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I.

Am Tor der Wunder

Ihr stillen Försterhäuser in aller Herren Länder seid gegrüßt! Ihr friedlichen Wohnungen der Wächter der Wälder, dieser Wiegenhüter der noch winzigen Urenkel altehrwürdiger Tannen, Buchen und Eichen seid gegrüßt! Eure efeuumrankten, morschen Mauern fangen die geheimnisvollen Laute des Waldes auf, saugen das Rauschen der Zweige, das heilige Schweigen der Jahrhunderte überdauernden Stämme ein. Sie hören die Lockrufe des Wildes und das Balzen der nistenden Schaukler der Äste und geben mit ihrem Echo beides, die Sprache des Waldes und sein Verstummen, geheimnisvoll zurück. Die Pilger des Lebens, Wälder durchschreitend, Spielleute, Fuhrmänner und fahrendes Volk – wie gerne rasten sie an einem schattigen Plätzchen in euren Lauben und erquicken sich mehr noch als an den landfrischen Gaben der schmucken Försterfrauen an dem Hauche eures Friedens! Wie kleine Waldkirchen, verborgene Kapellen für den Sonnen-Gottesdienst der Natur, zwingt ihr uns alle in den Bann eurer Weltflucht und Waldeseinsamkeit!

Um solch eine, gleichsam von einem gewaltigen Heere alter Baumrecken belagerte und eingeschlossene, einsame Menschenveste spielten sich vor langer, langer Zeit viele wunderbare und merkwürdige Begebnisse ab, die sich wie Bernsteinstückchen oder Perlen um einen Faden, so um ein Ereignis, das Eingreifen des Unsichtbaren in die schlichte, sichtbare Welt reihen lassen, und die ich erfuhr von – ja, von wem? Von Menschenmund nicht und nicht aus Büchern oder Dokumenten! Sie lagen an jener friedlichen Stelle der Weltferne gleichsam in der Luft. Die alten Wände des Hauses raunten sie dem Lauschenden zu, aus den versteckten Ecken begannen sie zu flüstern, und der alte Nußbaum rauschte sie hernieder in vielen geheimen Stunden, wenn die Traum- und Märchenschiffchen durch das blaue Luftmeer gleiten und Sehnsucht die einzig echten Schätze des Lebens vor unserm Auge dahinschweben läßt. Wenn alte Mauern reden, so raschelt es von Geheimnissen, dann leben längst erstarrte Echolaute auf, und wenn die Sonne durch eine Bodenluke ihre goldenen Stäbchen schiebt, leuchtet der Staub, die Spinngewebe glitzern und zittern vor Begier, das, was sie einst von der Spreu des Lebens abgefangen und erwischt haben, mitzuteilen und dem Nachdenklichen sonderbare Rätsel aufzugeben.

Auf einer kleinen Insel im Pommernland an der Ostsee liegt ein Häuschen, grau und bröcklig vor Altersschwäche. Aber was tut's, daß seine Wände schon Risse zeigen und nicht mehr ganz lotrecht stehen – sind doch die vier größten Maler der Welt, Lenz, Sommer, Herbst und Winter, unermüdlich am Werke, die Spuren seines Alters zu übertünchen und die schiefen Linien zu vertuschen! Vor ihm dehnt sich der fast die ganze Insel umhüllende Wald aus, mit seiner Rückseite schaut es zur See, von ihr getrennt nur durch eine weidenbestandene Wiesenfläche, die steil und abhangartig zum hellen, weißen Strande abfällt.

