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12. Auf einsamer Insel im Urwaldstrom.

(Büffel und Krokodile.)

Im Herbste des Jahres 1899 lagerte ich am mittleren Laufe des Panganiflusses, der, am Kilimandscharo entspringend, sich bei der Stadt Pangani in den Indischen Ozean ergießt.

Mein Präparator und ich waren überlastet mit der Konservierung und Verpackung der für die Museen bestimmten gesammelten zoologischen Objekte, und während eines Zeitraumes von etwa vierzehn Tagen hatte ich kaum das Lager all der Arbeiten wegen verlassen können.

Seit einiger Zeit hatte ich zuverlässige Späher ausgesandt, um nach Büffeln Umschau zu halten, deren Auffindung und Erlegung seit der Rinderpest in der Kilimandscharogegend einem weißen Jäger nicht wieder geglückt war. Ich war der erste Europäer, der die ungesunden Panganisümpfe besuchte und dort jagte. Schon im Jahre 1896 aber hatte ich einige wenige Büffelfährten in der unmittelbaren Nähe der Sümpfe wahrgenommen.

Wochenlang waren die von mir ausgesandten Leute stets erfolglos von ihren Streifzügen zurückgekehrt; nirgendwo hatten sie die augenblicklichen Aufenthaltsorte der Büffel entdecken können.

Nun aber fanden sie plötzlich weitab von meinem Lager am Flusse zwei Eingeborene, Waseguha (Eingeborene der Landschaft Useguha), die sich dort eine Hütte gebaut und eine kleine Maisanpflanzung angelegt hatten, außerdem aber Fischfang betrieben. Es stellte sich jedoch heraus, daß sie auch durch Ansitz auf Bäumen der Jagd auf Büffel mittelst Vorderladern gelegentlich oblagen, deren außerordentlich schwierig aufzufindende Standorte, zur Trockenzeit mitten im Sumpfe, ihnen wohl bekannt waren, und deren Schädel und Hörner wertvolle Handelsware – von Europäern damals schon als »selbstgeschossen« sehr begehrt – für sie darstellten.

Einer dieser Leute wurde in mein Lager gebracht. Anfänglich war aus ihm fast nichts herauszubringen; aber nachdem ich längere Zeit unterhandelt hatte, entschloß er sich, mir nähere Auskunft über die Büffel zu geben.

Da aus den Mitteilungen des Mseguha (Einwohners der Landschaft Useguha) hervorging, daß eine große Büffelherde sich im Augenblicke in den unzugänglichsten Sümpfen des Panganiflusses aufhalte, entschloß ich mich kurz, sofort mein Lager in die Nähe dieser Sümpfe zu verlegen, um, koste es was es wolle, endlich einen Büffel zu erlegen.

Am 2. September brach ich mit einem großen Teil meiner Leute frühmorgens auf, um nach sechsstündigem Marsche flußabwärts in der Nähe der Lafittiberge zu lagern.

Während des Marsches gelang mir für meine ornithologische Sammlung die Erlegung zweier prächtiger Uhus, und sehr große Rudel von Wasserböcken, bis zu 150 und 200 Köpfen stark, wurden mehrfach in dem schönen Uferwalde flüchtig, neugierig oftmals verhoffend, ohne daß ich mich ihrethalben aufgehalten hätte.

Eine über alle Beschreibungen halsbrecherische, nur mit nackten Füßen zu begehende »Brücke«, größtenteils aus Lianen geflochten, verband mein jetziges Lager mit einer außerordentlich großen Insel des Flusses, welche in ihrem unteren Teile in die ausgedehnten und undurchdringlichsten Sümpfe überging.

Der nächste Tag verlief mit Erkundungen der Insel. Wasserböcke in zahlreichen Rudeln, im ganzen mehrere tausend Stück, bevölkerten sowohl den umliegenden Flußuferwald als auch die Insel. Ich hatte mir jedoch vorgenommen, tunlichst keinen Schuß abzugeben, um die schon an und für sich außerordentlich scheuen Büffel nicht noch mehr zu beunruhigen. Auf Wildpret mußte also hier verzichtet werden. Meine Karawane war reichlich mit dem leicht zu transportierenden indischen Reis versehen und ich erwartete wiederum durch eine Hilfskarawane über einhundert Lasten dieses damals – zur Zeit der Hungersnot – leider fast unerschwinglich teuren Nahrungsmittels, von der Küste her. Um ein Haar wäre ich von meinem Vorsatze, von meiner Büchse keinen Gebrauch zu machen, abgekommen, da mich auf der Insel zwei Rhinozerosse beinahe umgerannt hätten, gerade in einem Augenblick, als ich, mit Beobachtung eines Honiganzeigers beschäftigt, etwa 120 Schritte von meinen Leuten abseits gegangen war.

Dem lockenden Ruf der Honiganzeiger folgt man, wo irgend möglich, mit Freude, um von den Vögeln häufig zu einem Honig enthaltenden Bienenneste geführt zu werden. Die Mühe des Folgens lohnt sich oft reich durch köstliche Honigwaben – ein Leckerbissen von größtem Werte in einsamer Wildnis. –

Ich fand bald, daß die Büffel hier eine völlig nächtliche Lebensweise führten. Ein großer Teil der Grasflächen der Insel war bereits dürr und von der Sonne verbrannt. Nur an den Rändern der Sümpfe sproßte noch frisches grünes Gras, dort, wo das Wasser, langsam zurücktretend, feuchten, schwarzen, humosen Boden zurückließ. Die zwischen jenem Grase befindlichen Sumpflachen waren – noch von trübem Wasser gefüllt – im Begriff einzutrocknen; sie, wie auch die Umgebung, waren von den Fährten der Büffel vollkommen zertreten.

