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5

Nach einem langen Wege durch einsame Gänge blieb der Struktor vor einer Tür stehen. Ein Vorhang verdeckte mit schweren Falten den Eingang. Er diente der Gestalt eines riesigen Prätorianers zum Hintergrunde.

Der im vollen Waffenschmuck gerüstete Mann stand unbeweglich auf seinen Speer gelehnt. Er sah so ernst und grimmig drein, als bewache er das Schweigen der Einsamkeit, die hier, fern jedem Menschengetriebe, ihre Heimstatt aufgeschlagen hatte.

Als der Prätorianer den Sklaven in Begleitung eines Mädchens vor sich sah, überflog ein lautloses, verstehendes Lachen sein bärtiges Gesicht. Etwas zur Seite tretend, raffte er den Faltenvorhang an sich, den Eingang freizugeben.

Nur das leise Klirren der Wappnung des Wächters und das Knistern des Vorhangstoffes unterbrach die geheimnisvolle, lastende Stille. Kein Laut drang in diesen abgelegenen Flur. Die beschattete Helle einer Lampe, weit hinten im Gange, gab ein wenig Licht, doch kaum genug, das schwere Dunkel zu durchdringen. Von den in Finsternis aufstrebenden, oben in tiefer Nachtschwärze sich wölbenden Wänden tönte fremdartig das Flüstern des Struktors zurück.

»Weiter darf ich dich nicht geleiten, Domina,« entschuldigte er sich leise. »Der Wächter weiß von deinem Kommen. Er wird dafür sorgen, daß keine Menschenseele dein Zusammensein mit dem Kaiser stört.«

»Ich habe keinen Grund, eine Störung zu befürchten,« erwiderte Valeria Messalina herb.

Die wenigen laut gesprochenen Worte weckten einen Widerhall, der den Flur entlanglief, als wolle er die Geheimnisse dieses einsamen Palastflügels aus dem Schlafe scheuchen. Dann verschollen die Laute urplötzlich, als wären sie irgendwo in der Finsternis in einen Abgrund gestürzt.

»Vertraue nicht auf den Soldaten, Domina,« warnte der Struktor ernst. »Er ist ein Lieblingswächter des Kaisers, seinem Herrn sehr ergeben und außerdem – ? stumm und – auch taub.«

Valeria Messalina suchte das Gesicht ihres Führers in der Dunkelheit zu erkennen. »Was willst du damit sagen?« forschte sie mit unterdrückter Stimme.

»Du bist mutig, Domina,« wich er zögernd aus. »Und du bist schön. Niemand als Venus kann deine Schutzgöttin sein. Möge sie dir beistehen!«

»Ich verstehe dich nicht,« rief Valeria Messalina. Sie trat einige Schritte zurück, als bereue sie, dem Struktor gefolgt zu sein.

Doch da ließ der Prätorianer den Vorhang in das Gefalte zurückgleiten. Er huschte an der Wand hin, nahm die Lanze quer und schnitt der späten Besucherin so den Rückweg ab, mit der riesigen Gestalt und der Waffe den Flur absperrend.

»Hab Dank, Domina,« murmelte der Struktor. »Ich kann dir nur noch sagen: sobald du den zweiten leichten Vorhang, der sich hinter dem schweren ersten befindet, aufheben wirst, betrittst du ein hellerleuchtetes Gemach. Dort wirst du alles weitere erfahren.«

Damit verließ er die junge Domina und war sogleich verschwunden. Es war, als hätte der finster gähnende Gang ihn verschluckt.

Valeria Messalina sah sich mit dem Prätorianer allein. Er schien sein Amt zu kennen. Er trat auf das Mädchen zu. Jedes Ausweichen war unmöglich. Die Lanze an der Eisenspitze ergreifend, den Speerschaft hinter Valeria Messalina an die Wand stemmend, raffte er mit der freien Linken den Vorhang zurück. So bildete er mit Arm, Körper und Waffe einen Winkel, aus dem die Gefangene nur entkommen konnte, wenn sie das vor ihr liegende Gemach betrat.

Um aller Gewalttat zu entgehen, hob Valeria Messalina den zweiten Vorhang. Eine Lichtflut strömte auf sie ein. Und da diese Helle als Gegensatz zur Finsternis des Flures beruhigend wirkte, schritt Valeria Messalina ohne Zögern weiter. Zugleich wurde ein Vorhang dem Eingange gegenüber zur Seite gestreift. Eine junge, hübsche Griechensklavin trat lächelnd vor.

»Sei gegrüßt, Domina,« sprach sie freundlich, doch demutsvoll.

Die Gegenwart eines weiblichen Wesens gab Valeria Messalina den Mut zurück. In diesem kaiserlichen Palaste schien alles aus Gegensätzen zu bestehen: draußen der nachtdunkle Flur und der finstere Wächter – hier der lichterfüllte Raum und die liebliche Erscheinung der jungen Griechin.

