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Alle im Text von mir herrührenden Ergänzungen oder Erläuterungen, z. B. die genauere Bezeichnung der Ausgaben, auf welche sich Schopenhauers Anmerkungen beziehen, sind in [ ] gesetzt.
Wo Schopenhauer Klammern anwendet, ist für diese ausschließlich die runde Klammer ( ) benutzt.
Alles in eckige Klammer Gesetzte rührt also ausnahmslos vom Herausgeber her.
Die hier zum ersten Mal vollständig veröffentlichten Anmerkungen zu Locke befinden sich auf zwei, nicht mit einander zusammenhängenden Quartblättern in einem Karton, welcher im Katalog der Berliner Bibliothek bezeichnet ist: Schopenhauer's Nachlass Nr. 28 » Verschiedenes«. – Die Ueberschrift (das Original hat keine) rührt von mir her und ist ausnahmsweise nicht in eckige Klammern eingeschlossen.
Den Text des zweiten Blattes habe ich durch einen Doppelstrich von dem des ersten getrennt.
Einige Fragmente dieser Anmerkungen (194 Worte fehlen) hat Frauenstädt, ungenau, veröffentlicht in seiner Publikation »Aus Arthur Schopenhauers handschriftlichem Nachlaß. Abhandlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente« (Leipzig 1864) S. 321 f. S. 9, Z. 1-3 v. o.
Hiezu vgl. Band I, Seite 76 von Schopenhauers »sämmtlichen Werken« in der Universal-Bibliothek.
Die Anmerkungen » Zu Kant« befinden sich, unter diesem Titel, in einem besondern Hefte, 14 Bogen in Klein-Quart: Schopenhauer's Nachlass Nr. 22.
Dieselben sind undatirt, die Abfassungszeit läßt sich aber sicher feststellen.
In Schopenhauers durchweg datirten Erstlingsmanuskripten Band II, S. 192 des »Nachlasses« habe ich (im ersten Abdruck) angegeben, daß die Bezeichnung »Erstlingsmanuskripte« von Schopenhauer selbst herrühre. Die Bezeichnung ist aber von Frauenstädt angewandt, könnte freilich auf mündlicher Mittheilung Schopenhauer's beruhen, da derselbe die »Parerga« als » Spätlinge« seiner Muse bezeichnet (siehe Werke« VI 305) In den Registern zu seinen Manuskripten unterscheidet Schopenhauer diese Erstlinge als »Manuskripte, deren Bogen mit Buchstaben und Zahlen bezeichnet sind« von den »Manuskript büchern«. d. h. den der Abfassung der »Welt als Wille und Vorstellung« vorhergehenden Aufzeichnungen ( Schopenhauer's Nachlass Nr. 19 und 20: Philosophische Manuskripte A bis Z, AA bis zz sowie AAA bis zzz und Bogen 1-19) werden in den frühesten, Berlin 1812 niedergeschriebenen, Bogen die »Anmerkungen zu Kant« bereits von ihm citirt. Die letzteren sind also schon vor dem Jahre 1812 mindestens angefangen, beendet dürften sie im folgenden Jahre sein.
Viel später als die »Anmerkungen zu Kant« ist ein andres, Kant betreffendes Heft geschrieben, welches von Schopenhauer betitelt worden: »Gegen Kant«. Es sind 26 Blatt in Quarto ( Schopenhauers Nachlass Nr. 21). Dies Heft »Gegen Kant« ist die unmittelbare Vorarbeit zu Schopenhauers berühmtem Anhange zur Welt als Wille und Vorstellung, »welcher die Kritik der Kantischen Philosophie enthält.« Ganze Seiten des Heftes »Gegen Kant« sind wörtlich in die »Kritik der Kantischen Philosophie« übergegangen. Eine Veröffentlichung des Heftes »Gegen Kant« halte ich daher nicht für geboten.