Schwerlich kann man sich einen Begriff von einer ungesunderen Gegend machen, wie sie dieser Zufluchtsort der Büffel darstellte! Brodelnd trat das Wasser aus dem säurehaltigen Schlammboden bei jedem Tritt hervor. Eine mannigfache Sumpfvegetation wucherte üppig allerorten: über die öden Wiesen aber am Rande des Sumpfes tummelten sich mit leise klagenden Rufen Hunderte von Brachschwalben und zur Nachtzeit belief sich die Zahl der Mosquitos auf Myriaden. Auch sonst war eine reichhaltige Avifauna vertreten; von Säugetieren aber beherbergte das große Eiland, wie ich später fand, nur einige wenige Paviane und Meerkatzen, außer den starken Rudeln von Wasserböcken.

Dies hatte seinen guten Grund. Die Affen hatten einst gelegentlichen Zutritt zu der Insel durch in den Strom gefallene Baumriesen erhalten; aber bald hatte wohl die Wucht der strömenden Gewässer zur Zeit der Masila (großen Regenzeit) diese zufällig geschaffenen Brücken wieder zerstört, und so waren die Affen vom Festlande abgeschnitten. Die Wasserböcke aber wechselten an seichteren Stellen durch die Stromarme hin und her. Sie und die Büffel scheuen dabei die ungeheuer zahlreichen und riesigen Krokodile nicht, oder wissen die Angriffe dieser Echsen zu vermeiden.

Es war mir außerordentlich interessant, dies feststellen zu können. Kein anderes Wild mit Ausnahme der Flußpferde setzt sich meines Wissens der Gefahr eines Angriffes durch Krokodile in dieser Weise aus; es scheinen mir eben Büffel und Wasserböcke in einem ganz eigenartigen Verhältnisse zu den Krokodilen zu leben. Die von mir ebenfalls vermuteten Riedböcke waren auf der Insel nicht vertreten, obwohl sie ringsumher häufig vorkamen; hieraus darf ich wohl schließen, daß sie die Nachstellungen der Krokodile nicht so geschickt wie die vorgenannten Tierarten zu vermeiden verstehen.

Fast während des ganzen Tages, vornehmlich aber zur Nachtzeit, waren die Stimmen der »Viboko« (Flußpferde) dicht vor uns im Sumpfe vernehmbar; sie mischten sich mit den zahlreichen eigenartigen Lauten der Vogelwelt.

Brütendes Schweigen lagerte im übrigen über dieser weltfernen und durch furchtbare Wächter noch so besonders abgeschlossenen Insel.

Wo ich auch die Ufer des Flusses aufsuchte, wurde es mir begreiflich, daß das Eiland wohl bewacht sei vor Eindringlingen: überall tauchten die spitzen Schnauzen riesenhafter Krokodile kaum wahrnehmbar aus dem Wasser, langsam mit dem Strome abwärtstreibend.

Das Angeln zuweilen riesiger Krokodile gelang mir meist nur bei Nacht, doch habe ich auch bei bewölktem Himmel in den Nachmittagsstunden erfolgreich auf Krokodile gefischt.

Hier, an den tiefen Stellen des Flusses, hatten sich eine außergewöhnlich große Anzahl dieser unheimlichen Panzerechsen versammelt. Wenn ich mich mit größter Vorsicht den Stellen im Flußbette näherte, wo vor meinen Augen langgestreckte Sandbänke im Sonnenscheine glitzerten, fand ich die Ungeheuer öfters dutzendweise sich sonnend. Nicht fern von ihnen hatten sich gleichzeitig zahlreiche Reiher, Ibisse, Strandläufer, Nilgänse und andere Sumpf- und Wasservögel auf den Sandbänken niedergelassen. Es konnte erstaunlich scheinen, daß sie anscheinend so wenig Furcht vor den Krokodilen zeigten; aber sie wußten jede tiefe Stelle des Stromes wohl zu vermeiden, und nur da, wo sehr flaches Wasser die Krokodile an schnellen Angriffen hinderte, waren sie zu finden. Kurz vor Sonnenaufgang streicht der Triel schwirrenden Fluges mit höchst charakteristischem gellendem Pfeifen über den geheimnisvollen Spiegel des trüben Stromes. Sein Pfeifen klingt wie: wieh wieh wieh i i i i i ih ih – immer schneller und schärfer wiederholt und die letzten Töne so scharf und laut akzentuiert, daß sie sich unvergeßlich dem Ohre einprägen. Unser Vogel brütet im März, und um diese Zeit nur wenige Minuten vor Sonnenuntergang, – aber dann um so häufiger und intensiver – laßt er seinen Jubel- und Liebesgesang inmitten der düsteren Flußlandschaft, von Sandbank zu Sandbank streichend, ertönen. Geschickt weiß er auch die unmittelbare Nähe der gefährlichen Panzerechsen, der Krokodile, zu vermeiden, ebenso wie die höchst seltsamen, von Muscheln lebenden Klaffschnäbel, die auf den Sandbänken des Flusses vor meinen Augen einfallen.

Häufig trugen mich meine Leute auf diese einfache Weise geschickt durch Sümpfe ...

wie Maultiere und Esel durch einen Fluß befördert werden; das Rindvieh jedoch pflegt meist selbständig Wasserläufe zu übersetzen. Verluste durch Krokodile sind dabei nicht selten.

