr Lied: Herab, herab, dich ruft Thorilde, Du schwarze Wolke dort, die schwer vorüberzieht! Mit Blitzen flammend komm, von Donnern hoch geschwollen! Auf dir sey Tod! Tief öffn' ein weites Grab Den düstern Schlund, wo deine Wogen rollen! Thorilde ruft, herab, herab, herab! |
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54. |
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Da senkt die Wolkenburg sich schwarz und schwer hernieder: Es heult im Wald, der Stamm der Eiche kracht, Und kämpfend spielt's mit dunklem Luftgefieder Um Fels und Hain und wogt in reger Nacht; Es seufzt im See, gewalt'ge Wetter ringen Mit seiner Fluth, die Blitze schwingen Zerschmetternd sich durch laute Donner hin, Und leuchtend prangt im Glanz die kühne Zauberin. |
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Und jetzt zum See, wo hoch die wilde, Die drohnde Woge schäumt, senkt sich der Herrscherstab: Empor, empor, euch ruft Thorilde, Erwacht im feuchten Wellengrab, Ihr Kinder gift'ger Brut, die Regner einst erschlagen!Ihr Kinder gift'ger Brut, die Regner einst erschlagen. Regner Lodbrock, der 51ste König der Dänen, liebte Thora, die Tochter Heroth's, des Königs von Schweden, und tödtete zwei ungeheure Schlangen, welche Heroth anfangs von seiner Tochter hatte auffüttern lassen, die aber später so groß und grimmig wurden, daß der König dem seine Tochter versprach, der die Ungeheuer erlegen würde. Die Geschichte steht weitläufig bei'm Saxo Gramm. IX. p. 262. Regner ist überhaupt sehr berühmt in der Sage, und sein Todesgesang gehört zu den schönsten Stücken in der alten nordischen Poesie. Taucht langgestreckt aus schwarzer Fluth hervor! Thorilde heischt den schnellen Zauberwagen, Thorilde ruft, empor, empor, empor! |
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Horch, da beginnt's sich tief im See zu regen, Unbändig ringt's sich in die Höh, Die Wog' erbebt von unsichtbaren Schlägen, Und Flammen speit und gift'gen Dampf der See: Und grimmig wälzen jetzt zwei große Ungeheuer Sich aus der Fluth, die mit Gebraus Sich um sie hebt, und sprühn das langgehemmte Feuer Auf's feindliche Gewühl der schwarzen Wellen aus. |
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57. |
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Vom Gift ist hoch der gelbe Bauch geschwollen, Mit hartem Schuppenkleid der Rücken rings bedeckt, Auf bäumt sich kühn das Haupt, in tausend Kreise rollen Sie Hals und Leib, die spitze Zunge streckt Giftträufelnd weit sich aus. Thorildens Zauberwagen Schließt sich an ihren Schweif mit ehrnen Banden an, Und wild begehrt das wüthende Gespann, Die leichte Last dahin durch Luft und Meer zu tragen. |
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58. |
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Es kömmt zum Strand empor am zackigen Gestein, Und um den Wagen schmiegt sich dicht die dunkle Wolke; Thorildens Stab gebeut dem bleichen Geistervolke, Zum grausen Zuge sich um ihren Sitz zu reihn. Und grinsend nahn die blut'gen Schaaren, Rauh rasselt rings der rost'ge Stahl Um ihre Glieder her, und zuckend läßt der Strahl Des Grabes starren Frost in jedem Zug gewahren. |
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59. |
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Jetzt rase, Sturm! Ihr Töchter Aegir's, naht!Ihr Töchter Aegir's naht –»Fornjodur, die Urerde, erzeugt Aegir, das Weltmeer, Kare, die Luft, und Lage, das Feuer. Aegir, als ein Riese gedacht und als solcher auch Gymer, der Unermeßliche, der Ungeheure, genannt, zeugt mit einer andern Riesin, Aurbode, die Tochter Gerda. Als ein Theil der Natur, als Elementargott, vermählt er sich mit Ran (dem Raube) und erzeugt mit ihr die Alles verschlingenden Stürme und Wogen, Hinningläffa, Dufa, Blödughadda, Hefring, Udur, Raun, Bylgia, Dröbna und Kolga, deren Namen alle den verschiedenen Grad ihrer Heftigkeit auszudrücken scheinen. So ist Bylgia der Sturm selbst, Dröbna das brausende und rauschende Wasser, Kolga die Meeresfluth, Hefring die sich erhebende, Hinningläffa die himmelandrohende Woge. Doch bieten sie auch schwesterlich, wie sie hier vereinigt sind, und freundlich den guten Menschen als Wellenmädchen die tröstende Hand und geleiten sie entweder glücklich an's Ufer oder legen die nicht mehr Errettbaren in den sanften Schooß der Mutter Ran.« Gräter's mythologische Briefe. S. Bragur 7ter Band. II. Abth. S. 27. Im wilden Tanz durchtobt den Schaum der Welle! Hoch hebe, Kolga, dich! und, Hinningläffa, schwelle! Laut beb' um euern Schritt der Woge rauher Pfad! Nicht bettet sanft, wenn eure Opfer sinken, Sie in der Mutter Schooß; zerschmettert tief im Meer An Klippen Stirn und Brust, ihr kaltes Blut zu trinken! Und rastlos treib' im Sturm ihr morsch Gebein umher! |