Dagegen hat das Heft der »Anmerkungen zu Kant« in der That ein großes Interesse, da wir hier sehen, wie der junge Schopenhauer bei seiner ersten Lektüre Kants sich zu diesem verhalten hat.
Schon Frauenstädt hat daher von Schopenhauers Kant-Anmerkungen eine Auswahl Auch von den a. a. O. S. 161-192 folgenden Anmerkungen zu Jacobi, Fichte, Schelling und Fries hat er Vieles unterdrückt, überall auch die von Schopenhauer beobachtete, der Zeitfolge seiner Lektüre entsprechende, Anordnung willkürlich geändert. – Im Allgemeinen gilt über das Verhältniß unsres Textes zu dem Frauenstädtischen das Selbe, was ich bereits im »Bibliographischen Anhang« zum II. Nachlaßbande, S. 191 (Eristische Dialektik, letzter Absatz) gesagt habe. (a. a. O. S. 105-160) veröffentlicht, aber grade das Interessanteste ganz weggelassen, nämlich die Anmerkungen zur Kritik der reinen Vernunft! Frauenstädt berichtet in dieser Beziehung a. a. O., Vorrede p. XVIII: »Den Anmerkungen zu Kant lagen im Manuskript einige Bogen mit Inhaltsangaben und Anmerkungen zur Kritik der reinen Vernunft bei«: allein dies ist unwahr: die Anmerkungen lagen dem Manuskript nicht bei, sondern sie sind ein integrirendes Stück und das Hauptstück des Manuskripts. Er sagt daselbst ferner: »Diese Anmerkungen zur K .d. r. V. enthalten im Wesentlichen nichts, was nicht auch in Schopenhauer's Kritik der Kantischen Philosophie vorkäme«: diese Behauptung ist gänzlich unrichtig: mit dem Anhang der Welt als Wille und Vorstellung haben diese Anmerkungen genau so viel und so wenig zu thun als die übrigen »Anmerkungen zu Kant.«
Ich gebe daher die Anmerkungen und überhaupt das ganze Heft zum ersten Male genau so, wie es Schopenhauer niedergeschrieben.
Im Einzelnen ist jedoch Folgendes zu bemerken:
S. 13.
Die erste der beiden Fußnoten steht nicht im Manuskript. Frauenstädt hat diese Randschrift Schopenhauer's zu den Kantischen Textworten vielmehr aus dem, ihm vermachten Schopenhauer'schen Handexemplar der 3. Auflage der »Metaphysischen Anfangsgründe« a. a. O. S. 113 veröffentlicht.
S. 15, unten:
Die Anmerkungen zu den Metaph. Anfangsgr. nehmen Bogen 1 und 2 des Heftes ein, auf dem Schlußblatte des Bogen 1 befindet sich aber noch (am Kopf von Seite 7) die Verweisung »Siehe Bogen 14 zu Kant.« Dieser Bogen 14 (der Schluß des Heftes »Zu Kant«) handelt auf S. 1 u. 2 über die »Anthropologie«; S. 3-8 aber tragen die besondre Ueberschrift »Metaphysische Nat. Wiss. Dynamik.« Ich habe diesen Nachtrag daher als besondere »Beilage« dem Abdruck von Bogen 1 u. 2 folgen lassen.