Trotz alledem glaube ich behaupten zu dürfen, daß tatsächlich auch zwischen diesen Ungeheuern der Tiefe und der Welt der Wasser- und Sumpfvögel eine gewisse Freundschaft besteht: – freilich nur eine sehr bedingte. Vom Sudan wissen wir, daß ein kleiner Vogel, der Krokodilwächter, tatsächlich mit den Panzerechsen in ausgesprochenster Geselligkeit lebt.

Die klugen Enten und Gänse aber wird man niemals auf tiefen von Krokodilen belebten Gewässern schwimmend bemerken!

Mehrere Tage vergingen mit vergeblichem Suchen nach Büffeln. Auf den für Menschen fast undurchdringlichen tunnelartigen Wechseln der Flußpferde drang ich in die schilfigen Gewässer ein, um die Wechsel der Büffel festzustellen. Bald aber kam ich mit von Schilfgräsern zerschnittenen Händen und von Mosquitos jämmerlich zerstochen zu der Überzeugung, daß die Tiere, ohne bestimmten Wechsel zu halten, ausschließlich zur Nachtzeit den Sumpf verließen, mit Tagesgrauen aber vorsichtig die schützenden, für Menschen nicht zugänglichen Stätten wieder aufzusuchen pflegten.

In den Sümpfen selbst aber war ihnen nicht beizukommen.

Das mittelste Verbindungsstück des Brückensteges wird zur Nachtzeit entfernt, um Raubtiere und Menschen den Dörfern dieser Inselbewohner (Warufu) fernzuhalten ...

Zur Zeit der Masila, der Regenzeit, bereitet das Übersetzen selbst kleiner Wasserläufe Schwierigkeiten.

Ich gewann mühsam, sehr große an trockenen Stellen wachsende Akazien erkletternd, eine hohe Aussichtswarte. Von ihr herab war es nicht schwer, die jeweiligen Stellen in der ausgedehnten Sumpfwildnis ausfindig zu machen, wo die Büffel sich niedergetan hatten: Hunderte von Kuhreihern schwärmten über der ruhenden Herde hin und her. Sie bezeichneten tagüber stets die Stellen, wo eine größere Anzahl von Büffeln sich befand; mochten diese nun ruhen oder in Bewegung sein: die Kuhreiher ließen sich in ihrer Beschäftigung, die Büffel von Ungeziefer zu befreien, nicht stören.

Und von Ungeziefer allerdings wimmelte die Insel! Wegen der mir bekannten außerordentlichen Scheu des Büffels, da er ja hier von Eingeborenen mit Gewehren schon vielfach bedrängt worden war, hatte ich meine Leute streng innerhalb des kleinen Lagers konsigniert; selbst Brennholz durfte nur in nächster Entfernung vom Lager geholt, der mich mit dem Festlande verbindende Pfad von den Leuten jedoch nicht verlassen werden.

Die Verproviantierung mit Nahrungsmitteln erfolgte auf diesem Pfade aus meinem Hauptlager. Der Lagerplatz selbst aber war sorgfältig von Gras und Büschen gereinigt worden, und zwar aus guten Gründen! Ungezählte Millionen nämlich von winzig kleinen Zecken bedeckten Gras und Büsche der Insel, dort, wo die Wasserböcke ihre hauptsächlichsten Standorte hatten, namentlich aber auch dort, wo die Hauptwechsel und Äsungsplätze der Büffel sich befanden. Es war unmöglich, die Insel zu begehen, ohne daß der ganze Körper alsbald mit Hunderten von blutgierigen, schmerzhaft fühlbaren Zecken bedeckt war.

Ins Lager zurückgekehrt, entfernten meine Schwarzen entweder diese Plagegeister mit größtem Gleichmut oder wurden von ihnen gar nicht angegriffen und belästigt. Anders aber verhielten die Tiere sich uns Europäern – mir und meinem Präparator Orgeich – gegenüber! Unvorsichtigerweise hatte ich anfänglich einige durch Abreißen entfernt, wobei die Saugrüssel im Fleische verblieben waren; bösartige Entzündungen waren die Folge. Ich nahm meine Zuflucht zu Sublimatbädern in meiner Gummiwanne. Ohne jeden Erfolg! Das einzige Mittel, sich vor den entsetzlichen Plagegeistern zu bewahren, war, mich von einigen Schwarzen jedesmal nach der Rückkehr eine halbe Stunde lang absuchen zu lassen!

Die jedem Besucher zoologischer Gärten bekannte Szene, wie sich Affen gegenseitige Dienste bei der Hautpflege leisten, gibt dem Leser ein Bild von den sich täglich mehrmals entwickelnden Szenen, wobei sich an meinem Körper regelmäßig eine Ausbeute von etwa 50-100 winzig kleiner, fast unsichtbarer Ixodiden (Zecken) ergab. Trotz alledem hatten die anfangs unbeachteten Blutsauger schon erhebliche, durchaus nicht unbedenkliche Entzündungen in meiner Magengegend hervorgerufen. So klein waren diese winzigen Feinde, daß ich das Ödem im Anfang anderen Ursachen zugeschrieben, Zecken aber als Erreger nicht vermutet hatte!

So blieben mir in den nächstfolgenden Wochen und Monaten einige eiternde, höchst lästige und bösartige Wunden zurück, die jedes Heilversuches spotteten und erst völlig verschwanden, als ich später die hochgelegenen Gebirgsgegenden am Kilimandscharo aufsuchte.

Unter solcher Pein – mein Begleiter Orgeich litt ähnlich – verflossen die Tage und namentlich schlaflose und peinvolle Nächte auf der »Büffelinsel«, der ich den Namen »Heckinsel«, zu Ehren meines Freundes, Prof. Ludwig Heck, beigelegt habe. Ich tat dies zu Ehren dieses ausgezeichneten Tierpflegers, weil die Insel eine Zufluchtstätte der Wasserböcke und Büffel in so seltsamer Abgeschlossenheit bildete und durch ihre isolierte Lage jenen Resten von Wildbüffeln während der Zeit der Rinderpest Schutz gewährt hatte.

