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27. An der Wildtränke. Nächtlicher Ansitz.

Jeder Beschreibung spottend ist die Reichhaltigkeit der sich zur großen Trockenzeit in der Nähe der Wasserplätze Ostafrikas zuweilen zusammendrängenden Tierarten.

Man muß nur nicht etwa glauben, daß an irgend einem beliebigen wasserhaltigen Tümpel in der Steppe Tag für Tag und Nacht für Nacht Mengen des verschiedenartigsten Wildes erscheinen, dem Beobachter oder Jäger reichste Auswahl und Leute liefernd! Auch hier wissen die Tiere vielmehr vorsichtig und geschickt ihre Feinde nach Kräften zu vermeiden, indem sie oft über weite Strecken von Wasserstelle zu Wasserstelle wechseln, nicht aber etwa eine einzige unter allen Umständen aufsuchen. Bei Störungen an einer Tränke oder beim Verdachte von Feinden, seien es Menschen oder Tiere, suchen die Wildrudel sofort andere Tränkplätze auf, vermeiden wohl auch eine bestimmte Tränke, – etwa zur Nachtzeit, um sie vielleicht am nächsten Tage, – nun etwa um die Mittagsstunde aufzusuchen.

Unvergeßlich werden mir stets jene Ansammlungen der exotischen Tierwelt bleiben, welche ich namentlich im Herbste 1903, gelegentlich meiner vierten Reise in Ostafrika beobachten konnte. Zwischen steilen Felsen mündet der Bach, in dessen Nähe ich lagerte, in die Steppe ein, um nach wenigen Kilometern plötzlich zu versiegen. Während seines Laufes inmitten der schroffen Bergtäler war er dem Wilde kaum zugänglich, dafür aber fand ich zahlreiche höchst betretene Wechsel, welche alle zum Bache während seines Steppenlaufes führten. Der Bach war teils von Dornengestrüpp, teils von hohem Gras und Rohr umgeben, und zahlreiche Löwen hielten sich zu dieser Zeit in seiner Umgebung auf. Da, wo er in seinem Unterlaufe zur Zeit bereits vertrocknet war, dehnten sich Schilfwälder von beträchtlicher Ausdehnung aus, zur Regenzeit sumpfige Seen bildend. Diese Rohrwälder boten während des Tages den Löwen sowohl wie auch Nashörnern erwünschte Aufenthaltsorte, nachts aber belebte sich der Bachlauf von durstigem Wilde aller Art und dem es verfolgenden Raubzeuge.

Früh morgens bereits eröffneten den Reigen der durstigen Gäste aus der trockenen Steppe große Flüge und Ketten von Sandhühnern.

Unter einem gewaltigen Affenbrotbaume (Adansonia digitata) hatte ein Rudel Gnus und Zebras Schutz vor den Sonnenstrahlen gesucht, wurde aber bei meiner Annäherung flüchtig. Gewaltige Sandhosen und Wirbelwinde – "Kyniamkéra" der Träger – durchrasten die Steppe und staubwirbelnd verschwanden die Wildherden aus dem Gesichtskreis ...
(Diese Aufnahme beweist, welche malerische Wirkungen unter besonders günstigen Umständen mittelst des Teleapparates erzielt werden können.)

In drei schön gefärbten Arten ( Pterocles gutturalis, decoratus und exustus) kommen diese prächtigen Flughühner hier vor. Am Tage halten sie sich oft außerordentlich weit entfernt vom Wasser in den trockensten Örtlichkeiten der Nyika auf.

Pfeilschnellen Fluges eilen die Ketten erstgenannter Art, sich hoch in die Lüfte erhebend, nach Sonnenaufgang zum Wasser. Diese Flüge zählen bis zu dreißig und mehr Stück; unter lebhaftem, weither vernehmbarem Locken, das sich mit »Gle gle gle lá gak, gle gle gle lá gak« am besten verdolmetschen läßt, streichen die herrlichen Tiere reißend schnell dahin; das Flugbild ist dabei nicht unähnlich dem unserer Waldschnepfe.

Schnell und plötzlich lassen sie sich zum Wasser nieder. Mit den großen Flügen dieser Sandhühner kommen öfters einzelne Exemplare des mit lanzettförmigen Schwanzfedern geschmückten kleineren Flughuhnes Pterocles exustus. In schnellen, hastigen Zügen sättigen sich die Durstigen nun an der Quelle, um sich darauf hoch in den Lüften wieder in ihre Aufenthaltsorte zurückzubegeben. Die Sandhühner sind nicht eigentlich zutraulich, klatschenden Fluges erheben sie sich bei Annäherung des Menschen.

Allmorgendlich wiederholt sich das herrliche Schauspiel der regelmäßig an bestimmten Stellen erscheinenden Flughühner; während des Tages dagegen bietet der Wasserlauf ebenfalls ohne Unterbrechung vielen Mitgliedern der Ornis Erquickung. Lautlos treibt der seltsame, düstergefärbte Schattenvogel ( Scopus umbretta) – jene allgegenwärtige Begleiterscheinung wasserreicher Tümpel, Tränken und Gräben, – ein den Reihern nicht fernstehender Vogel, hier sein Wesen. Er hat seinen erstaunlich großen dreikammerigen Horst nicht weit vom Wasserspiegel über dem Bache in den gabligen Ästen einer Akazie gebaut, drei weiße Eier hier bebrütend. Stets wieder stöbern wir ihn, der mit manchem Aberglauben der Waswahili verknüpft ist, auf; an Tümpeln und Lachen, wie an Flußufern oder andern passenden Orten finden wir ihn während der ganzen Reise. Obwohl wir dieses Paar seiner Eier zu Sammlungszwecken beraubten, scheint es seinen Nistort nicht verlassen zu wollen. Leisen Fluges geht das Tier vor unseren Füßen auf, um an einem Wasserlaufe in der Nähe in geduckter Haltung auf knorrigen Ästen großer alter Bäume einzufallen, uns immer wieder in seinem Wesen an den Nachtreiher erinnernd.

