Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Achter Gesang.

1.
                      Kaum war der frühe Tag am Himmelssaum erwacht
Und hob, wie halb vom Traume noch umfangen,
Durch fliehnden Duft, mit rosenrothen Wangen
Und irrem Blick sich aus dem Schooß der Nacht,
Da klang der Ruf des Horns, und jeder Führer stellte
Die tapfre Schaar um's flatternde Panier,
Und herrlich angethan mit edler Waffenzier
Trat Heinrich's großer Sohn hervor aus seinem Zelte.
 
2.
Wie durch des Gärtners Kunst getrennt in manches Beet
Der Garten prangt, wo Rosen hier entsprießen,
Dort mit dem offnen Kelch die Lilien dich grüßen,
Die Nelke dort sich senkt und dort die Tulpe steht;
So war um seine eignen Fahnen
Ein jeder Gau geschaart, in seines Volkes Tracht
Ein jeder Mann gehüllt, und jeder Fürst der Schlacht
Trug stolz am Schild und Speer die Farben seiner Ahnen.
 
3.
Mit Adalbert erschien vor seiner Völker Reihn
Der Herr des deutschen Reichs, und wie mit wildem Brausen
Die Windesbraut am Tannenhain
Im Zorn vorüberfährt, daß hell die Gipfel sausen,
Rasch reißt der Sturm sich fort und heult und kracht und gellt
Und schwindet nach und nach gedämpft in ferner Haide:
So flog ein Siegesruf der Freude
Erst laut, verhallend dann, durch's weite Waffenfeld.
 
4.
Ihr Völker meines Throns und Streiter meiner Kriege,
Begann der Fürst, mich ruft des Reiches Noth.
Treu folgtet ihr mir stets zur Schlacht und froh zum Siege,
Vernehmt auch jetzt und achtet mein Gebot!
Der alte Feldherr muß von seinem Heere scheiden,
Doch läßt er nicht euch ohne Schutz zurück;
Drum muthig! kämpft und steht mit Freuden!
Nur mit dem Rechte flieht, nicht mit dem Herrn das Glück.
 
5.
Vertraut auf den, den ich mir auserkoren,
Den Gott sich selbst zur großen That ersehn;
Ihm haltet, was ihr mir geschworen,
Und was durch ihn geschieht, das sey durch mich geschehn!
Mein war der Kampf, jetzt will ihn Gott vollbringen.
Seyd treu und stark, ein Rath, ein Will', ein Schwert!
Einträcht'ge liebt der Herr und läßt ihr Werk gelingen,
Wer seinem Stolz gebeut, nur der ist ehrenwerth.
 
6.
Wie dort der Strahl am rothen Himmel leuchtet,
Und wie der Thau, der stille Sohn der Nacht,
Ringsum die Flur mit kühlem Duft befeuchtet,
Daß Wies' und Wald in frischem Glanze lacht:
So soll auch dieses Volk durch unsre blut'ge Fehde
Ein Licht des Heils, ein ew'ger Tag erfreun,
Und fröhlich soll in feindlich wilder Oede
Mit friedlich mildem Glanz das Wort des Herrn gedeihn.
 
7.
Drum seyd getrost und haltet wach am Schwerte
Die tapfre Hand! Nicht muthlos ist der Feind,
Nicht ohne Müh das Werk, wodurch der Herr euch ehrte,
Nicht klein der Dank, der euch am Ziel erscheint.
Nur durch gewalt'ge Kraft wird Herrliches geboren,
Nur durch den harten Stahl entsprüht der Glanz dem Stein,
Und nur der Held geht zu des Sieges Thoren
Durch Blut und Schutt, des Friedens Herold, ein.
 
8.
Und du, den Gott als einen Krieger sandte
Zum heil'gen Kampf, dem er schon früh
Das junge Herz zu großen Thaten wandte
Und in der kleinen Welt so hohen Sinn verlieh,
Dir sag' ich nichts. Du trägst den Kranz mit Freuden,
Wodurch dich Gott vor allem Volk verklärt,
Zu groß für ird'sche Lust bist du des Todes werth,
Dein Kaiser weint um dich, – du lächelst – laß uns scheiden!
 