»Sei bedankt,« erwiderte Valeria Messalina den Gruß der Sklavin. Dann lachten die beiden Mädchen einander an. »Führst du mich weiter?« erkundigte sich die Domina.

»Du bist am Ziele, Herrin, wenn du dort eintrittst,« gab die Sklavin Auskunft, auf den zurückgeschlagenen Vorhang deutend.

In diesem Augenblicke erschien Caligula auf der Schwelle. Er hatte seine Ungeduld nicht länger meistern können.

»Ohne Scheu,« bat er mit einer einladenden Handbewegung.

Der Kaiser zog selbst den Vorhang zu, nachdem Valeria Messalina die Tür durchschritten hatte und in das vom rötlichen Ampelscheine durchglühte Gemach gelangt war. Er wies auf einen Sessel, der mit weit ausgreifenden Beinen und mit halbgerundeter, tief zurückliegender Lehne die Mitte des Raumes einnahm. Ein rotes Seidenpolster bedeckte den bequemen Sitz. Caligula blieb höflich stehen, bis sein Besuch Platz genommen hatte. Dann zog er einen zweilehnigen Stuhl heran und lieh sich ebenfalls nieder.

»Ich habe dich hierher befohlen –« eröffnete er die Rede.

»So unfreundlich der Wächter im Vorgemach war, so anmutig ist die Dienerin vor diesem Raume. Ich mache dich aufmerksam, Herr, daß ich gewohnt bin, mit Männern nur in Gegenwart einer zweiten Frau im Gemach zu weilen. «Ich werde daher nur in Gegenwart deiner Dienerin mit dir reden. Rufe sie, bevor du weitersprichst.«

Caligula kam diesem kühnen Wunsche augenblicklich nach. Das Mädchen trat ein und blieb mit tiefgeneigtem Gesichte statuenhaft unbeweglich neben dem Türvorhang stehen. Ihre schönen Züge nahmen eine Ausdruckslosigkeit an, die erkennen lieh, daß die Sklavin Auge und Ohr zu verschließen verstand. Sie mochte sich daran gewöhnt haben, Zeugin zu sein der Gespräche ihres Herrn mit einsamen Besucherinnen.

»Wir sind allein,« sagte Caligula kurz und spöttisch, indem er mit einer leisen Kopfbewegung nach der Sklavin deutete. »Dennoch ist dein Wunsch erfüllt, Valeria Messalina,« fügte er etwas freundlicher hinzu. »Ich freue mich, Gedanken mit dir auszutauschen. Denn du scheinst mir ein Wesen besonderer Art. Von Alltagsmenschen aber strotzt meine Umgebung.«

»Gedanken mit mir auszutauschen?« fragte Valeria Messalina verwundert. »Gerade mit mir?! Was wüßte ich wohl zu sagen, ich, deren Wege bis zu diesem Tage kaum weiter als von der Schwelle des Elternhauses in das Heim guter Freunde führten – ich, deren Augen bisher eine nur kleine Welt sahen.«

Caligula saß mit untergeschlagenen Armen und betrachtete forschend das belebte Antlitz seines Gegenübers.

»Du schlägst die Augen nicht vor mir nieder,« sagte er nach einer Pause zufrieden.

»Ich habe nichts getan, was mich zwänge, meinen Blick zu verstecken,« entgegnete sie, frei seinen grünlich schillernden Augen begegnend.

»Das ist es eben: deine Unberührtheit macht dich kostbar,« sagte er. Sein eigenartig häßliches Gesicht nahm einen lauschenden Ausdruck an, voll Neugier, ob sie die Anspielung verstanden hätte. Da sie schwieg, fuhr er fort: »Bei welchem Namen nennt man dich in vertraulicher Anrede?«

»Du nanntest mich ja schon beim Namen, Herr,« erinnerte sie mit einem leisen Auflachen.

Er machte eine ungeduldige Bewegung. »Valeria Messalina – ja gewiß« stieß er hervor. »Du müßtest nicht eine Domitierin sein, wenn dein voller Name mir fremd wäre. Ich meine: wie ruft man dich zuhause?«

»Beim ersten Namen: Valeria.«

»Ein nichtssagender, blutloser Name,« meinte er geringschätzig. »Als ich noch ein Knabe war und die Bulla noch am Halse trug, ritt ich mit Vorliebe eine lammfromme Stute. Sie hieß Valeria.«

Ein breiter, sinnlicher Zug glitt um seinen Mund, während er fortfuhr:

»Dem erwachsenen Manne genügt ein frommes Stutchen nicht mehr. Nun kann gewiß auch eine Stute feuriges Blut haben, selbst wenn man sie nur sanft Valeria ruft. Ist aber das Feuer in ihrem Blute erst einmal geweckt ... vielleicht durch – den – Hengst ... so verdient die Stute einen klangvolleren Namen.«

Valeria Messalina wunderte sich still über dieses törichte Geschwätz des Kaisers.

