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III.

Allein mich fand ich in düsterer Nacht,
Todtiefes Schweigen rings um mich her,
Nur daß von fern ein hallender Ton,
Der her vom Thore der Höhle drang
Und sich an der Felsen Windungen brach,
      Bisweilen verirrt an mein Ohr scholl.

Wer Vater mir war, nie ward es mir kund.
So weit mich Erinnerung denken ließ,
In diesem Dunkel hatt' ich gelebt,
Die Mutter allein Gefährtin mir
      Und eine alternde Löwin,
Mit der des Morgens auf Raub hinaus
Sie zog für jedes Tages Bedarf.
Treu hatte den Sohn sie gehegt und gepflegt
Und, als ihm gewachsen der Sehnen Kraft,
Ihn hier und da vor der Höhle Spalt
Die steinerne Streitaxt schwingen gelehrt,
Doch schnell ihn, sobald sie Gefahr geahnt,
      Zurückgedrängt durch den Eingang.

Lang also auf ihre Wiederkunft
Und das Mahl, das täglich heran sie mir trug,
Harrt' ich in der finsteren Einsamkeit
Und zählte an meiner Pulse Schlag
Schon die Sekunden, die fern sie blieb.
Daß eines Unthiers Klau'n sie zerfleischt,
Begann ich zu fürchten, und quälender stets
Und quälender ward mir des Durstes Pein,
      Des Hungers stachelndes Nagen.
Empor mich raffend, der Seite zu,
Wohin verklungen der Mutter Tritt,
Begann ich zu schreiten, am Felsengestein
Hintastend durch dichte Finsterniß;
Doch über Geröll und Wurzelgeflecht
Oft strauchelte gleitend mein Fuß, ich sank
Und lag bei brennender Glieder Schmerz
Leisächzend da auf dem harten Grund,
Bis Angst des Herzens und dumpfes Gebraus
Und stürzender Wasser Widerhall
      Mich weiter durchs Dunkel jagten.

Allmälig entgegen mir dämmerte Licht
Und wuchs und wuchs, wie ich vorwärts schritt;
      Geblendet schloß ich die Augen;
Nur mühsam wurde mir nach und nach
Der wachsenden Helle vertraut der Blick,
Und über Spalten und Zacken dahin
Bei unterirdischer Wasser Getos
      Zuletzt im Freien mich fand ich.

O was ich dort geschaut und erlebt,
Unfaßlich meinem staunenden Geist
Und unverstanden ging es vorbei;
Noch jetzt, da es neu vor die Seele mir tritt,
Wo find' ich die Worte, die Bilder wo,
      Um die Wunder, die Schrecken zu künden,
Die ich, von den Lebenden ich allein,
Tief in der Jahrhunderttausende Schlund,
      Am Anfang der Zeiten, gesehen?

Feuchtwarmer Brodem der Urwelt hing,
Ein schwerer, qualmender Nebelrauch,
In Falten um mich und über mir,
Und wo, vom Windeshauche bewegt,
Der wallende Schleier sich lichtete,
Da tauchten gewaltig, himmelhoch
Mit breiten Aesten und Blättergeschling
Farnkräuter empor aus dem gelben Schwall.
Hoch über mir, wo ihr Wipfelhaupt
Sich in die wogenden Dünste verlor,
Hin durch die mächtigen Halme ging
Ein dumpfes Rauschen, wie Donnergroll
      Von fern aufsteigenden Wettern,
Und mit Entsetzen gewahrte mein Blick
Dichtwimmelndes Leben allumher
      Von tausendgestaltigen Thieren;
Und Schreie der Wut, der Todesangst
Erschollen an mein erschrecktes Ohr.
Ich wollte zurück in die Höhle flieh'n,
Doch suchte vergebens das Thor; je mehr
Ich suchte, so weiter mich fand ich verirrt
      Und fühlte die Kräfte schon schwinden,
Als mir zu Häupten an hangendem Ast
Ein Apfel von röthlich blinkendem Glanz
Gleich jenen, die mir die Mutter gebracht,
      Süßlockend entgegen mir glänzte.
Ausstreckt' ich eben nach ihm die Hand,
Da hört' ich ein Rasseln, und neben mir hob
Ein schuppengepanzertes Ungethüm
Den Rachen aus sumpfiger Lache hervor.
Ich schwang mich mit letzter Kraft auf den Ast
Und klomm, indessen der Unhold jäh
Sich bäumte, höher von Zweig zu Zweig.
Schon sah ich züngelnd mit gierigem Mund
Nach mir ihn lecken, doch endlich sank
In langen Ringeln zurück in den Sumpf
      Der riesige Salamander.