9.
Er sprach's und drückte rasch des Helden ehrne Hand
Und ging dem Rosse zu. Und alle Fahnen senkten
Sich vor dem Jüngling tief, und viele Thränen drängten
Aus Heldenaugen sich, und mancher Krieger stand
Mit frommerhobnem Blick. Doch durch die feuchten Auen,
Die jugendlich der lichte Hain umlaubt,
Ritt Otto schon hinweg und bog das ernste Haupt
Noch oft zurück, den Freund zum letzten Mal zu schauen.
 
10.
Doch als im Walde Mann und Roß
Allmählig schwand, da denkt der Held an seine Lieben,
Die fern auf ödem Felsenschloß
In Reinalds Schutz zurückgeblieben.
Nicht länger kann er jetzt das Wiedersehn verschieben,
Auch mahnt ihn schweigend oft sein tapferer Genoß
Durch Wink und Blick. Was frommen Ruhm und Freuden,
Soll unser Herz dafür sein schönstes Kleinod meiden!
 
11.
Doch darf er nicht das Volk, das ihm sein Herr befahl,
Der irren Heerde gleich, dem Zufall überlassen;
Drum schaut er still umher und sucht mit ernster Wahl
Den Mann, der würdig sey, das Feldherrn Schwert zu fassen.
Wohl war hier mancher Held von adligem Geblüt,
Wohl mancher konnte werth des schönen Lohnes heißen,
Doch keiner thronte jetzt so hoch in Sag' und Lied
Als Archimbald, der edle Graf von Meißen.
 
12.
Zu ihm trat Adalbert und sprach mit mildem Wort:
Mir hat ein ernstes Amt der Kaiser zugewendet;
Doch ruft die ältre Pflicht auf kurze Zeit mich fort.
Sey du der Schutz des Heers, bis ich die Fahrt vollendet!
Lang glänzt dein alter Ruhm durch manche kühne That,
Wohl möchte mich dein Herz ein stolzes Knäblein schelten,
Bestimmt' ich dir mit keckem Wort den Pfad,
An dessen Ziel schon längst dich Kraft und Weisheit stellten.
 
13.
Gar sittig neigt der Graf sein Haupt
Und spricht: Mich ehrt die Pflicht, die mir dein Ruf vertraute.
Wenn auch vom Alter längst die Scheitel mir ergraute,
Noch ist nicht jede Kraft dem tapfern Arm geraubt,
Nicht aller Muth der Brust. Dies Schwert, das oft die Kriege
Des Reichs verfocht, der alte treue Stahl,
Den noch kein Feind zerbrach, wohl führt er noch ein Mal
Auf längst gewohnter Bahn den grauen Freund zum Siege.
 
14.
Er sprach's und schlug an's Schwert und bot den Rittern dann
Zum Lebewohl die Hand. Die eilten zu den Rossen
Und ritten, hell vom Glanz des frühen Lichts umflossen,
Durch Wies' und Thal hinweg. Tiefschweigend übersann
Ein jeder sein Geschick. Durch leichte Liebesträume
Flog Biarko's Geist dahin und schaute stolz im Glück
Zur schönen Welt hinab; doch seines Freundes Blick
Hing ernst und ahnungsvoll am Blau der ew'gen Räume.
 
15.
O Seligkeit! so dachte Gormo's Sohn,
Ha, wie es glänzt und duftend weht und schimmert!
Wie lacht die Luft so hell, wie schallt von süßem Ton
Gebirg und Thal, wie perlt und flimmert
Im Blüthenkelch der Thau! Ist nicht die weite Welt
Ein holdes Brautgemach, wo Lieb' und Lust und Sehnen
Mit tausend Stimmen spricht, und Wies' und Wald und Feld
Zu einem Kranz sich webt, der Liebsten Haupt zu krönen!
 
16.
Wie flüchtig wallt in meiner Brust das Blut,
Wie rieselt freud'ge Kraft durch meine leichten Glieder!
Hoch schwillt das kühne Herz von frischem Lebensmuth,
Dem raschen Geiste wächst ein fröhliches Gefieder,
Das in die Höh' ihn schwingt. Und wie sich auf und nieder
Der Himmel regt, und hell die blaue, luft'ge Fluth
In zartes Licht zerrinnt, so scheint mein ganzes Wesen
Leisathmend in den Glanz der Lust sich aufzulösen.
 