»Wenn du von Pferdezucht mit mir reden willst, Cäsar,« sagte sie in aller Harmlosigkeit, »so kann ich dir nicht viel Unterhaltung bieten. Ich verstehe davon nichts.«

Sein Lächeln ward ein breites, laszives Grinsen, als er fortfuhr:

»Was meinst du – bist du eine Stute, die Feuer im Blute hat?«

Da sie diesmal auf die sie dumm dünkende Frage keine Antwort gab, nur gelangweilt mit den Achseln zuckte, sprach er weiter:

»Nun, der Abend ist noch lang – es wird sich erweisen. Und da du mir dein lebhaftes Temperament bereits bewiesen hast, wenn auch nicht in jener Form, die ich bei Frauen bevorzuge, so will ich dich schon jetzt nicht mehr bei dem wässerigen Namen Valeria nennen. Messalina sollst du heißen! Nicht nur für mich.«

»Meine Eltern haben über meinen Namen zu entscheiden!« erwiderte sie stolz.

Er schnellte von seinem Sitze auf und sah höhnisch auf sie herab.

»Deine Eltern? ... Wenn ich, der Cäsar, dir den Namen bestimme?« rief er belustigt. Er reckte sich zu kindischer, gravitätischer Haltung empor und stelzte gewichtig in dem Gemache auf und nieder wie ein Pfau, der eitel sein farbensprühendes Rad zeigt.

Plötzlich blieb er vor dem Mädchen stehen und wiederholte mit erhobener Stimme: »Messalina sollst du heißen! Der Name, bei dem dich die Gottheit Caligula rief, wird die Zeiten überdauern. Und du meinst, Menschen hätten über das zu entscheiden, was Cäsar befiehlt? Es gibt keinen, der neben mir wäre, geschweige denn über mir.«

»Bist du nicht auch ein Mensch? Nur ein Mensch und von demselben Fleische wie ich? Auch ich stamme aus dem Blute der Julier.«

»Wir werden später prüfen, wie weit wir einander als Menschen gleichen,« entgegnete er mit einer Stimme, die heiser war vor Erregung. Seine zitternde Hand griff an den Halsausschnitt ihres Gewandes. Er zerrte an dem Stoffe und flüsterte: »Ich hatte dir befohlen, in einem koischen Kleide zu erscheinen, Messalina.«

»Nimm deine Hand fort, Cäsar!« gebot sie so scharf, daß er erschrak und von ihr ließ. Dann setzte sie ihm ruhig auseinander: »Ich war zum ersten Male zu einem Fest geladen. Wie konnte ich anders als in dem edlen, weißen Gewande unserer Vorfahren erscheinen, wenn man mich nicht für eines von den lockeren Mädchen Roms halten sollte!«

»Gut, ich will das als Entschuldigung gelten lassen,« gab er zu. Er wanderte wieder eine Weile stumm aus und ab, wie traumverloren, sein kranker Geist entschwärmte seiner Herrschaft. Dann ließ er sich in den Stuhl fallen und erklärte mit dem Versuche, liebenswürdig zu erscheinen:

»Dein weißes Kleid hebt nicht genug deine Schönheit, Messalina. Es gibt für ein schönes Mädchen nichts Schmuckeres als das seidenfeine, durchsichtige Gewebe des koischen Purpurstoffes. Du wärest eine Göttin in solchem Gewände. In deinem weißen Gewande aber bist du nur ein Mädchen, und das – – ist gefährlich für dich. An die Göttin wagt man nur den Blick, an ein Mädchen aber alles.«

Ein kältender Schauer überrieselte Messalina, als sie die vor Lüsternheit flimmernden Augen des Kaisers mit irrem Glanze auf sich gerichtet sah. Alles an diesem Manne ekelte und entsetzte sie.

Sie raffte den Stoff der Stola enger um sich, als könne sie dadurch den Augen des Cäsars entrinnen. Dann suchte sie dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, indem sie sagte:

»Du meintest, Herr, der Name Messalina – weil du es bist, der ihn mir aufdrängt – würde die Zeiten überdauern? Das klingt wie eine Weissagung.«

»Und du glaubst natürlich an Weissagungen,« stellte er fest.

»Allerdings – um so lieber, wenn sie Gutes verheißen,« gab sie mit einem leichten Lächeln zurück.

»Und man hat dir Gutes verheißen?«

Mit einem unbewußten Zug des Hochmuts um den Mund sah sie den Cäsar an.

»Nicht nur kürzlich erst, nein, auch heute wieder sagte man mir voraus, ich würde dereinst Kaiserin sein.«

Caligula fuhr so heftig vom Sitze auf, daß der Stuhl umstürzte.

»Kaiserin –?!« stieß er mit aufgerissenen Augen hervor.

»Ja, Kaiserin!« gab sie gelassen zurück.

»Kaiserin? Du?! Mit mir?!«

»Warum gerade mit dir, Cäsar?« meinte sie leichthin. »Werden nicht auch nach dir Kaiser kommen?«

Langsam hob er die Arme. Seine Hände öffneten sich und krallten sich wieder zu. Es war, als verspüre er den unwiderstehlichen Drang, diese Hände um den weißen Hals Messalinas zu klammern, weitere Worte zu ersticken, die ihn daran erinnerten, daß auch für ihn die Kaiserherrlichkeit einmal enden konnte.

