Wilhelm Scharrelmann
Das Fährhaus
Wilhelm Scharrelmann

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An einem der nächsten Abende kam Lintrup zu mir. Wie, mitten in der Woche? dachte ich und wunderte mich ein wenig.

»Sie braten Fische?« rief er und tat aufgeräumter und unbefangener, als er war.

»Ja, ich habe ein paar Hechte gefangen,« sagte ich. »Ich hatte Glück. Zwei große Kerle!«

»Sieh an,« lächelte er. »Ich roch es schon drüben bei den Weiden.«

Aber er sah schlecht aus, es war auf den ersten Blick zu sehen.

»Nun?« fragte ich. »Woher weht Sie denn der Wind? Haben Sie Urlaub genommen?«

»Ja, für ein paar Tage. Ich leide in letzter Zeit so sehr an Kopfschmerzen. Weiß der Kuckuck, woher das kommt. Ich habe früher nie Kopfschmerzen gekannt.« 171

»Sie machen sich vielleicht nicht Bewegung genug?«

»Möglich,« sagte er und zuckte die Achseln.

»Sie wohnen wieder im Fährhause?«

»Nein, doch nicht. Behrens hat im Augenblick alles besetzt, und da bin ich eigentlich gekommen, Sie zu bitten. Im Dorfe drüben wohne ich nicht gern. Auch hätte ich täglich den Weg hierher. Sie brauchten um meinethalben keinerlei Vorbereitungen zu treffen. Ich habe nämlich schon an diese Möglichkeit gedacht und mir eine Hängematte mit herausgebracht. Die Nächte sind ja jetzt so warm.«

Er sprach hastig und ein wenig aufgeregt, als wolle er einer Absage vorbeugen.

»Sie dürfen es mir nicht abschlagen. Ich mache Ihnen gewiß keine Mühe.«

Ich erriet ganz gut, warum er so sehr darauf bestand und das unbequeme Schlafen in der Hängematte nicht scheute, wollte mir aber nicht merken lassen, daß ich ihn besser durchschaute, als er wohl annahm.

»Ich habe meinen Koffer im Fährhause gelassen. Wenn Sie einverstanden sind, nehme ich Ihr Boot und hole ihn herüber.«

Als er zurückkam, schien er beinahe fröhlich. Er fragte nach meinen Arbeiten, räumte seine Sachen aus und spannte die Hängematte auf der Diele aus.

»Halloh,« rief er ausgelassen, als er damit fertig war und sich zur Probe hineinlegte, »darin werde ich gut schlafen.«

Der arme Kerl. Es war im voraus zu wissen, daß er wenig zum schlafen kommen würde.

Abends saßen wir vor dem Hause, sahen auf den Fluß, der in träumerischer Ruhe seines Weges zog, rauchten und plauderten.

Lintrup vermied es dabei, von Anka zu beginnen und gab 172 sich sichtlich Mühe, ruhig und unbefangen zu erscheinen. Aber zuletzt hielt es ihn doch nicht mehr.

»Ich habe Anka vorhin beim Fährhause gesehen,« fing er an. »Sie saß mit Schulna und Fräulein Berg auf der Veranda beim Abendbrot. Aber ich ging ohne ein Wort vorbei, grüßte nur, trug meinen Koffer ins Boot und fuhr hierher. Ich wollte es vermeiden, mit Schulna wieder zusammenzustoßen . . . Gram, geh jetzt weg, mein Hund . . . Leg dich! – so ist's brav! . . . Bei der Spannung zwischen ihm und mir, nicht wahr? Nicht, daß ich ihm etwas nachtrüge, trotzdem er sich nicht gerade vornehm gegen mich benommen hat. Aber es ist merkwürdig, ich kann nun einmal kein Verhältnis zu ihm gewinnen.«

»Nein, Sie hassen ihn, ich weiß wohl.«

»Hassen?« antwortete er. »Nein, das wäre zuviel gesagt.«

»Sie werden es sich vielleicht nicht eingestehen,« erwiderte ich. »Aber in Wahrheit ist es Haß, was Sie gegen ihn empfinden. Sie haben mir das übrigens selbst zugegeben, damals, in der Nacht nach dem Feste. Ich weiß Ihre Worte noch sehr gut.«

»Ja,« sagte er nachdenklich, »vielleicht habe ich ihn in dieser Nacht gehaßt. Aber das liegt ja nun schon Wochen zurück. Übrigens reist er ja in der nächsten Woche ab.«