S. 37 f.
Zu dem Passus der »Prolegomena« S. 184 f. hat Schopenhauer eine wichtige Konjektur in seinem Handexemplar beigeschrieben und dieselbe in der Beilage zu seinem Briefe an Professor Rosenkranz vom 25. September 1837 mitgetheilt: siehe die von Rudolf Reicke herausgegebenen »Drei Briefe Schopenhauer's an Karl Rosenkranz« in der »Altpreußischen Monatsschrift« XXVI S. 328. Vgl. auch daselbst (S. 327 f.) Schopenhauer's Verzeichniß der »Druckfehler in den ›Prolegomena zu jeder Metaphysik‹, erste und vermuthlich einzige Auflage von 1783«; ferner (S. 323 ff.): Schopenhauer's »Collation der 1sten und 5ten Aufl. der Kritik der reinen Vernunft«, sowie »Druckfehler in der Kritik der Urteilskraft. 3te Auflage von 1799«, »Druckfehler der Kritik der praktischen Vernunft. 4te Auflage von 1797« und »Druckfehler der Preisfrage. Königsberg 1804.« Außerdem findet sich in Schopenhauer's Handexemplar der »Prolegomena« S. 185 zu den Worten »Erwartung und Hoffnung« ein ! mit Bleistift an den Rand gesetzt. (Mittheilung Frauenstädts a. a. O. S. 110.)
S. 38: Beilage, von mir hinzugefügt. Die Randbemerkung ist von Schopenhauer in seinem Handexemplar zu dieser Stelle beigesetzt worden. (Frauenstädt a. a. O. S. 110.)
S. 41 ff. Hiezu vgl. »Werke« III, 118 f.
S.43.
Die Verweisung Schopenhauers » Conf. M. S. C. p. 4« bezieht sich auf die schon erwähnten »Erstlingsmanuskripte«, von denen jeder Bogen mit Buchstaben (und Jahreszahl) bezeichnet ist. Ich habe bei dieser und den später noch öfter wiederkehrenden Verweisungen die betreffende Stelle der allegirten Manuskriptbogen jedesmal ausgeschrieben und entweder als Beilage ans Ende, oder sogleich als Anmerkung unter den Text gesetzt.
S.45.
Zu p. 246 findet sich im Manuskript beigeschrieben: »Ueber p. 242 siehe M. S. M.
ibid. über 246.«
Da jedoch Schopenhauer am Rande des Bogens O der »Erstlingsmanuskripte« sagt:
»Bogen L M N enthalten fast nichts als Studien und Auszüge zum Behuf einer Dissertation über den Satz vom zureichenden Grund«:
so habe ich in diesem Falle das Citat nicht ausgeschrieben.
S. 70 und 71.
Von den hier von Schopenhauer angezogenen Bogen J & Kist die erste Hälfte des Bogens J in unsrer Beilage 2 (S. 77 ff.) mitgetheilt, da der Aufsatz über Kants Erklärung des Erhabnen die zweite Hälfte des Bogens H und die erste Hälfte des Bogens Jumfaßt. Der von ihm gemeinte Aufsatz im Bogen Kist nicht der in unserer Beilage 4 (S. 88 f.) mitgetheilte, sondern ein demselben vorhergehender, die zweite Hälfte des Bogens J und Bogen K S. 1 und 2 umfassender: dieser sehr ausführliche Aufsatz wird erst im IV. Bande meiner Ausgabe des Schopenhauer'schen Nachlasses zum Abdruck gebracht werden.
S. 77: Beilage 1, von mir hinzugefügt. Diese Stelle hat Schopenhauer in seinem Handexemplar der »Kritik der Urtheilskraft« angestrichen, die Schlußworte unterstrichen und das » Summa philosophiae Kantianae« an den Rand gesetzt. (Mittheilung Frauenstädts a. a. O. S. 125 f.)
S. 78.
Mit demjenigen, was »in diesem Bogen« ( H) über das Trauerspiel steht, ist gemeint die unten, S. 87, in Beilage 3, folgende Stelle: die lange Erörterung über die Vernunft zieht sich nämlich vom Bogen G bis in den Bogen H hinüber.
Diese hier zum ersten Mal vollständig abgedruckten Anmerkungen befinden sich in einem besondern Hefte: Schopenhauer's Nachlass Nr. 29, 5.
Diese hier zum ersten Mal vollständig veröffentlichten Anmerkungen befinden sich in einem besondern Hefte: Schopenhauer's Nachlass Nr. 29, 4.