Die Büffel schienen für mich unerreichbar. Wenn ich ein Eindringen in die Sumpfwildnisse versuchte, hinderten mich gar bald tief eingeschnittene, unergründlich morastige Kanäle am Vordringen. So galt es auszuharren. Die einzige Möglichkeit schien die, frühzeitig im Morgengrauen die Büffel anzutreffen, ehe sie noch mit den ersten Lichtstrahlen des schnell anbrechenden Tages ihr Sumpfrevier aufgesucht hatten. Mehrfach schien ich diesem Ziele nahe; aber um Minuten immer wieder handelte es sich, um Minuten kam ich zu spät. Die scheue Vorsicht der gewitzigten Tiere schien unbesiegbar zu sein, und mit anbrechendem Büchsenlichte hatten sie stets die Deckung bereits aufgesucht, ein schlagender Beweis klugen Beurteilungsvermögens der Verhältnisse!

Man sollte denken, daß der unheimlich starke afrikanische Wildbüffel, seiner Kraft vertrauend, weniger scheu sein müßte! Aber ob Einzelgänger, ob Rudel: die Tiere hatten den veränderten Verhältnissen Rechnung tragen gelernt und fürchteten sich vor dem Feuerblitz der europäischen Mordwaffe so gut wie vor dem lautlos schwirrenden Giftpfeil der Eingeborenen.

So verfloß Tag auf Tag, aber ich beschloß auszuharren; nur so kommt der Jäger – namentlich in den Tropen – zum Ziele! Freilich erkrankte ein Mann nach dem andern an Malaria und wir Europäer verstärkten unsere Chinindosis erheblich, um einigermaßen gesichert zu sein.

Während der Abende und Nächte gewährte uns ein von mir erdachter Krokodilfang erwünschte Abwechselung.

Nach tagelanger Arbeit und unter Verwendung meines mitgeführten Bootes hatten meine Leute durch Fällen zweier riesiger Uferbäume, deren Kronen, von beiden Ufern gegeneinander ins Flußbett fallend, sich verfangen hatten, eine primitive Verbindung auch mit dem rechten Flußufer dargestellt. Ober- und unterhalb dieser Flußbarre sammelten sich besonders zahlreiche Krokodile an. Mittels aus London bezogener Haifischangeln versuchte ich nun dieser bestgehaßten Tiere habhaft zu werden; im Anfange jedoch vergeblich. Aber bald ersann ich ein Verfahren, welches zum Ziele führte. Mit Draht wurde ein Stück Fleisch mit Knochen an den Haken befestigt und die Angel, namentlich nachts bei Mondschein, in das Flußbett geworfen. Wurde sie von einem Krokodile ergriffen, so ließ ich etwa fünfzig und mehr Meter eines festen dünnen Taues, ähnlich wie beim Hechtfange, auslaufen; das Krokodil pflegte dann erst fest zuzufassen, war aber in allen Fällen viel zu klug, um den Haken zu verschlucken. Sorgfältig am Ufer im Gebüsch verborgen, zogen nun etwa 10-20 Leute das oft mehr denn tausendpfündige Raubtier ans Ufer. Kam es in dessen Nähe, so schäumten die Wasser wild auf, gepeitscht von den furchtbaren Schwanzschlägen des Sauriers. Jetzt galt es schnell eine gutsitzende Kugel im Mondschein in seinen Kopf zu entsenden!

Die furchtbare Wirkung eines Bleispitzengeschosses aus kleinkalibriger Büchse lähmt das Scheusal mit Sicherheit, wenn sie nur irgendwo in der Nähe des Kopfes den Rumpf des Tieres trifft. Bewegungslos hängt es so an der Angel, ohne auch nur im Tode den furchtbaren Rachen zu öffnen, aber einen unerträglichen Moschusgeruch verbreitend.

Mittels eines sehr starten und dicken Taues, das mit mehr oder minder großer Mühe um seinen Leib befestigt wird, gelingt es nun, die oft sehr schweren Tiere völlig aufs Land zu ziehen.

Hierbei leisteten mir an langen Stangen befestigte Harpunen mit Blättern, die sich nach erfolgtem Einstoßen in die Körper der Krokodile querstellen, ausgezeichnete Dienste.

Diese Fangmethode lieferte mir nächtlicherweile bis zu sechs und mehr Krokodile, darunter solche von gegen vier Meter Länge. Freilich mußte man dabei eine Anzahl von Fehlfängen in den Kauf nehmen. Hier und da ereignete es sich aber auch, daß die Haken zufällig wirklich im Rachen des Tieres gefaßt hatten, und es gelang, das sich sträubende Ungeheuer mit größter Vorsicht lebend ans Land zu ziehen und zu fesseln.

Hierbei habe ich ganz besonders die furchtbare Kraft und die Gefährlichkeit ihrer Schwanzschläge kennen und fürchten gelernt.