Unbeschreiblich groß war meine Freude, als es mir gelang, zu nächtlicher Stunde drei am Bache trinkende alte Löwinnen auf die Platte zu bringen

Nilgänse hielten sich in einzelnen Exemplaren auf dem Bach auf, schnatternd hin und her streichend; Geier und Marabus aber hatten ihre bestimmten Bade- und Tränkplätze. Außerordentlich zahlreiche Kleinvögel und Vögel aller Art lockte die Umgebung des Baches an. Wir fanden prächtig gefärbte Würger, unter denen der fast ganz schwarze Trauerwürger ( Dryoscopus funebris Hartl.) besonders auffiel. Sein sonorer melodischer Pfiff wird von dem Gatten eines Paares begonnen, um vom Weibchen so schnell und exakt beantwortet zu werden, daß man stets den Eindruck hat, nur einen Vogel zu hören. Glasglockenartig tönt uns diese Unterhaltung der schönen Vögel vom dichten Ufergebüsch des Baches entgegen.

Wo dieser metallische Pfiff ertönt, findet sich Wasser, und was diese Gewißheit dem Durstenden bedeutet, weiß nur der, der wirklichen marternden Durst in den Tropen kennen lernte. – – –

Jubelnd erschallt jetzt ein öfters wiederholtes »Türie-é, türie-é, türie-e« aus der Krone einer Akazie. Die eindringliche, charakteristische, jubelhelle Strophe wird von der Tschagra ( Telephonus senegalus L.), einem würgerähnlichen Vogel, vorgetragen. Hier wie überall vereinen sich für den durch Auge, Ohr und alle andern Sinne empfänglichen Beobachter eine Fülle von Tönen, Farbenreizen und mannigfachen Eindrücken, unter der Einwirkung eines fremdartigen, feindlichen Klimas, – so daß, wie Prof. Hans Meyer an einer Stelle dem Sinne nach ausführt, aus alle dem ein unendlich komplizierter, eindrucksvoller, aber schwer definierbarer Stimmungsinhalt von höchster Eigenart resultiert. Sonne und Licht, Wolken, Schatten, die Bodenformationen, endlich die mir allmählich immer vertrauter gewordenen, verständlicheren und liebgewordenen Mitglieder der Fauna und Ornis – die Flora dieser Steppe – alles das vereinigt sich zu Bildern und Eindrücken harmonischster Wirkung. –

Während des Tages finden wir in der Nähe des Bachlaufes von Säugetieren fast ausschließlich die mehr denn rehgroßen, braunen Impallahantilopen ( Aepyceros suara Mtsch.); die anderen größeren Säugetiere suchen das Wasser zur Nachtzeit auf. Dies geschieht namentlich dann, wenn Jagdnomaden, den ergiebigen Ansitz an der Tränke benutzend, an den verschiedensten Stellen am Bachlaufe geschickt versteckte Schirme aus Reisig und Buschwerk angebracht und von ihnen aus mit ihren Giftpfeilen Wild erlegt haben. Wurde jedoch das Wild nicht beunruhigt, so zeigen sich die einzelnem Arten wesentlich vertrauter. Die Impallahantilopen äsen das in unmittelbarer Nähe des Wassers, in den kleinen Bodensenkungen frisch emporsprießende Gras überall ab; wir finden zu dieser Jahreszeit Rudel von 50, 100 und mehr Stück beisammen, und zwar beide Geschlechter vermischt. Bald darauf sondern sich einzelne weibliche Stücke ab, um in dichtem Gestrüpp und hohem trockenen Gras ihre Jungen zu setzen.

Bei Annäherung des Menschen werden die Impallahs in ganz außerordentlichen Sätzen flüchtig. Ihre Fluchten sind erstaunlich hoch und weit, der Anblick eines flüchtigen Rudels gehört für ein Jägerauge mit zu dem Schönsten, das man wünschen könnte!

Ihre stahlharten Läufe tragen die graziösen Tiere bis 2½ Meter hoch über den Boden, dann wieder verhoffen sie plötzlich, um langsam fortziehend, gleich darauf wieder hochflüchtig zu werden. Häufig vernimmt man den bellenden Schreckton der Böcke, der weithin vernehmbar, ganz entfernt an das Schmälen unseres Rehbockes erinnert. Er wird von beiden Geschlechtern gleicherweise ausgestoßen.

Gegen Abend zeigt uns eine unternommene Pürsche zunächst hier oder da rege gewordene Zwergantilopen ( Madoqua kirki Gthr.). Die zierlichen Tiere haben mit ihren feinen Sinnen fast stets die Annäherung des Menschen schon wahrgenommen; um die verhoffenden mit dem Blicke zu erfassen, bedarf der Europäer längerer Übung. Ihre Färbung verschwimmt ganz außerordentlich mit der Umgebung. Ich erinnere mich mit Vergnügen, daß ich ganz im Anfang, trotz meiner für die nordische Fauna geübten Augen, ein solches Zwergböckchen nicht ausmachen konnte, obwohl ein Schwarzer auf das Tier hinwies, das höchstens 20 Meter von meinem Standorte in der Dickung verhoffte. Einzeln, aber auch zu zweien und dreien, führt dieses schöne Geschöpf sein Gnomenleben inmitten der stachlichten Dickung; wenige Sprünge bringen es in seinem schwer zugänglichen Reiche in Sicherheit.