17.
Bald werd' ich jetzt die Heißgeliebte sehn.
Wohl harrt sie mein, vielleicht vom duft'gen Blüthenschleier
Des Hains verhüllt, und horcht dem linden Wehn
Des Laubendachs und seufzt: Wo weilst du, mein Getreuer?
Ihr zartes Haupt ruht sinnend auf der Hand,
Das helle Morgenroth umleuchtet ihre Wangen,
Die Blume küßt den Arm, und leichte Blüthen hangen
Im sanft gelockten Haar und flattern um's Gewand.
 
18.
Ich nahe schon, ich nahe, süßes Leben!
Schon ist mit Gott mein tapfres Schwert bereit,
Dich hoch empor, Geliebte, zu erheben
Aus niederm Staub und öder Einsamkeit.
Die helle Krone soll in deinen Locken blitzen,
Ein goldner Schmuck um deinen zarten Leib,
Und wie die Sonn' am Pol, so sollst du prangend sitzen
Auf königlichem Thron, ein königliches Weib.
 
19.
Und wenn ich zagend dann, von heißer Sehnsucht trunken,
Geblendet von dem Strahl, der deinem Aug' entfließt,
Auf meine Knie vor dir, du Herrliche, gesunken,
Und nur mit scheuem Blick mein banges Herz dich grüßt,
Dann hülle mild die freundliche Gewährung
Dein keusches Angesicht in ihren Rosenflor,
Und schüchtern hebe du zu seliger Verklärung
Den Glücklichen, der dich errang, empor!
 
20.
So träumte Gormo's Sohn, und süße Gluth durchbebte
Sein klopfend Herz; auf jedem leisen Laut,
Auf jedem Duft, auf jedem Lüftchen schwebte
Sein freud'ger Geist voran zu seiner holden Braut.
Doch wie der stille Mond das luft'ge Meer durchgleitet
Und auf die Wolken selbst, die feindlich sich ihm nahn,
Auch im Verschwinden noch sein mildes Licht verbreitet,
So zog sein Freund dahin und dacht' im heil'gen Wahn:
 
21.
Sey still, mein Herz! Was schlägst du schwer und bange,
Da sich das Ziel, wonach du rangst, genaht?
Selbst schwachen Sinn erhöht und stärkt die große That;
Was zagst denn du, da Gott dich schon so lange
Zu seinem Werk erkor? Schon steigt auf hellem Pfad
Die Sonn' empor, schon sinkt zum Untergange
Das heil'ge Licht. Ein edler Fall erhebt,
Wer herrlich stirbt, der hat genug gelebt.
 
22.
Senkt nicht der Thau sich friedlich auf's Gefilde,
Ein zarter Gast, der aus dem Himmel stammt?
Er schafft den Blüthenhalm zum hellen Sterngebilde
Und kühlt im Kelch den Duft, wenn heiß die Sonne flammt.
Doch wenn er mild das matte Grün erhoben
Und in der Blume Schooß ein zartrer Athem lebt,
Dann kehrt er auf dem Strahl des Lichts zurück nach oben,
Ein silbernes Gedüft, das durch den Himmel schwebt.
 
23.
So muß die Liebe nahn und so das Herz berühren,
Im irdischen Gebild ein Funk' aus Gottes Brust.
Nur stärken soll sie uns, nur heiligen und zieren,
Auf Erden wohnt der Wunsch, im Himmel nur die Lust.
Und ist die weite Welt auch herrlich rings gestaltet,
Schlägt auch das junge Herz mit sehnsuchtsvollem Drang
Dem warmen Leben zu, noch keine Kraft errang
Die Perle, die erst dort ihr reines Licht entfaltet.
 
24.
Uns ist ein schönres Land da drüben aufgethan,
Auf Wolken thront die Burg, die Starke nur gewinnen;
Durch Nacht und Nebel geht die Bahn,
Doch weht das Morgenroth als Fahne von den Zinnen.
Hinan, hinan! Ein Engel zieht vorauf
Und haucht dir Stärkung zu, wenn Kraft und Muth ermatten,
Und friedlich endet sich im lichten Palmenschatten
Nach heißer Müh der siegbekränzte Lauf.
 