Unermüdlich war namentlich einer meiner Leute auf den Krokodilfang bedacht, der, früher einmal von einem Krokodil gepackt, damals beinahe unter Wasser gezogen worden wäre. Stundenlang hockte er bei der von mir ausgelegten Angel, um im geeigneten Momente mich zu benachrichtigen. Er hatte den Tieren Rache geschworen und frohlockte jedesmal, wenn es mir gelungen war, eines der bestgehaßten »Mamba« (Krokodile) zu fangen oder zu erlegen. Diese von mir auch bei andern Gelegenheiten zuweilen ausgeübte Methode, Krokodile zu angeln, beweist, daß ein Krokodilfang auf diese Weise wohl möglich ist. Die diesbezüglichen Versuche Professor Robert Kochs sollen dagegen, wie es heißt, keinen Erfolg gehabt haben. Sogenannte »Legangeln« auf Krokodile fand allerdings auch ich völlig unbrauchbar.

Der Mageninhalt bestand bei den meisten aus Knochen von Säugetieren und Fischresten. Außerdem aber enthielt jeder Magen eine große Anzahl von Quarzstücken, die entweder bereits rund abgeschliffen aus dem Flußbette aufgenommen, oder aber in den Mägen erst abgeschliffen, jedenfalls aber zur Unterstützung der Verdauung aufgenommen worden waren. Jene Quarzstücke erreichten oft beträchtliche Größe, bis zum Umfange etwa eines Apfels. In einem der Tiere fand ich einen vollkommen unversehrt hinabgeschlungenen großen Geier, den ich erlegt und, da sein Balg verdorben war, dem Flußlaufe überliefert hatte. Die Krokodile sind also fähig, Bissen von ganz erheblicher Größe unzerteilt hinabzuschlingen. Auch während der Zeit der Dürre und Hungersnot im Jahre 1900 habe ich Krokodile erlegt, deren Mägen große menschliche Knochen enthielten, die die Tiere teils völlig unversehrt herabgewürgt hatten. Einst fand ich im Magen eines Krokodiles nur Steine und das eiserne Armband einer Eingeborenen ...

Von größtem Interesse – leider aber recht schwierig – ist es, das versteckte Leben des Krokodiles zu beobachten, über dessen Gewohnheiten unser Wissen noch keineswegs reich ist. Schon junge Exemplare sind verhältnismäßig scheu und vorsichtig. Haben sie über den Spiegel der Gewässer wachsende Baumzweige erklettert, so verschwinden sie bei Annäherung des Menschen sofort durch einen Sprung ins Wasser. Je mehr das Tier nun heranwächst, um so scheuer und vorsichtiger wird es, und es hält sich stets nur in einer seiner Größe entsprechenden Wassertiefe auf, die ihm gestattet, seine Angriffe auf die übrige Tierwelt auszuführen, ohne sich selbst zu gefährden. An den Tränkstellen des Wildes und in der Nähe der Wechsel, welche zum Wasser führen, fand ich häufig riesige Krokodile völlig unter dem Wasserspiegel versteckt ihrer Beute lauernd.

Ich erinnere mich namentlich einiger Fälle, bei denen ich die Art und Weise, wie das Tier zu rauben pflegt, selbst beobachten konnte.

Durstig eilt nach langem wasserlosen Marsche meine Rindviehherde dem Ufer des Flusses zu. Aber seltsam! Schnaubend drängen sich die Buckelrinder hin und her, ohne zu trinken; offenbar wittern sie Gefahr. Dies veranlaßt einige meiner Leute, lärmend Steine ins Wasser zu werfen; so kann das Vieh in Sicherheit getränkt werden. In langen Zügen schlürfen die Tiere das langentbehrte Naß; dann beginnen sie in der Nähe des Flusses sprießendes Gras abzuweiden.

Einige Nachzügler meiner Karawane treffen nun ein; mehrere Stücke Rindvieh befinden sich bei ihnen, die, müde geworden, langsamer nachgetrieben worden waren. Ein prachtvoller, riesiger, kohlschwarzer Stier, seiner Größe wegen von mir lange mit dem Schlachten verschont, naht sich jetzt dem Wasser. Sein Geruchsinn sagt ihm offenbar, daß er ohne Gefahr trinken kann; hat doch vorher die ganze Herde, knietief in den Uferschlamm einsinkend, sich dort erquickt ...

Der mächtige Körper des Tieres sinkt mit der Vorderhand tief in den Schlamm ein. Kaum aber hat seine Schnauzenspitze die Wasserfläche berührt, als ich ein gewaltiges Krokodil aus dem trüben Gewässer auftauchen sehe, – und im selben Augenblicke verschwindet, an der Schnauze gepackt, der Stier unter der Wasserfläche! Die schräge Stellung des Ochsen, das glatte, abschüssige Ufer erleichterten der tückischen Echse ihren Raub. Immerhin spielte sich der ganze Vorgang so unglaublich schnell vor meinen Augen ab, so überraschend schnell und unheimlich ereignete sich all dieses, daß ich einen Augenblick wie gelähmt dastand, sofort aber zum Ufer hineilend, nichts weiter mehr wahrnahm, wie einige gurgelnde Blasen, die aus dem trüben Strome aufstiegen. Nichts weiter vermochte ich und vermochten meine Leute wahrzunehmen. Eilig aber liefen wir jetzt stromabwärts, und richtig, weit ab von uns, am anderen Ufer, tauchte der tote Körper des Stieres auf; in stetig zuckender Bewegung rissen an ihm wohl zahlreiche Krokodile, ab und zu den Kadaver völlig unter Wasser reißend. Eine Anzahl von mir abgegebene Schüsse vermochten die raublustigen Echsen nicht in ihrer Beschäftigung zu stören, und ich mußte ihnen ihren Raub überlassen.

Ähnlich verliefen einige andere Fälle, in denen ich Vieh durch Krokodile verlor. Menschen werden genau in derselben Weise geraubt, und ich bin einmal selbst Zeuge eines solchen Vorganges gewesen.