Da dunkler und immer dunkler ward's;
Und, Sicherheit hoffend im Wipfel des Baums,
Empor an der Leiter des Pflanzengeschlings
Klomm ich, das Aeste mit Aesten verflocht.
Schutz oben bot das Lianengerank
Mir vor dem Fallen, und bald todmatt
      Vom Schlummer mich fühlt' ich bewältigt.

Aufs Neue, durch schrecklicher Klänge Gewirr
Erweckt, vom Schlafe fuhr ich empor.
Von hüpfenden Lichtern welch flimmernder Glanz,
      Aufblitzend, dann wieder erlöschend?
Ich rieb die Augen, und durch das Gezweig
Umkreiste mein Haupt wie Irrwischtanz
      Ein Heer von leuchtenden Fliegen;
Doch nein, nicht heißen darf ich sie so,
Nur Zwerge sind alle Wesen von heut
      Vor jenen Giganten der Vorzeit.
Beim flackernden Schein, der hinauf und hinab
Vom zackigen Flug des wirbelnden Schwarms
Durch die Nacht hinstob, gewahrt' ich ringsum
Unthiere von grausiger Mißgestalt,
Die kreischend, flatternd mit Fledermausflug
      Mich in höllischer Runde umkreisten.
Verschwunden vom Antlitz der Erde nun ist
Die greuliche Brut; als Fabelgebild,
Als Märchentraum nur lebt sie noch fort
      In der Menschen entsetzten Gemüthern,
Ich aber sah sie leibhaftig vor mir,
      Der Urwelt arge Geburten,
Eidechsen mit Flügeln, Chimären, Harpyen,
Vampyre und Molche, zum Knäuel geballt,
      Verstrickt in einander die Leiber.
Sie streckten zum Fange die Krallen aus,
Und leckten mit gierigen Zungen umher,
Bis sie in die Ferne das Dunkel verschlang.
Durch ihrer Schwingen Rauschen vernahm
Ich unter mir tief des Bodens Gedröhn
Und von hunderttausend Tritten den Schall;
Und aus dem Dunkel des Waldes, sieh!
Glomm röthlichen Glanzes und blau und grün
      Von rollenden Augen das Feuer – – –
O, denk' ich zurück an jene Nacht,
Noch mehr als damals, da Stumpfsinn mir
Bleischwer auf Geist und auf Sinnen lag,
Durchs Hirn dahin und durch Bein und Mark
      Fährt mir todbleiches Entsetzen.

Von oben indessen nach und nach
Ergoß sich ein matt einförmiger Schein,
      Nicht wußt' ich von welcher Leuchte,
Doch heller glomm er und heller stets
Aus den wallenden Nebelschleiern hervor,
Und aus der Finsterniß unter mir
Auftauchte der Thiere wilde Jagd;
Mit erderschütternden Tritten dahin
Gleich wandelnden Bergen schritten sie,
Hochragende Bäume wie schwaches Rohr
      Mit wuchtigen Hufen zermalmend;
Und, wie sie in wilden Sprüngen sich
Verfolgten, einander mit Zähnen und Klau'n
Blutdürstig zerfleischten, ließ ihr Gebrüll,
Ihr Wehgeheul und der Tritte Fall
      Des Waldes Wipfel erzittern.
Ein Rauschen ging mir jäh durch das Haupt,
Ich schwankte auf meinem luftigen Sitz
Und nur das Schlingkraut, das mich umwand,
      Hielt fest mich, daß ich nicht stürzte.