»Schulna?«

»Ja, wußten Sie das nicht? Frau Behrens erwähnte es vorhin, als ich wegen eines Zimmers bei ihr anfragte. Das Fährhaus fängt wohl allmählich an, ungemütlich für ihn zu werden. Nein, ich irre mich nicht. Frau Behrens erklärte mir ausdrücklich: Ja, wenn Sie nächste Woche gekommen wären, hätte ich ein Zimmer frei gehabt, Herr Schulna reist nämlich in diesen Tagen ab.«

»Und Fräulein Anka?« entfuhr es mir. 173

»Wieso?« fragte er verstimmt. »Das hat doch mit Anka nichts zu tun? Sie wird doch längst eingesehen haben, daß Schulna, nun er sich mit Frau Korkhan eingelassen hat – – Verzeihen Sie, wenn ich das erwähne. Ich glaube nicht daß ich damit ein Geheimnis verrate. Aber vielleicht verstehen Sie mich nun ein wenig besser. Ich muß sagen, es waren keine leichten Wochen, die ich hinter mir habe.

»Hoffentlich haben Sie sie hinter sich!«

Er zuckte die Achseln, seufzte und schwieg bedrückt.

»Sie hätten sonst nicht wieder ins Fährhaus kommen dürfen.«

»Warum meinen Sie?« fragte er unsicher.

»Verstellen Sie sich doch nicht, Lintrup. Sie müssen doch verstehen, was ich sagen will, oder haben Sie vielleicht die Absicht, sich neue Qualen zu bereiten? Dann sehen Sie auch gefälligst zu, wie Sie mit sich fertig werden.«

»Nun habe ich Sie erzürnt,« sagte er kleinlaut in bedrückt.

»Nein, Sie tun mir leid, das ist alles. Denn ich merke ja deutlich genug, daß Sie neu zu hoffen begonnen haben, als Sie von Schulnas Verhältnis zu Frau Korkhan erfuhren, und nun sind Sie drauf und dran, sich kopfüber in die alten Wirrnisse zu stürzen.«

»Aber begreifen Sie mich doch,« stammelte er. »Man kann solche Dinge doch nicht kommandieren . . . Ich wenigstens vermag es nicht. Es sind da Gebundenheiten – Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll . . .«

Er verstummte ratlos und verwirrt und setzte dann leise hinzu: »Es ist ja möglich, daß ich auf einen Abgrund zusteure, aber ich kann es nicht ändern. Wer nicht entschlossen ist, sein Leben einzusetzen, liebt nicht.«

»Lassen Sie die großen Worte, und seien Sie 174 vernünftig, Lintrup,« redete ich ihm zu. »Sie müssen doch deutlich genug gemerkt haben, daß Anka Sie nicht will, und da hilft nur eins: sich umwenden, die Zähne zusammenbeißen und seines Weges gehen. Nun, Sie müssen selbst wissen, was Sie tun wollen.«

»Sie sind hart mit mir,« sagte er verzweifelt.

Ich zuckte die Achseln, stand auf und ließ ihn allein. Aber er kam mir nach. »Verzeihen Sie,« sagte er, »Sie wollen gewiß noch arbeiten, aber ich habe doch niemand als Sie, mit dem ich einmal über Anka sprechen kann.«

Im stillen schüttelte sie den Kopf. Der Teufel mochte wissen, was mit Schulna los war. Was ging es mich an? Mochte er sehen, wie er sich aus seinen Verwicklungen löste. Die Geschichte mit Frau Korkhan, die alles andere als ein Geheimnis geblieben war, würde ihm wohl kaum Kopfschmerzen machen. Ich kannte ihn und wußte, wie er in solchen Dingen dachte. Aber vielleicht ließ sich Anka nicht länger an die Seite schieben? Denn wenn sie auch bisher geschwiegen hatte, so war es sicher nicht geschehen, weil ihr die Sache gleichgültig war. Wußte ich nicht, wie sie ihn zu sich gezogen hatte? Vielleicht, daß ihre Klugheit größer gewesen war als ihre Leidenschaft?

Mochte es damit sein, wie es wollte. Aber Lintrup tat mir leid.

Den Abend über hielt er bei mir aus und ging nicht ins Fährhaus hinüber. Aber wahrscheinlich wollte er nur vermeiden, Schulna zu begegnen. Am nächsten Morgen dagegen hielt es ihn schon nicht mehr. Er lieh sich mein Boot und fuhr hinüber. Ebenso gut hätte er den Weg über die Wiesen nehmen können. Aber er hoffte wohl, mit Anka eine Spazierfahrt machen zu können, denn ihr eigenes Boot hatte am letzten Sonntag an seinem Liegeplatz 175 von einem ungeschickten Segler einen so heftigen Stoß bekommen, daß es leck gesprungen war und erst ausgebessert werden mußte.