Auf dem Rückmarsche zur Küste nach glücklicher Beendigung meiner Expedition in den Jahren 1899/1900 stürzte vor unsern Augen gegen Abend ein Neger von dem Steg, welcher bei Korrogwe den Pangani überbrückte. Er wurde in dem damals reißenden Wasser sofort von Krokodilen gepackt und verschwand vor unsern Augen in den Fluten, ein Opfer des süßen Palmweines, dem er zu sehr zugesprochen hatte.

Oftmals habe ich mich eines lebhaften Gefühles der Angst nicht erwehren können, wenn wir, häufig bis an die Arme durchs Wasser watend, Flüsse durchqueren mußten.

Die Eingeborenen machen bei diesen Gelegenheiten einen starken Krokodilzauber, eine »Daua!« – Ich aber pflegte diese Daua stets durch eine Anzahl oberhalb und unterhalb der Furten ins Wasser abgegebene Schüsse zu unterstützen.

Eine ganze Anzahl von Eingeborenen habe ich im Laufe der Jahre gesehen, die durch Krokodile verstümmelt worden waren, aber sich noch hatten retten können, weil ihre Angreifer noch verhältnismäßig klein waren.

Meine Angelmethode bewährte sich nur zur Nachtzeit oder an sehr bedeckten Tagen, ganz ähnlich wie bei der Angelfischerei auf gewisse Fischarten. Unerläßliche Bedingung ist jedoch sorgfältiges Verbergen der »Angler« am Ufer hinter Buschwerk.

Der Neuling kann leicht über den Reichtum an Krokodilen in den Flüssen getäuscht werden, denn nur die Schnauzenspitze, das Nasenventil der Tiere, ragt an der Oberfläche empor, auch bei großen Tieren fast unsichtbar. So treibend beobachtet das Krokodil scharf alles, was in seiner Nähe vorgeht; sein Auge ist ausgezeichnet. Liegen die Tiere auf Sandbänken oder ihren flach niedergelegenen Austrittstellen am Ufer, so verschwinden sie bei Annäherung von Gefahr sofort im Wasser. Nicht selten habe ich riesige Krokodile überrascht, plötzlich hinter der Deckung des Ufers hervortretend. Dann schien es manchmal, als wenn das gesamte unter meinen Füßen gelegene tiefe Ufer lebendig würde, als wenn moosbedeckte, in den Fluß gestürzte Baumstämme Leben gewönnen! Riesige Krokodile aber waren es, die ruhig gleitend im Strome sich in Sicherheit brachten oder auch, plötzlich überrascht, in eiliger Flucht in die Wasser stürzten, so daß diese brausend und rauschend über ihren Häuptern zusammenschlugen.

Junge, eben aus dem Ei ausgekrochene Tiere fing ich im Monat März; auch sie erwiesen sich bereits als äußerst bissig. Die von mir gefangenen alten Tiere stießen häufig einen unbeschreiblich knarrenden, tiefen, halb brüllenden Ton aus, von einer schwer zu beschreibenden Wildheit, einen Ton übrigens, den ich auch in Freiheit von ihnen hier und da vernommen habe.

Auch die ganz jungen Echsen geben bereits, wenn angefaßt, einen lauten quiekenden Ton von sich.

Wie schon erwähnt, tötet eine Kugel aus kleinkalibrigem Gewehr – auch eine solche mit Bleispitze – das Tier auf der Stelle, wenn die Kugel den Kopf in der Nähe der Wirbelsäule trifft. Es tritt so eine Art hydraulische Wirkung auf das ganze Gefäßsystem des Tieres ein. Eine ganze Anzahl von Krokodilen habe ich erlegt, die sich nach erhaltener Kugel nicht mehr zu rühren vermochten, vielmehr auf der Stelle wie vom Blitz erschlagen liegen blieben.

Mein Freund, Hauptmann Merker, erlebte eine interessante Begebenheit mit jungen Krokodilen, als er einst am vulkanischen Dschallasee im Dezember eine Anzahl Krokodileier gefunden und mit ins Fort Moschi genommen hatte.

Nach acht Tagen etwa quiekte etwas in einer Zigarrenkiste in seinem Zimmer; dorthin hatte er die Krokodileier gelegt. Anfänglich glaubte er an das Vorhandensein von Mäusen; bald aber entdeckte er, daß den Eiern mehrere kleine Krokodile entkrochen waren, die mangels der liebevollen Sonnenstrahlen in den letzten Tagen der Brutperiode allerdings in ihren Lebensäußerungen einigermaßen herabgestimmt sich erwiesen.

Unsere Nachrichten über das Vorhandensein einer gewissen Brutpflege beim afrikanischen Krokodil sind bis heute höchst spärlich. Bei der von mir angeführten Scheuheit des Tieres wird dies ja auch erklärlich. Ich glaube nicht, daß eine Brutpflege stattfindet.

Allerdings verhalten sich die Krokodile je nach den Umständen verschiedenartig; in den großen Seen, beispielsweise im Victoria-Nyanza, zeigen sie sich manchmal weniger scheu. In den ausgedehnten Buchten im Süden dieses Sees fand ich sie höchst zahlreich auf Sandbänken. Sie und die Flußpferde lebten dort einträchtig mit den fischenden Eingeborenen scheinbar auf einem gewissermaßen freundschaftlichen Fuße.

Das Bild der reichen und zutraulichen Ornis der Ufersümpfe und Wasserflächen, dazwischen Dutzende von Nilpferden und hunderte von riesigen Krokodilen; inmitten dieser buntgemischten Tierwelt aber die Schilf-Flöße fischender Eingeborener – dieses Bild paradiesischer Eintracht wird in meiner Erinnerung niemals erlöschen!

