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Zu Fichte.

Zu Fichte's Sittenlehre.
(Jena und Leipzig 1798.)

Einleitung p. XII unten: »Meine Thätigkeit ist eine Kausalität des Begriffs.« Keineswegs! Sie ist eine Kausalität nach Begriffen: wäre ein Begriff kausal, so wäre ich nicht frei. Jeder Begriff ist objektiv.

p. XIV. Der Zweckbegriff ist als Begriff durch ein Objektives bestimmt: daß ich ihn zum Zweck mache, ist eben meine nicht weiter zu erklärende Thätigkeit, ein Werk meiner Freiheit. Das Kategorische im kategorischen Imperativ ist kein Begriff, sondern etwas, das fordert, diesen oder jenen von allen möglichen Begriffen zum Zweckbegriff zu machen.

p. 3 »zu einem höhern Bewußtseyn erheben.« – O Blindheit! als ob nicht jenes Bewußtseyn, das ihn pflichtmäßig handeln läßt als gäb' es keine Sinnenwelt, das höchstmögliche wäre! und dies heißt Fichte das gemeine!

ibid. »und aus ihr nothwendig hervorgeht« – Ich sage: Die Zunöthigung in dir ist nicht hervorgegangen aus deiner Vernünftigkeit, sondern diese aus jener. –

p. 7: »Jene Zunöthigung, was ist sie selbst« – – –

Sie ist kein Denken, sondern ein Seyn an sich: und nicht jedes Bewußtseyn ist ein Denken, sondern Denken nur eine Modifikation, Limitation des Bewußtseyns. Es giebt kein »Bewußtseyn des Bewußtseyns«, sondern nur ein Denken des Bewußtseyns.

p. 9. Siehe meine Anmerkungen zu Schellings Philosophischen Schriften, p. 222.

p. 15. Alles Bisherige scheint mir in Summa: Will ich mich denken, so muß ich mich mir als das Wollende denken: denn obgleich Denken das zweite (nächst Wollen) Prädikat des Ich ist; so kann ich mich mir doch nicht als das Denkende denken, weil ich dann actu das Denkende doch noch bin und hier Subjekt und Objekt zusammenflössen, wodurch die Grundbedingung alles Denkens aufgehoben wird: indem ich aber denke, bin ich nicht zugleich wollend: also – –

p. 37 unten: »Das Resultat unserer Untersuchung –«

– ist dieses: Ich theile das Ich in ein Erkennendes und ein Wollendes. Sobald ich diese sondere, setze ich eo ipso das Wollen ohne Objekt (denn dies ist nur Sache des Erkennens) und das Erkennen ohne Trieb (denn dieser ist das Wollen). Da nun das Wollen, um sich zu äussern, eines Objekts bedarf, so steht es dadurch unter der Botmäßigkeit des Erkennens, das ihm das Objekt giebt. Das Erkennen ist, wie gesagt, ohne allen Trieb. –

Von wo aus aber kommt denn endlich die Bestimmung dessen, was erkannt und was gewollt wird?

p. 53. Begreiflichkeit des kategorischen Imperativs! Grundverkehrter Gedanke! Aegyptische Finsterniß! – Das verhüte der Himmel, daß der nicht noch begreiflich werde! Eben daß es ein Unbegreifliches giebt, daß dieser Jammer des Verstandes und seiner Begriffe begränzt, bedingt, endlich, trüglich ist; diese Gewißheit ist Kants großes Geschenk.

p. 63 und 65 steht, daß praktische Vernunft mit der theoretischen Eins: –

p. 78-80 das tollste Machwerk.

p. 113. »So wird abermals behauptet das Primat der Vernunft, inwiefern sie praktisch ist. Alles geht aus vom Handeln des Ich.« – Es ist durch Kant gewiß gemacht, daß unser Wahrnehmen Produkt unsrer Thätigkeit sei. Doch ist diese Thätigkeit mit der des Willens, der Spontaneität, durchaus nicht zu verwechseln. Jene ist eine unbewußte, unter einem Gesetze stehende (noch mehr als Athemhohlen und Verdauen): sie ist daher nur bildlich Thätigkeit genannt: daher in ihr der Vereinigungspunkt des theoretischen und praktischen Vermögens nicht zu suchen ist.

p. 120-125 steht närrisches Zeug.

p. 205-209 steht manches Lesenswerthe über den Willen: aber ich sage:

Die Freiheit des Willens könnte man nennen eine Freiheit des Nichtwollens: – die Willkühr (209), d. i. Wahl mit Besonnenheit unter Gegenständen des Begehrens, hat zum Hauptkarakter, daß sie die Beschränkung durch die Zeit abgeworfen hat, dieserhalb hat sie der Mensch vor dem Thier voraus (eben so die Verstellungskunst), das immer in den Fesseln der Gegenwart steht; ich würde sie deshalb praktische Vernunft nennen (so sehr auch die Kantianer schreien mögen). Die Freiheit des Willens aber ist die Fähigkeit der Vernichtung des ganzen Eigenwillens, und ihr oberstes Gesetz ist »du sollst nichts wollen«. Ist sie eingetreten, so wird mein Handeln durch ein übersinnliches Princip bestimmt, das so feste Gesetze hat, daß Jeder weiß, was es in jedem möglichen Fall bewirken wird, und, nachdem ein Mal der Eigenwille vernichtet ist, Jeder durchaus auf die selbe Weise handelt als der Andre, d. l). alle Individualität aufgehört hat, deshalb Kant dies als ein objektives Sittengesetz aufstellt, weil es sich gar nicht nach der Beschaffenheit des Subjekts richtet, wie der Eigenwille, sondern ganz nach der des Objekts. – Obgleich ich nun in diesem Fall alles Wollen aufgehört habe; so erscheint mein Thun doch als Folge eines Wollens, es scheint aber nur so: ich handle, als ob das Objekt mein Zweckbegriff wäre, sogar mache ich es für den Augenblick des Handelns dazu, weil dies die Bedingung alles Handelns ist (wie man fabelt, daß Geister oder Gott Menschengestalt annehmen, um auf Menschen zu wirken): ich handle aber doch nicht wie ich will, sondern wie ich soll, und dies Soll hebt das Wollen auf. Dies Soll gilt aber nur für eine Ansicht, die meinen Eigenwillen als noch existirend und mich als ihm entgegenhandelnd ansieht: ich, mein Selbst, mein Individuum handelt gar nicht mehr, sondern es ist das Werkzeug eines Unnennbaren, eines ewigen Gesetzes. Obgleich in solcher rein moralischen Handlung ich das Objekt pro forma zu meinem Zweckbegriff mache; so ist es dies doch in der That nicht, es kommt nicht darauf an, daß der Zweckbegriff verwirklicht werde, ein Zufall mag die Wirkung der ganzen moralischen Handlung stöhren, das ist gleichgültig – daher nennt Kant das Sittengesetz ein formales, d. h. sein Zweck ist nicht das Materiale, nicht das Objekt, obgleich es nur an dem Objekt sichtbar werden kann, und daher, wie oben gesagt, rein objektiv ist. Also:

1) Das Sittengesetz ist rein objektiv: d. h. die Handlung, die es fordert, wird bloß durch Beschaffenheit ihres Objekts, nicht ihres Subjekts (meiner Individualität) bestimmt.