»Ich esse im Fährhause zu Mittag,« sagte er, als er fortging. »Sie würden hier nur Umstände von mir haben.«

»Dann kehren Sie wohl erst am Nachmittag zurück?«

Es wurde Nacht, ehe er kam.

»Verzeihen Sie,« sagte er. »Sie haben gewiß auf mich gewartet? Es ist sehr viel später geworden, als ich angenommen hatte.«

Ich merkte, wie verstört er war. Der Teufel wußte, was er drüben wieder angerichtet hatte. Ich vermied es aber, ihn zu fragen, wollte ihn ein wenig zerstreuen und fing an, ihm von meiner Angelei zu erzählen. Da ich ohne Boot gewesen war, hatte ich vor meiner Hütte gefischt und wirklich ein paar Barsche gefangen. Den Korb legte ich schon seit langem nicht mehr aus. Es war ein gar zu faules Handwerk, und außer Aalen, die ich haßte, fing man nichts damit.

Er hörte kaum zu.

»War Schulna heute nachmittag noch bei Ihnen?« fragte er.

»Nein. Warum fragen Sie danach?«

»Er ist vorhin abgereist.«

»So.«

»Ja, – wundert Sie das nicht?«

»Doch. Ein wenig. Aber ich wußte ja bereits von Ihnen –. Hat er sich auch von Ihnen nicht verabschiedet?«

»Nein, ich war mit Fräulein Berg zur Sandkuhle hinuntergefahren, Sie kennen doch die Stelle, nicht wahr, gleich hinter der hohen Pappel, nach Diemenbusch zu. Als wir zurückkamen, war er schon fort. Aber das ist ja 176 gleichgültig, nicht wahr? Ich bin sogar froh, daß er sich nicht von mir verabschiedete. Aber – Fräulein Anka ist mit ihm.«

»Anka?« fragte ich erstaunt.

»Ja,« sagte er gepreßt und wich meinem Blicke aus. Aber ich sah, wie er darunter litt, sie in Schulnas Begleitung zu wissen.

Was sollte ich ihm sagen? Es war eine harte Lektion für ihn.

»Nun,« unterbrach er die Stille zwischen uns, und seine Stimme war ein wenig unsicher, als er es sagte, »Sie haben wohl recht gehabt gestern abend.«

Er schien das Zimmer verlassen zu wollen, wendete sich aber an der Tür noch einmal um.

»Sie gehen wohl bald schlafen?« fragte er. »Jedenfalls kann ich Sie jetzt von der Einquartierung befreien, die ich Ihnen auferlegte.«

»Sie wollen –«

»Morgen könnte ich nun ins Fährhaus einziehen. Es ist ja mit einem Male Platz genug dort, nachdem auch Frau Korkhan gestern wieder in die Stadt zurückgekehrt ist. Ich hätte also heute Zimmer genug zur Auswahl, aber jetzt brauche ich keins mehr,« lächelte er bitter, und ging auf die Diele hinaus, um sich noch einmal in seiner Hängematte einzurichten.

Ja, das waren Geschichten . . .

Ob er nun endlich klug wurde? Konnte Anka deutlicher sein? Unbegreiflich blieb mir nur, daß sie solange dabei zugesehen hatte, wie sich Schulna Frau Korkhan genähert hatte. Alle hatten es bemerkt, und da sollte Anka blind geblieben sein? Aber vielleicht hatte sie nur Nachsicht geübt, weil Widerstand unklug gewesen wäre? Aber jetzt war wohl ihre Zeit gekommen . . . 177

Der arme Lintrup! Da lag er nun draußen in seiner Hängematte, und Gram und Eifersucht zerfraßen ihm das Herz. Aber vielleicht, daß er doch eines Tages einsah, wie gut es das Schicksal heute gemeint hatte, als es Anka und ihn mit einem glatten Schnitte voneinander trennte.

Beim Entkleiden fiel mir ein, noch einmal nach dem Boot zu sehen. Lintrup hatte es vielleicht nicht ordentlich festgelegt und gesichert.

Als ich zum Fluß hinunterkam, sah ich, daß es fort war.

Natürlich, dachte ich ärgerlich. Da kommen diese Herren Städter und benehmen sich wie die Kinder. Nicht einmal die Riemen hat er herausgenommen. So etwas!

