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Ay, every inch a King!
Shakespeare.
Der alte Fritz ist todt! endlich! endlich! ging es eines Tages wie ein Lauffeuer durch die Stadt, und die Leute freuten sich und riefen beinahe jubelnd die längst erwartete Nachricht einander entgegen, als wäre durch den Tod des großen Königs alles Leid von ihnen genommen, als müsse der schwere Druck, unter dem sie seit so vielen Jahren seufzten, jetzt schwinden, und Alles anders und folglich besser werden; denn jede Veränderung, wie sie immer auch sei, gewährt bei ihrem Eintritt dem Leidenden ein Gefühl von Erleichterung und nahender Erlösung.
Mein Vater war weit davon entfernt, diesen freudigen Taumel seiner Mitbürger mit ihnen zu theilen, obgleich er nicht durch offenbaren Widerspruch ihn zu dämpfen suchen mochte; er wußte zu gut, wie bald er ohnehin schwinden werde.
Die Verblendung, die ein keimendes Glück zu sehen glaubte, wo er nur die nahende Auflösung des armseligen Schattenbildes republikanischer Freiheit, das man uns gelassen, vorempfand, machte auf meinen Mann einen eben so traurigen als widerwärtigen Eindruck. Lieben konnte er den großen Zerstörer unseres im Verlauf vieler Jahrhunderte durch die Zeit befestigten und geheiligten Glückes nicht, aber doch empfand er jede freudige Aeußerung über das Scheiden dieses hohen, gewaltigen Geistes aus dem irdischen Leben als eine unwürdige Ungerechtigkeit.
Es war ihm unmöglich, die Eigenschaften nicht anzuerkennen, durch welche der große König seine Zeitgenossen hoch überragte; er selbst hatte in einer ernsten, verhängnißvollen Stunde dem scharf durchdringenden Blick des Auges gegenübergestanden, das nun auf immer geschlossen war, hatte den Zauber jener jetzt auf ewig verbundenen Stimme empfunden, dem Niemand so leicht zu widerstehen vermochte. Bei seiner Durchreise durch Berlin, als er vor mehreren Jahren nach langem Aufenthalte im Auslande in seine Vaterstadt zurückkehrte, um dort mit seinem Bruder sich zu etabliren, war er bei der Parade dem Könige aufgefallen, dem so leicht keine neue Erscheinung entging, und wurde noch am nämlichen Tage eingeladen, am folgenden Morgen früh um sechs Uhr im Kabinet des Königs sich einzustellen. Er folgte pünktlich dem ihn ehrenden Ruf und fand den König allein, der sogleich anfing, mit bedeutender Sachkenntniß über die Handelsverhältnisse der verschiedenen Länder, in denen Schopenhauer längere oder kürzere Zeit verweilt hatte, ihn zu befragen.
Sein die Gegenwart, in der er sich befand, nie vergessender Freimuth schien dem Könige zu gefallen; aus Fragen von der einen, Antworten von der andern Seite, wurde zuletzt ein eben so lebhaftes als interessantes Gespräch, das nahe an zwei Stunden währte. Das Ende desselben war eine wiederholte, beinahe dringend werdende Aufforderung des Königs, alle Prärogative und Vortheile, die ihm wünschenswerth dünkten, zu verlangen, und auf ihre Gewährung zu rechnen, wenn er sich entschließen könne, statt in Danzig, im preußischen Lande, gleichviel wo, sich niederzulassen.
Voilà les calamités de la ville de Danzic, sprach der König lächelnd, indem er auf einen mit Karten und Papieren bedeckten Tisch in einer Ecke des Zimmers hinwies. Diese wenigen Worte brachen den Zauber, von dem Schopenhauer schon anfing sich gefangen zu fühlen; es gelang ihm, sich von jeder aus dieser Stunde entspringen könnenden Verbindlichkeit fern zu halten, aber wie sehr es Friedrich dem Großen mit seinen Vorschlägen ein Ernst gewesen, davon habe ich von ihm eigenhändig unterzeichnete Beweise in den Händen meines Mannes gesehen, der sie als ein übrigens ganz nutzlos gewordenes Andenken jener Stunde aufbewahrte.
Fester als jemals wurzelte nach dem Tode des Königs der Entschluß in seinem Gemüth, seine Vaterstadt, alle unverkennbaren Vortheile und Annehmlichkeiten seiner jetzigen Lage aufzugeben, und sobald Danzig dem Schicksal, unter preußische Oberherrschaft zu gerathen, nicht mehr ausweichen könne, für sich und mich einen andern Wohnplatz zu suchen. Er fühlte tief, wie schwer die Ausführung dieses Vorsatzes, wenn es einst so weit kommen sollte, in jeder Hinsicht ihm werden müßte. Schonend, aber ernst, suchte er mich darauf vorzubereiten und wurde durch den hellaufflammenden Enthusiasmus, mit dem ich auf seine Ansichten einging, eben so sehr überrascht als erfreut. Wo er gefürchtet hatte, Thränen, Bitten, sogar heftigen Widerspruch bekämpfen zu müssen, fand er die lebhafteste Anerkennung seiner republikanischen Gesinnung, die genaueste Uebereinstimmung mit seinem eigenen Freiheitsgefühl.
Solchen echt alten Römersinn in seiner kaum zwanzigjährigen Frau zu finden, hatte er nicht erwartet; ob dieser, wenn es jemals nöthig werden sollte, auch in der Ausführung sich bewahrt finden lassen würde, ob nicht jugendliche Unerfahrenheit oder phantastische Ueberspannung zu diesem hohen Aufschwung mich begeisterten, mochte er in der Freude seines Herzens nicht untersuchen.
Und hätte er es gethan, ehrenvoll würde ich die ernstliche Prüfung bestanden haben; die Umgebungen, in denen ich aufgewachsen war, hatten jene Besinnungen zu fest in meiner jungen Seele begründet. Es konnte mir gar nicht in den Sinn kommen, daß Andere in dieser Hinsicht nicht fühlen sollten, wie ich.