2) Das Sittengesetz ist dennoch bloß formal, d. h. sein Zweck ist nicht das Materiale der Handlung (das Objekt und dessen Veränderung dadurch), sondern das Subjekt (mein Handeln).

3) Hieraus folgt:

Meine Individualität, d. i. mein Eigenwille soll (nach Nr. 1) vernichtet werden; nicht er, sondern das Objekt, die That bestimmen.

An Erreichung der geforderten Bestimmung des Objekts ist aber (nach Nr. 2) nichts gelegen.

Also: das vom Sittengesetz Geforderte ist ein bloßes Verhältniß (die That) des Subjekts zum Objekt und dies Verhältniß ist ein bestimmtes.

Nun bestimmt sich mein Eigenwille nach dem Materialen des Objekts und nach meiner Individualität, welche beide, als veränderlich, ein unbestimmtes Verhältniß geben.

Hieraus endlich folgt: Statt meines Willens soll das Verhältniß zwischen Objekt und Subjekt (die That) durch ein Andres (das Unnennbare) bestimmt werden.

 

(Der Tugendhafte handelt, als ob er wollte, aber er will nicht mehr. Man kann ihn dem gezähmten Falken vergleichen, der noch thut, als ob er raubte, doch nicht mehr raubt, sondern seinem Herrn jägt.)

 

p. 214, Nr. IV taugt ganz und gar nichts. –

Es ist ein analytisches Urtheil aus dem Begriff Sittengesetz, daß es mir meine Pflicht kund thue. – Weiß ich von keiner Pflicht, so habe ich keine: habe ich eine, so weiß ich eo ipso darum.

Das Sittengesetz ist bloß ein höheres Erkenntnißvermögen. Das meinte schon Plato, der die Tugend eine επιστημη und alles Laster Irrthum nennt.

Die Urteilskraft soll nach p. 216 suchen, ob und was das Sittengesetz befehle! – Wie, wenn man Das ein Mal in der Eile vergässe? wie in hundert Fällen, wo man zu keiner Ueberlegung Zeit hat? Ich sage: das Sittengesetz ruft, laut wie die Posaune zum Weltgericht, was geschehn solle, bei jeder Handlung, die unter ihr Forum gehört.

Aber der Ketzerrichter? er glaubt recht zu thun und handelt abscheulich! – Ich sage, er thut recht! Das Sittengesetz irrt nicht, doch seine Vernunft: diese hat ihm Objekte gemacht, die nicht existiren, nämlich einen eifrigen Gott, der verehrt seyn will: für ihn ist ein solcher Gott: also handelt er recht, formal recht: das Objekt, das Materiale der Handlung, der Ketzer, geht dabei zu Grunde; aber diese Welt der Objekte ist das Reich des Irrthums und des Zufalls: Beweis genug, daß an ihr nichts gelegen ist. – Daher aber, beiläufig, ist Fanatismus das größte Uebel, weil er nach dem Sittengesetz handelt, aber in Bezug auf fingirte Objekte, die er jenem genau verknüpft glaubt. Da sein Wille nicht, sondern bloß seine Vernunft, irrt, ist ihm nur durch diese, also schwer, beizukommen: da hingegen der Verbrecher, dessen Wille sündigt, durch ein einziges In-sich-gehen bekehrt werden kann. Der Fanatische ist so unschuldig, als der mordende Nachtwandler. –

Ein andrer Einwurf gegen mein spontanes Lautwerden des Sittengesetzes ist, daß wir oft grosse Zweifel haben, welches von zwei Handlungen die rechte sei. – Dies ist nur in zwei Fällen möglich:

1) Durch eine sogenannte Kollision der Pflichten. In diesem Reich des Zufalls nämlich kann es kommen, daß von zwei zu erfüllenden Pflichten nur eine erfüllt werden kann: da bedenke ich, welche die größte ist; sind sie gleich, so erfülle ich die in Zeit und Raum am nächsten liegende. – Oft würde die Erfüllung einer Tugendpflicht eine Rechtspflicht verletzen: da lasse ich jene nach einiger Ueberlegung zurückstehn.

2) Ich zweifle oft und überlege genau, was Recht sei, wie weit in einer Sache meine Verpflichtung gehe: – dies geschieht bloß darum, weil ich bloß die Rechtspflicht, nicht die Tugendpflicht erfüllen will, und ist ein Mangel an tugendhafter Gesinnung; sonst gab ich, ohne lange zu wägen, dem noch den Rock, der um den Mantel mit mir rechtet.

Oft ist das Ueberlegen einer Pflicht ein blosses Suchen nach Entschuldigung, nachdem das Sittengesetz schon gesprochen.

p. 221, Nr. V. Ein Muster von Verkehrtheit!

p. 241-250, Nr. III. Die gänzliche, nur Fichten mögliche Verkehrtheit dieses Abschnitts wird durch nichts in helleres Licht gestellt, als durch Jakob Böhms göttlichen Ausspruch: »Der also stille liegt in eignem Willen, als ein Kind im Mutterleibe, und lasset sich seinen inwendigen Grund, daraus der Mensch entsprossen ist, leiten und führen, der ist der Edelste und Reichste auf Erden.«

p. 251: »Darum weil sie es fordert« – was heißt denn das? Der Grund zu dieser Verpflichtung liegt über allem Verstande. Also ist dies »darum weil sie es fordert« nur ein Verweisen auf das dasjenige in keinem Verstandesbegriff Ausgedrückte, was den in Nr. III beschriebenen Charakter leitet: höher als der wird nichts gefordert. Jener bedarf keines Verstandessatzes, Maxime, um sich auf dem rechten Wege zu halten, dieser hat einen: Das ist gleichgültig.

p. 345, III zeigt Fichte, daß er gar nicht einsieht, daß das Sittengesetz auf unser Thun gehe; nicht aber auf das Geschehn, auf die Begebenheit.

p. 389. Lügen soll ich laut p. 379 bloß darum nicht, weil ich den Andern dadurch außer Stand setze mit Freiheit die Zwecke der Vernunft (!) zu befördern. Und daraus folgt hier, daß ich nicht lügen soll, weil ich den Andern dadurch außer Stand setze, die Zwecke der Vernunft mit Freiheit zu stöhren.

p. 379. Falsche Ableitung der Lüge.

p. 392. Falsche Ableitung des Eigenthums.