An ihrem Standorte, gut versteckt und mit günstigem Winde ihr Tun und Treiben zu beobachten, gehörte stets zu meinen besonderen Vergnügungen. Die feinen Muffeln, aufmerksam suchend, nach allen Richtungen hin und her wendend, gewähren diese großäugigen, zierlichen Gesellen dem Tierfreund einen wundervollen Anblick.

Ebenso reizvoll ist es, vom Glücke begünstigt, die an denselben Örtlichkeiten, in der etwas freieren Grassteppe vorkommenden Steinantilopen ( Raphiceros neumanni Mtsch.) – in ihrer rehbraunen Färbung für das menschliche Auge besser sichtbar wie die ebengenannten Windspielantilopen – in ihrem Treiben belauschen zu können.

Je mehr die Sonne zur Küste geht, um so vielfältiger belebt sich die Umgebung durch Gäste aus der Tierwelt. Meine bevorzugten Freunde, die klugen Kropfstörche, haben sich in Gesellschaft von Geiern verschiedener Art auf kahlen Ästen hoher Bäume in der Nähe niedergelassen. Hier und da hat auch ein einzelner Raubadler aufgeblockt. Große Ketten von Perlhühnern tauchen laufend im Gestrüpp auf; im Scheine der Abendsonne fliegen die wundervoll gefärbten Racken eifrig hin und her. Es gilt vor Anbruch der Nacht noch ihrer Insektenjagd obzuliegen. Die helle Stimme des kleinen Wald-Frankolins ( Francolinus granti Hartl.) läßt sich allenthalben vernehmen, und laut und schneidend dagegen ruft das so häufige große, gelbkehlige Frankolin ( Pternistes leucoscepus infuscatus Cab.) in die Steppe hinaus.

Über die welligen, nächst gelegenen Hügelketten, aus welchen zahlreiche Wildwechsel zu den einzelnen tennenartig flach ausgetretenen Tränkstellen am Wasser führen, tauchen jetzt schon ganz langsam, unter Führung alter bewährter Leittiere heranziehend, Trupps der herrlichen Tigerpferde, der Zebras auf.

Sie haben aufgehört zu äsen, und durstig ziehen sie zur Tränke. Aber ihre Vorsicht läßt sie nicht im Stich. Geschickt suchen sie eine unter dem Winde gelegene Stelle am Bache auf, langsam und vorsichtig erkunden sie durch Nase und Auge, ob dort ihnen Feindliches verborgen sei.

Entweder in ihrer Gesellschaft oder meist etwas später, in einzelnen Rudeln, folgen die grotesken Gnus. Auch sie halten anfänglich meist die weit aus der Steppe herbeiführenden Wechsel ein. Hier und da zeigen sich kleine Gesellschaften von Zwerggazellen.

Mehr und mehr senkt sich die Sonne; langsam und vorsichtig haben die Zebras und Gnus nunmehr das Wasser erreicht. Die Leittiere stutzen einen Augenblick; dann überwindet der brennende Durst ihre Scheu, und in langen Zügen beginnen sie zu trinken. Nunmehr in Sicherheit gewiegt, eilen auch die letzten Mitglieder der Rudel herbei, und das Bett des Baches ist nunmehr gedrängt voll von etwa hundert der herrlichen Tiere. Ein unvergleichlicher Anblick!

Die letzten Strahlen der im dunstigen Horizonte verschwindenden Sonne beleuchten mir das so oft geschaute, immer wieder im höchsten Maße reizvolle und fesselnde Bild. Einige der Zebras fangen an, mit den Vorderhufen im Wasser zu scharren; mit unwilliger Kopfbewegung wehrt ein Gnu ein sich allzu dicht herandrängendes Zebra, – ohne es doch zu verletzen – ab!

Zwei der grotesken Schlangengeier und eine durstige Riesentrappe hatten lange vor Ankunft des Wildrudels das Wasser aufgesucht und sich dann schweren Fluges in die Lüfte erhoben. Dafür haben nun auf abgestorbenen Ästen mächtiger Ficusbäume viele Dutzende von Geiern aufgeblockt. Ihre dunklen Silhouetten heben sich für kurze Zeit scharf umrandet vom rötlich flammenden Abendhimmel ab. –

Alle Zebras und Gnus sind nunmehr getränkt, – da weht ein Lufthauch von den Bergen zu den Tieren herüber. Er streift meinen Standort; ein prustender Schreckton eines Leithengstes der Zebras ertönt, im selben Augenblicke spritzt das Wasser hoch auf, und mit donnerndem Getöse gewinnt die ganze Herde die Uferböschung, augenblicklich dabei in eine Wolke von Staub sich hüllend. Mit dröhnendem Hufschlag nehmen sie alle in wilden Fluchten den nächsten Abhang der Steppe, und gleich darauf, in sicherer Entfernung verhoffend, ertönt die merkwürdig bellende Stimme – das Wiehern – des Leithengstes zu mir herüber. Von verschiedenen Punkten der Steppe wird ihm Antwort und zeigt mir, daß noch mehrere andere Herden der schönen Tigerpferde in der Nähe sind. Über den harten Steppenboden galoppieren sie in sicherer Entfernung abseits vom Bache; Dunkelheit ist – wie stets unter dem Äquator – schnell eingetreten und veranlaßt mich, meinen Beobachtungsposten aufzugeben.