S. 104.
Das, in den »Anmerkungen« nicht enthaltene, Gesammturtheil in französischer Sprache über Fichte's »System der Sittenlehre« hat Schopenhauer in sein Handexemplar eingetragen, woraus es der Erbe der Bibliothek, W. Gwinner, in seiner Schrift »Schopenhauer's Leben« zweite Auflage (Leipzig 1878) S. 95 f. zuerst veröffentlicht hat.
S. 112.
Die von Schopenhauer getadelte Fichte'sche Definition des Wollens, S. 3 des »Versuchs einer Kritik aller Offenbarung« lautet: »Sich mit dem Bewußtseyn eigner Thätigkeit zur Hervorbringung einer Vorstellung bestimmen, heißt Wollen.«
S.115 Z. 22 v. o.
Hier endet das Manuskript von Schopenhauers Anmerkungen zu Fichte. Die, nach dem Doppelstrich, folgenden Randschriften zu Fichtes »Wissenschaftslehre«, zu den »Grundzügen« und zum »Seligem Leben« sind zuerst veröffentlicht bei Gwinner, a. a. O. S. 89 ff.
S.118 Z. 5 v. u.
Ein Fragment des in Ellrich (am 8. September 1811, auf der Uebersiedlungs-Reise von Göttingen nach Berlin) Geschriebenen Diese frühesten philosophischen Aufzeichnungen fehlen auf der Berliner Bibliothek. Herr Gwinner giebt nicht an, woher er sie hat. theilt Gwinner a. a. O. S. 87 mit:
Einen Trost giebt es, Eine sichre Hoffnung, und diese erfahren wir vom moralischen Gefühl. Wenn es so deutlich zu uns redet, wenn wir im Innern einen so starken Bewegungsgrund auch zur größten, unserm scheinbaren Wohl ganz widersprechenden Aufopferung fühlen: so sehn wir lebhaft ein, daß ein andres Wohl unser ist, demgemäß wir so allen irdischen Gründen entgegenhandeln sollen; daß die schwere Pflicht auf ein hohes Glück deutet, dem sie entspricht: daß die Stimme, die wir im Dunkeln hören, aus einem hellen Orte kommt. – Aber kein Versprechen giebt dem Gebote Gottes Kraft, sondern sein Gebot ist statt des Versprechens ... Diese Welt ist das Reich des Zufalls und des Irrthums: darum sollen wir nur nach Dem streben was kein Zufall raubt, und nur Das behaupten und nach Dem handeln, worin kein Irrthum möglich ist.
Ueber Schopenhauers Verhältniß zu Fichte sind endlich noch zu vergleichen Schopenhauer's Randglossen zu dem (jetzt in der K. Bibliothek befindlichen) bei Fichte nachgeschriebenen Kollegienhefte, welche zuerst von Frauenstädt veröffentlicht worden sind in dessen Werke » Arthur Schopenhauer. Von ihm. Ueber ihn ... Memorabilien, Briefe und Nachlassstücke [Berlin 1863]: S.233-238; genauer und vollständiger aber Band IV unsrer Nachlaßausgabe, S. 81-88.
Diese hier zum ersten Mal vollständig veröffentlichten Anmerkungen befinden sich in drei verschiedenen Heften: Schopenhauer's Nachlass Nr. 29, 2. 3. 7. – Diejenigen zum I. Bande von Schellings philosophischen Schriften nehmen das Heft 2 ein und find am frühesten niedergeschrieben. Heft 7 enthält die Anmerkungen »zum Bruno« allein; Heft 3 umfaßt den ganzen Rest der Anmerkungen zu Schelling (in unserm Texte S. 138-171). Die unsern Abdruck eröffnende Anmerkung zu p. 8 steht jedoch nicht im Manuskript, sondern ist Randschrift im Handexemplar Schopenhauers und von Gwinner a. a. O. S. 99-100 zuerst veröffentlicht. Schopenhauers Manuskript beginnt also mit der Anmerkung zu p. 9 oben.