Als wieder die Sinne mir kehrten, war
Verstummt das Höllenlärmen der Nacht –
In blassen Zwielichts Dämmer gehüllt,
Lag unten die Erde – dem Meere gleich
Schlug Wogen, so weit mein Auge sah,
Der Farnkrautwald, denn ein Sturmwind blies
Und peitschte den Wipfel, in dem ich hing,
Und jagte die Nebel, zu Haufen geballt,
In Wirbeln dahin durch den Abgrund der Luft.
Nicht lang, und ein blasser Feuerstreif
Stieg mälig empor am Erdenrand
Und wuchs und wuchs und vergoldete hoch
Am Himmel das wallende Dunstgewölk,
Und reiner und immer reiner brach
Ein blauer Schimmer herein auf die Welt –
Nicht tragen konnt' ich den mächtigen Glanz
      Und senkte geblendet die Blicke,
Doch durch der Augen geschlossenes Lid
Noch übergewaltig drang er hindurch;
Lang hielt ich zagend das Haupt gebeugt,
Und, als ich die Sehe von Neuem erhob,
Sieh! glorreich stand in göttlicher Pracht
Zu meinen Häupten der leuchtende Ball,
      Die Quelle des Lichts und des Lebens,
Und regnete seiner Strahlen Flut
In goldner Fülle herab auf die Welt,
Wie Flammenströme sprudelnd dahin
      Durch alle Räume sie sendend,
Bis Alles Ein uferloses Meer
      Von wogendem Lichte geworden.

Anbetend streckt' ich die Arme empor
Zu dem erhabenen Tagesgestirn,
Wie hoch es und immer höher stieg
      Auf seinem himmlischen Pfade.
Ich athmete wie erlös't in dem Hauch
Der heiligen Frühe und schlürfte und trank
Mit der Seele den weltbefreienden Strahl,
Daß er die Schreckgebilde der Nacht
      Bis auf die Erinn'rung mir scheuchte.
Doch endlich länger nicht ließ es mir Rast;
Von Neuem der Höhle Zufluchtsstatt
Zu suchen, mußt' ich mich mahnen, allein
Verloren im unermeßlichen Raum
War sie, der vor mir gebreitet lag;
Allhin, so weit mir das Auge glitt,
Titanischer Eichen Wipfel nur
      Und vorsündflutliche Tannen
Sah ich, die Mammuths der Pflanzenwelt,
Und Kolben von hochaufragendem Rohr
Und, funkelnd vom sonnebeglänzten Thau,
      Die Stauden gewaltiger Gräser.
Dann über Blöcke und Felsengestein
Hinschweifte mein Blick, wo am Erdenrand
      Von himmelspaltenden Bergen
Der eisbekrönte Scheitel sich hob –
O die Gebirge, auf welche wir heut
Bewundernd schauen, wie schwinden sie all
      In nichts vor ihnen zusammen!
Thürmt über die Alpen die Pyrenä'n
Und über sie noch die Anden empor,
Zu jenen Wipfeln der Urzeit doch
Aufreichen nicht würden mit ihrer Wucht
      Die Uebereinandergewälzten!
Und ich verlassen, hülflos, allein
      In dieser Welt der Titanen!

Hoch brannte die Sonne vom Himmel herab,
Entschlafen schien alles Leben zu sein;
Da von dem Gezweige klomm ich herab
Und schritt dahin durch das Wuchergesträuch,
Das über dem Haupt mir zusammenschlug.
Auf einmal was gewahrte mein Blick?
Am Felsen, rücklings zu Boden gestürzt,
Todbleich lag meine Mutter und starr
Mit zerrissenen Gliedern und blutendem Haupt,
An ihrer Seite die steinerne Axt,
      Die ihrer Rechten entsunken,
Und neben ihr stand, mit scheußlicher Gier
Die Tatzen in ihren Leib gekrallt,
      Ein pantherähnliches Raubthier.
Ich wollte der Todten mich nahen, doch fort
Mit drohend erhobenem Rachen trieb
      Mich das mißgeschaffene Scheusal,
Und schwankenden Schrittes mußt' ich entflieh'n.
Graunvoller Gang! Bald hier und bald dort
      Im Mittagsstrahle sich sonnend,
Dalagen am Weg, vielfach von Gestalt,
Die erstgeborenen Thiere der Welt,
Schreckbilder, wie nie selbst im wüstesten Traum
Des Menschen geängsteter Geist sie erblickt,
In ihnen noch durch einander gewirrt
Was weise nachher die Natur getrennt,
Die Mähne des Leu'n mit den Hörnern des Stiers
      Und des Ures gewaltigem Buge.
Verschwunden bis auf die Erinnerung nun
       Sind sie aus der Reihe der Wesen,
Im Schutte der Jahrmyriaden zu Staub
      Selbst ihre Knochen geworden.
Glückselig preis' ich die Erde, daß
Erloschen ihre Geschlechter sind;
Vermöchten ihre Gerippe je
Aus den Schichten der Berge ans Tageslicht
      Von Neuem sich zu erheben,
Abwenden würde das Angesicht
      Entsetzt die Natur bei dem Anblick.