Hier lebte in alten, alten Tagen ein unwirsches, unzufriedenes Elternpaar, das sich garnicht in den stummen Frieden dieses Waldes schicken konnte. Sie litten beide, Förster und Försterin, an der Stille und Abgeschlossenheit, an der Kargheit des Gehalts und der amtlichen Bezüge und waren mit aller Welt zerfallen. Sie hatten ein einziges Töchterlein, Else, die Traumelse genannt, wegen ihrer in sich gekehrten, hinbrütenden Sinnesart. Schlecht, herzlich schlecht hatte es das arme Kind. Der Vater, barsch und rauh, hatte nur Sinn für Jagd, Holz und Landwirtschaft und kümmerte sich kaum um dieses der Schonung so bedürftige Reis des Waldes, ja er ging mit jeder jungen Baumpflanze geduldiger und zärtlicher zu Werke, als mit seinem eigenen Sprößling. Er sah das Kind eigentlich nur, um mit ihm zu zanken, wenn die herben Scheltworte der Mutter scheinbar nicht genügten, um den verträumten Sinn der Kleinen zu rügen. Elselein hatte nichts als ihr gutes Herz. Sie war wirklich ein wenig langsam, so sehr sie sich auch bemühte, sorgsam und fleißig zu sein, aber es mißglückte ihr beinahe alles. Ach! wenn nur die Schule nicht gewesen wäre! Nicht, daß sie geklagt hätte, wenn sie täglich stundenweit bei Wind und Wetter, in Schnee, Regen und Kälte ins nächste Dorf pilgern mußte, – aber Lesen, Schreiben und namentlich Rechnen schienen ihr nur erfunden, um sie zu quälen. Sie hätte sich eher getraut, ein ganzes Kornfeld allein zu mähen oder den dichten Garten umzupflanzen, als daß sie je gehofft hätte, zu lernen, was anderen Kindern nur so zuflog.

Allmählich wurde sie traurig und gramerfüllt: mehr Tränen rannen über ihre bleichen Wangen als Regentropfen über ihr Köpfchen. Sie sah nur in sich selbst die Schuld an allem, fand sich durchaus ungeschickt und redete sich schließlich ein, sie sei gar kein wirklicher Mensch, sondern irgendein verzaubertes Wesen, und träumte immer von Erlösung und Befreiung. Sie fand es aber nur gerecht, daß die Strafen niederhagelten, wenn sie Tassen, Teller, Geräte fallen ließ, Gerichte verdarb, Kleidchen, Strümpfe und Schuhe zerriß. – »Geh in Lumpen, alte Schmutzliese!« sagte dann wohl die Mutter, »dir noch etwas anzuschaffen, freilich, das würde sich lohnen!« – So, furchtsam geworden, mied sie auch Gespielinnen und Weggenossen, und hätte doch gern dem ersten Besten, der freundlich zu ihr wäre, ihr ganzes, kleines goldenes Herz geschenkt. – Nun ging sie einsam oft durch Flur und Feld. Es war etwas in der Stille des Waldes, das ihrem eigenen Schmerz verwandt schien, und sie bildete sich ein, Bäume und Blumen, die Geschöpfe des Waldes und die Tiere des Hofes seien die einzigen Wesen, welche ihr Leid verstünden und sich in ihrer Art Mühe gäben, ihr einigen Trost zu spenden. Sie glaubte, daß die Rosen blasser würden, wenn sie ihnen tief in die Kelche schaute, und daß die Laubzweige sich senkten, um sie zu streicheln, wenn sie die Ärmchen hilfeflehend zu ihnen emporstreckte. Es fiel ihr auf, daß Tauben geflattert kamen und die Hühner das Gackern ließen, wenn sie weinte. Wolf, der Jagdhund, schmiegte sich oft dicht an sie und sah der Weinenden traurig-stumm und unverwandt ins Gesicht und gab ihr mit der Pfote Zeichen hilflosen Trostes. Der alte Schimmel Hans weinte oft wirklich mit ihr, und die Kühe Lisa und Trud ließen das Fressen und sahen sie mit rückgewandten großen Augen unsäglich mitleidig an, sobald sie in den Stall kam, um sie zu melken. Die alte schrumplige, wackelnde Köhlerfrau, die im Geruch eines Bundes mit bösen Geistern stand, und, wie man sagte, der Voraussicht aller Begebnisse kundig sei, hatte eine merkwürdige Art, sie höhnisch zu begrüßen:

»Ah! da kommt ja des Wegs unser süßes, kleines Prinzeßchen Sonnenblick! Schönen Tag, Euer Gnaden, Lichtkindlein! Vergeßt nur die alte Möller nicht in Glanz und Glück! Hi! Hi! ich sehe was, ich fühle was! Prinz des Lichts! Hi! Hi!«

Und noch lebte in unserem Elselein eine stille, frohe Hoffnung – bis zu der Stunde, wo ihr das Ärgste widerfuhr.