 

Ce livre est un tissu singulier de démonstrations affectantes une forme rigide, et développées, detaillées, expliquées jusqu'au suprême dégré de l'ennuyeux absolu; néanmoins ces mêmes démonstrations ne sont absolument fondées sur rien: le point d'attachement d'où elles partent sont quelques suppositions vagues, gratuites et même dépourvues d'un sens exact. Cependant ce livre doit en imposer singulièrement â ceux qui aiment à lire sans bien savoir de quoi il est question et qui alors se trouvent agréablement surpris de recontrer de tems en tems ou quelque vérité triviale ou quelque paradoxe choquant qu'on leur fait croire étre les résultats des démonstrations météorobates qui avaient précédé.

 

Zu Fichte's Naturrecht. Theil I.
[Jena und Leipzig 1796.]

Einleitung I.

»Das Ich ist ein Handeln auf sich selbst –«

Analysire den Begriff Handeln: er bedeutet eine spontane Kausalität. Kausalität schließt in sich causa und effectus, also zwei Objekte, und das Handeln ist das Verhältniß zwischen diesen. Dies wird durch das Wort Handeln bezeichnet und muß nothwendig bei selbigem gedacht werden. Mit Wegwerfung dieser Bedingungen dennoch ein Handeln zu denken, ist logisch unmöglich. Soll also das Ich ein solches Verhältniß seyn, so frägt sich, was sind die beiden Objekte. Aber Fichte will dies, laut Anmerkung zu Nr. 1, nicht. Das Ich soll ein Handeln seyn ohne ein Handelndes; das ist logisch unmöglich, d. h. sagt etwas, das zu denken dem Verstand unmöglich ist, d. h. sagt gar nichts. Laut der Analyse ist ein » Handeln auf sich selbst«, d. h. eine Identität von causa und effectus ebenso unmöglich: sagt also auch nichts; was schon daraus erhellt: »Das Ich ist ein Handeln auf sich« = einem Handeln: also ein Handeln auf ein Handeln, das wieder ein Handeln auf ein Handeln ist und so in infinitum.

Denkt Fichte sich unter Handeln etwas Andres als handeln, so nenne er es nicht handeln: läßt es sich nicht nennen, so kommt dies lediglich daher, daß es für den Verstand (d. h. überhaupt) nicht denkbar ist, und er hätte mit Kant sagen sollen »das Ich erkennt sich nicht«.

Laut Nr. 4 wird das Ich sich seines Handelns nicht bewußt, und laut Nr. 3 giebt es kein Ich ohne Bewußtseyn: »Das Ich ist nur insofern es sich seiner bewußt wird«: – also kein Handeln des Ich ohne Bewußtseyn, aber auch kein Ich ohne Handeln laut Nr. 1 – sumus in vacuo.

Anmerkung zu Nr. 5 sagt: anzunehmen, daß mein Bewußtseyn und meine Vorstellungen Produkt meines freien Handelns seien, ist Raserey. Ich sage: dies ist doch bloß etwas annehmen, was die Erfahrung widerlegt: aber anzunehmen, daß ich Produkt meines Handelns, oder mein Handeln sei, ist etwas, das sogar ein Rasender nicht denkt, weil Raserey nur eine individuelle Erfahrungswelt schafft, nicht aber einen neuen individuellen Verstand.

Aus Nr. 3 setze ich wörtlich zusammen: »Nothwendige, aus dem Begriffe des vernünftigen Wesens erfolgende Handlungen sind nur diejenigen, durch welche die Möglichkeit des Selbstbewußtseyns bedingt ist; das vernünftige Wesen aber ist lediglich in wiefern es sich seiner selbst bewußt ist.« – Hieraus folgt, daß es handelt, ehe es ist. –

Ehe man also in der + Wissenschaftsleere weiter geht, ist nothwendig auszumachen, ob logische Widersprüche, reine Undenkbarkeiten zuläßlich sind.

Zur Anmerkung zu Nr. 9. Woher kennt der Philosoph die Gesetze, nach denen das ursprüngliche handelnde Ich, das im empirischen Bewußtseyn nicht vorkommt, handelt?

Einleitung II, 2.

Hier ist ein grober Kniff. »Ich setze mich als vernünftig, d. h. als frei« – frei heißt hier moralisch frei (denn empirische Freiheit, äussere Unabhängigkeit, soll doch wohl nicht aus der Vernünftigkeit folgen), d. h. als, meinem Willen nach, durch nichts ausser mir bestimmbar. Nun folgert er daraus, daß ich auch Andern Freiheit lassen soll, und spricht mit Einem Mal von blosser äusserer empirischer Unabhängigkeit, die ich Andern lassen soll!

Die Freiheit, von der Anfangs die Rede war, hat ihr Wesen ja grade darin, daß sie niemand mir und ich sie niemanden nehmen kann, also auch nicht sie ihm zu lassen verpflichtet bin: denn diese meine Verpflichtung höbe den Begriff der Freiheit des Andern auf. Von der also wird er doch nicht sagen: Ich schreibe mir selbst nicht alle Freiheit zu, sondern auch andern freien Wesen ihren Theil derselben –!

p. 1

Musterhafter Unsinn,

Ueberhaupt:

Jede Demonstration setzt voraus Möglichkeit und Unmöglichkeit, und Nothwendigkeit, aus der die Wirklichkeit folgt.

So lange dieser Satz steht, und das wird er ewig, kann die Wissenschaftsleere nicht aufkommen.