Als ich im Lager anlange, umgibt mich bereits finstere Nacht. Aber nach einiger Zeit wird es hell, und eine der herrlichsten Mondnächte legt sich mit ihrem ganzen Zauber über die schlafende Steppe. Bald wird es rege in ihr. Viele Schakale lassen ihr klagendes Bellen vernehmen, und die gefleckten Hyänen geben ihren unserem Ohre so vertrauten, wenn auch unschönen Laut von sich.

So vertraut sind diese langgezogenen tierischen Signale meinem Ohre geworden, daß mir in Afrika etwas zu fehlen scheint, wenn nicht zur Abendstunde sich der Hyänenschrei mit der hereinbrechenden Dunkelheit vermählt. – Doch darf der Leser nicht vergessen, daß ich hier aus der einsamen Wildnis berichte, und er muß in Afrika die nicht zivilisierte Einöde aufsuchen, will er Ähnliches erleben. – – –

Einige Impallahantilopen schmählen plötzlich, wohl einen Leoparden witternd, nicht allzuweit vom Lager, und wieder tritt minutenlange Stille ein. Jetzt wieder vernehmen wir an mehreren Stellen das Wiehern der Zebrahengste, und über den Boden schallt abermals das Trappeln flüchtiger Wildrudel zu uns hin.

Aber vergebens erwarteten wir bisher das großartigste Konzert, das menschlichen Ohren dort werden kann. Doch wir wissen: vor Mitternacht wird es schwerlich ertönen!

Aus den Fährten und Spuren der Löwen, die am Bache ihr Quartier aufgeschlagen, konnte ich erkunden, daß gegen dreißig dieser Herrscher im Reiche der Tierwelt allnächtlich ihren Jagden hier oblagen. Außer einzelnen alten Herren hatten auch ganze Rudel teils geringerer Löwen und Löwinnen sich hier ein Stelldichein gegeben. Meine Fallen waren bisher nicht in Tätigkeit getreten, und in dem sehr zerrissenen Gelände und bei der sehr reichen Deckung dieses Revieres war mir zur Tageszeit ein Zusammentreffen mit dem königlichen Wilde hier noch nicht zuteil geworden. Doch wohlweislich wartete ich des Augenblickes, wo mir mehr als schnell vergängliches Jagdglück hier werden sollte; lag es doch in meiner Absicht, aus nächster Entfernung zur Nachtzeit den König der Wüste auf meine photographische Platte zu zwingen! Dazu aber mußte ich geduldig die Wechsel und Gewohnheiten der Tiere an diesem Orte erkunden.

Nicht umsonst donnerten polternd in dieser Nacht wiederum die Wildherden hin und her. Ich wußte, nunmehr waren auch die ungestalten, aber für mich wenigstens eigenartig schönen Kuhantilopen, vielleicht auch die scheuen Oryx nebst den riesigen Elenantilopen aus der Steppe zum Wasser gezogen: Alle aber fürchteten den gewaltigen Erbfeind, den Löwen, der hier und da auf ihren Fährten war oder im Röhricht verborgen der Kommenden lauerte!

Zauberhaft glitzerten die Mondstrahlen, tausendfach sich widerspiegelnd auf den hellen von weißen Quarzstücken übersäten Felskuppen in der Nähe des Lagers; lebhafter und reicher wurde das Leben und Weben der Tiermengen in der Nähe des Baches. Mehr zu ahnen, ich möchte fast sagen zu fühlen, war es, als auf andere Weise wahrzunehmen. Da aber! – Was war das? – Wir haben uns nicht getäuscht, die markerschütternde, über alle Beschreibung imposante Stimme des Löwen erhebt sich! Fast unmittelbar fallen mehrere andere Löwen in der Nähe in den Chorus ein! Wie aus dem Erdboden hervorquellend, schwillt der mächtige Ton hier und dort stärker ertönend an, um übergehend in ein tiefes, unheimlich sich auf die Seele des lauschenden Menschen legendes Stöhnen zu verhallen ...

Ein Konzert, ursprünglich und von gewaltigster Wirkung!

Mag der Großstädter auch mit ihm vertraut sein, mag er es oftmals vernommen haben, allmählich vielleicht mit einem Lächeln! Ihn trennten ja sichere Gitter von der gewaltigen Katze. Selbst dann nach habe ich beobachtet, daß selbst Männer, geschweige denn Frauen einen Schritt zurückwichen, daß ihre Mienen sich sichtlich veränderten, als der Tierkönig – jetzt Sklave des Menschen – seine Stimme erhob! Wem aber, wie mir, viele Nächte es vergönnt war, diesem elementaren Laute im zerbrechlichen Zelte zu lauschen, wenn nicht ein, vielmehr ganze Rudel von Löwen so in der Wildnis in unmittelbarer Nähe in märchenhafter tropischer Mondscheinnacht, mit ganzer Lungenkraft ihre Stimmen erschallen ließen, der wird, wenn er überhaupt eindrucksfähig, es mir zugeben, daß ein solches Erlebnis an Großartigkeit in seiner Art nicht übertroffen werden kann.