»Also nicht mit mir?« zischte er. »Mit einem andern – der – nach mir kommen – wird!«

Eine Grimasse gewaltsamen Spottes verzerrte sein Gesicht zur Fratze, während er die Hände sinken lieh. Dann faßte er sich. Langsam, jedes Wort deutlich betonend, sagte er:

»Mir fehlt keineswegs das Verständnis für ein mutiges Wort zur rechten Zeit. Du, Messalina, wagst jedoch weit mehr, als ein Mensch meiner Art ertragen kann – wenn ich denn schon deiner Meinung nach nicht mehr bin als ein Mensch.«

Die Sklavin hatte den Stuhl aufgerichtet, in dem der Kaiser nun wieder Platz nahm.

Er kniff die Lider eng zusammen und betrachtete seinen Gast mit spitzem Blicke. Dann sprach er in ruhigem, sachlichem Tone weiter:

»Du hörtest beim Mahle, daß mir schon einmal die göttliche Macht gegeben war, eine Weissagung zur Lüge zu stempeln. Du sollst erfahren, was Cäsar Caligula vermag. Ich werde zum zweiten Male eine Weissagung zunichte machen. Du Kaiserin!« Er lachte. »Wir wollen sehen, wer mächtiger ist, der Gott, der dir diese Weissagung schenkte, oder ich! Ich könnte sie mit einem Worte vernichten und dich auf der Stelle erdrosseln lassen. Dann könntest du im Tartarus die Kaiserin spielen. Doch ich bin milde, wenn auch nicht viele es wissen. Ich werde deinem Vater befehlen, dich meinem Oheim Claudius zur Gattin zu geben.«

Wieder lachte er, kreischend, und fuhr fort:

»Wenn jemals ein Mensch keine Aussicht hatte, den Cäsarensessel Roms zu besteigen, so ist es der gute Claudius. Du siehst, wer dir weissagte, du würdest Kaiserin sein, der betrog dich.« Er sah sie lange stumm an. Dann fügte er hinzu: »Es sei denn, Messalina, du würdest Kaiserin durch mich!«

»Niemals!« schrie sie außer sich. »Dann lieber den Claudius!«

Der Kaiser verfärbte sich vor Wut.

»Und wenn ich dir versichere, daß du mir gehören wirst, auch wenn du später das Weib des Claudius wirst?!«

»Ich werde sterben, ehe du mich berührst.«

»Ah, Selbstmord! Altrömische Tugend!« spottete Caligula. Er rückte den Stuhl näher und legte die heißen Hände auf Messalinas Knie, die er mit klammernden Fingern umspannte.

»Schöne Messalina, wer wie du einen Kaisertraum träumt – wer wie du geschaffen ist, so hoch zu steigen, nicht nur durch Schönheit, sondern auch durch Klugheit und Verstand – wer noch das größte Geheimnis der Wonnen des Lebens zu lernen hat – der greift nicht zur pulsöffnenden Lanzette. Du bist zu jung, um nicht leben zu wollen. Ich werde der Lehrmeister sein, der dir zeigt, was Leben ist!«

Er ließ ihre Knie los und tastete höher hinauf auf dem glatten Stoffe des Gewandes. Sie saß in Erstarrung, entkräftet von dem Widerwillen vor der Berührung dieses unheimlichen Menschen, betäubt von dem allmählichen Begreifen der Gefahr, in der sie schwebte. Eine Gefahr, deren Schrecken sie instinktiv nur ahnte, in der Lebensunkenntnis, in der die jungen Mädchen aus den vornehmen Häusern Roms bis zu ihrer frühen Verehelichung künstlich erhalten wurden.

Sie versuchte, sich von den frech zugreifenden Händen des Kaisers zu befreien. Doch das kurze Ringen entblößte nur ihre rechte Schulter.

Der Anblick der marmornen Halbkugel nahm den Cäsar gefangen. Er starrte auf die schneeige Haut und hielt inne in seiner Zudringlichkeit. Weit beugte er den Kopf vor und murmelte undeutliche Worte. Der überstarke Reiz seiner Sinne rettete für den Augenblick Messalina aus der Gefahr. Er legte eine Hand auf die blutdurchpulste Rundung des enthüllten Fleisches und sah regungslos, als lausche er auf die Ströme, die durch die Berührung mit dieser glatten, kühlen Stelle des jugendlichen Körpers auf ihn überfluteten. So verharrte er lange, bis er mit fast vorsichtigen Fingern auch die linke Schulter Messalinas vom Gewande befreite.

Sie duldete mit geschlossenen Augen, ohne Widerstand und ohne Möglichkeit der Bewegung, weil Caligula jetzt fest zupackte und sie in das Halbrund der Lehne zurückdrängte. Sie duldete jedoch auch, weil trotz allen Widerwillens gegen den Mann und seine Gewalttat eine Erschlaffung in ihrem Blute rieselte, die sie lähmte und willenlos machte.