Denn jene Bedingungen aller Demonstration sind die Kategorien der Modalität: und diese sind nur in Bezug auf Erfahrung und auf die Gesetze der Bedingungen dieser. Erfahrung ist alles was in meinem empirischen Bewußtseyn vorkommen kann. Will man die + WL. demonstriren, warum mein Bewußtseyn (oder Erfahrung, Welt, Ichheit – alles Eins) so und nicht anders seyn muß, so gründet sich diese Demonstration auf jene Kategorien, die doch selbst nur gelten, in wiefern das zu Demonstrirende, die Erfahrung, als absolut, d. h. als nicht weiter zu demonstriren, angenommen wird und die Bedingungen der Erfahrung als absolute Bedingungen. Die + WL. setzt also schon voraus, was sie demonstriren will, nämlich die Gesetze des Verstandes und der reinen sinnlichen Anschauungen, welche ja eben die Grundlagen aller Erfahrung sind, und demonstrirt aus diesen Gesetzen, daß die Erfahrung (Bewußtseyn, Welt), zu der sie doch gehören, so und nicht anders seyn müsse.

Etwas ist möglich – unmöglich – nothwendig – heißt nur: ich kann es denken, kann es nicht denken, muß es denken.

Warum ich nun aber überhaupt denke, – wie soll dies gefunden werden aus Uebereinstimmungen mit den Gesetzen eben dieses Denkens? –

Hieraus folgt a priori die Unmöglichkeit einer Wissenschaftslehre.

Gegen die von Fichte aufgestellte aber ist nun noch ferner nachzuweisen, daß er nicht nur, was schon aus dem Begriff einer Demonstration folgt, jene Kategorien der Modalität, sondern auch alle übrigen und dazu die Gesetze des Raums und der Zeit, als absolut bei seinen Demonstrationen voraussetzt. Z. B. wenn er sagt: Das Ich strebt nach unbegränzter Thätigkeit: fühlt sich aber beschränkt; setzt daher eine Gränze seiner Thätigkeit und ein Nicht-Ich jenseit dieser Gränze – so stützt sich alles dieses bloß auf die Gesetze des Raums! et sic ubique.

Ein ander Beispiel: »Vorstellungen habe ich nur durch mein Handeln, Produciren derselben. Handeln kann ich nur zufolge meiner Vorstellungen: hier ist also ein Cirkel« et s. p.

Das letztere – denn das erstere ist gar nicht wahr – wissen wir doch nur aus Erfahrung, aus Beobachtung unsres Bewußtseyns: und nach der nothwendigen Uebereinstimmung mit diesem Gesetz erklärt Fichte das Bewußtseyn! –

Keine Dogmatik hat transscendenteren Gebrauch von immanenten Gesetzen gemacht.

p. 19-31. Eine Demonstration zum Todtlachen:

»Ich kann kein Objekt setzen, ohne vorher zu handeln, denn was dem gemeinen Sinn Begreifen scheint, erkennt der Philosoph mit dem sechsten Sinn für ein ( incognito reisendes) Handeln.

Handeln kann ich aber nur zufolge eines Begriffs, also eines gesetzten Objekts.

Wie löst sich der Widerspruch?

Es muß an mich eine Aufforderung gehn zu handeln: doch ohne Präjudiz meiner Freiheit: d. h. es muß mir dabei gesagt werden, daß ich das Handeln auch bleiben lassen kann. (Doch scheint dies nur ein bloß formelles Komplimentiren mit meiner Freiheit, denn ich handle.)

Die Aufforderung erfordert ein Aufforderndes: dies, da es mich auffordert, mit Wissen, Willen und Vorbedacht mich aufzufordern, muß ein vernünftiges Wesen seyn.

Ergo: damit ich nur überhaupt Vorstellungen haben kann, – müssen vernünftige Wesen außer mir seyn.« – Q. e. d.

Aber, ω μαχαρις, damit du die Aufforderung vernimmst, die durch ein vernünftiges Wesen an dich ergeht, mußt du doch erst das Wesen erkennen, also ein Objekt setzen.

Und hier stehn wir wieder am zu beweisenden Punkt, nachdem wir den Cirkel gemacht: denn p. 27 sagt Fichte selbst – »es muß die Aufforderung erst verstehn, begreifen.« –

Fichtische Realkenntniß:

 

p. 91 steht, daß Menschen mit dem Bauche sprechen;

und p. 90, daß wir das Tastorgan auch sonst wohin als in die Fingerspitzen hätten verlegen können.

Des zweiten Theils p. 161 steht, daß die Absonderung in zwei Geschlechter nothwendig durch die ganze Natur hindurchgeht. – Der Zwitter nicht zu erwähnen, waren ihm also Polypen, Kugelthiere, Räderthiere – nicht durch Anschauung a priori gegeben.

Ueber Fichte überhaupt.

Fichte, statt aus Kant's grossen Entdeckungen zu erkennen: daß die Welt des Verstandes eine für sich bestehende und im Käfig der Sinnenwelt eingeschlossene ist, und daß es eine ganz andre Welt giebt, die sich unter andern (obgleich Kant nur diese eine Aeusserung wahrnahm) im Kategorischen Imperativ äussert (d. h. in den Gesichtskreis des Verstandes als eine ihm fremde Erscheinung fällt); daß ferner von jetzt alle wahre Philosophie, statt wie die alte beide heterogene Welten zu monstris zu vereinen, immer vollständiger sie zu trennen arbeiten, folglich wahrer vollkommener reiner Kriticismus seyn und nachweisen wird, wo jene höhere Welt noch mehr Strahlen in die Kerkernacht des Verstandes sendet, damit auch ihm ihr Daseyn sich möglichst offenbare, denn nur für ihn, den Verstand, Philosophiren wir (Plato), die andre Welt selbst bedarf keiner Philosophie, um sich zu erkennen: statt dieses Alles einzusehn, hat Fichte nach wie vor den Verstand und seine Gesetze als absolut betrachtet, die Philosophie aber angesehn als die Kunst, die Welt, wie jedes Geräth, dem Verstande genügend und allen seinen Fragen genugthuend, zu erklären, und hat wie die Dogmatiker gesucht eine Welt nach seinen (des Verstandes) Gesetzen zu bauen, die nach seinen (des Verstandes) Gesetzen der Schwere im Gleichgewicht stände: zu diesem Verstandesgebäude betrachtete er den Kategorischen Imperativ als Hauptdatum: solcher konnte, nach des Verstandes Urtheil, nichts als ein Mittel seyn: es fragte sich nur zu welchem Zweck? Manche Dogmatik und die Kirche hatten schon gesagt: »Der Herrgott will es so und nicht anders, wer sündigt wird gestraft.« Fichte suchte eine Hypothese, die weniger Postulate und Anthropomorphismen erforderte; fand (Siehe die Wissenschaftsleere im allgemeinen Umriß. Berlin 1810) folgende, als die einfachste: Gott findet für gut sich abzubilden: der Kategorische Imperativ ist der Storchschnabel, durch den, in der Sinnenwelt, welche das zufolge jenes Zwecks nothwendig postulirte ( ergo a priori deducirte) Papier dazu ist, die Silhouette zu Stande kommt. – Da ist die hohe Weisheit! Jetzt weiß denn doch der Verstand, was der Kategorische Imperativ vorhat.