Ich habe vielerlei erlebt, kenne aber nichts, was ihm gleichkäme. Es löst Empfindungen aus, die gemeiniglich und namentlich inmitten des Treibens der Kulturwelt gänzlich ruhen. Wer das fühlen und verstehen will, muß immer wieder weit ab vom Menschen und seinem Treiben hinausziehen in die freie Wildnis, die täglich in gewaltiger Sprache zu ihm redet – erst dann wird er fähig sein, das Große, das Gewaltige verstehen zu lernen, das so auf ihn einwirkt ...

Einen Augenblick schien die ganze nächtliche Tierwelt der Stimme ihrer Gebieter zu horchen, und wiederum hört man ringsumher die flüchtigen Rudel, die angstvoll die freie Steppe aufsuchen, um, durstgequält, immer wieder an einer anderen Stelle zum Bach zurückzukehren.

Mehr wie sieben Löwen auf einmal habe ich nie zusammen vernommen. Hier am Bache konnte ich so viele, aber deutlich und sicher ansprechen, da sie von ganz verschiedenen Örtlichkeiten aus ihr grandioses nächtliches Konzert hören ließen. –

Losgelöst vom alltäglichen, so leicht verflachenden Getriebe der modernen Zivilisation, angesichts solcher Ereignisse in tropischer, fast tagheller Mondnacht, wird es nicht schwer, sich in das Leben des Höhlenmenschen der Eiszeit in unserem Vaterlande zu versetzen, des Urmenschen, der allnächtlich Ähnliches erlebt haben mag! Wie mag erst die Stimme des mächtigen, längst ausgestorbenen Höhlenlöwen grollend über die Stätten gedonnert haben, die heutigentags seit langem keinem Raubtiere mehr eine Zuflucht gewähren. Längst sind diese Stätten mit »Wechseln« des Homo sapiens des Menschen, in Gestalt von Chausseen, Wegen und Promenaden versehen, ein Verschönerungsverein hat sie dem Auge des zivilisierten Menschen »gefällig« ausgeschmückt; singend und lärmend ergießen sich Menschen in Menge über sie hin – ohne Scheu und Angst vor einem wilden Tiere!

Wer von ihnen ist sich bewußt, daß auch in Deutschland einst der Mensch mit dem Löwen um die Herrschaft rang?

So spinnen sich die Gedanken des einsamen Mannes im kleinen Zeltlager weiter und weiter in die Ferne aus; Flügel der Phantasie tragen ihn in die Heimat; unmerklich versinkt er aus dem Sinnen in Schlaf und Traum; aber nicht lange währt es, und abermals wecken den Schläfer jene elementaren Laute der raubgewaltigen Riesenkatzen!

Diesmal erklingt das Brüllen bedrohlich nahe; verschlafene schwarze Gestalten ermannen sich und schüren die Lagerfeuer zu flackernder Glut. Allzuweit an der Peripherie des Lagers Ruhende suchen sicheren Schutz in der Mitte, und der wachthabende Askari verdoppelt seine Aufmerksamkeit. –

Mehr noch ist letzteres der Fall in den nächsten Nächten: Denn nur wenige Schritte von der Stelle, wo einige Träger heute schlummerten, werden am nächsten Morgen die Abdrücke mächtiger Pranken entdeckt. – Hätte ich nicht an dieser, durch nahes Gebüsch besonders bedrohten Flanke des Lagers einen Dornenverhau aufhäufen lassen, – wer weiß, was in dieser Nacht sich ereignet hätte!? – Den hergebrachten Begriffen entspricht – ich muß dies hier ausdrücklich hervorheben – eine solche Ansammlung von Löwen freilich nicht. Einer der ersten Beobachter der neueren Zeit war ich, der ihr rudelweises Vorkommen feststellen konnte. Es kam mir gerade in jenem Lager die große Anzahl der Löwen sehr gelegen, und nunmehr mußte ich allen Scharfsinn aufbieten, sie zu zwingen, zur Nachtzeit auf nächste Entfernung sich meinem Apparate zu nähern.

Meine Versuche ergaben anfänglich keine befriedigenden Resultate; so sann ich auf eine Methode, die mich zum Ziele führen konnte. Daß mir die Lösung aller entgegenstehenden Schwierigkeiten gelungen, beweisen die diesem Werke beigefügten Abbildungen.

Aus ihnen geht zunächst hervor, daß die Löwen ihren Angriff wenn möglich flach über den Boden ausführen, nicht aber in hohen Sprüngen. Ferner scheint die Löwin stets der aggressivere Teil zu sein. Auch auf den Bildern, welche nur einzelne Löwinnen angreifend zeigen, waren mehrere andere in unmittelbarster Nähe; sie hatten, wie aus den Fährten hervorging, ihre Opfer umkreist und näherten sich von verschiedenen Seiten.

Es könnte grausam scheinen, Stiere und Esel dem Löwen so zu opfern, allein mir standen ja leider stets Exemplare zur Verfügung, die durch den Stich der Tsetsefliege dem Verderben ohnehin geweiht, einem qualvollen Tode durch Ersticken entgegensahen: andererseits aber töten Löwen schnell und sicher, durch einen einzigen Biß ins Genick, ohne ihre Opfer zu quälen.

Wenn ich verborgen, in Dornen versteckt, diesem Vorgange beiwohnte, vollzog sich Überfall und Tötung blitzschnell, stets auf dieselbe Weise. So vorsichtig schleichen sich die Löwen an ihre Beute heran, daß ihr Opfer vor dem Überfall nicht geängstigt wird, – erst im allerletzten Momente versucht es zu fliehen.