25.
So denkt der Gottesheld und zieht im ernsten Schweigen
Mit seinem Freund bergauf, bergab.
Sein Herz ist hell, und Glaub' und Hoffnung steigen
In seinem Busen auf und kränzen Tod und Grab.
Er schaut empor, und Engelbilder neigen
Zum zarten Gruß dem Freunde sich hinab,
Und über kurzes Glück und über Wunsch und Wehe
Schwingt zu der sel'gen Schaar sein Geist sich in die Höhe.
 
26.
Schon war das Thal durcheilt, schon dröhnte rasch und laut
Vom Doppelschlag des Hufs der hohe Bergesrücken,
Die Ritter sahn umher, die Zinnen zu erblicken,
Wo Liebe jetzt vielleicht nach ihren Freunden schaut.
Wohl ragten fern die alten Tannen
Am Rand des Vorgebirgs, wohl that des Berges Thor
Sich tief einschneidend auf, wo tausend Bäche rannen,
Doch keine Warte hob im Walde sich hervor.
 
27.
Und dunkle Ahnung weht gleich mitternächt'gen Winden
Sie schaurig an, ein schwarz beschwingter Geist,
Der Zweifel treibt sie fort, das Räthsel zu ergründen,
Indeß des Unheils Furcht sie stehn und zaudern heißt.
Nur langsam nahn sie sich, wie auf unheil'ger Stelle
Ein Wandrer geht, wo tief der Erde Bauch
Gefangnes Feuer nährt, und gift'ger Schwefelhauch
Durch jähe Spalten dringt aus unterird'schem Quelle.
 
28.
Sie langen an, und wie die Flur sich zeigt,
Wenn wild das Element sein Felsenband zerrissen
Und mit gewalt'gem Zorn aus tiefen Finsternissen
Zum Licht empor mit tausend Armen steigt,
Der Boden höhlt sich aus von grimmen Feuerflüssen,
Zum Abgrund wird der Fels, gespaltnen Bergen weicht
Das enge Thal, zerstörte Städte decken
Gleich einem Leichenstein die fluchbeladnen Strecken:
 
29.
So lag die Stätte da, worauf die Liebe kaum
Ihr schönstes Fest beging. Zertrümmert war der Hallen
Gewölbtes Dach, vom Schutt bedeckt der Raum,
Wo Pfeiler und Gesims in's tiefe Thal gefallen,
War Baum und Busch zerknickt. Doch wie ein starker Held
Im Siegeskranze liegt auf blut'gem Waffenfeld,
So schien der alte Thurm mit seinen Mauerkronen,
Wenn auch hinabgestürzt, noch auf dem Schutt zu thronen.
 
30.
Der Bilder alte Zier, die sonst den Saal geschmückt,
Das fürstliche Geschlecht, das einst mit stolzem Prangen
In dieser Burg geherrscht und tapfer und beglückt
Hier manches Siegesmahl, manch hohes Fest begangen,
Vergessen lag es jetzt, von Schutt und Staub umfangen,
Von seiner eignen Macht zerschmettert und erdrückt,
Und jede Stelle war dem Enkel längst entschwunden,
Wo Lieb' und Wohl und Weh die Väter einst empfunden.
 
31.
Nicht hatte Menschenhand und nicht die Kraft der Zeit
So wunderbar den alten Bau zerrüttet.
Der Steine Riesenlast war weit umher verstreut,
Emporgewühlt der Grund, die Giebel tief verschüttet,
Gespalten war der Fels, der hoch die Feste trug,
Verwelkt das Grün, das seinen Abhang schmückte,
Und ringsum schien's, als ob ein schwerer Fluch
Gefild und Wald und Luft und Leben drückte.
 
32.
Erstarrt steht Adalbert, ein kaltes Zittern strebt
Durch sein Gebein, ein trüber Schleier windet
Sich um sein Aug', aus seinen Wangen schwindet
Das Roth, es bricht sein Knie, sein Körper schwankt und bebt.
Er weiß im Schmerz sich nicht zu helfen noch zu rathen,
Die Hand, die zürnend erst zum Schwerte fuhr, sie neigt
Sich schlaff dahin, er denkt an seine Thaten
Und sieht empor zu Gott und sieht hinab und schweigt.
 