Da zerrissen Worte des Kaisers den hypnotischen Bann. Diese Worte siedeten auf aus dem Sadismus des Kaisers, aus der krankhaften Mischung seines Gefühls, die seine Sinnlichkeit stets mit der Grausamkeit des mordlüstigen Wahnsinns tränkte.

»Die Schönheit deines Halses ist ein Wunder,« sagte er ganz klar, bewußt und kritisch. »Er baut sich auf wie aus Alabaster geschliffen. Er verheißt, wie deine Schultern, viel Körperschönheit.«

Ganz sacht betastete er in fast scheuer Berührung die Haut, ihre Kühle prüfend.

»Wäre es Tag, Messalina, und du säßest gegen die Sonne, so würde an beiden Seiten deines Halses ein rötlicher Schimmer leuchten, wie, wenn man die Hand gegen das Licht hält, zwischen den Fingern das Blut farbig pulst. Es muß schön sein, diesen Hals zu küssen. Aber es gibt noch etwas Schöneres!«

Er maß zwischen Daumen und Zeigefinger die Kehle.

»Von da bis da – ein rascher Schnitt – die Wunde klafft wie ein purpurner Mund. – Und wie deinem Munde heiße Worte der Liebe entströmen können, wenn du nur willst, so würde der Wunde heißes Blut entströmen.«

Er betrachtete seine gespreizten Finger und wischte sie an seinem Gewände ab, als müsse er sie von Blut reinigen. Dann sagte er nach einem Aufseufzen:

»Es müßte eine vernichtende Lust sein, Messalina, dir den Hals abzuschneiden. Ich könnte jetzt einen Sklaven rufen, es zu tun ... Aber lassen wir's ... Ich würde ihn vielleicht beneiden.«

Voller Grauen und Entsetzen hatte Messalina diese Reden über sich ergehen lassen. Worte, die fast ohne Ausdruck, eintönig wie das Tröpfeln von Blut, über des Kaisers Lippen fielen.

In Gedanken verloren, sah er da. Sein brennendes Begehren schien er vergessen zu haben.

Messalina nahm alle Kraft des Willens zusammen, die Angst vor diesem Manne zu bezwingen. Wenn sie jetzt flüchtete? Aber wer half ihr, aus dem Gemache zu entkommen? Die Griechin? Die stand noch immer mit geneigtem Haupte an dem Vorhang, leblos und in sich zurückgezogen, als wäre ihr die Gabe verliehen, mit dem Körper zugegen, mit Sinnen und Seele fern zu sein, bis man ihrer benötigte. Und der taubstumme Wächter draußen? Vielleicht war seine Pflicht nur, kein weibliches Wesen von der Türe fort, doch ungehindert die von dannen zu lassen, die einmal des Kaisers Gemach betreten hatten. Leise erhob sich Messalina – da rief das Rascheln des Gewandes den Imperator in die Gegenwart zurück.

»Du kannst den Raum nicht verlassen, Messalina,« bedeutete er, den Blick vollkommen ruhig erhebend. »Der Prätorianer draußen – er ist mein Liebling und der getreueste aller Germanen – läßt dich nicht hinaus ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Behalte Platz, ich will mit dir sprechen.«

Er zog sie an den Händen in den Sessel zurück und hob sogleich an:

»Man erzählt sich, dieser Abalanda – er ist mein Gast in Rom, und ich habe deinen Vater geehrt, indem ich den nordischen Sendling eurem Hause zuwies – man erzählt, Abalanda bewerbe sich um deine Gunst. Gefällt er dir?«

Messalina glaubte schon, die Zusammenkunft mit dem Kaiser gleite in weniger gefährliche Bahnen. Da sie nun wußte, daß ihr jede Möglichkeit zur Flucht abgeschnitten war, entschloß sie sich, dem Gespräche standzuhalten. Vielleicht gelang es ihr, den Kaiser zu ermüden, daß er sie selbst freigab, überdrüssig ihrer Gesellschaft. Sie straffte sich, lehnte sich in den Sessel zurück und zwang sich mit aller Macht, vollkommen furchtlos zu erscheinen.

»Abalanda?« nahm sie die Frage des Kaisers auf. »Er gefällt mir, wie ein stattlicher Mann wohl jedem Mädchen gefällt.«

»Aber mit dem Gefallen muß doch ein Gefühl verbunden sein,« behauptete Caligula. »Ich hätte dich also richtiger fragen müssen: was fühlst du für ihn?«

»Nicht mehr als die Ehrerbietung, die man einem kaiserlichen Gaste schuldet,« antwortete sie. »Vielleicht auch ein wenig Freundschaft, da er höflich und aufmerksam ist, auch seine Neigung verbirgt, um mir nicht lästig zu werden.«

»Er wirbt also nicht offen um dich,« nickte Caligula vor sich hin. »Nun ja, das darf man von diesem Arkadier wohl auch kaum erwarten.«

»Arkadier?« fragte Messalina erstaunt. »Warum nennst du ihn so, da er doch kein Südländer ist?«

»Weil aus Arkadien die größten Esel und die einfältigsten Menschen kommen,« erklärte der Kaiser und lachte und freute sich, als habe er einen trefflichen Witz gemacht.