Und wieder neigte die Sonne sich.
Die Erde verhüllend, mählig stieg
Vom Himmelsrande Nebel empor,
Und, aus dem Mittagsschlummer erwacht,
      Sich regten die Ungethüme.
Im Wipfel der Bäume, am Felsengestein
Begann's zu leben; los ringelten sich
      Von den Stämmen riesige Schlangen;
Ringsum den Strömen sah ich, den See'n
Eidechsen, zehnfach das Krokodil
      Noch überragend, enttauchen.
Sie peitschten das Wasser mit mächtigem Schweif
Und stürzten auf mich mit dumpfem Geheul,
Mich zu verschlingen; in Todesangst
Den Wüthenden fast schon fiel ich zum Raub;
Da eines Felsspalts ward ich gewahr,
Ich schlüpfte hindurch, versperrte das Thor
Mit Steinen, über Steine gethürmt,
       Und sank ohnmächtig zu Boden.

Wohl lange gelegen hatt' ich so,
       Als hohle Töne mich weckten.
Von tiefen Athemzügen der Hauch
Schlug mir entgegen; ich fühlte nah
       Das Wallen von warmem Leben.
Da siehe! grünlichen Flammen gleich
Durchs Dunkel der Höhle starrten auf mich
Zwei Augen hernieder! Entsetzen hielt
Mich lange gebannt; erst nach und nach
Aus dem Dunkel löste vor meinem Blick
Sich ein mähniges Haupt; ich wurde gewahr,
       Zur Seite mir stand ein Raubthier,
Das bald mit der Zunge warm die Hand
Mir streifte, bald mir ins Antlitz schnob;
Und mählig, das Grausen verscheuchend, stieg
Die Erinnerung mir an die Löwin auf,
Die einst mit uns die Höhle getheilt;
Sie war es; den alten Gefährten alsbald
In mir erkennend, liebkoste sie ihm
       Und grüßt' ihn mit Freudensprüngen.

Fortan in der Tiefe der Felsenkluft
Als treue Genossen lebten wir Zwei,
Das kärgliche Leben jeglichem Tag
      Abringend mit Noth und mit Mühsal.
Mir Nahrung zu holen, bei Morgenroth
      Zog ich hinaus in die Wildniß,
Erschlug die Thiere mit steinerner Axt,
      Die ich zu bewält'gen vermochte,
Und stillte des Hungers, des Durstes Begier
An den zuckenden Gliedern, dem Blute, dem Mark,
      Den gespaltenen Knochen entsogen.
Trostloses Dasein, immer von Tod
Und Gefahren bedroht! Dem niedersten selbst
Der Thiere von heute, dem sich in Stall
Und Hürde der Menschen Zuflucht beut,
      Ward besseres Schicksal beschieden!