Dies ist aber nicht das einzige Unheil, das in Fichte das Mißverstehen Kant's angerichtet hat: noch von ganz andern Seiten hat es gewirkt.

Kant beweist die Erkenntniß des in Raum und Zeit sich Gestaltenden aus einer Anschauung a priori. Fichte hat Anschauung a priori für das was frei von Raum und Zeit ist. (Sonnenklarer Bericht.)

Kant deducirt die Kategorien aus datis der Erfahrung, nämlich der Logik, welche Empirie der Aeußerungen der Verstandesgesetze ist, und zeigt, daß demnach gerade zwölf Kategorien seyn müssen. Fichte deducirt das ganze Bewußtseyn = Ich aus – einem Satz dieses Bewußtseyns; beweist, daß das ganze Ich mit allen seinen Bestimmungen nothwendig so seyn müsse wie [es] ist: – und diese Nothwendigkeit, worauf beruht sie? auf Verstandesgesetzen, die doch nur Bestimmungen unsers Bewußtseyns sind, und in Bezug auf welche alle Nothwendigkeit (also jeder Beweis) gilt nämlich hebe die Verstandesgesetze auf, so ist das Unmögliche möglich: willst du sie nun demonstriren, so mußt du sie vorher, eben um sie mit Nothwendigkeit herbeizuführen, aufheben: aber sobald du das thust, woher nimmst du dann noch Nothwendigkeit, Möglichkeit, Unmöglichkeit?: aber ihre eigne Nothwendigkeit aus dieser folgen zu lassen, das Gesetz dem Gesetz zu unterwerfen, die Bedingung aller Demonstration zu demonstriren – das ist ein transscendenteres Unternehmen, als je irgend eine Dogmatik gewagt hat. Siehe den vorhergehenden Bogen.

Die Krone der Fichtischen Lehre ist, daß er den Kategorischen Imperativ begreiflich macht (Sittenlehre) und aus nothwendigen Gesetzen folgert.

Hat je ein Nachahmer durch Verkennen des Wesentlichen und Uebertreiben des Unwesentlichen sein Vorbild mehr parodirt?

Ferner, seine Mährchen zu begründen, bedurfte er absoluter intellektualer Anschauung: nun aber gefielen ihm zugleich Kants strenge Beweisführungen, seine Anforderung von Wissenschaftlichkeit an die Philosophie: – das Alles mußte vereint werden: die intellektuale Anschauung griff allerhand kuriose Sätze aus der Luft, und aus diesen wurde durch Beweise, in denen die langweiligste Gedehntheit die Rolle der Gründlichkeit spielt, abgeleitet was er eben brauchte. –

 

Zur Kritik aller Offenbarung.
(2. Auflage. Königsberg 1793.)

p. 3. Schlechte Definition vom Wollen; – müßte wenigstens heißen: »zur Hervorbringung des Objekts« –

Aber Wollen läßt sich nicht definiren: denn definiren heißt sämmtliche das Objekt von andern unterscheidende Merkmale angeben. Im Wollen ist aber ein Merkmal, das sich sonst nirgends findet, also keinen Ausdruck für sich hat. Die bestmöglichste Definition wäre wohl: »Wollen heißt, seine Kausalität zu einer Veränderung in der objektiven oder subjektiven Welt selbst bestimmen.« – Nun aber läßt sich das Selbst-Bestimmen, die Spontaneität, nicht verstehn, ohne daß man weiß was wollen ist: denn beides ist im Grunde das selbe. – Man kann sagen, alle wahre Spontaneität ist Wille, und umgekehrt. Karakter beider ist ein Kausal-seyn, das nicht Wirkung einer andern Ursache ist, also Freiheit. Danach wäre bloß der freie Wille Wille. Ist denn der Wille der Thiere auch frei? – Ich antworte: Ja, seinem Wesen nach, als Wille: die Sinnlichkeit ist zwar das einzige Motive zu seiner Bestimmung, doch aber nur Motiv, nicht Ursache: sie wirkt nicht auf den Willen des Thieres, sondern sie sollicitirt ihn. Das Kommen des Thiers nach der hingehaltenen Speise bringt unser Verstand keineswegs unter die Kategorie der Kausalität: sondern indem er es erwartet, setzt er die Möglichkeit des Nichtkommens voraus, selbst wenn es für das Thier kein Motiv zum Nichtkommen geben könnte.

ibid. »Die hervorzubringende Vorstellung ist entweder gegeben« – Widerspruch!

p. 4. Was in aller Welt soll man denken bei: »sich durch die Vorstellung des Stoffs einer Vorstellung zur Hervorbringung dieser Vorstellung selbst bestimmen.« –?

p. 7 steht etwas ganz Tolles über geistige Freuden.

p. 8-9 stehn die Namen der Kategorien, werden aber in ganz fremder Bedeutung genommen.

p. 19 und 20 treibt ein Spiel mit den Kategorien und gleicht recht den Affen ans Falk's Karrikatur, die mit Kant's herabgeworfenen Kleidern sich schmücken.

p. 5 bis 20 scheint mir jetzt das absurdeste und grundverkehrteste, was je Fichte's grundverkehrter Sinn erdacht hat.

p. 35 steht eine höchst alberne Folgerung auf das blosse Erscheinung-seyn der Erfahrung aus dem Sittengesetz. – Ich sage: kann das Sittengesetz in seinen Aussprüchen über Das, was in der Erfahrungs-Welt geschehn soll, sich widersprechen, weil diese blosse Erscheinung ist, so können wir denselben Grund benutzen und dem Sittengesetz zuwiderhandeln in der Erfahrung, weil diese bloß Erscheinung ist.