Heute wird auch dieses landschaftliche Gemälde von eigenartigstem Reize mancherorts am Victoriasee der eindringenden Zivilisation bereits gewichen sein. ...

Verschaffte uns das Angeln von Krokodilen zur Nachtzeit so anregende Unterhaltung im »Büffellager«, so verflossen die Tage um so einförmiger.

Gelegentliche Pürschgänge aufs rechte Flußufer führten mich weit in die Berge des Randwalles der Nyika hinein. Aus dem außerordentlich reichen Bestande von Wasserböcken erlegte ich, fernab vom Standort der Büffel, gelegentlich einige besonders starke Stücke.

Die Büffel jedoch anzutreffen schien mir nicht gelingen zu wollen.

Endlich hatten meine Wandorobbo eine Herde von etwa dreißig Stück beim Tagesgrauen erblickt und sehr weit vom Lager beobachten können, wie sie ausnahmsweise in einem nur sehr kleinen Sumpfe sich niedergetan hatten.

Nach zwei Stunden war ich zur Stelle; der Wind war an diesem Tage stark, konstant und günstig. Nunmehr versuchte ich mich dem Büffelrudel zu nähern. Jedoch vergeblich! Knietief sank ich im Sumpfe ein, zäher, schwarzer Schlamm hinderte meine Schritte. Vorsichtig versuchte ich in das Schilfmeer einzudringen. Das Schilf war jedoch von solcher Dichtigkeit, von solcher Höhe und Undurchdringlichkeit, daß es mir unmöglich schien, die Büffel zu erreichen.

Nur grasgrünes, üppiges Schilfrohr bedeckte jenen Sumpf; schützende Baumstämme waren nicht in der Nähe der ruhenden Büffel vorhanden. Dennoch gewann ich es über mich, mich bis auf etwa zwanzig Schritt dem Punkte zu nähern, auf welchen ein rückwärts von mir auf einen hohen Baum gekletterter Ndorobbo lebhaft hinwies. Dies Vorwärtsdringen dauerte wohl eine halbe Stunde.

Aber ich sah nun ein, daß ein Schießen nur auf Fußweite möglich, ein solches Beginnen aber sicherem Selbstmorde gleichkommen würde!

Nach längerem Zögern kehrte ich zu meinen Leuten zurück und erkletterte nunmehr selbst einen hohen Akazienbaum. Aber auch von hier aus vermochte ich nichts zu entdecken, obwohl meine Wandorobbo imstande waren, mir haargenau den Lagerort der Büffel zu zeigen.

Ich entschloß mich, einen Alarmschuß in die Luft abzufeuern.

Da entstand ein unbeschreiblicher Tumult im Rohre; rauschend und wogend gerieten die grünen Pflanzenmassen in Bewegung, aber auch von meiner hohen Warte aus war nur hier und da einen kurzen Augenblick ein oder das andere der riesigen Hörner der schwarzen Tiere wahrzunehmen. Ein Schießen war gänzlich unmöglich, von den Büffeln selbst kaum etwas wahrzunehmen!

Bald waren sie in der Schilfwildnis verschwunden.

Ich sah nun ein, daß eine Jagd dort unten zur völligen Unmöglichkeit gehörte.

Diese Gegenden bilden nicht umsonst ein natürliches Schonrevier für den Büffel ...

Mühselig erreichte ich vom hohen Baume aus wieder den Erdboden. Es gehört nicht zu den besonderen Vergnügungen für Europäer, tropische Dornenbäume zu besteigen. Ein auch nur kurzes Verharren in ihren Zweigen läßt uns die unangenehmste nähere Bekanntschaft mit mancherlei interessanten, aber auch empfindlich beißenden Ameisenarten machen, denen gegenüber die zarte Haut des Europäers leider ganz anders reagiert, wie die Lederhaut des Schwarzen.

Zwei Tage verflossen nun wieder in geduldigem Harren; erfreulicherweise waren die Büffel morgens stets wieder frisch zu spüren, und nicht etwa, wie ich gefürchtet hatte, ausgewechselt.

Nachgerade unerträglich geworden aber war die Zeckenplage für uns Europäer, und zur Nachtzeit war kaum an Schlaf zu denken wegen des durch diese Parasiten verursachten Hautreizes.

Zudem nahmen die schweren Malariafälle unter den Schwarzen im Lager immer mehr zu.

Da endlich fanden wir – bei völlig bedecktem Himmel – eine starke Büffelherde zur Nachmittagsstunde, schon jetzt im Sumpfe auf freier Glasfläche äsend, nur wenige Meter von dichtem Schilfe entfernt. Es galt eine Anzahl der tief eingeschnittenen sumpfigen Rinnsale zu durchwaten, um die Herde zu erreichen. Abermals war von Deckung keine Rede, ich meine von schützender Deckung; nur Schilfgräser wuchsen in dieser Umgebung.

Es waren Augenblicke höchster Spannung, als ich auf nahe Entfernung, umschwärmt von Brachschwalben, den imposanten Anblick genoß, einige sechzig Köpfe des leider jetzt so seltenen kapitalen Wildes vor mir zu beobachten.

Unwillkürlich drängte sich die Empfindung auf, es seien zahme Rinder, allerdings von bösartigem Ansehen, und die geschlossene Masse der schwarzen gedrungenen Gestalten, wie sie so eifrig weidend dicht vor mir sich bewegten, hatte etwas Großartiges und Überwältigendes.

Jetzt aber mußte ich mich zum Schusse entschließen, und klopfenden Herzens – ich gestehe es – wählte ich mir einen einzelnen Stier aus, der abseits von der Herde für sich allein äste.