Und diese Nächte, wie höllenschwarz,
      Wie grausig, die endlos langen,
Wenn sengende Schwüle, den Athemzug
Mit Pestqualm hemmend, schwer auf mir lag,
Und, aus den Sümpfen hervorgelockt,
Die Schwärme gieriger Wespen mich
      Mit giftigen Stacheln durchbohrten,
Daß Schmerz durch alle Glieder mir schnitt
      Und jede Fiber mir zuckte.
Vergebens, geschüttelt von fiebrischer Qual,
Nach Einem erquickenden Windhauch nur
Seufzt' ich, nach Einem dämmernden Strahl;
Versiegt war die Quelle der Luft und des Lichts.
Vor allen an eine schreckliche Nacht
      Ist mir das Gedächtniß geblieben.
Von dumpfer Stickluft getrieben, hinaus
Mich hatt' ich gewagt an der Höhle Rand;
Aus Tiefen und Schlünden, herab von den Höh'n,
Ja aus der Erde verborgenstem Schooß
      Hervor scholl banges Gemurmel.
Es war, als ächzt' in unsäglichem Weh
Die ganze Natur, mattgelbe Glut
Schlich hin durch die Nacht, und erstickender Dampf,
Von rings entgegen mir wallend,
Trieb tiefer mich in des Felsens Spalt.
Da plötzlich ein Dröhnen, ein Erdstoßkrach,
Wie von des Weltalls Zusammensturz –
Wenn hunderttausend Gewitter sich
      In Einem Donner entlüden,
So müßt' es dröhnen – häuptlings ward ich
      Ohnmächtig zu Boden geschleudert,
Doch meinen betäubten Sinnen blieb
Noch halbes Bewußtsein von dem, was geschah.
Aus ihren Angeln gerissen schien
Die Schöpfung; entwurzelt taumelten
      Die himmelnahen Gebirge
Hinab in des Erdballs tiefsten Schlund,
Und, aus den Tiefen emporgewälzt,
Zu den Wolken bäumten die Thäler sich auf. –
Dem Himmel dankt, die ihr Zeugen nicht war't
Von diesen Geburtsweh'n der Natur,
Als aus der unendlichen Nacht zuerst
      Sie schlummertrunken erwachte
Und die Welt, noch eh' sie Gestalt gewann,
Wie ein irrer Traum durch die Seele ihr zog.
Da drängten wüste Gebilde sich,
Phantome von künftigen Schöpfungen,
Nach Leben verlangend, in ihrem Geist
Und rangen sich, tausendfach von Gestalt,
Ins Dasein empor, doch sanken aufs Neu
Erst halb geboren, ins Nichts zurück.

Daß über der Höhle, in der ich lag,
Der Felsen Wucht nicht zusammenbrach
Und unter den Trümmern mich begrub,
      Ein Wunder muß ich es heißen;
Doch meine Genossin, die Löwin, war
      Ereilt vom Verhängniß worden;
Sie hatte, zu weit in die Ferne gestreift,
Ihr Obdach nicht vor Dunkel erreicht
      Und kehrte nie heim in das Lager.

Nachdem das Erdstoßkrachen verstummt,
Aus meiner Betäubung mich rafft' ich empor
Und schritt entgegen dem dämmernden Schein,
Der durch die Spalte der Höhle glomm.
Bald schlug ein Tosen, wie nie ich gehört,
Ein dumpfes Brausen mir an das Ohr;
Ein aschenfarbiger Nebel hing
In weiten Falten herab auf die Welt,
Doch unter ihm brachen, vom Sturme gepeitscht,
Hochschäumende Wogenkämme hervor
Und spritzten mit weißem wirbelnden Gischt
Empor zu der Klippe, auf der ich stand.
Hinaus durch die Lücken, die der Orkan
      In die hangenden Ballen der Wolken riß,
Sah ich bis weit ins Unendliche hin
Der Wellen Getümmel, wie himmelhoch
      Sie übereinander sich thürmten
Und, wieder berstend mit jähem Krach,
In den gähnenden Abgrund stürzten.
Lang blieb ich staunend, betäubt und verwirrt,
Vor dieses neugeborenen Meers
Dumpfbrausender Unermeßlichkeit
Und glaubte, bald werd' es alles Sein
      In seine Fluten verschlingen.
Doch endlich wälzten sich nach und nach
Die tosenden Wasser ebbend zurück,
Und in des Bodens gehäuftem Schlamm,
Die triefenden Mähnen von Seegras voll,
Gestrandet lagen die Ungeheuer,
      Der Tiefe grause Beherrscher,
Und ringelten sich im Todeskampf
Um der ragenden Klippen Zackengestein,
      Es mit schuppigen Gliedern umschlingend.