Tiefe Stille lagert über der Steppe, in der dunkeln Nacht raschelt es nur hier und da in dürrem Laube und Geäste in der Nähe. Plötzlich vernimmt das Ohr ein polterndes mächtiges Etwas, und unbeschreiblich wuchtig erfolgt der Überfall: Die Opfer zeigen nur einige Schrammen auf der Oberfläche des Körpers, stets hat ein zermalmender Biß ins Genick sie getötet.

Sogar so getötete Menschen haben vielfach keinen Laut vernehmen lassen; die Erfahrungen zuverlässiger anderer Berichterstatter decken sich in diesem Punkte mit meinen Erlebnissen.

Das waren Tage und Nächte voll spannender Erwartung, voller Hangen und Bangen! Der nächtliche Ansitz auf Wild im äquatorialen Afrika hat jedoch manches gegen sich, so verlockend er in Europa auch erscheinen mag.

In vielen Fällen ist es nicht möglich, einen Hochsitz auf Bäumen herzurichten. Dann aber sind viele Wildarten – unter Umständen auch Löwen – zu scheu, um sich einem unmittelbar auf der Erde befindlichen Ansitze zu nähern, und der Schütze hängt in diesem Falle allzusehr vom günstigen Winde ab. Die Angriffe von Insekten verschiedenster Art, vor allen Dingen der Ameisen, sind ein sehr erheblicher Übelstand. Nichts aber schwächt in den Tropen den Körper mehr und disponiert ihn mehr zu Fieberanfällen, als die Entziehung des so notwendigen Schlafes. Immerhin rate ich jedem, der zum ersten Male das ursprüngliche Tierleben dort drüben beobachtet, einige Male die unendliche Beschwerlichkeit, aber auch den unbeschreiblichen Reiz eines Ansitzes zur Nachtzeit durchzukosten. Ja, von größtem Reize ist solches Beginnen! Fernab vom Lager, in der mondscheindurchwebten einsamen Wildnis, inmitten von unbekanntem und neuem Tierleben unerwarteter Ereignisse und Erscheinungen harren zu dürfen, – welchem Weidmann würde das nicht anfänglich in hohem Maße verlockend dünken!

Ich habe sowohl den Hoch-Ansitz, wie auch den nächtlichen Ansitz im Dornenverhau verborgen versucht. Weniger die dabei erzielten Jagdresultate, als vielmehr die Fülle der gewonnenen Beobachtungen haben mich für alle Mühen belohnt.

Leuchtende Löwenaugen in der Dunkelheit, die ich vom Lager aus erblickte, haben einen seltsamen Reiz. Man betrachte meine Aufnahme der drei am Bache trinkenden Löwinnen!

Ich selbst habe dies Leuchten mehrmals in der Wildnis erlebt, wenn auch nur vorübergehend. Es sei mir gestattet, einem Fachmanne das Wort zu geben, der 1906 in der Kilimandscharo-Gegend beobachtete und sammelte. Professor Yngve Sjöstedt, ein ausgezeichneter schwedischer Gelehrter, erblickte in einer Nacht in unmittelbarer Nähe seines Lagers die wie Lichter aufflammenden Augen von mindestens zehn Löwen!

In der alten Literatur finde ich darüber eine Stelle, welche folgendermaßen lautet: »... diese (die Jäger), wissen auch zu sagen, gleich ich es selbsten angesehen habe, daß die hellen und feurigen Augen des Löwen, seine Nacht-Reise überall verraten, weil man sie als zwei Lichter bei der Nacht so weit sehen und daraus abnehmen kann, ob ein solcher Löwe nach jemandem zukommet oder sich von ihm entfernet.« (M. Peter Kolbe. Vollst. Beschr. d. Afrik. Vorgebürges d. g. Hoffnung, Nürnberg 1719.)

Die photographische Kamera, die schnell vergängliche und vielleicht nie wiederkehrende Ereignisse in allen Einzelheiten im Bilde bewahrt, zeigt uns diese Raubtieraugen aufs deutlichste. Sie wirken aber unter Umständen doch unvergleichlich stärker auf den Jäger, der in der Tropennacht den Löwen auf dem Ansitz erwartet. Vgl. Graf Hoyos: »Zu den Aulihans.«

Wie Graf Coudenhove in diesem Buche des Grafen Hoyos mit schlichten Worten zugesteht, – daß er so »das Fürchten gelernt habe«, – so ist es mir ähnlich mehrfach ergangen.

Der Leser folge mir freundlich in Begleitung eines erprobten Schwarzen in mein sorglich hergerichtetes Dornenversteck, dessen Eingang von einigen Leuten durch Dornenzweige fest verschlossen wird, und in dem wir dann allein gelassen werden. Drei nach verschiedenen Seiten ausmündende Luken erlauben mir nach verschiedenen Richtungen zu feuern. Wir machen es uns durch mitgebrachte Decken so bequem wie möglich, und sind bald allein in der großen stillen Einsamkeit. Ich habe mein Versteck so gewählt, daß ich sowohl auf das Erscheinen von Löwen, als auch von zur Tränke ziehendem Wilde verschiedener Arten – selbst auf Rhinozerosse rechnen kann.