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60. |
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Um meinen Pfad sey Graun, und unter mir Verderben! Rasch züngle, Blitz, aus meiner starken Hand! Worauf mein Blick sich senkt, das muß verzagend sterben, Mein Hauch ist Qual, und dunkel mein Gewand, Mein Wagen soll mit schwarzem Blut sich färben, Zermalmen soll sein Rad der Panzer ehrnes Band. Beginnt den Schlachtgesang, hohläugige Gebilde! Thorilde zieht zum Kampf, auf Wettern thront Thorilde. |
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61. |
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So ruft sie aus, und, horch, die finstre Schaar beginnt Ein Lied der Nacht, ein gräßlich Lied zu heulen, Wobei in kühnster Brust das starre Blut verweilen, Das Herz zerspringen muß. So saust der hohle Wind Im öden Schutt verfallner Trümmer; So windet grausenhaft durch schwarzer Nächte Flor Bald bang, verzweifelnd bald, ein fernes Klaggewimmer Aus Marterkammern sich empor. |
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62. |
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Auf! auf! nicht länger darf die blut'ge Rache zaudern; Geliebter, komm! das dunkle Werk gelang. So tönt Thorildens Ruf. Der Däne naht mit Schaudern, Doch stärkt ein kräft'ger Zaubertrank Ihm Herz und Glieder bald. Das Paar besteigt den Wagen, Die Wolk' erhebt mit ihrer Herrscherin Sich hoch empor, und rasch, vom Sturm getragen, Schwimmt über Wald und Fels schwarzrollend sie dahin. |
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63. |
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Wie beben rings die Höhn! wie brechen Des Waldes Häupter jetzt! wie rauscht das dürre Laub Im Wirbelwind umher, wie stürzt in Feuerbächen Der rothe Blitz sich auf den sichern Raub! Wie rast die Wog' empor und trotzt den drohnden Wettern! Wie bricht sie krachend hin! Wie senken grau und schwer Die Hagelschauer sich und peitschen und zerschmettern Mit wildem Geißelschlag das ungezähmte Meer! |
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64. |
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Es pfeift und saust und heult und kracht und wüthet: Blitz kämpft mit Blitz, die Fluth verschlingt die Fluth, Aufwogend thürmt die Nacht sich um die Gluth, Auf Donnern thront der Tod, der Zwietracht Hohn gebietet Von Stürmen laut herab, in rothem Feuer brennt Der Wellen schwarzer Kampf, die Woge schlägt den Himmel, Der Himmel sinkt auf's Meer, und keine Grenze trennt Jetzt Luft und Fluth und Land im rasenden Getümmel. |
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65. |
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Wer hat euch Kraft, wer euch die ehrne Brust verliehn, Ihr Schrecklichen! die ihr den raschen Wagen Mit stummem Ernst und ohne Zagen Durch dies Verderben lenkt? Fest thronet ihr und kühn, Ihr Könige der Nacht! Weit reißt das wilde Grauen Den Rachen um euch auf, ihr zittert nicht zurück; Hoch schlägt im Sturm das Herz, und glühend strebt der Blick Das Ziel der Rache nur und nur den Feind zu schauen. |
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66. |
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O fliehe, Schiff, das Deutschlands Helden trägt, Weit, weit hinweg zu friedlichen Gestaden! Schon naht der Sturm, schon rauscht auf wilden Pfaden Die Fluth zu dir heran und schlägt Gewalt'ger schon den Bord. Des Schiffers Blicke stieren Vom Graun gebannt der nahnden Wolke zu, Und jach entschreckt der süßen Ruh, Beginnt sich rings das Volk in banger Hast zu rühren. |
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67. |
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Der zieht die Segel ein, der klimmt am straffen Seil Zum Mast empor, der sucht umsonst das Schiff zu lenken, Der hält des Ankers spitzen Pfeil In seiner Hand bereit, ihn in den Grund zu senken, Der wirft in's hochgeschwollne Meer Die salz'ge Fluth zurück, der sucht den Leck zu dämpfen, Und jener greift nach Schild und Speer, Als könne Menschenkraft mit Sturm und Woge kämpfen. |