33.
So schwieg der alte HeldSo schwieg der alte Held. – Dieses Bild ist aus einer Situation im Titus Andronicus Act III. Sc. 1. genommen, einem Stücke, das nach verschiedenen Urtheilen dem Shakspeare bald ab- bald zugesprochen wird, worin ich aber fast nur diese einzige Scene seiner würdig nennen möchte. , der Alles hingegeben,
Was ihn geschmückt, der Hohn und bittre Pein,
Der Schande selbst ertrug, der Kinder holdes Leben
Aus seines Feindes Hand vom Tode zu befrein.
Bald denkt er nun die Theuren zu umarmen,
Das Einzige, was noch das Glück ihm nicht geraubt,
Da naht ein Henker sich und bringt ihm ohn' Erbarmen
Mit kaltem Spott der Söhne blutig Haupt.
 
34.
Doch wie der Blitz, wenn auch die Wolk' ihn bindet,
Und schwarz verhüllt der Donner mit ihm ringt,
Mit raschem Strahl die rege Nacht durchdringt
Und leicht sein Grimm ein sichres Opfer findet,
Er zuckt und fährt hinab und trifft und zündet,
Die Flamme steigt, und Fels und Mauer sinkt,
Der ist kein Kind des Glücks und nicht von Gott gesegnet,
Der auf der mächt'gen Bahn dem Zürnenden begegnet:
 
35.
So flammte Biarko's Zorn. Kein dumpfes Staunen band
Ihm Geist und Arm, nein, wilder Schmerz empörte
Zum Wahnsinn seine Kraft. Rasch griff er nach dem Schwerte,
Sein Auge flog umher und suchte wuthentbrannt
Den Räuber seines Glücks, durch Busch und Dorn und Hecken
Und Klippen drang er vor und sprang von Wand zu Wand
Am Fels hinab und rief und schwieg und lauscht' und stand,
Die Stimme seiner Braut im Thale zu entdecken.
 
36.
Dann kehrt' er heim zur Burg und sucht' in wilder Qual,
Ob dort ihm keine Spur, kein schwacher Trost erscheine.
Bald irrt' er hier, bald da und grub mit scharfem Stahl
In Asch' und Staub und schleuderte die Steine
Umher mit wüth'ger Kraft. Rings splitterten die Haine,
Laut scholl die Luft, dumpf donnerte das Thal
Vom harten Wurf, und wie in Wind und Wetter
Zerstoben, rasselten vom Schutt die dürren Blätter.
 
37.
Doch als erschöpft die letzte Kraft ihm bricht,
Da sinkt er stumm mit sterbender Geberde,
Mit wundgeritzter Hand und blut'gem Angesicht
Und athemloser Brust, entstellt und bleich zur Erde,
Sein Auge starrt, er regt und fühlt sich nicht
Und seufzt nur matt. So liegt am Opferherde
Des Stiers gelähmte Kraft. Er schweigt, und nach und nach
Wird mit den Thränen erst die dumpfe Klage wach.
 
38.
Ist auch ein Gott, so sprach vom Wahn bezwungen
Der irre Geist aus ihm, wo weilte denn sein Blick,
Als diese Blume sank? Und ist das höchste Glück
Denn nur ein eitler Traum, vom Augenblick entsprungen,
Vom Zufall fortgerafft, so dulde, zürnend Herz!
Was freust du dich im Glück, was blutest du im Schmerz?
Wohl ist ein Gott, hart treffen seine Pfeile;
Doch keinen Richter giebt's, der Lust und Leid vertheile.
 
39.
Und ist es denn umsonst, daß kühn der edle Muth
Ein hohes Ziel sich setzt, um das er Alles wage,
Um das er Kampf und Müh' und Schmerz und Noth ertrage,
Um das er freudig Gut und Blut
Und Kraft und Leben giebt, das jedes Glück ihm gründet,
Für alles Herrliche den tapfern Mann entzündet,
Mit jeder Tugend ihn, mit jedem Schmuck ihn ziert
Und einst den Würdigen empor zum Himmel führt?
 
40.
So hab' ich dich geliebt! So warst du meinem Leben
Der beste Schatz! Ach, Liebe nur vermag
Mein schwankend Herz zu großer That zu heben!
Jetzt bist du hin, und zagend sinkt und schwach
Mein Geist zurück. Was du mir einst gegeben,
Entschwand mit dir, der Schmerz nur blieb mir nach!
Was frommt es mir, zu hoffen und zu wagen,
Ist's nicht für dich? – Fahr' hin! ich muß verzagen.
 