Der Förster hatte Geburtstag, und Elselein sollte, als es Abend ward über dem goldenen Herbsttag, aus der Küche eine große Kanne Punsch dem Vater in die Stube bringen. Sie trug den dampfenden Trank und bat noch alle guten Geister, ihr zu helfen, daß sie ja nichts verschütte. Da trat sie an der Schwelle fehl und dem lauernden Wolf auf die Pfote. Dieser springt heulend auf, fährt ihr zwischen die Beine, und in weitem Bogen fliegt der Punsch dem harrenden Förster zu Füßen. Der wurde entsetzlich jähzornig, packte die um Vergebung wimmernde Else beim Schopf, schleppte sie zum Weidentor des Hauses und stieß sie hinaus in die dämmernde Nacht. Fluchend schloß er hinter ihr alle Türen ab.

Da stand sie allein auf der weiten Wiese, verwirrt, vom Schmerze betäubt, schuldlos-schuldig, und starrte in den Sternenhimmel. Alles kam ihr so geheimnisvoll still vor, daß sie gewaltsam das Schluchzen unterdrückte, als störe ihr wehmütiger Erdenlaut das heilige Schweigen der Nacht. Nur Tränen ließ sie rinnen; die rauschten nicht, sie perlten still hernieder zu ihren Tauschwestern in das Gras. So schleppte sie sich zu einer hölzernen Bank am Waldesrand, von wo man das weite dunkle Meer und den Himmel mit seinem ausgespannten Sternentuch überblicken kann. Das Letzte, was Else sah, waren Tausende von kleinen Glühlichtern, die im Grase und zwischen den Farnwedeln aufleuchteten, so dicht, als wenn sich die sternengeschmückte, alte Nacht heimlich im Spiegel der dunkelgrünen Rasenfläche einmal selbst bewunderte. – Else sank in die Knie, lehnte ihr Köpfchen auf die Bank, hörte noch einen Augenblick die Wellen klagend zu der Höhe heraufrauschen, belauschte das Wiegenlied des Seewindes im Laube – dann fiel sie in einen tiefen, tiefen Schlaf, aus dem sie zu hohem Glück erwachen sollte.

Traumelse hatte ganz recht gesehen, als ihr trotz der Tränenblitzerchen ihrer Wimpern auffiel, wie ungewöhnlich zahlreich die Glühwürmer in dieser Nacht herumflatterten. Hier war die Stätte einer sonderbaren Begebenheit. Else war gerade am » Tor der Wunder« eingeschlafen, an einem Pünktchen der großen Mutter Erde, wo die Vorsehung Wirklichkeit und Geisterweben zur innigsten Berührung zwingt. Gerade, als sie die Augen schloß, begann nicht weit entfernt von ihr ein wimmelndes Leben im Gras und Gestrüpp des Waldes. Kleine Erdgeister in buntestem Gemisch trugen allerhand festliches Gerät, Speisen und Tränke zu unzähligen kleinen und großen Pilzen, deren flache Platten zu Tafeln herhalten mußten. Andere deckten Tischzeug aus Spinnweben und Blütenweiß gewebt über die Pilzkronen. Kleine Musikanten schlugen emsig mit Reiserchen auf die freihängenden Glocken blauer Blumen. Das gab ein feines Klingen, wie von Silberharmonika und von tönendem Glasrand, während andere auf kleinen Lilienblüten Trompetchen bliesen und auf Doldenpauken herumtrommelten. Das ließ sich im Schein der Glühlichter gar feierlich an.

Und wirklich, hier war auch heute ein Weltfesttag! Die vier Wichtelkönige gaben sich an dieser Stelle, ihr alle hundert Jahre wiederkehrendes Stelldichein! – Eben war mit tausenden zierlichen Kaleschen und Equipagen, die winzige Rubinenfenster und Diamantenlaternchen trugen, der Wichtelkönig der Erde eingetroffen. Sechsspännig war er gekommen, von gelben und ockerfarbigen Wieseln mit zierlichen Silbergeschirren gezogen. Da hielt noch die Galakarosse, der eben der kleine König der Erde entstiegen war und in goldenem Sammetmantel, umwimmelt von seinem Gefolge von Käfern, Grashüpfern und vielem Bodengekreuch, zu dem Zeltdach eines zum Throndach geschmückten Farnes heranschritt.