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68. |
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Hoch, wie ein Gott, mit Kraft und Ruhe geht Held Adalbert umher und trotzet den Gefahren Und ordnet und ermahnt. Umsonst; sein Ruf verweht Im lauten Sturm, und Schreck betäubt die Schaaren. Doch ruhig, wie ein Heil'genbild, Sieht man bei Blitzesglanz das zarte Fräulein sitzen, Und fruchtlos sucht mit breitem Schild Vor Sturm und Regenguß der Sänger sie zu schützen. |
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69. |
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Und höher tobt die Wog' empor, Die schwarze Wolkenburg droht lastend über'm Schiffe, Der Himmel schließt sich zu, tief gähnt des Abgrunds Thor Und zeigt am Grund des Meers die spitzen Felsenriffe. Sieh, eine Wog' erhebt mit ungeheurem Schlag Sich auf's Verdeck und reißt mit drohnder Schwere Den Sänger fort. Er sinkt, und eine Wehmuthszähre Sinkt aus dem frommen Blick Cäciliens ihm nach. |
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70. |
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O Gott, o großer Gott! ruft mit gepreßtem Tone Der deutsche Held, wenn unsre Sündenschuld Uns fordert, nimm uns hin! Nur jene dort verschone, Die Heil'ge dort, die still mit gläubiger Geduld Auf deinen Arm vertraut! Und rasch zu ihren Füßen Sinkt er dahin: O bete du, Du selbst für dich! dir hört der Himmel zu, Du bist von Sünden rein: nur uns allein laß büßen! |
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71. |
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Er fleht umsonst. Der unerforschte Rath Der Vorsicht waltet hoch auf Stürmen: Und lauter heult der Wind, und immer höher thürmen Die Wogen sich empor, und immer tiefer naht Die Wolke sich herab, sie birst mit lautem Krachen. So springt der Hölle schwarzes Thor: Und grausend bäumen jetzt die ungeheuren Drachen Mit ihren Herrschern sich aus finsterm Dampf hervor. |
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72. |
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Und nieder sinkt das Volk mit gräßlichem Verzagen, Nur Adalbert erhebt den tapfern Blick; Den letzten Kampf, er will ihn kühnlich wagen, Er schwingt den Speer; doch in die Fluth zurück Treibt spottend ihn der Sturm. Mit dumpfen Grabestönen Beginnt die Geisterschaar den heulenden Gesang. Die bleiche Lippe grinst, und ihrer Schilde Klang Scheint rauh den schwachen Feind zu höhlen. |
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73. |
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Hohnlachend ruft die Jungfrau jetzt hinab: Erkennst du mich, Ohnmächt'ger, fruchtlos Kühner? Verachtest du noch jetzt der Rache schnelle Diener, Wenn Hertha zürnt, der Norne mächt'gen Stab? Fahr hin! fahr hin! Dich streckt Thorilde nieder. Wenn auch dein Gott dich jetzt dem Tod entrafftWenn auch dein Gott dich jetzt dem Tod entrafft. – Nach der Vorstellung der alten Dänen konnte jeder Gott den Seinigen helfen und in seinem Kreise wirken. Suhm über die leichte Verdrängung der Odinischen Religion. Bragur B. 4. Abth. I. S. 131. , Noch hat mein Arm, mein Zauber Kraft; Dir schwör' ich ewigen Kampf! Fahr hin! Du siehst mich wieder. |
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74. |
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Sie ruft's und schwingt in kühner Hand Das flammende Geschoß, und rothe Blitze schmettern Auf's Schiff herab. Hoch steigt in grauen Wettern Die Gluth empor, und flackernd läuft der Brand Von Bord zu Bord. In raschem Fluge Rollt jetzt der Wagen fort; die mächt'gen Schweife schwingt Im Fliehn das Drachenpaar. Laut kracht in jeder Fuge Das schwergetroffne Schiff, und jede Fessel springt. |
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75. |
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Da faßt im letzten Augenblicke, Als rings die Fluth, die rege Flamme droht, Der Held Cäcilien und hebt die nassen Blicke Zu Gott empor und ruft im Drang der heißen Noth: O schütze du, o rette, gnäd'ger Himmel, Was ich nicht retten kann! Und horch, dumpfkrachend sinkt Das Schiff hinab, und mit dem Fräulein springt Voll gläubigen Vertrauns der Held in's Fluthgetümmel. |