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Es sprach der Pfarrer: »Döbeln ist ein Heide,
Und wenn er stirbt verdammt in Ewigkeit.
Ich komme, warne, tröste ihn im Leide,
Und er, er liegt und hört mich an zerstreut;
Doch plötzlich setzt er sich im Bett zurechte:
»Weg mit dem Pfaffen«, ruft er seinem Knechte,
»Und hüte dich, sperrst du die Thür ihm nicht!«
Sprach solche Worte je ein Mensch am Grabe?
Für seine Seele selbst er Sorge habe,
Als Mensch und Priester that ich meine Pflicht.«
Dies sprach bei seinem reichen Mittagsessen
Der Pfarrer, wo er im Ornate saß,
Er sprach es, seufzte tief und unterdessen
Schnitt er vom Braten noch ein Stück und aß.
Vor Schmerzen Döbeln sich im Bette wandte
Es kämpft' die Brust, sein Aug' in Lohen brannte,
Und Fieberflammen färbten seine Wang!
Zwei Tage schon und Nächte seine Schaaren
Gen Norden ohne Rast geeilet waren;
Nykarleby er neulich selbst errang.
Er litt am Fieber, zehrend mehr doch brannte
In seiner Seele eine innre Glut;
Sah man sein Auge, man darin erkannte
Den Kummer tiefer als des Fiebers Wuth.
Er zählet Stund' auf Stunde, die verrinnet,
Er horcht, er wartet ängstlich und er sinnet,
Und hat die Thür' ins Auge fest gefaßt.
Sie öffnet sich, ein Jüngling schreitet bieder
Zum Bette, wo der Feldherr lag danieder:
Und Döbeln sprach zu seinem jungen Gast:
»Herr Doctor, Trug ist vieles, was wir ehren,
Freidenker bin auch ich, ich will's gesteh'n.
Die Kunst des Arzt's zu achten mich doch lehren:
Mein wunder Kopf hier, und mein Freund Bjerkén.
Was ihr verordnet, hab ich beobachtet,
Und wie ein Kind hier liegend still betrachtet
Die Batterie, auf jenem Tische dort.
Ihr folgt der Kunst Gesetzen, will ich glauben,
Doch wenn sie Stunden mir und Tage rauben,
So löst sie wie ein Mann, das ist mein Wort.
Ich will, ich muß genesen, ohne Schonen,
Ich muß hinaus, wenn ich im Grabe wär';
Still, horcht, ihr hört bei Jutas die Kanonen;
Dort kämpft für seine Rettung Finnlands Heer,
Ich muß dahin, denn wird mein Heer umgangen,
Der Weg gesperrt und Adlercreutz gefangen,
Was wird, o tapfres Heer, alsdann dein Loos?
Nein, Doctor, nein, erdenkt ein Mittel, Lieber!
Das morgen siebenfach vermehrt mein Fieber,
Hilft es mir heute auf die Beine bloß«.
Der junge Arzt sein Ohr ihm ernsthaft schenkte,
Doch plötzlich sich sein edles Antlitz klärt';
Und auf den Tisch den Arm er ruhig senkte
Und hat mit einem Zug ihn rein geleert.
»Herr General, jetzt keine Kunst euch bindet«,
Ein höhres Roth auf Döbelns Wang' sich zündet,
Und auf er sprang, doch schwankend noch und matt:
»Hab't Dank, mein junger Freund, reicht mir zum Kuße
Die Stirn, ihr seid ein Mann vom reinsten Guße,
Wie ihr noch Keiner mich verstanden hat«.
Nicht mehr bei Jutas hört man Schüsse schallen,
Seit dort der Tod geerndtet seine Beut',
Der Finnen Heer, bereit jetzt nur zu fallen,
Zum Sieg nicht mehr, steht schwach, gebeugt, zerstreut;
Der erste Anfall war zwar abgewendet,
Doch Kosatschkoffski neue Schaaren sendet
Zum zweiten schrecklicheren Kampf bereit.
Und unterdeß sich düstre Still' verbreitet;
So eine Wetterwolk' am Himmel schreitet,
Flieht, sammelt sich und neue Flammen speit.
Wer sollte sammeln unsre lichten Glieder,
Den Überrest aus theurer Siege Zeit?