41.
Nein, ich verzage nicht. Noch lebst du wohl, noch traut
Und hofft dein Herz auf mich. Dich will ich wiederfinden,
Ich schwör' es dir! Sey muthig, holde Braut!
Und wärst du auch versteckt in tiefen Felsenschlünden,
Wärst du auch dort, wohin kein Menschenlaut,
Kein Auge reicht, wo Licht und Leben schwinden,
Ich dringe kühn in deinen Kerker ein
Und will dein Schutz, dein Heil, wo nicht dein Retter seyn!
 
42.
Er ruft's und rafft sich auf und steht mit frischem Muthe,
Mit alter Stärke da, sein Aug' ist neu belebt,
Er fühlt es nicht, daß Wang' und Hand ihm blute,
Da über Schwäch' und Schmerz die Hoffnung ihn erhebt.
Noch schwieg sein Freund; wo sie von ihm geschieden,
Da saß er still, auf seinem Arme lag
Sein mattes Haupt, er sann und kämpfte lang um Frieden,
Um Glauben nur zu Gott. Dann sah er auf und sprach:
 
43.
So sey es denn, ich will auch das dir schenken!
Gewalt'ger Gott, schwer fühl' ich deine Hand
Auf meinem Haupt. Ich dulde, magst du's lenken,
Wie dir's gefällt. Dir ist allein bekannt,
Was deinem Kinde frommt. Du hast mir Sorg' und Klagen
Und nahen Tod bestimmt. Oft hat in frührer Zeit
Mein Herz gezürnt. Vergieb! – Jetzt kann ich Alles tragen,
Nachdem ich dies ertrug. Befiehl! ich bin bereit.
 
44.
Doch ach, daß sie, die Göttliche, die Reine,
Die, reich an heil'ger Kraft und frei von ird'scher Schuld,
Dein schönster Abglanz war, du Gott der Lieb' und Huld,
Daß sie so früh schon sank, das ist's, warum ich weine,
Was mich verzweifeln läßt. Weh mir, weh, armes Herz,
Sie litt für dich! Sie, der so hold hienieden
Das Leben lächelte, sie ist für dich geschieden,
Und du, du brichst noch nicht und trägst den bittern Schmerz?
 
45.
Ach, die so liebreich war, so heilig im Gemüthe,
Der Gott den reichsten Schmuck so wunderbar verliehn,
Daß alles Herrliche, was je im Leben blühte,
In ihr allein nur klar und tadellos erschien,
Sie, deren offnes Herz von jedem leisen Klange
Der Lust erzitterte, in der sich jedes Glück
Verschönerte, sie starb, und ich, der schon so lange
Vom Leben schied, ich Armer blieb zurück!
 
46.
Doch flieht das Zarteste nicht immer früh von hinnen?
Naht nicht im schönsten Duft den Blüthen schon der Tod?
Erblaßt bei'm ersten Strahl nicht schon das Morgenroth?
Muß nicht im Sinken fast die Perle schon zerrinnen,
Die rein vom Himmel thaut? Ach, von den ew'gen Höhn
Sieht selten nur der Mensch die selben Engel steigen!
Wen einmal sie gegrüßt, der muß vor Gott sich neigen
Und freudig seyn, er hat den Glanz des Herrn gesehn.
 
47.
Ich will ihr nach! Nicht lange will ich scheiden
Von ihr, die jeden Schmerz ertragen mich gelehrt!
Sie liebte mich, ich bin des Himmels werth;
Stark will ich seyn, will kämpfen jetzt mit Freuden!
Sie leitet mein Panier, sie selber lenkt mein Schwert.
Süß ist's, für sie zu handeln und zu leiden,
Für sie zu sterben, süß, und wenn das Werk gelang,
Dann lohne mich der Tod, ihr sey des Sieges Dank!
 