Ich lief ein Stück am Fluß entlang. Vielleicht, daß ich es treiben sah und zurückholen konnte . . .

Es war Mondschein, und der Fluß schimmerte unter ihm wie Silber, aber von dem Boote war nicht eine Spur zu sehen.

Verdrossen lief ich zur Hütte zurück.

»Na, da haben Sie ja etwas Nettes angerichtet,« rief ich ärgerlich in die Dunkelheit der Diele.

»Was ist?« fragte Lintrup erschreckt.

»Das Boot ist weg! Sie müssen es vorhin nicht achtsam genug wieder festgelegt haben. Da kann man nun morgen den halben Tag herumsuchen, bis man es wiederfindet!«

»Aber das ist doch nicht gut möglich!« antwortete Lintrup. »Ich habe den Strick vorhin mit der Schlinge über den kleinen Pfahl gelegt, verknotet und festgezogen, genau so, wie ich es vorgefunden habe!«

Er war ganz bestürzt, wie er da vor mir stand.

»Aber die Riemen haben Sie doch im Boote gelassen, nicht wahr?« 178

»Allerdings. Sie lagen auch darin, als ich fortfuhr. Ich meinte, Sie ließen sie über Nacht darin? Wie ärgerlich das ist! Ich kann mir wirklich nicht erklären – – Haben Sie nicht eine Laterne da? Vielleicht, daß wir es noch in der Nähe entdecken, ehe es allzuweit wegtreibt. Warten Sie, ich gehe mit Ihnen.«

»Die Laterne können Sie sich schenken,« sagte ich, »sie nützt Ihnen garnichts. Auch scheint der Mond.«

Wenn ich auch annahm, daß es nutzlos sein würde, wollte ich ihn doch nicht allein gehen lassen, nun er darauf bestand, daß wir versuchten, es zu entdecken.

Wir tappten durch das nachtfeuchte Gras bis zum Fährhause hinunter, entdeckten es aber nirgends. Es half nichts, wir mußten den Morgen abwarten. Verlegen und bedrückt kehrte Lintrup mit mir zurück.

»Sonderbar,« sagte er. »Ich kann es mir wirklich nicht erklären. Wenn ich nicht genau wüßte, daß ich es sorgfältig festgelegt habe!«

Als wir zurückkamen, fiel mir auf, daß Gram mich nicht begrüßte. Er wußte sehr gut, daß er sich nicht ohne mich von der Warf entfernen durfte, und hatte das Gebot, soviel ich wußte, noch nie übertreten. Wo steckte der Bursche?

Ich pfiff . . . rief seinen Namen . . . er kam nicht.

Verdutzt blieb ich stehen. Ob ich ihn aus Versehen in der Hütte eingesperrt hatte? Aber da hätte ich ihn auf meinen Pfiff hin doch winseln hören müssen!

Ich ging in die Hütte, rief ihn laut mit Namen – aber er ließ sich nicht sehen.

Heute haben es ja wohl alle mit dem Ausreißen, dachte ich ärgerlich. Schulna und Anka, das Boot und nun auch noch Gram – der Kuckuck mochte wissen, was das zu bedeuten hatte! 179

Am anderen Morgen war mein erster Gedanke das Boot.

Gram? Ja, war er denn noch nicht da? Oh, keine Sorge, er würde schon kommen. Vielleicht war er ins Dorf hinübergestrolcht, eine Freundin zu besuchen.

Der Morgen war frisch, und der Tau hing in hellen Tropfen an den Grashalmen, die Kiebitze schrien über den Wiesen und schossen aufgeregt um unsere Köpfe, wenn wir unversehens einem Neste zu nahe kamen.

Wir hatten den Weg zum Fährhause eingeschlagen und spähten gespannt den Fluß hinunter.

Nein, da lag ja das Boot, kaum zweihundert Meter von der Hütte entfernt, im Schilf!

War's vielleicht nicht das meine? Natürlich war es das! Aber wie kam es dann, daß es voll Wasser stand und weggesackt war wie ein Backstein? Nur die Dollen sahen aus dem flachen Wasser heraus.

Immerhin hatten wir noch Glück gehabt und brauchten nicht stundenlang auf die Suche zu gehen. Ich zog Strümpfe und Schuhe aus und watete hin.

Vielleicht war es von einem Segler überrannt worden? Aber dann hätten wir doch ein Geräusch in der Hütte gehört?

Ich bog das Schilf zur Seite und schaute hinein. Da sah ich denn die Bescherung. Irgend jemand mußte sich heimlich des Bootes bemächtigt und es hier versenkt haben – die Seitenwände waren an drei Stellen durchbohrt!