Voll Muth und Kraft, an Treu' goldrein und bieder
War jeder wohl, der Ordner selbst doch weit.
Der Mann, der uns ermuthigt' in Gefahren,
Mit seinen tapfren Björneborger Schaaren
In hundert blutig schönen Schlachten stand,
Er sollt' uns nicht zum letzten Kampf ermahnen,
Den Gang zum Tode seiner Veteranen
Der Zufall leiten soll, nicht seine Hand.
Nie wird man deiner Gegenwart vergessen,
Du tapfrer Eek! berühmt in Krieges Brand,
Du, dessen Name jeden freut und dessen
Geschick noch tief beweint das Vaterland.
Doch Du und deiner Freunde edle Seelen
Ihr konntet kämpfen, nicht wie er befehlen,
Das war nur seine Kunst, des kranken Mann's.
Du standst da stumm, bereit dein Blut zu wagen,
Kalt Kothen wartet', düster ritt Grünhagen,
Nur Konow flucht', und finster droht' von Schantz.
Gieb Acht! still, hör! Hurrah tönt's auf der Heide.
Ein Mann zu Pferd erscheint. Wer kann er sein?
Welch stürmisch Rufen! Was erweckt die Freude,
Die jubelnd brauset durch der Männer Reih'n?
Hurrah, hurrah schallt's über Berg und Felder,
Ergreift die Massen, wächst, rollt durch die Wälder,
Gleich einer Stimm-Lavine, in das Thal.
Ha, er ist da, er kommt, er ist gefunden,
Er selbst der kleine Mann, die Stirn umbunden,
Der edle, tapfre, biedre General.
Er heißet Schweigen. Seine Stimme dringet
Zu diesem Volk, das jüngst der Kampf zerstreut;
Er reitet vor; die Schaar sich schließt. Er bringet
Zur Ordnung bald die Glieder seiner Leut'.
Aus dichten Reihen blitzen die Gewehre,
In dem zerrißnen, schwarz gewordnen Heere
Zeigt Ordnung sich aufs Neu und Kraft und Muth.
Es braucht nicht mehr zum Tod sich zu bereiten,
Es denkt zu siegen schon, nicht nur zu streiten,
Ein andrer Geist auf ihm von nun an ruht.
Längs seiner Schaaren Fronte Döbeln reitet,
Und Kraft und Muth im Heere wuchs heran,
Sein scharfes Auge jeden Trupp begleitet,
Und prüfet jeden Haufen, jeden Mann.
Daß große Pläne schwebten ihm im Sinne
Gewahrten alle deutlich, Schwed wie Finne,
Und mehr als sonst verschloßen sie ihn sah'n:
Doch war er milder diesen Tag als üblich
Und oft die finstren Züg' sich hellten lieblich
Gen manchen tapfren trüben Veteran.
So stand in deinem Trupp von Kothen Einer,
Als Numro Sieben Korporal Standar;
Mit einem Schuh allein er stand, denn keiner
Hüllt ihm den andern Fuß, der blutig war.
Als Döbeln ihn erreichte, hielt er stille,
Betrachtet stumm des grauen Kriegers Hülle
Mit finstrem Blick und an der Stirn die Hand.
»Du warst doch mit, wir siegten ja beisammen
Auf Lappos Feld, in Kauhajokis Flammen,
Ist dies der Lohn, er sprach, dein Sieg dort fand?«
»Seht dies Gewehr« der Veteran erwiedert,
Das dort Ihr selbst mir gabt, Herr General;
Sein Lauf ist ohne Riß, das Schloß gefiedert,
Und Feuer giebt der Hahn, wie dazumal.
Daß schlecht mein Anzug ist, man wohl verzeihet,
Man ist nicht schlimmer, wenn man Andern gleichet,
Auch macht das Kleid den Mann nicht, meine ich;
Mit oder ohne Schuh', hat nichts zu sagen,
Sorgt nur dafür, daß wir zu stehen wagen,
So hilft der Fuß auch ohne Schuhe sich.«
Und Döbeln sprach nicht weiter, sondern eilte,
Sich neigend vor dem alten Manne, fort.
So ritt er hin zu Brakels Trupp, dort weilte
Er wieder bei dem Trommelschläger Nord.