S.145, Z. 17 v. o.
Der zweite Absatz der Anmerkung zu p. 307 lautete im Manuskript ursprünglich:
In diesem Aufsatz ist überhaupt viel gutes und wahres. Ließe es sich aber nicht zurückführen auf den Satz: unser Bewußtseyn zerfällt nothwendig in Subjekt und Objekt. –?
Dann hat Schopenhauer das Niedergeschriebene von »viel gutes« an durchstrichen und am Rande unter der Ueberschrift »Später:« das frühere Urtheil so abgeändert wie es jetzt in unserm Text steht.
S. 169. Zu dem Citat aus Alanus ab Insulis ist im Manuskript hinzugeschrieben:
Siehe Hefte der Geschichte der Philosophie bei Schleiermacher Bogen 11.
Die hier zum ersten Mal vollständig veröffentlichten Anmerkungen zu Fries befinden sich in einem besondern Heft: Schopenhauer's Nachlass Nr. 29, 6.
Was die Abfassungszeit der Anmerkungen zu Jacobi, Fichte, Schelling und Fries betrifft, so fallen sie, ebenso wie diejenigen zu Kant, in Schopenhauers ersten Berliner Aufenthalt, also von 1811 bis 1813. Der Handschrift und dem Papier nach zu urtheilen, sind auch die Anmerkungen zu Locke gleichzeitig anzusetzen.
Im ersten Abdruck dieses III. Nachlaßbandes waren Schopenhauer's »Anmerkungen zu Platon« an die Spitze gestellt. Dieselben sind indeß keine selbständigen Anmerkungen, sondern Randglossen, welche Schopenhauer, wahrscheinlich noch in Göttingen (1810-1811), wo er auf G. E. Schuhe's Rath den Platon zu studieren begann, in sein Handexemplar der Bipontiner Ausgabe eingetragen hat: als solche finden sie daher passender hier, im Anhang, ihren Platz. Sie waren zuerst veröffentlicht bei Gwinner, »Schopenhauers Leben. Zweite, umgearbeitete und vielfach vermehrte Auflage« (Leipzig 1878) S. 83 ff., und lauten folgendermaaßen:
Der Unterschied, den viele geleugnet zwischen Platonischer Idee und abstraktem Generalbegriff, scheint mir: Generalbegriffe können wir abstrahiren von Dingen, die ihre Existenz bloß in der Relation haben und von Artefakten, also von Dingen, deren Begriff ursprünglich aus dem menschlichen Verstand stammt, sodaß dieser sein eignes Geschöpf wieder in ihnen auffaßt, indem er das zu einem Behuf Wesentliche eines Dings zusammenstellt und vom Zufälligen aller Dinge dieser Gattung abstrahirt. Ideen aber hat er außer denen, die in ihm ohne allen sinnlichen Gegenstand liegen, nur von den Formen der Natur. Die Abstraktion vom Unwesentlichen und Zusammenstellung des Wesentlichen nimmt er zwar auch bei Bildung der Ideen von Naturgegenständen vor: aber der Unterschied ist, daß diese Ideen ebenso, wenn auch ungleich vollkommener und nur als Theile einer größern Idee, in der Gottheit gelegen haben müssen bei der Schöpfung der Gattung und auf diese Weise die Gottheit ihre Idee dem Menschen mittheilt durch das Organ der Natur, welche als ihre Sprache anzusehn ist. Bildlich wird es deutlich, wenn man sagt: die Ideen sind Realitäten in Gott vorhanden. Die Körperwelt ist ein Konkavglas, das die von den Ideen ausgehenden Strahlen zerstreut; die menschliche Vernunft ein Konvexglas, das sie wieder sammelt und die ursprünglichen Bilder der Ideen wieder zeigt, wenn auch verundeutlicht durch den Umweg. Jene Ideen aber, die in uns liegen ohne einen Gegenstand in der Sinnenwelt zu haben, hat uns Gott also gleichsam unmittelbar mitgetheilt und nicht wie jene erstern durch die Sprache der Natur. Da wir aber in der Sinnenwelt so befangen sind, daß das in dieser Ausgedrückte uns, wenigstens in den meisten Augenblicken unsers Lebens, offenbarer scheint als jene inwohnenden Ideen, da wir ferner uns einander nur sinnliche Gegenstände oder Ausdrücke für dieselben und für ihre Relationen mittheilen können, so versuchen wir, die Gottheit nachahmend, unsere inwohnenden Ideen ebenfalls durch die Sprache der Natur auszudrücken: aber da die Schöpfungskraft uns abgeht, können wir nicht neue Gegenstände schaffen, die den innern Ideen ganz entsprächen, wir versuchen also es durch die Zusammenstellung der schon vorhandenen Gegenstände der Natur. Diese nothwendig unvollkommenen Versuche sind die Philosophie, die Poesie und die Künste.