Nach einer Weile – die Sonne ist schon fast verschwunden – erscheinen vor uns im dürren Gras, hochaufgerichteten Hauptes, drei große gelbkehlige Frankoline; die klugen Vögel haben uns jedoch bald erspäht und verschwinden laufend mit erstaunlicher Schnelligkeit in einiger Entfernung. Tauben, die sich in Menge in der Nähe der Tränke zur Ruhe begeben haben, flattern unaufhörlich hin und her, um geeignete Schlafplätzchen innerhalb der dornigen Äste zu suchen. Jetzt erschallt der Ruf eines kleinen Perlkauzes; fast genau der Tonleiter folgend, ruft er mit heller Stimme seine Kadenz in die Mondlandschaft hinaus. Fledermäuse umschwirren uns in großer Zahl und die Nachtschwalben spinnen ihr Lied ...

Leider erstrahlt die Mondscheibe noch nicht in ihrem vollen Glanze. Immerhin erhellt sie uns die Umgebung in der klaren tropischen Luft derartig, wie es nur bei Vollmond in heimatlichen Breiten möglich wäre.

Die unsicheren Lichter der Mondscheinnacht tanzen nun in Bäumen und Zweigen; nächtliche Insekten schwirren umher in summendem Fluge. Ringsumher raschelt es im Laube und im dürren Holze. Gellend ertönt über unsern Köpfen das Gelächter einer nunmehr rege gewordenen Nachtaffenfamilie. Die Kronen einer kleinen Baumgruppe dienen diesen Lemuren zum ständigen Aufenthalt für viele Wochen, und die ganze Nacht hindurch erklingt ihr merkwürdiger Schrei durch die Mondlandschaft ...

Eine Weile vergeht in gespannter Aufmerksamkeit. Der in unmittelbarer Nähe angebundene große Stier hat sich nunmehr an seine Umgebung gewöhnt; er beginnt das ihm vorgeworfene Gras zu fressen, offenbar auch beruhigt durch unsere Nähe.

So vergeht eine Stunde. In verschwommenen Konturen zeichnen sich vom dunklen Hintergrunde des Schilfdickichts am Wasser ein Rudel Antilopen ab. Es scheinen Wasserböcke zu sein, die aus ihren Verstecken auf die offene Fläche zur Äsung ausgetreten und bald im Hintergrunde verschwinden.

Eine gewisse Müdigkeit macht sich bei mir geltend, aber ich bekämpfe sie und darf auch meinem Begleiter keinen Schlaf gestatten; das unvermeidliche Schnarchen des Negers, ja selbst ein zu lautes Atemholen könnte von den feinen Sinnen nächtlicher Besucher aus dem Reiche der Tierwelt vernommen werden.

Wiederum vergeht eine gewisse Zeit. Plötzlich erblicke ich rechts von mir, ziemlich nahe, einen vorher nicht bemerkten großen dunklen Gegenstand, der sich leise, vollkommen geräuschlos, meinem Ansitze und der Wasserstelle nähert. Ohne Aufenthalt kommt die gewaltige dunkle Masse näher und näher, und gleich darauf unterscheide ich deutlich zwei solcher Gestalten, die, sich unmittelbar folgend, mir nunmehr auf etwa 150 Schritte gegenüberstehen. Längst habe ich sie im unsichern Mondlicht erkannt: es sind Nashörner, wie es scheint, zwei ausgewachsene Tiere, die hier zur Tränke wollen.

Wie gigantisch groß erscheinen die Tiere im Mondlicht! Eine alte Kindererinnerung wird urplötzlich wieder wach in mir: der hochbetagte Förster Schlömer meines Vaters, der Hasen auf dem Anstand fehlte, weil er sie, wie er entschuldigend bemerkte, stets zu »stark«, – groß, wie Kamele sah.

Schräg an mir vorüber, dem Wasser zu wechselnd, sind sie mir jetzt auf höchstens hundert Schritte nahegekommen und verhoffen nochmals, dann treten sie zum Wasser, um gleich darauf im Schilf und Sumpf zu verschwinden. Eine Weile höre ich sie noch plätschern; dann kann ich nichts mehr wahrnehmen.

Für mich nicht überraschend, erstaunlicher aber für den Unkundigen muß die vollkommene Stille sein, mit der diese gewaltigen Dickhäuter auf festem Boden sich zu bewegen verstehen; auch das feinste menschliche Ohr würde ihr Nahen nicht bemerkt haben!

Unsichere Konturen eines kleinen Säugetieres, wahrscheinlich eines Schakals, heben sich nicht lange darauf in der Nähe des Wassers vom Boden der Steppe ab, und nach einiger Zeit läßt klagendes Gebell in derselben Richtung meine Vermutung gerechtfertigt erscheinen. Die erwarteten Antilopenrudel scheinen jedoch heute einen anderen Tränkplatz aufzusuchen. So vergehen einige Stunden, nur unterbrochen durch das Geräusch des immer noch gleichmäßig seine Gräser kauenden Stieres. Nun aber schnaubt er, urplötzlich zweimal kurz und erschreckt; eine graue, pfeilschnell und polternd über den Boden dahingleitende Masse schießt auf ihn zu, und Stier und Löwe, – denn der König der Steppe erheischt seinen Tribut! – wälzen sich im nächsten Augenblicke in eine Staubwolke gehüllt vor meinen Blicken!!

Undeutlich fühle ich, daß noch ein zweiter Löwe von der anderen Seite ebenfalls in den kurzen Kampf eingreift. Dann wird ein Röcheln und Stöhnen hörbar, der Stier liegt am Boden und über ihm die beiden Raubtiere, die sofort ihre Mahlzeit beginnen.