Dort unter überhangendem Fels
Am Ufer des Meeres wohnt' ich fortan,
Von Muscheln mich nährend, die vor mich hin
Die Brandung warf. Ich wagte noch lang
Nur zagend und scheu hinaus mich ins Land.
So oft ich die schützende Grotte verließ,
Bald jagte die Angst mich wieder zurück;
Und preisen noch mußt' ich mein Glück, daß nicht
Der Tod mich ereilt, wenn erstickender Dunst
      Der Erde Rissen entqualmte
Und von Vulkanen, aus deren Schlund
Rothdunkelnd der Flammen Lohe schlug,
Herab in allverheerendem Strom
Sich feurige Schlacken wälzten.
Oft auch, daß heulend daher der Orkan,
      Den Boden fegend, urplötzlich zog
Und Wälder aus ihren Wurzeln riß
Und hin durch die Luft sie in Wirbeln trug.
Mich kauernd unter der Höhle Dach,
Sah ich der Wolken Getümmel, wie schwer
Sie hin sich wälzten mit schleppendem Saum
Und wie der zuckende Wetterstrahl
In zackigem Flug herniederfuhr;
Dann, ohrbetäubend, des Donners Geroll,
Von Felsen und Schluchten zurückgehallt,
Und hochauf lohte die Feuersbrunst
      Aus Bäumen und schilfigem Dickicht.

So hatte die Zeit mich zum Jüngling gereift,
Und mir im Herzen zu regen begann
Sich die Sehnsucht nach einem Wesen gleich mir.
Hoch auf den hallenden Klippen am Meer
In einsamen Nächten beim Sternenschein
Lauscht' ich, ob eine Stimme mein Ohr,
      Der meinen ähnlich, vernähme.
Vergebens; der brandenden Wogen Schlag,
Den immer gleichen, hört' ich allein.
In weiter Wildniß, auf Bergeshöhn,
      Inmitten unendlicher Wälder,
Ließ ich, auf Antwort hoffend, den Ruf
Ertönen, doch nur sein Widerhall
Scholl mir durch die rauschenden Wipfel zurück,
Und, müde der ewigen Einsamkeit,
Von Orte weiter irrt' ich zu Ort
Durch Thäler und Schlünde, abgrundtief,
Wohin noch gedrungen kein Lichtstrahl war.
Und ich fragte der Berge verborgenste Schlucht:
Wo birgst du Jenen, der mir verwandt,
Mein Abbild ist an Gesicht und Gestalt?
Gib ihn mir heraus! ich muß ihn seh'n,
Damit mir aus seinen Augen ein Strahl
Entgegenflamme von meinem Geist,
Damit Gedanken auf seiner Stirn,
      Die mich verstehen, ich lese!
Ich rief es; doch Alles umher blieb stumm;
Nur fremde Gestalten begegneten mir,
Ich sah das wilde Hipparion,
      Des Rosses gewaltigen Ahnherrn,
Sein wallender Schweif im Morgenwind
Hinflatternd; das grausige Mastodon
Und den erderschütternden Riesenhirsch
Mit dem äst'gen Geweih, das auf breiter Stirn
      Gleich einer Eiche ihm sproßte;
Doch, wo ich mich nahte, erschrocken floh'n
Die Schwachen bei meines Fußtritts Schall,
Die Starken stürzten in wilder Wuth
Mit Tatzen und Rüsseln und Hauern auf mich,
      Daß ich zitternd mich barg vor den Wilden.

Indessen ich so, von der Seele Drang
      Gestachelt, die Erde durchstreifte,
Einst lang auf blühendem Wiesenplan,
Von schwanken Gräsern und Stauden umwogt,
Hin war ich geirrt; in dem wallenden Grün
      Auf einmal Spuren von Tritten
Da ward ich gewahr; hoch jauchzte mein Herz,
Denn Einer, mir ähnlich von Gestalt,
War hier geschritten; das Ende mir
Der ewig traurigen Einsamkeit
Glaubt' ich gekommen – ich kniete hin
Und küßte brünstig den Rasengrund,
      Den seine Füße getreten,
Und folgte weiter den Zeichen, auf daß
      Sie zu dem Ersehnten mich führten –
Doch weh! erkennen mußt' ich zu bald,
Daß ich im Kreise umhergeschweift;
Nur meiner eigenen Tritte Spur,
Zuvor in die Gräser des Bodens gedrückt,
      Hatt' ich gesehn, der Verirrte.