Alsbald rauschte es unter endlosem Jubel vieler Tausender kleiner Erdwesen herauf vom Meere, wie von springenden Wellen und singenden Tropfen, und über den Abhang schoß ein von Strudelrädern getragener Muschelwagen in allen Regenbogenfarben heran; der trug den Wichtelkönig des Meeres in schwerem blauen Königsmantel, hinter ihm ein Heer von Bernsteinwägelchen und Kristallschiffchen.

Während sich die beiden Könige begrüßten, wurde es plötzlich taghell, denn aus tausend Spalten der Erde züngelten unzählige Elmfeuer und Irrlichtflammen, Moorlichtchen und Weidenkerzen auf, und inmitten all der jubelnden Helle aus einer Garbe von Glut schritt der Wichtelkönig des Feuers in scharlachrotem Mantel heran, eine Krone aus unaufhörlich zuckenden kleinen Blitzen auf dem Haupte. Auch er küßte und begrüßte die beiden harrenden Fürsten der Elemente und fragte nach dem König der Luft, indem er eine kleine Uhr mit Zeigern aus zwei Sonnenstrahlen hervorholte.

Aber da schossen schon aus der Höhe Tausende von Sternschnuppen herab und waren im Nu zur Stelle: allen voran ein blendend weißer Kometenwagen mit Rädern aus kleinen kreisenden Monden. Hei! wie der Silbermantel blitzte, indes sein königlicher Träger zu Land glitt und auf die drei kleinen Majestäten zueilte. – Nun waren sie beisammen, und die Beratung konnte beginnen. – »Geistergruß und Harmonie, meine königlichen Brüder!« – so begann der Gastgeber, der Erdkönig. – »Wieder hat uns der Wegweiser der Ewigkeit, wie alle Jahrhunderte einmal, zusammengeführt! Heut gilt unser Wirken der Erde! Ein nie Dagewesenes werde Tat! Was soll es diesmal sein? Habt ihr Vorschläge?«

»Mitnichten!« »Rate du!« »Es ist an dir!« riefen die drei durcheinander. – »So will ich's erproben! Die Menschen gehn bald hundert Jahr im wachsenden Dunkel über meines Reiches Boden. Ihre in den letzten Erdjahrzehnten bekundeten Gesinnungen strotzen von Aberwitz und Naseweisheit. Denkt euch, sie wollen das Leben aus ihrem armseligen Einmaleins, aus dem Alphabet und aus der Formel der Entwicklung begreifen! Sie haben das heilige Wundern, das Erschauern, die demütige Ehrfurcht vor dem Webstuhl des Ewigen verlernt! Die Welt des Geheimen scheint ihnen durchschaubar wie eine klappernde Maschine! – Daher möchte ich ihnen einmal ein Wunder wiederschenken – wenn's sein muß, durch Sintflut, Kometenkatastrophe – Bersten der Erdkugel – Bruch des Firmamentes! Wäre es nicht –« Hier stockte der Erdkönig, der sich ganz in Zorn geredet hatte, denn er sah, wie plötzlich der König der Luft erblaßte, mattgelb und lichttrübe wurde. Auch die anderen Majestäten blickten auf ihn. – »Ich weiß nicht,« sagte, stockend und erregt um sich blickend, der Befragte. »Es muß etwas in der Nähe sein – ich habe das schmerzliche Zuckgefühl, an dem ich öfter leide! Hier muß irgendwo, vielleicht ganz nahe, ein weinender Mensch sein!«