p. 34. Wie dumm ist der Pfiff, durch den hier (bloß um das zufällige und unerwartete Zusammentreffen mit Jesus Christus, p. 36, bei den Haaren herbeizuziehn) dem Sittengesetz ein Widerspruch angedichtet wird! – Zu jedem Gebot und Verbot des Sittengesetzes läßt sich auf diese Art ein solcher Widerspruch finden, weil, was unter diesen Umständen geboten, unter andern verboten, und was unter diesen verboten, unter andern (durchaus in jedem Fall möglichen) erlaubt, ja geboten seyn kann. Ganz parallel mit Fichte's Beispiel geht dieses: Essen ist erlaubt: wenn ich aber esse, was ein Andrer für sich gewonnen und bereitet hat, giebt mir das Sittengesetz Unrecht. Also widerspricht es sich! – Welch dummer Pfiff! Auf diesem angeblichen Widerspruch des Sittengesetzes beruht sein Beweis des Daseyns Gottes, der p. 40, 41 sehr ernsthaft daraus geführt wird.

p. 45 spricht er deutlich das Wesen des vom Sittengesetz ausgehenden Dogmatismus aus, nämlich: »eine Theologie, um unsre theoretischen Ueberzeugungen und unsre praktischen Willensbestimmungen nicht in Widerspruch zu setzen« –

Ich sage: eine solche ist eine Eselsbrücke, ein Erheben des Verstandes zum absoluten Gesetz, ein sich von ihm nicht losreißen können, ein Synkretismus, der das grade Gegentheil des wahren künftigen Kriticismus ist.

p. 46 spricht er von der Nothwendigkeit der Annahme des durch praktische Vernunft bestimmten Willens: – hat Kant nicht verstanden, welcher lehrt, den moralischen Willen unterscheide vom empirischen dies, daß diesen ein Objekt, jenen seine bloße eigne Form bestimme.

p. 48 steht: unser Interesse an Dichtungen sei ein blos moralisches.

Bei Gelegenheit der hier gemachten oberflächlichen Bemerkungen über unser moralisches Interesse bei Dichtungen fällt mir ein: Das ungeniale Drama verhält sich zum ächten Trauerspiel, wie der auf dem vorigen Bogen zu p. 45 von mir getadelte moralische Dogmatismus zum ächten verheißenen Kriticismus: – im ungenialen, z. B. Iffland'schen Drama »setzt sich die Tugend zu Tisch, wenn sich das Laster erbricht« – wird die überirdische That mit irdischem Lohn bezahlt, der Zuschauer in seiner Beschränktheit gelassen und im Wahn, daß es nichts Höheres gebe, und so befriedigt (welche Befriedigung Fichte hier lobt und fordert). Im Oedipus rex, im Hamlet, im standhaften Prinzen, im Egmont, im Lear u. s. w. fällt der Unschuldige, der Edle, der Tugendreiche, das Laster triumphirt und höhnt – γελάσι δεχδροι – der Zuschauer wird gezwungen, sich in eine höhere Welt zu erheben, von der aus die Vorfälle dieser Welt (das durch den Verstand Erkennbare) als Schein und Nichtigkeit gesehn werden: er fühlt sein wahres Seyn – οντως – und erhält eine unerschütterliche, absolute Befriedigung.

So wird der wahre Kriticismus das bessre Bewußtseyn trennen von dem empirischen, wie das Gold aus dem Erz, wird es rein hinstellen ohne alle Beimengung von Sinnlichkeit oder Verstand, – wird es ganz hinstellen, Alles, wodurch es sich im Bewußtseyn offenbart, sammeln und vereinen zu einer Einheit: dann wird er das empirische auch rein erhalten, nach seinen Verschiedenheiten klassifiziren: solches Werk wird in Zukunft vervollkommnet, genauer und feiner ausgearbeitet, faßlicher und leichter gemacht, – nie aber umgestoßen werden können. Die Philosophie wird daseyn; die Geschichte der Philosophie wird geschlossen seyn. Kommt langer Friede unter die Menschen, schreitet die Kultur fort, und giebt Vervollkommnung aller Mechanik Musse – so kann ein Mal alle Religion weggeworfen werden, wie das Gängelband der Kindheit: die Menschheit wird dastehn, zum höchsten Selbstbewußten gelangt, das goldne Zeitalter der Philosophie wird gekommen, das Gebot des Delphischen Tempels γνωδι σαυτον erfüllt seyn.

p. 54 und 55 stellt er als falsch und unmöglich hin das, was eben das innre Wesen der moralischen Freiheit ist: und bringt den moralischen Dogmatismus recht kraß vor.

p. 59 wird der moralische Dogmatismus so konsequent, daß er Moralität zur Klugheitsregel (von wegen Hölle und Fegfeuer) macht.

p. 102, – der ganze §. 7, –

p. 120, 121, 176 oben,
sind ganz besonders abgeschmackt.

 

Zu Fichte's Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre.
(Weimar 1794.)

Fichte stellt, wie mir scheint, das Bewußtseyn (Ich) und das, was im Bewußtseyn vorkommt (Nicht-Ich) einander gegenüber und bestimmt ihr Verhalten und Verhältniß gegeneinander nach den Gesetzen, die nur innerhalb der Erfahrung gelten, nach Kausalität und Wechselwirkung, nach quantitativen Verhältnissen (Raum), während das Ich und Nicht-Ich doch die Factoren der Erfahrung sind, dasjenige, innerhalb welchem das Gebiet der Erfahrung liegt, für welches also die innerhalb dieser gültigen Gesetze nicht gelten können.

