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Bei den »Jodlern«.

(October 1870.)

Dank der spezifisch preußisch gewordenen »Vorsehung« fiel endlich auch Metz. Die paar Drähte, die uns der letzte Orkan gelassen, zitterten noch von der furchtbar-freudigen Kunde, und eine ungeheuere Aufregung bemächtigte sich selbst der alten, vielgelästerten Phäakenstadt. Was nun? Diese paar Worte hingen an Aller Lippen. Was nun? So frug Jeder, der überhaupt eine Frage an das Schicksal zu stellen die – Befähigung hat. Was nun? Ach, so fraget doch das Consortium »Roon-Bismarck-Moltke«!

Die vier Wände, in die mich mein Beruf gezwängt, erdrückten mich fast, ich eilte in's Freie. Aber auch das Gewoge in den Straßen machte mich schwindelig, und es war mir deshalb die Einladung eines Kutschers, der mit den so ziemlich allgemein gehaltenen Worten: »Fahr'n m'r 'naus?« den Wagenschlag öffnete, willkommen. Ja, hinaus! –

Wie konnte ich ahnen, daß am Abende des 28. October 1870, nach dem Falle Metz', das Wort » Hinaus« bei einem großen Theile der Bevölkerung Wiens nichts Anderes bedeuten könne, als: – hinaus in die » Schottenfelder Bierhalle«, wo unter der artistischen Leitung des »Schoinz-Poldl« ein großes Jodler-Fest abgehalten wurde, bei welchem nebst einer legalen Dudlercompagnie auch einundzwanzig Privat-Dudler und Dudlerinnen (darunter Namen von künstlerischem Klange, wie die »Schwoma-Elis«, die »Guardusch-Leni«, die »Meibeck-Nettl« und der »340er«) sich vor einem Areopag der schärfsten (respective harbesten) Kritiker mit den gewichstesten Schmalkramplern hören ließen und um »Ehrenpreise«, die die Direction im Namen des Vaterlandes ausgesetzt, mit »himmelhoch jauchzenden Ueberschlägen« kämpfen sollten! Nichts ahnte ich, aber als ich an dem Turnierplatze der dilettirenden Meistersinger (beiderlei Geschlechtes) ankam, da merkte ich erst an dem tumultuarischen Andrange des kunstsinnigen Publicums die Bedeutung des Tages, und fast beschämt über meine Unkenntnis der wichtigsten Localereignisse, drängte ich mich durch die athemlos lauschende, leuchtenden Auges harrende, festgekeilte Menge begeisterter Dulliä-Verständiger.

Und Alle waren sie da! Nicht Einer und nicht Eine fehlte. Die Blüthe der Gründe saß vor den perlenden Krügeln und dampfenden »Nierenbraten«. Die Classiker im »Hak'lzieg'n«, die Matadore im »Paschen«, die Toreadore der »Faustkämpfe« an der Roßauerlände und Siebenbrunnerwiese, und die ruhmreichsten Virtuosen der langen Praterkegelbudel, lockte der gemeinsame Magnet eines landesüblichen Kunstgenusses: der olympischen Spiele des ex-Brillantengrundes in die Festhalle. Der junge »Biz« nahm seinen »Alten« mit und umgekehrt, und als Zierden des schönen Geschlechtes glänzten: sie, die Unvermeidliche, und die »Erhartin« vulgo »Judenpepi«, die dem seligen Grueber Franzl im Vereine mit dem »Lautschan« und dem alten »Brat« so oft »ausgehalten« hat. Und auch diesmal ging es wieder fidel und laut »awer« ...

Es sollen über tausendvierhundert Karten ausgegeben worden sein und war um acht Uhr bereits die Casse geschlossen. Aber immer und immer kamen neue Enthusiasten, die mit aufgehobenen Händen um Einlaß baten – vergebens, nicht einmal die spindeldürre Seele eines Landesgerichtsdiurnisten hätte mehr Platz gefunden.

Wer die fünf Preise gewann? Wer als die talentvollsten Schüler und Schülerinnen unserer renommirten Dudlerei-Professoren Eckhard und Pirringer von dem jauchzenden tausendköpfigen Richtercollegium erklärt wurden? Ich überlasse die Nennung der Prämianten anderen Chronisten, mir genügte der Anblick der vorstädtischen Original-Notablenversammlung, und als ich heimkehrte, summte ich selbst in patriotischer Wallung vor mir hin:

Lieb Vaterland, magst ruhig sein –
Noch jodelt Wien recht sorglos d'rein!

 


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