48.
So ruft er aus und sieht mit hellen Blicken
Zum Himmel auf, dann naht er seinem Freund.
Sie sehn sich schweigend an und drücken
Sich lang an' s Herz, und Jeder seufzt und weint
An seines Freundes Brust. Uns ließ das Glück uns finden,
Ruft Adalbert, und gleicher Liebessinn
Zog leis' und süß den Freund zum Freunde hin,
Viel fester noch wird jetzt uns gleiches Leid verbinden.
 
49.
Ich ziehe fort, wohin die Pflicht gebeut.
Du bleib' und forsche rings in diesen wilden Hainen,
Ob Gott uns nicht vielleicht noch Trost und Heil verleiht!
Bald kehr' auch ich zurück, mit dir mich zu vereinen.
Schwer wird mir jetzt mein Amt, doch stärkt der Herr die Seinen:
Wie du dem Minnedienst, so bin ich ihm geweiht.
Und mag noch härter mich des Unglücks Arm erreichen,
Ich will von meinem Schwur nicht wanken und nicht weichen.
 
50.
Wohl weiß ich, daß mir fern ein größer Leid noch droht,
Wie einst in ihrem Zorn die Zauberin mich lehrte.
Weh mir, es schläft in diesem Schwerte
Noch eine grause That, des eignen Bruders Tod.
Du siehst, o Gott, mein Herz, dir liegt es aufgeschlagen,
Das Buch des Heils, das Buch der Schuld;
Sey gnädig, sey gerecht, gieb Kraft mir und Geduld,
Das Ungeheure selbst mit Demuth zu ertragen!
 
51.
Er spricht's. Sie scheiden still mit abgewandtem Blick,
Als scheue Jeder sich des Andern Schmerz zu sehen.
Der Ritter zieht den Pfad durch Wald und Thal und Höhen,
Den er so freudig kam, mit düsterm Geist zurück.
Vergebens hüpft mit leichtem Tanze
Der Quell am Weg empor, vergebens schmückt der Hain
Mit süßen Liedern sich, die Flur mit Blumenglanze,
Er sieht und hört es nicht und denkt in stiller Pein:
 
52.
Hinaus, hinaus, wo wild die Herzen schlagen
In Haß und Zorn, hinaus in's blut'ge Feld!
Dort stirbt der eigne Schmerz, betäubt von fremden Klagen,
Es klirrt das Schwert, die Lanze saust und gellt.
Hoch wächst der matte Muth im Kämpfen und im Wagen,
Wie Glück und träger Sinn sind Kraft und Noth gesellt.
Wenn aus der Brust die blut'gen Ströme rinnen,
Zersprengt der Geist sein Band und schwingt sich frei von hinnen.
 
53.
So sinnend naht er sich dem hohen Bergesthor,
Wo schroffe Felsenreihn den letzten Abhang krönen.
Da schallt ein wildverworrnes Tönen
Durch's langgewundne Thal von weiten ihm in's Ohr,
Schon hört er Schlachtgeschrei, und helle Hörner schmettern
Gar muthig drein, es klirrt wie Schwert und Speer,
Und trappelnd dröhnt, gleich dumpfen Donnerwettern,
In wilder Hast der Rosse Huf daher.
 
54.
Und als er jetzt mit raschverhängtem Zügel
Den Ort erreicht, wo sich die Ebne senkt,
Da sieht er staunend schon vom letzten flachen Hügel,
Daß wild durch's weite Thal die laute Schlacht sich drängt.
Die Flur erbebt, hoch steigt des Staubes Wolke
Zum Himmel auf und hüllt die Sonn' in Nacht,
Am Christenlager tobt schon nah die grimme Schlacht,
Schon bricht das deutsche Heer und weicht dem Dänenvolke.
 
55.
Kaum sieht sein Blick die Noth, die seinen Schaaren dräut,
Da hat auch rasch sein Arm das scharfe Schwert gezogen,
Schon ist beschäumt sein Roß in's Thal hinab geflogen,
Schon langt er an, schon stürzt er in den Streit,
Er droht und fleht und reißt sich durch die Wogen
Des Kampfes hin und her und ordnet und gebeut,
Hier haut sein flammend Schwert die kühnen Feinde nieder,
Dort stellt, dort sammelt er die flücht'gen Seinen wieder.
 