»Aber nicht das allein. Man muß, dem langen Barte nach, deinen Freund auch für einen sittenstrengen Mann halten, der den Liebesgenuß verschmäht. Als ich – ihn seines Vaters wegen auszuzeichnen – ihm erlaubte, gleich einem Römer die Toga zu tragen, konnte ich ihn nur mit Mühe überreden, sich das Haupthaar scheren zu lassen. Langhaarige Bartträger aber sind immer Sittenbolde und Schulmeister.«

»Und Glatzköpfe?!« fragte Messalina keck.

»Meinst du damit mich?« rief der Kaiser heftig und betupfte seinen kahlen Schädel.

Da ward dem Mädchen angst vor seinen zornigen Augen. Sie log verwegen. »Nein, Herr. Du bist nicht sittenlos. Das weiß ich und ganz Rom. Du liebst die Kaiserin, deine Gemahlin.«

Leicht, wie jeder Irre, von einem Gedanken abgelenkt, erwiderte er lebhaft:

»Oh, Cäsonia über alles! Es gibt kein Weib, das mich so liebevoll verstünde wie Cäsonia. Ich will dir erzählen, was mich mit ihr zusammenführte.«

Er erhob sich und befahl der Sklavin, den Stuhl beiseitezustellen.

»Ich spreche freier, wenn ich auf- und abschreiten kann,« erklärte er, zu Messalina gewandt.

Die Griechin erwachte für einen Augenblick aus ihrer Statuenhaftigkeit und räumte den kleinen Sessel fort. Dann nahm sie ihren Platz am Vorhang wieder ein. Und ihr Antlitz versteinte von neuem.

Der Kaiser ging eine Weile schweigend umher, als überdenke er seine Worte.

Endlich begann er:

»Die Menschen beneiden mich um den Glanz meiner Stellung, um die Macht in meinen Händen, um den Reichtum. Hinter dem Glanze verbirgt sich die Dunkelheit eines seelischen Leides, das ich keinem offenbaren kann. Hinter der Macht verborgen ist erbärmliche Machtlosigkeit. Denn wenn ich allem gebieten kann, so kann ich doch nie meinem Schlaf gebieten, daß er mich erquicke. Hinter dem Reichtum also lauert die Armut eines Menschen, der an dem Köstlichsten, der kraftspendenden Ruhe und Erholung, darbt. Reichtum überhaupt – er ist nur gut, um vertan zu werden. Hat es Zweck, Reichtum zu mehren? Auf Erden bleibt vom irdischen an mir nichts als eine Urne voll Asche. Was soll mir in dem engen Gehäuse der Reichtum!«

Messalina war erschüttert von diesem Bekenntnis eines Menschen, dem alle Welt nachsagte, seine Gedanken seien nichts als Prassen, Verschwenden und Blut.

»Wie traurig ist dein Leben, Cäsar, wenn dein Glück so brüchig ist!« sagte sie ernst.

Caligula blieb einen Augenblick stehen. »Mein Leben?« versetzte er in einem Hohn, der weit mehr Verzweiflung als Bitterkeit war. »Ich schlinge vom Leben, als wäre ich Saturnus, der seine eigenen Kinder verschlang. Denn ich will nicht vom Leben verschlungen werden. Ich will das Leben fressen, bis ich satt bin. So satt, daß nichts vom Leben mich mehr reizt.«

Er nahm seinen Rundgang wieder auf und fuhr fort:

»Für mich ist das Leben ein Weib, das man umarmt, solange es sich hingibt. Je häufiger man umarmt. desto stärker wächst die Fähigkeit zum Umarmen. Anders beim Essen. Da wird man um so satter, je mehr man ißt. Aber in der Liebe wächst der Hunger mit dem Genusse. Und hier eben ist Cäsonia der zu allen Zeiten gedeckte Tisch.«

»Sie liebt dich also!« bemerkte Messalina in ein Verstummen des Kaisers hinein, da sie meinte, irgendetwas sagen zu müssen.

»Nein!« entgegnete er hart. »Es ist umgekehrt: ich liebe sie!«

Messalina war von diesem Geständnis sehr beruhigt. Dann hatte sie offenbar die vermeintliche Gefahr überschätzt. Und so flocht sie ein: »Es gibt demnach doch ein Glück in deinem Leben, Cäsar.«

»Glück nennst du das?« widersprach er, heiser auflachend. »Ich habe Stunden, in denen ich vergeblich grüble, was ich mit Cäsonia beginnen soll, um ihr das Geständnis abzupressen, warum ich sie so sehr liebe. Denn ich weiß es nicht. Aber sie muß es wissen. Mir ist es unerklärlich. Und wäre ich sicher, daß man die Antwort aus ihrem Herzen lesen könnte, ich würde noch in dieser Stunde dem Arzt befehlen, sie zu öffnen, ihr das Herz herauszuschneiden und es zu durchforschen, jede Fiber, jede Falte, bis es das Geheimnis meiner unverständlichen Liebe preisgäbe!«

»Ein fürchterlicher Gedanke,« murmelte Messalina entsetzt.