Ich traute meinen Augen nicht und lächelte zuerst über mich selbst, aber es war kein Zweifel, hier war Absicht im Spiel gewesen. Irgend jemand hatte mir einen Schabernack antun wollen.

Aber wer? Verständnislos schüttelte ich den Kopf. Da stieg mir plötzlich ein Verdacht auf. Jan Meiners! Er war 180 der einzige, dem eine solche Tat zuzutrauen war, ein Racheakt, nichts weiter.

Aber daß der Hund nicht angeschlagen hatte, als er sich der Hütte näherte! Gram mußte wohl schon davongelaufen gewesen sein, der Schlingel. Natürlich gerade dann, wenn man ihn nötig gehabt hätte.

Als Lintrup zurückkam, den ich um die Wasserschippe zur Hütte geschickt hatte, begannen wir das Boot notdürftig zu dichten und leer zu schöpfen.

Sieh da, da hatten wir noch ein viertes Leck übersehen, ein Bohrloch im Boden! Man mußte sagen, der Bursche hatte gründliche Arbeit gemacht. Die Löcher waren daumendick und glatt durch die eichenen Planken gebohrt!

Es dauerte Stunden, bis wir das Boot endlich wieder vor der Hütte liegen hatten und nun darangehen konnten, es aufs Land zu ziehen.

Uns war redlich warm geworden bei der Arbeit, und als wir eben wieder zur Hütte hinaufwollten und ins Haus gingen, den Flaschenzug wieder an seinen Platz zu hängen, kam Lintrup mir verstört und aufgeregt nach.

»Denken Sie,« rief er, »der Hund . . . er liegt hinter dem Hause . . . mir scheint, er ist tot.«

»Wie?« fragte ich, »Gram?«

Es war so. Er lag, die Schnauze auf die Erde gedrückt, den Bauch krampfhaft wie in tiefem Schmerz eingezogen.

»Gram!« schrie ich. »Gram!«

Der Körper war kalt und steif. Er mußte wohl schon die Nacht über gelegen haben . . . Ein Blick zwischen seine Lefzen bewies mir, daß er Gift bekommen hatte.

»Haben Sie keine Ahnung,« fragte Lintrup, »wer Ihnen das angetan hat?«

Ich zuckte die Achseln. 181

»Wenn wir noch einen einzigen Laut vorige Nacht von ihm gehört hätten! Gram ließ doch keinen Fremden unangemeldet an die Hütte heran,« meinte Lintrup.

»Sicher nicht. Aber vorbeifahrende Schiffe meldete er nicht. Da hat ihm wahrscheinlich jemand im Vorbeifahren ein Stück vergiftetes Fleisch herübergeworfen und er hat es gefunden und gefressen. Hinterher ist der Betreffende zurückgekommen, hat das Boot losgebunden, eine Strecke mit hinaufgenommen, angebohrt und versenkt. Es ist alles ganz klar.«

»Und eine solche Gemeinheit wollen Sie sich gefallen lassen, ohne einen Finger zu rühren?«

»Es wird mir nichts anderes übrig bleiben.«

»Das verstehe ich nicht. Das Boot ist ja mit einiger Mühe wieder in Stand zu setzen, aber das unschuldige Tier zu töten –«

Ich unterbrach ihn mit einer Handbewegung, und da er merkte, daß er mich mit seinen Worten nur quälte, entfernte er sich und begann in der Hütte seine Sachen zusammenzulegen. Als er damit fertig war, ging er ins Fährhaus hinüber, sich von Behrens ein Boot zu entleihen, um seinen Koffer abzuholen.

Als er fort war, grub ich Gram unter den alten Kopfweiden nicht weit vom Hause sein Grab, genau an der Stelle, wo er so oft, wenn er mit Klein-Elsbe gespielt hatte, sich niederlegte um auszuruhen und dann plötzlich den Unbeteiligten spielte.

Als Lintrup mit dem Boote kam, war es bereits Abend.

»Ist es Ihnen nicht ein wenig unheimlich, in Zukunft hier des Nachts allein zu hausen?« fragte er, als er Abschied nahm. »Der Hund war doch ein großer Schutz für Sie.« 182

»Machen Sie sich keine Sorge,« antwortete ich und lächelte. »Der Täter wird sich hüten, noch einmal zurückzukehren.«

Aber darin sollte ich mich doch empfindlicher getäuscht haben, als ich erwartet hatte. Grams Vergiftung war nur der Auftakt zu dem, was folgen sollte.

 


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