Wenn Platon in seinen kosmogonischen Darstellungen bisweilen Plötzlich anfängt zu rechnen, Zahlen aneinander zu reihen, von denen man nicht sieht, wo sie herkommen, wie sie zusammenhängen, was sie eigentlich für Größen bezeichnen oder welches Resultat sie geben, so schreibe ich dies dem zu, daß er erfahren hat, wie aus Berechnungen bisweilen Resultate erwachsen, die man vorher für nie erhaltbar angesehn hat und über welche man erstaunt, und daß er so glaubte, auch metaphysische Wahrheiten (die eben, weil sie es sind, d. h. außer dem Raum und der Zeit liegen, für jede mathematische Betrachtung unerreichbar sind) durch Zahlen und Größen zu erklimmen. Da ich mir nicht vorstellen kann, daß er dabei etwas Deutliches gedacht habe, so kommt er mir vor, wie kleine Kinder, die, ehe sie einen Buchstaben kennen, ein Buch verkehrt nehmen und mit ernsthafter Miene daraus vorlesen.
I.
Die Vorrede zu Hume (zuerst veröffentlicht, mit einigen wenigen Ungenauigkeiten, durch Frauenstädt in seiner, oben S. 208 citirten Publikation von 1863, S. 386-388) befindet sich in dem Manuskriptenbuch »Brieftasche« Seite 136 bis 140: Schopenhauer's Nachlass Nr. 18. Als Datum hat Schopenhauer darüber gesetzt: » Dresden1824« (vgl. meine Chronologische Uebersicht von Schopenhauers Leben und Schriften im VI. Bande der »Sämmtlichen Werke« S. 196 f.). Ein erster Entwurf dieser Vorrede, ebenfalls in der »Brieftasche«, S. 123 lautet:
Préface.
Eine spätere Zeit wird einsehn, warum ich die gegenwärtige durch eine neue Uebersetzung auf die vorliegende Schrift des vortrefflichen D. H. aufmerksam zu machen suche. Wenn die Zeitgenossen mein Bestreben schätzen könnten, wäre es überflüssig.
II.
Schopenhauer's Schreiben an Thomas Campbell, den berühmten englischen Dichter, ist zuerst veröffentlicht, aber nach dem Koncept, bei Gwinner a. a. O. S. 343 ff. (vgl. meine Ausgabe von »Schopenhauer's Briefen« [in der Univ.-Bibl. Nr. 3376-3380] S. 466). Hoffentlich kommt das Original des Briefes, den Schopenhauer's und Campbell's gemeinschaftlicher Freund, Mr. Capes, von Berlin nach London mitnahm, dereinst noch zum Vorschein. Eine Antwort Campbell's hat sich unter Schopenhauer's hinterlassenen Papieren nicht gefunden.
Berlin, im August 1892, revidirt Mai 1895.
Eduard Grisebach.