»Doch – ich wollte dir erzählen, wie ich mit Cäsonia zusammenkam,« erinnerte sich Caligula, wieder auf- und abschreitend. »Die Nächte des vollen Mondes hatten früher einen sonderbaren Einfluß auf mich,« begann er wieder. »Ich war dann unruhig und von einem Verlangen gepeinigt, das von nichts, von keinem Weibe gestillt werden konnte. Meine Sehnsucht ging nicht nach Irdischem, nicht nach Staubgeborenem. Sie reichte höher, bis zum Monde selbst! Und ich wußte dann Luna zu zwingen, daß sie das Lager mit mir teilte. Ich gab mich ihr hin, fühlte, wie der bleiche Schein ihres Körpers mich umschmiegte, das blasse Licht ihrer Glieder meine Sehnsucht kühlte, wenn alle Rundheit ihrer Gestalt auf meinen Kissen leuchtete. Und wie mich jetzt manchmal ein seltsames Begehren treibt, mich auf einem Haufen von Goldstücken zu wälzen, so wälzte ich mich in Mondnächten auf dem Silber der Luna.« Er machte erschöpft eine Pause. Dann fuhr er flüsternd fort:

»Da kam eine Nacht, in der die volle Luna meine Geliebte hätte sein sollen – aber Wolken bedeckten den Himmel. Mein Lager blieb dunkel. Ich schrie durch die Gänge, mir Mondlicht zu schaffen, wütend über meine armselige Machtlosigkeit, dem verfinsterten Himmel zu gebieten. Niemand wußte Rat. Nur Callistus verstand mich. Er führte mir Cäsonia zu. Und sie gab mir alles, was die in jener Nacht ungetreue Luna mir versagt hatte. Seitdem ersetzt Cäsonia mir die wankelmütige, launenhaft schwindende und wiederkehrende Luna. Cäsonia ist immer da, immer treu und bleibt stets die kühlende, spendende Luna. Ja, sie ist sogar so treu, daß ich sie bisweilen an einen meiner Freunde verschenken muß, um Eifersucht in mir zu erzeugen, die mir den unwandelbaren, sicheren Besitz Cäsonias wieder begehrenswert macht.«

Er war ermattet von seiner aufgeregten Schilderung und sah ermüdet um sich. Die Griechin löste sich abermals aus ihrer Erstarrung und schob ihm den Sitz entgegen. Er scheuchte sie mit einem Fußtritt auf ihren Platz zurück. Auch den Stuhl schleuderte er mit einem Tritte zur Seite.

Messalina erhob sich, aufgeschreckt von seiner Gewalttätigkeit.

»Man wird uns beim Mahle vermissen,« sagte sie mit bebender Stimme. »Laß uns das Gespräch beenden, Cäsar.«

Er spielte mit merkwürdig unruhigen Fingern an seinen Lippen, als er Messalina mit nachdenklicher Miene musterte.

»Es wäre eine Überraschung für die Gaffer, brächte ich dich in den Saal zurück, ohne daß deine geröteten Ohren Zeugnis ablegten für die Art unserer Zwiesprache,« grinste er. »Und – beenden – ? warum beenden? Das Ende ist anders nach meiner Gewohnheit. Ich denke dir Kurzweil zu bieten, die du bei deinem braven Gatten Claudius noch oft vermissen wirst.«

»Claudius?« Messalina runzelte die Stirn. »Es kann doch nicht dein Ernst sein –«

Er schnitt ihr mit einer schroffen Bewegung das Wort ab:

»Ich pflege in Dingen meines Willens nicht zu scherzen, mein Kind. Ich wünsche diese Ehe! Wenn du mich nicht verstehst – dein Vater wird besser begreifen, was eine Weigerung für die Deinen, dich selbst und Claudius bedeuten könnte.«

Er lachte hell auf. »Im übrigen, der Tropf Claudius wird die Ehre zu schätzen wissen, einen Apfel zu verspeisen, den ich, die Gottheit Caligula, angebissen habe.«

Sie trat dicht zu ihm hin. Die Fäuste geballt, rang sie vergeblich nach Worten, ihrer Empörung Luft zu machen. Weit größer als Messalina, gelang es dem Cäsar leicht, ihre Arme zu packen und sie festzuhalten.