Alle sprangen auf. Geführt vom Luftkönig schlüpften sie durch das Gras gegen den Strandabhang, und standen plötzlich vor der schlafenden Else. Schnell und behutsam kletterten sie von allen vier Seiten auf die Bank und begannen nach Wichtelmännchenart dem armen Elselein hinter die Stirne zu sehen. Denn diesen Geisterchen ist es ein Leichtes, in die Gedanken und Träume jedes Menschenkindes zu schauen und darin zu lesen wie in einem offenen Buche aus lauter kleinen leuchtenden Buchstaben. O, was standen da für Kummerzeilen! Wie überheizt und glühend war die kleine Tränenmaschine, und wieviel kalter Reif lag auf dem Edelkristall eines ganz reinen Menschenherzens! »Sehe ich recht?« wisperte leis der Erdkönig. »Erkennt ihr das Siegel am Herzen?« »Ja,« antworteten die andern. »Es ist von Seiner Hand!« »Eine Geweihte!« – »Mir schwant etwas,« sagte der Herr des Feuers. »Ein Fingerzeig, eine Fügung. Nun brauchen wir uns nicht fürder unsere königlichen Köpfe zu zerbrechen: Das hohe Gebot! Dies Erdenkind soll unserm Schutz empfohlen sein! Ich will sie in eine Feuersbraut verwandeln!«

»Ich führe sie ins Reich meiner Edelgesteine!« rief der Erdkönig. – »Bruder,« sagte der Meeresfürst, »ein Kind der See bring' ich in meine kühlen Kristallschlösser!«

Da meinte ernst der König der Luft: »Geziemt euch Selbstisches? Habt ihr nicht genug an euren Undinen, Melusinen, Dornröschen und Schneewittchen – soll sie sich ewig zu Menschen sehnen? Laßt sie bei Ihresgleichen! Hier auf Erden soll sie teilhaben an unserm Lebensglück, das sie Märchen nennen ... bis sie ihr eigenes findet. Ich gebe ihr den jüngsten meiner Söhne, den Prinzen Aldebaran, auf zehn Jahre zu Schutz und Schirm und zum Propheten!«

»So sei es!« riefen alle. Der Luftkönig winkte einen kleinen Kometenpagen heran. »Verbinde mich mit Aldebaran!« – Der trat an ein hohes Riedgras, kurbelte daran herum und siehe! ein Strahlenbündel schoß hoch in die Nacht hinaus. Der Luftkönig lauschte am Stengel.

»Hier Prinz Aldebaran!«

»Komm sofort! Richtung Süd-Südwest!«

»Kann nicht! Die Windsbräute sind nicht zu halten!«

»Laß sie zum Nordpol!«

»Schon gut. Auf Wiedersehen!«

Eine Minute danach stand der strahlende Prinz unter den Majestäten und beugte seine Knie.

»Mein Sohn,« sagte der Wichtelkönig der Erde, »der heilige Wille befiehlt dir durch uns, dieser hier schlummernden, jetzt elenden, aber auserwählten Menschenknospe getreu zu dienen. Sei ihr ein steter Begleiter und lehre sie alles in einer ihr verständlichen Sprache! Hörst du? Alles! Mache sie sehend mit unsern seligen Augen! Langsam und Schritt für Schritt führe sie in unsere Heimlichkeiten ein! Sei ein Sternenjahr, ein Erdenjahrzehnt ihr Freund, ihr Ritter, ihr Lehrer! Verwandle dich in den, nach dem sie eben ihre Seelenärmchen reckt. Sei ein Menschenjüngling, schön und wohlgestalt, kraft der Gewalt!

Bei Sternen, Mond- und Irrlichtschein
Spinn dich in Menschenhülle ein! –
Eins, drei und fünf und sieben –
Die Sternenflitter stieben!«

Da war das Reich der Kleinen verschwunden, die dunkle Nacht verschluckte das bunte Bild. Elselein erwachte. Eben hatte sie von einem blauen Prinzen mit Schwanfederbarett geträumt, der sie zu erlösen kam – da stand er leibhaft vor ihr:

»Erschrick nicht!« sagte zu ihr, die Stirn lind streichelnd, Aldebaran. »Ich bin dein bester Freund. Du trittst von nun an auf den Pfad des Glückes. Vertraue mir ganz! Niemand darf wissen, daß ich immer bei dir bin, niemand außer dir kann mich sehen oder hören. Gib deine Hand! Wir schreiten zu deinen Eltern. Dein lieber Gott hat mich gesandt.«

Wie wurde Else so wunderbar warm ums Herz! Nie hatte ein Wesen mit so sanfter Stimme zu ihr gesprochen. Sie stand auf. Dann gingen sie Hand in Hand dem Försterhause zu.


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