Einst führte der Trieb des Wanderns mich
      In tiefes Dickicht des Waldes,
Wo durch die grüne Dämm'rung empor
Vom Boden sich blühendes Schlingkraut wob
Und ineinander zum Schattendach
Der schwankenden Palmen Kronen verflocht.
Ein Wetter hatte die Nacht getobt
Und Stämme, auf Stämme niedergewälzt,
      Baumwipfel, zerschmettert vom Blitze,
Oft hemmten mir auf dem Pfade den Fuß.
Fernher durch Lücken des Pflanzengeschlings
Entgegen mir glomm ein leuchtender Schein,
Es zog mich näher und näher heran,
      Und sieh! bei loderndem Feuer
Gewahrt' ich Gestalten, mir gleich an Wuchs,
      Aufrecht die Flammen umhüpfend.
Froh klopfte mein Herz, und durch das Gestrüpp
Zu ihnen heran mir brach ich Bahn;
Allein schon hatten sie mich erblickt
Und stürzten in wilden Sprüngen heran;
Erschrocken aber fuhr ich zurück;
Statt meiner Stimme Klänge vernahm
Ich wüstes Geheul von ihrem Mund,
Und Thierheit blickte mich schreckenvoll
Aus ihren blinzelnden Augen an.
      Mich als Verwandten zu grüßen
Entgegen die Arme mir streckten sie
Und voll Entsetzen wollt' ich entfliehn,
Doch sie umschlossen mich enger im Kreis
      Und tanzten um mich in der Runde,
Indeß ich nieder zur Erde sank
      Und den Blick voll Grauen verhüllte.
Auf einmal scholl aus der Waldesnacht
Der Raubschrei eines reißenden Thiers;
Mit Windeshast auseinander stob
Und floh in die Wipfel der Tanzenden Schwarm,
      Sie wollten mich mit sich ziehen,
Doch riß ich mit Macht von ihnen mich los
Und blieb am Boden, während von Zweig
      Zu Zweig sich die Fliehenden schwangen;
Ich wäre lieber des Unthiers Raub
      Als Diesen Genosse geworden.

Da Stille sich wieder allumher
Gelagert, brach ich von Neuem auf
Und mir war, wie ich hin durch die Wälder schritt,
Als riefen die Aeste, zitternd im Wind,
Mit höhnischem Zwitschern die Vögel mir zu:
Nun? den Gesuchten, den, der dir gleicht,
      Hast du ihn noch nicht gefunden?

Drauf steiler, immer steiler empor
Am Bergesrücken wand sich der Pfad,
Der Bäume Grün wich mälig zurück
Und eisig hauchte die Luft mich an.
Schon längere Schatten warf das Gebirg
Und Dämmerung brach auf die Erde herein.
Da plötzlich, als ich um einen Fels
Gebogen, vor mir an stürzendem Quell
Stand eine Gestalt, der meinen gleich;
Am Antlitz, ja, an der hohen Stirn
Erkannt' ich's, es war ein Mensch wie ich –
Und stürzt' ich freudig nicht auf ihn zu,
      An die Brust den Bruder zu drücken?
Nein; ich stand starr, von Grausen gelähmt,
Denn vor ihm, zu Boden gesunken, lag
Ein anderer Mensch, das Haupt vom Rumpf
      Getrennt, mit zerschmetterten Gliedern,
Und einen Schädel, gefüllt mit dem Blut
Des Erschlagenen, führte Jener zum Mund.
Ich wollte schwankenden Fußes entfliehn,
Der Unhold aber, mit Wuthgeheul
Mich packend, schleppte den Schwächeren fort
Bis wo ein Felsspalt, tief in den Schooß
Des Berges klaffend, sich öffnete.
      Und sieh! vor mir in der Höhle
Bei eines Holzspans flackerndem Licht
Am Boden gekauert, hielt ein Schwarm
Von Cannibalen sein scheußliches Fest.
Bluttriefende Beile lagen umher
Und zuckende Leiber – wüstes Geschrei
Der Mordgesellen erscholl an mein Ohr –
Noch Worte nicht, wie später sie erst
Dem Menschen sich zur Sprache geformt,
      Es waren verworrene Laute –
Dem Jubel der Mörder vermengte sich
      Der Sterbenden klägliches Aechzen – –

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