 

Fichte's bleiernes Märchen in nuce: Passus sum mala magna in cruce. Es gibt ein Seyn. Dieses ist gebildet aus dem Superlativ des Bewußtseyns: denn das Bewußtseyn ist für uns das Realste; das Seyn aber soll noch viel tausend mal realer seyn. Dies Seyn bekommt Lust sich anzuschauen; ob aus Neugier oder aus Eitelkeit, wird nicht gemeldet. Diese Sichanschauung des Seyns ist ein Zeugungsact, wobei zugleich ans Licht kommt, daß das Seyn ein Zwitter ist. Es gebiert sogleich darauf das Wissen. Das Wissen nun bekommt ex nunc Lust, thätig zu seyn, kanns nicht in Person, gebiert also dazu das Kindlein Ich, das Hände und Füße und den Titel Princip hat, als das Princip Ich. Dies nun, weil seine Mutter Wissen während ihrer Schwangerschaft mit Teufels Gewalt thätig seyn wollte, hat als Muttermal davongetragen einen rastlosen Trieb zur Thätigkeit: damit es mit diesem nicht etwa Mutter und Großmutter zu Leibe gehe, wird ihm eine weiche Masse vorgeworfen (woher man sie nimmt, wird nicht gemeldet); dieselbe heißt Welt, ist blos da, damit Principchen Ich darauf beiße, und ist an sich ein gestaltloser Klumpen, der blos etwas wird durch das Beißen des Principchens Ich; dieses wiederum hat zum Gebiß den Trieb, welches Gebiß man nicht anders wahrnimmt, als durch seinen Abdruck in den weichen Klumpen Welt. Diese Wechselwirkung der beiden auf einander heißt die Synthesis der Weltanschauung und ist das kurzweiligste bei der ganzen Sache! denn hat das Ich eingebissen, so sieht der Klumpen anders aus als zuvor, das närrische quecksilberne Principchen Ich will ihn gleich wieder anders und beißt ihn zu einer andern Gestalt; diese will es gleich wieder anders und beißt sie nochmals um, und so in Einem fort. Nachdem aber Großmama Seyn dem Dinge eine Weile zugesehen hat, wird sie grämisch und sieht, daß sie darein reden müsse, damit etwas Gescheutes daraus werde; sie selbst aber ist, wie leicht zu denken, das Gescheuteste in der ganzen Gesellschaft. Sie schickt also an das Principchen Ich den außerordentlichen Botschafter Sollen ab, der, beiläufig gesagt, wie die Botschafter pflegen, durch und durch Formalität ist. Dieser insinuirt dem Principchen, daß es nicht mehr so den Klumpen Welt zu allem beiße und forme, was ihm eben durch den Kopf führe, sondern daß es hübsch der Großmama ihr Conterfei herausknappere. Principchen Ich läßt gehorsamst vermelden, daß es sein Bestes thun werde, bittet auch, ein paar mal zu grüßen und knappert weiter.

 

Zu Fichte's Grundzügen des gegenwärtigen Zeitalters.
[Berlin 1806.]

p. 102:

»So hat die mündliche Mittheilung … unendliche Vortheile vor der durch den todten Buchstaben; das Schreiben ist bei den Alten erfunden worden, lediglich um die mündliche Mittheilung denen zu ersetzen, die zu ihr keinen Zugang haben konnten.«

Warum durchreist man schöne Gegenden gern zu Fuß? um halten zu können, wo man will, eilen oder zögern zu können, wo man will, eine Aussicht von mehrern Standpunkten sehen zu können. Im Postwagen muß man vorwärts und zwar die große Straße, die für Lastthiere gebahnt ist. Dem gleicht der Vortrag vom Katheder. Der Dialog ist das Beste und gleicht der Extrapost, wo man halt ruft, wo man will, auch Nebenwege einschlagen darf.

p. 117 f.:

»Wo die Idee als ein eignes und selbständiges Leben sich darstellt, geht der niedere Grad des Lebens, das sinnliche, völlig in ihr auf, und wird in ihr verschlungen und verzehrt. … Die Liebe dieses Lebens zu sich selber, und sein Interesse für sich selbst ist vernichtet. Aber alles Bedürfniß entsteht nur aus dem Daseyn dieses Interesse, und aller Schmerz nur aus der Verletzung desselben. Das Leben in der Idee ist vor aller Verletzung auf diesem Gebiete in Ewigkeit gesichert.«

Das ist wahr nur von der hellen, erhabenen Stunde. Kein Mensch, auch der göttlichste wohl nicht, hat ein Leben aus lauter solchen: keiner gleicht der galvanischen Säule, die das wundervolle Licht, die zauberwirkende Materie immerfort und unerschöpft ausströmt, sondern nur der Elektrisirmaschine, die sich entladet, ihre Kraft verliert und dann ein gemeines Glas ist. Fichte behauptet freilich, daß wir blos in jenen hellen Stunden, die er aber als permanent anzunehmen scheint, leben, übrigens todt sind: in gewissem Sinne ist auch das wahr, aber das äußere, das Scheinleben, hat für uns insofern Realität, als das, was mein scheinbares Ich Unrechtes thut, mein lebendiges wahres Ich nachher quält und dieses sich doch also, durch das äußere Scheinleben an jenes gebunden, mit ihm für eins erkennen muß; und es ist nicht so, wie Fichte in der Anweisung zum seligen Leben sagt: »Der Selige hat keine Reue über das Vergangene, denn insofern er nicht in Gott war, war er nichts«. Auch dies wäre wahr, wenn dieses Nichtseyn einmal beendigt und abgethan wäre und nie wiederkehrte, und die hohe Einsicht immer lebendig bliebe: aber ich sage, das kann nicht seyn. Vielmehr ist, wie ich in Ellrich geschrieben, das Leben des besten Menschen, dessen, der mit sich am zufriedensten seyn kann, und daher der glücklichste ist, doch nur ein steter, langer, rastloser Kampf ohne Sieg; Vollendung, Ruhe, höchste unerschütterliche Einigkeit mit sich ist nicht zu finden: das Höchste, wozu der Mensch es bringt, ist, daß er den Arm nicht sinken läßt, sondern kämpft und kämpft bis an den letzten Athemzug. Was in der erhabenen hellen Stunde erkannt ist, in der dumpfen, trüben, thierischen auszuführen, das eben ist die Arbeit des Lebens. Nach dem im Augenblick der Erkenntniß der Wahrheit, der hohen Einsicht, der wahrhaftigen Seligkeit Erkannten muß ich mir ein Gesetz machen, das ich in den dumpfen Augenblicken befolge, weil ich, obgleich ich dann in gewissem Sinn nicht da bin und lebe, doch mein Schein-Ich und was es dann thut, nachher nicht verleugnen darf, und mein, von mir selbst gebotenes Gesetz, mein ohne Anstrengung gefaßter Wille, mit dem ich ohne Wahl und Zaudern das allein Wünschenswerte wollte, wird mir nun ein fremdes, starres, hartes Gebot, dem ich folgen muß, wenn auch noch so widerstrebend. Wenn der ganz in der Sinnlichkeit Befangene eine böse That zu thun im Begriff ist, schreit sein Gewissen dagegen, und wenn er sie auch vollbringt, begleitet sie dennoch ein schmerzendes, nie zu übertäubendes Gefühl. Auf diese Weise lebt er für den Augenblick wirklich und Fichte hat daher Unrecht zu sagen, daß alle solche nur ein Scheinleben und kein wahres hätten. Es dürfte nicht seyn, aber seyn kann es, daß Menschen nur auf diese schmerzliche Art Augenblicke des wahren Lebens haben. Ein solcher erkennt es nicht, wie der Selige frei und objektiv und hinstrebend, sondern subjektiv: es tritt zu ihm mit Weh.