56.
Stets sprengt er auf und ab und wechselt stets den Ort,
Scheint stets zu fliehn und dennoch nie zu weichen,
Hoch über Schwert und Schild und über Feind und Leichen,
Durch Tod und Leben trägt sein blutig Roß ihn fort.
Er scheint dem Aar im Flug, der Flamm' an Zorn zu gleichen,
Gleich Blitzen zuckt sein Schwert, gleich Blitzen trifft sein Wort,
Die Fähnlein schließen sich, die fast gebrochen waren,
Und neu gesammelt stehn die rings versprengten Schaaren.
 
57.
Schon mußte Archimbald, der ritterliche Graf,
Im heißesten Gewühl vom blut'gen Felde scheiden.
Gar männlich focht der Greis, und manches Leben traf
Sein gutes Schwert, kein Fähnlein wich den Heiden,
So lang der Führer stand. Da tobte Grim heran,
Ein starker Held, der fern in Anholt hauste,
Hoch schwang sein Arm die Axt, sein Streitroß schnob und brauste,
Und drohend rief er jetzt den alten Helden an:
 
58.
Was weilst du, Greis, im wilden Schlachtgewühle,
Ein morscher Stamm, den jedes Kind zerbricht?
Dem Jüngling ziemen nur des Krieges blut'ge Spiele,
Wohl blinkt in schwacher Hand das Schwert, doch trifft es nicht.
Bleib du daheim und sitz in stiller Kammer
Und meld' in sichrer Burg den zarten Kindelein,
Was du als Mann gethan! Er spricht's und schwingt den Hammer
Und dringt mit hartem Schlag auf seinen Gegner ein.
 
59.
Rasch hält der Greis ihm seinen Schild entgegen,
Daß von dem eignen Streich zurück der Spötter prallt,
Und unerschüttert sitzt der tapfre Archimbald.
Dann holt er aus und schwingt den guten Degen
Um seines Feindes Haupt und trifft mit mächt'gen Schlägen
Ihn hier und dort, daß laut der Helm erschallt;
Nur mühsam kann der Feind mit flinkem Arm sich schützen,
So grimmig sieht er rings die scharfe Schneide blitzen.
 
60.
Noch einmal stürmt er ein, doch trifft er stets den Schild
Und kann das Haupt ihm nie und nie die Brust verwunden.
Indeß hat Archimbald die Fugen ausgefunden,
Wo unter'm Helm die Brust des Feindes sich enthüllt.
Dort trifft er ihn mit Macht: vom scharfen Hieb gespalten
Trennt Helm und Harnisch sich, in heißen Strömen dampft
Sein Blut, er sinkt vom Roß, das zürnend ihn zerstampft
Und laut ruft Archimbald: Das nimm du hin vom Alten.
 
61.
Ergrimmt sieht Rolf, der vorn im Dänenheer
Die Christen hart bedrängt, das Blut des Freundes fließen.
Ha, kecker Greis, das sollst du schwer mir büßen!
So ruft er aus und wirft den langen Speer
Auf Archimbald. Der beugt sich dem Geschosse
Mit schlauer Kunst, der Speer berührt ihn nicht,
Doch trifft er hart den Mann, der ihm zur Seite ficht,
Den tapfern Gundibert, und stürzt ihn todt vom Rosse.
 
62.
Doch folgt auch Rolfo schon dem mächt'gen Speere nach,
Er spornt sein Pferd und haut sich durch die Kreise
Des dichten Schlachtgewühls und setzt dem tapfern Greise
Mit scharfem Schwerte zu und sendet Schlag auf Schlag
Auf Helm und Schild hinab. Der ist nicht faul zum Streite,
Er schwingt den Stahl und trifft, vom Schilde stets geschützt,
Bald Rolfo's Brust und bald sein Haupt, bald seine Seite,
Daß schon das helle Blut aus mancher Wunde sprützt.
 
63.
Da hebt der Feind, vom langen Kampf erbittert,
Die Kolb' empor, sie saust und trifft mit Macht
Des Helden Arm und Brust, das gute Schwert zersplittert,
Es bricht der Schild, die ehrne Rüstung kracht,
Der Alte wankt und greift umher und zittert
Und hält sich kaum zu Roß, sein Aug' umdunkelt Nacht;
Doch stützt ein Knapp' ihn schnell und faßt sein Thier am Zügel
Und lenkt es aus dem Kampf auf einen fernen Hügel.

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