Die Entfernung betrug etwa 120 Meter. Auf meinen Schuß fuhr er zusammen und nahm den gewaltigen Kopf hoch, mit dem Schwanze dabei schlagend. Eine zweite Kugel ließ ihn vorn zusammenbrechen; die Herde ergriff im selben Augenblicke in überraschender Schnelligkeit die Flucht, und die schweren Tiere verschwanden mit Blitzesschnelle im nahen hohen Schilf. Es erforderte noch eine dritte Kugel, den wieder hochgewordenen Stier völlig zu strecken.

So war mir endlich das begehrte Weidmannsheil der Erlegung eines Büffelstieres zuteil geworden!

Sofort stürzten sich die Geier auf die Reste des Büffelstieres herab ... Fauchend und zischend kämpften sie um die Beute

Das Abziehen des Büffels, der Transport der schweren Haut durch die Sümpfe ins Lager und die Präparation erforderten große Mühe; aber die Freude, meine Ausdauer von Erfolg gekrönt zu sehen, war nachhaltig groß.

Acht fernere Tage auf der »Heckinsel« brachten mich nicht wieder zu Schuß; die Jagd auf den Büffel in Ostafrika ist, wie man sieht, unter Umständen keine leichte.

Anders war es vor dem Jahre 1890. Wenig später aber wütete während eines Jahres die Rinderpest in Deutsch- und Britisch-Ostafrika. Mit großer Schnelligkeit durchzog die Epidemie, immer wieder verschleppt und gefördert durch das zahme Vieh, die Steppen, und der herrliche ostafrikanische Wildbüffel ist ihr fast ganz erlegen.

Ein mir befreundeter englischer Beamter fand im Jahre 1891 an einem Tage etwa hundert kranke Büffel in allen Phasen des Sterbens. Ihre gebleichten Schädel, aus jener traurigen Zeit hauptsächlich herrührend, sah ich noch höchst zahlreich.

Wo sind die Zeiten hin, in denen im Jahre 1887 Graf Teleki am Nguaso-Nyuki fünfundfünfzig Büffel in drei Monaten schoß; wo die Zeiten, von denen Dr. Richard Böhm erzählt, daß er in dem gebirgs- und wasserreichen Kawende zahlreiche Herden Hunderter von Büffeln im Buschwalde angetroffen habe, so daß ihr Brüllen den Reisenden aufmerksam machte!

Alles dies eine verklungene Mär!

Die unbarmherzige Rinderpest strich den Büffel fast aus der Reihe der ostafrikanischen Tierwelt aus! Sie strich ihn aus, wie sie der Blütezeit des Masaivolkes ein plötzliches Ende bereitet hat...

Mit einem Schlage wurde seine Macht, seine Blüte vernichtet durch die von Europäern eingeschleppte Pest, jene Geißel der Viehzüchter.

Oftmals fand ich noch kreisförmige Ansammlungen von Rinderknochen; weiß erglänzten diese Gebeine weithin leuchtend auf fahlem Steppenboden. Untermischt mit ihnen zahlreiche Menschenschädel – –

Das sind die Lagerstätten der Masai im Jahre 1890.

Immer wieder dasselbe Drama!

Die Kinder erkrankten und starben hin; Heilmittel und Zauberkünste versagten ihre Macht. In wenigen Tagen war das Lager eine verpestete Stätte, und hilflos, ihrer Nahrungsquelle beraubt, starben an selbiger Stelle Männer, Weiber und Kinder dahin.

Relativ spärliche Reste der so zahlreichen Masai sind erhalten geblieben. Weiber und Kinder wurden vielfach aus Not in die Sklaverei Ackerbau treibender Stämme verkauft oder verschenkt.

Und wie hier dem Masaivolk und den Wildbüffeln, so erging es in Amerika dem Indianer und dem Bison. Die vorwärtshastende Zivilisation ist grausamer und unerbittlicher, denn alles andere.

Wenig genug ist in den von mir genau erforschten Teilen der Masai-Nyika vom afrikanischen Büffel übrig geblieben.

An den Pangani-Sümpfen kannte ich die eben erwähnte Herde; einige einzelne alte Stiere – Einzelgänger – ergänzten dieselbe. In der Nähe des Manjarasees lebte eine andere. Bei Nguruman mag noch eine kleine Anzahl vorkommen; hier und da mögen noch einige andere Herden wechseln. Das ist wohl im Norden Deutsch-Ostafrikas der ganze von einstigem Reichtum übrig gebliebene Bestand.

Ein Unteroffizier berichtete mir, der Büffel, dessen Schädel ihm von einem Askari gebracht worden sei, habe ein »Dorf attackiert« und hätte deshalb erlegt werden müssen.

Und in einem anderen Falle wurde mir tatsächlich kaltblütig berichtet, der Büffel, dessen Schädel ich auf einer Station frisch erlegt sah, sei von dem Askari, der ihn gebracht, »ertrunken« gefunden worden.

Ein »ertrunkener« Kafferbüffel (!) und ein mit zahlreichen Patronen ausziehender, mit nur wenigen zurückkehrender Askari beweisen, daß Schonvorschriften in weit entlegenen Ländern schwer durchführbar sind. Für den schönen Wildbüffel scheinen die Tage in Deutsch-Ostafrika gezählt und bald wird er dort zu den ausgestorbenen Tierarten gehören. Erfreulicherweise lebt 1919 noch ein sehr schönes weibliches Stück des Schillings-Büffels im Berliner Zoologischen Garten, das sich schon mehrfach mit einem südafrikanischen Kaffernbüffel fortgepflanzt hat.

 


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