Aber als ob ein Zauberer seine Hand im Spiele hätte, verfinstert sich der Mond nun plötzlich durch eine vor seine Sichel tretende Wolkenbank. Alles um mich her ist in tiefe Dunkelheit gehüllt; nur das Krachen der Knochen, das Zerren und Zerreißen des Fleisches unter den Zähnen der beiden Löwen ist für mich vernehmbar.

Rings umher herrscht tiefe nächtliche Stille. Unbekümmert um das Drama aus dem Tierleben, das sich da soeben abgespielt hat, schreit nun plötzlich einer der kleinen Nachtaffen gellend und lachend in die Nacht hinaus. Was kümmert ihn im Schutze seiner Baumkronen das Getriebe außerhalb seines luftigen Reiches, da unten am Erdboden!

Summend und surrend benutzen die Moskitos die Gelegenheit, erneut über mich herzufallen; unerträglich werden ihre Stiche. Nichts aber kann die Löwen in ihrer Mahlzeit stören, und mich selbst hat ein eigentümlich kompliziertes Gefühl gefangen genommen, aus Neugierde, Erwartung und tausend sich kreuzenden Ideen zusammengesetzt!

So vergeht Minute auf Minute. Endlich wird die Mondscheibe wieder sichtbar, und nun, da ich neue Beobachtungen nicht mehr machen kann, benutze ich die Gelegenheit, auf einen der Löwen Feuer zu geben.

Aber ich habe heute kein Glück. Mit dem Knall verschwinden beide Löwen in der Dunkelheit, während ich in höchst deprimierter Stimmung in meinem Verstecke zurückbleibe.

Vergeblich sind die nächsten Stunden des Wartens; es ereignet sich nichts mehr. Selbst die sonst doch überall anzutreffenden Hyänen scheinen heute abwesend zu sein, und als der Morgen anbricht, kehre ich wie zerschlagen zum Lager zurück, zerstochen von Moskitos, und mit jenem eigentümlichen Gefühle, welches untrüglich bald herannahendes Fieber kündet.

Dies Gefühl hat mich auch nicht getäuscht, und bald darauf bin ich zwei Tage durch einen heftigen Malariaanfall an mein Lager gefesselt.

Am dritten Tage wird die von mir angeschossene Löwin weitab vom Lager als Skelett gefunden; alles andere ist bereits von den Geiern und Hyänen verzehrt worden. – – –

Ähnlich werden in den Tropen häufig nächtliche Ansitze auf Löwen und anderes Wild verlaufen; so reizvoll sie auch dem Weidmanne zu Hause erscheinen, so bald wird er in afrikanischer Wildnis von ihnen abstehen müssen.

Gewiß habe ich auf diese Weise manch interessanten Einblick in das nächtliche Leben und Treiben der Tierwelt getan. Aber eine Jagd, auf wenige Schritte aus sicherem Verstecke ausgeübt, hat mir nie besonders zusagen können. Mehr reizte es mich, auf diese Weise zur Nachtzeit Löwenüberfälle im Lichtbilde festzuhalten. Allein, wie der Leser ersieht, das hat seine Schwierigkeiten, gleichviel, ob man den Apparat selbst auszulösen versucht, oder die Aufnahme durch Löwen auslösen läßt.

Immer wieder mißlangen meine nachtphotographischen Versuche. Masaikrieger zeigten sich in der Nähe; ein Apparat wurde mir von ihnen geraubt. Seit dem nächtlichen Überfall vor wenigen Wochen schien äußerste Vorsicht geboten; sich ablösende Doppelposten bewachten bei Tage die Apparate aufs sorgfältigste. Durch ein Mißverständnis entstand zwischen einer Horde von Masaikriegern und meinen Leuten abermals ein, wenn auch unblutiges Gefecht. Da galt es mit größter Geduld immer und immer wieder zu versuchen, bis endlich das gewünschte Ziel erreicht worden ist. Unbeschreiblich aber war die Freude, als, zu später Nachtstunde eingeprägt, sich jene großartigen Bilder ursprünglichsten Lebens und Webens des mächtigsten Raubwildes der Erde auf der kleinen Glasplatte unfehlbar getreu und dokumentarisch offenbarten. Selbst die sonst geistigen Genüssen nicht geneigten Schwarzen waren hoch erfreut, und längere Zeit hindurch bildeten diese Ereignisse ihren Gesprächsstoff am Lagerfeuer.

Bezeichnend für die Schwierigkeit des Antreffens von Löwen zur Tageszeit und völlig beweisend in dieser Hinsicht ist die Tatsache, daß ich gerade in jenen Tagen von all den zahlreichen Löwen schußmäßig zur Tageszeit keinen zu Gesicht bekam! Eine Anzahl Löwen freilich verschmähten nächtlicherweise dargebotene Stiere vollkommen, näherten sich denselben zwar bis auf wenige Schritte, – hielten sich aber Nacht für Nacht an ihre gewohnte Beute, die Wildherden der Steppe.

Tage und Wochen waren so vergangen, als Regenwolken in der Ferne auf Niederschläge in den Steppen schließen ließen.

Und wie mit einem Schlage war die gewaltige Konzentration tierischen Lebens an der Quelle verschwunden. In alle Winde zerstreuten sich die Bewohner der Steppe, denen ihre feinen Sinne sofort verraten hatten, daß in weiter Ferne frisches junges Gras zu finden sei und Regentümpel, die sie unabhängig machten vom Besuche der von Verderbnis umlauerten Bergquelle. –

 


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