»Du bist sehr töricht, dich mir im Zorn zu zeigen,« flüsterte er. »Die flammende Röte deines Gesichtes – nun kriecht sie über den Hals hinab und noch tiefer – schade, daß du kein durchsichtiges Kleid trägst – diese Blutwelle und deine Schönheit des Zorns bringen dich in Gefahr. Du selbst wirst dir gefährlich, weil mir begehrenswerter.«

Messalina bot alle Kraft auf, sich von dem Griffe zu befreien, mit dem der Kaiser ihre Handgelenke umspannt hielt. Er ließ sie eine Weile sich drehen und wenden, winden und reihen. Er beobachtete das Spiel ihrer vor Wut und Haß bebenden Nüstern, lauschte dem Keuchen ihres Atems, prüfte mit verschlingenden Blicken die jäh bewegten Hüften und gewahrte, wie bei diesem Ringen das Gewand sich mehr und mehr löste und die Schultern freigab. Endlich stand Messalina still und suchte in tiefen, raschen Atemzügen neue Kraft zu schöpfen.

»Gib mich frei, Cäsar!« schrie sie ihn gebieterisch an.

Er schüttelte stumm den Kopf.

Wieder sog sie tief Luft ein. In stummer Raserei starrte sie in das Gesicht Caligulas, das noch abstoßender wurde durch die Flecken auf der abbröckelnden Schicht des Goldpuders. Sie wollte um Erbarmen flehen. Doch sie war zu stolz. Auch wußte sie, daß die irre Seele dieses Menschen keiner Gnade fähig war. Sie sah nach seiner Kehle. Wenn es gelänge, sich dort festzubeißen. Dann muhte er sie loslassen. Aber er hielt die Schweratmende mit gestreckten Armen von sich ab, als ahne er diese Gefahr.

»Befiehl dem Prätorianer, daß er mich tötet!« stieß sie hervor.

»Bringe Wildurod herein,« gebot der Cäsar über die Schulter fort der Sklavin.

Sekunden später stand der riesenhafte Wächter in seiner erstarrenden Wappnung stumm neben der bildnisstummen Griechin.

Messalina kämpfte mit den Tränen und rief dem Mädchen zu: »Bist denn nicht auch du ein Weib? So hilf mir doch!«

»Sieh zu, ob sie dir hilft,« höhnte Caligula und ließ urplötzlich die Verzweifelte los.

Kaum fühlte Messalina sich frei, da wich sie bis zur Wand zurück. Sie rieb die schmerzenden Handgelenke und suchte das Gewand höher zum Halse emporzusehen. Doch das heftige Atmen, in dem ihre Schultern stürmten, verdrängte immer wieder den Stoff.

So standen die vier Menschen schweigend und lauernd stumm in dem Gemache. Die Stille blieb abgrundtief, als der Atem Messalinas ruhiger geworden war. Nur wenn der Prätorianer sich bewegte, klirrten die Erzplatten seiner Rüstung leise, als ob hinter den Wänden ein Rieseln von Metall sich ergieße.

»Nun ...?« warf Caligula endlich in das gespannte Schweigen. »Wähle: den Tod oder das Leben.«

»Den Tod!« sprach Messalina, ohne mit den Lidern zu zucken.

»Gut. Ich sehe immer gerne einen Menschen sterben, zumal einen jungen und schönen,« sagte der Kaiser ruhig und trat zur Seite.

Messalina löste sich von der Wand und ging auf den teutonischen Riesen zu. Die Griechin verließ den Raum. Sie dachte über das Sterben eines Menschen anders als ihr Herr.

Wildurod starrte dem jungen, stolz aufgerichteten Geschöpfe entgegen, das furchtlos auf ihn zuschritt. Er warf einen fragenden Blick auf den Imperator. Der regte verneinend das Haupt.

Doch im Angesicht des Todes, der in der grimmigen Gestalt des Prätorianers vor ihr stand, stürzte auf Messalina der aufquellende, heiße Wunsch nach dem Leben. Nur ein Wimpernzucken lang überdachte sie einen Plan. Fliehen, listig fliehen!! Sie ließ sich durch die Reglosigkeit des Teutonen täuschen. Es mußte gelingen, an dem schwerfälligen Riesen und dem leichten Seidenvorhang vorbeizuschlüpfen.

Mit einem wilden, aufsprühendem Schrei, mit dem sie sich selbst Mut zu machen suchte, sprang sie nach dem Ausgange. – Und fand sich von der Bärenkraft des Soldaten umklammert. In höchster Todesnot wehrte sie sich gegen das Sterben, umklammerte den rechten Arm des Wächters, ihn zu verhindern, das kurze Schwert zu ziehen. Kaum reichte die Kraft des Hünen, das verzweifelt mit körperlicher Gewandtheit um ihr Leben kämpfende Weib zu bändigen.

Unter den eisernen, zugreifenden Tatzen Wildurods ging der dünne Stoff des Festgewandes in Fetzen. Als Messalinas Kräfte versagten, hing sie bis zu den Hüften entblößt in den Armen des Wächters.

Der Riese hob die leichte Gestalt hoch empor und trug sie auf ein Lager, vorbei an dem brutal lächelnden Kaiser. Dann verließ der Taubstumme das Gemach.

Hinter ihm fiel der Vorhang nieder, als senke er sich abschließend über die Jugend Valeria Messalinas.


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