 

Zu Fichte's Anweisung zum seligen Leben.
[Berlin 1806.]

Er träumt (»Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters«) von einem Normalvolke, das nach einem Vernunftinstinct ohne Freiheit gehandelt habe, und prophezeit ein anderes, das nach der Vernunft mit Freiheit handeln werde. Mit jenem meint er eines, bei dem die Vernunftidee stets unmittelbar und nicht durch den Verstand wirksam gewesen, mit diesem eines, wo sie es nur nach ihrer Erstarrung zu Verstandesbegriffen seyn werde. Wenn aber die Vernunft ohne Freiheit wirken soll, so ist es nicht genug, daß sie unmittelbar und stets gegenwärtig die Sinnlichkeit überstimme, sondern daß gar keine Sinnlichkeit dagewesen sei, und da müßte das Normalvolk nicht aus Menschen, sondern aus ganz andern Geschöpfen bestanden haben; sonst wirkt die Vernunft doch immer mit Freiheit, und zwar, wenn eine solche, stets gegenwärtige Uebermacht der Vernunft möglich wäre, wären durch sie die Menschen höchst beglückt, da nie ein Zwiespalt in ihnen entstände. Aber dies ist ebenso unmöglich, als Menschen ohne Sinnlichkeit. Bei jeder moralischen Handlung geben Sinnlichkeit und Vernunft beide ihre Stimmen. Daß beide dasselbe wollen, ist ein sehr seltener Fall. Daß die Vernunft allein den Willen bestimme, und die Sinnlichkeit, die dabei beeinträchtigt wird, gar nicht laut werde, halte ich mit Kant (»Kritik der praktischen Vernunft«, S. 149) für unmöglich; doch kann sie bald durch die Uebermacht der Vernunft beschwichtigt werden. Daß die Sinnlichkeit allein wirke, ist vielleicht auch nicht möglich: die Vernunft wird sich immer, wenn auch nur in einem machtlosen Tadeln und Murren äußern. Welche nun den Willen in jedem einzelnen Falle bestimmen wird, hängt ab: theils davon, welche durch den gegebenen Fall am meisten angeregt ist (darum geschehen schwarze Verbrechen selten und sind zu kleinen Tugendübungen Viele bereit), theils von der Stärke der sinnlichen Natur eines Menschen überhaupt. Von dem Verhältnis dieser letztern zur Vernunft hängt ab die natürliche Gutmüthigkeit und das Temperament des Menschen. In Anbetracht dieses Verhältnisses sagt Kant mit Recht, daß keiner den moralischen Werth eines andern, nicht einmal seiner selbst bestimmen kann. Den augenblicklichen, von außen so mannichfach modificirten Ziehkräften der Sinnlichkeit und Vernunft nun ausgesetzt, ist der Mensch ohne Einheit, ohne Charakter, und unnützer Reue hinterher, wenn er der Sinnlichkeit nachgegeben, preisgegeben. Aber der Verstand ist das chemische Medium, in dem sich Sinnlichkeit und Vernunft beide auflösen, das gemeinschaftliche Archiv der Lehren der Erfahrung und der Beschlüsse der Vernunft. Die Lehren der Erfahrung, darin niedergelegt, machen den Menschen klug für das Leben, die Beschlüsse der Vernunft, darin aufbewahrt, machen ihn weise für die Ewigkeit. Erst öftere Reue über seine Willensbestimmung durch die augenblickliche Uebermacht der Sinnlichkeit bringt ihn dazu, jenes Archiv zu benutzen, und dadurch zur Einheit und Selbstzufriedenheit zu gelangen. Schweigt die Sinnlichkeit und spricht die Vernunft allein, so steht er, daß nur diese das einzige und höchste Gute erkennt, und diese Erkenntniß legt er nieder im Archiv des Verstandes als Gesetz, und darum sagt Platon mit Recht, alles Sündigen sei nur Irren, Mangel der rechten Erkenntniß (έπιστήμη). Daß die Vernunft in jedem Augenblick gleich thätig und mächtig und gegenwärtig sei, sodaß sie auch die stärkste Sinnlichkeit überwältige, halte ich für unmöglich; aber der Verstand ist immer gegenwärtig, d. h. der Mensch weiß immer was er thut und kann sich immer seiner Entschlüsse erinnern, und diese müssen seyn die zu Verstandesbegriffen erstarrten hyperphysischen Ideen der Vernunft. Also: Vernunft und Sinnlichkeit wirken in allen Menschen sich entgegen und jedes tugendhafte Handeln geschieht mit Freiheit, einerlei, ob es nach lebendigen und gegenwärtigen, oder ob es nach erstarrten und bewahrten Aussprüchen der Vernunft geschehe. In Keinem kann die Vernunft zu jeder Zeit so stark sein, daß sie immer für den gegenwärtigen Fall sich gleichsam neugebärend den Willen bestimme. So bedürfen wir des Verstandes als eines Mittlers, der, das feste Gesetz der Vernunft hinhaltend, es uns möglich mache, selbst gegen das Bedünken und die Einsicht des Augenblicks, nach der Autorität eines hellern Augenblicks, in dem die Vernunft wirksam war, zu handeln. Dies letztere macht unsere Existenz zu Mühe und Arbeit, zu einer schmerzvollen und berechtigt uns zu der Hoffnung einer andern, die ohne Widerspruch sei: also ist kein seliges Leben vor dem Tode, wie Fichte will, möglich, und die Hoffnung eines bessern Lebens, die er tadelt, ist gegründet.


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