Er war ein Greis, der schon die Trommel rührte
Im Jahre acht und achtzig, steifer führte
Sein Arm die Schlägel doch, als dazumal;
Erschien er seltner auch bei der Parade
Stand er, wenn Blut es galt, in der Brigade,
Zu ihm jetzt redet so der General:
»Ermüdet Freund dich nie das Trommelschlagen,
Giebts keinen jüngern hier statt deiner jetzt?
Den ganzen Tag du stehst, erstarrst, versagen
Nicht deine Schlägel dir den Dienst zuletzt?«
Die Worte hört der Tapfre, halb verdrießlich:
»Herr General, wohl bin ich alt, das weiß ich,
Auch wird mir schwer zu trillern immerfort;
Doch Kraft im Arme ist's was hier gebühret,
Schreit ihr wie Armfelt: fort, die Trommel rühret!
Und steif doch laut schlägt seinen Wirbel Nord«.
Und lächelnd reichte Lappos Held dem Alten
Aus des berühmten Armfelts Zeit die Hand;
Ritt hin zum Fluß und blieb am Ufer halten,
Wo Gyllenbögels tapfres Freicorps stand.
Da sieht er einen jungen Mann, vom Pflügen
Nicht längst geholt, mit blaßen Antlitzzügen,
Hielt an sein Pferd und schrie mit barschem Ton:
Wer bist du Bauer? sprich, scheint's dir zu grauen,
Darfst du dem Tod noch nicht ins Auge schauen,
Die Wang' ist weiß wie Schnee, bist du Poltron?«
Da trat er vor der Jüngling, langsam hebend
Den Arm und riß die graue Jacke auf,
Hier sprüht sogleich aus off'ner Wunde lebend
Ein Strom von Blut hervor im klaren Lauf.
»Dies hab ich hier im Kampfe jüngst gewonnen,
Vielleicht ist mir das Blut zu viel entronnen,
Und darum mangelt mir der Wangen Roth;
Ich lag gefallen schon, doch kann ich mehren
Der tapfren Zahl, ihr werdet's nicht verwehren,
Ihr Anblick gab mir Kraft bis in den Tod.
Da brach aus Döbelns Auge eine Zähre:
»Wohlan denn edles Volk, zum Kampf, zum Schlag!
Ich sah genug, zu zögern unnütz wäre,
Der Kampf wird schön, heut' ist es Döbelns Tag.
Sprengt ab Herr Adjutant, wir ernten balde,
Ruft auf den Bergen, Feldern, weit im Walde
Der ganzen Fronte, daß sie vorwärts bricht.
Nicht hier, dort weiter prüfen wir die Klingen,
Mit diesem Heer kann man die Welt bezwingen,
Man Anfall macht mit ihm und wartet nicht.«
Und längs der Linie tönt ein Jubelschallen:
Tod oder Sieg, marsch vorwärts, vorwärts bald!
Ein Donner war Standar dein Rufen allen,
Und Nord rührt seine Trommel, daß es schallt,
Der Jüngling auch die Heldenbrust durchschossen,
Trat auf die Flur, mit seinem Blut begossen,
Selbst Döbeln sprengt mit bloßem Schwert voran.
Und eh' der Abend seinen Schatten sandte,
Das Russenheer besiegt zur Flucht sich wandte,
Befreit war Adlercreutz, frei seine Bahn.
Sich schon die Kriegersschaaren all' geschieden
Von jenem Ort, wo man zuerst sich fand;
Doch stand noch in des Abends spätem Frieden
Ein Mann, wo jüngst getobt des Krieges Brand.
Sein Schlachtpferd war gebunden ihm zur Seite,
Sonst stand allein er, in der öden Weite,
Bei Leichen auf dem blutgetränkten Grund.
Der Siegesjubel tönt in weiter Ferne,
Der blaße Mann sah ruhig in die Sterne,
Und diese Wort' entflossen seinem Mund':
»Ein's ist gethan, sie siegen meine Heere,
Doch standen mir bevor der Pflichten zwei.
Freidenker nennt man mich, mir macht es Ehre,
Frei von Geburt, bin ich im Denken frei;
Doch weiß ich daß, wo mein Gedanke schwebet,
Er Dich nur sucht, zu Dir er sich erhebet,
Du, dessen Wille uns die Laufbahn setzt.
Zu Dir mein Auge baut sich eine Brücke,
Hier, wo der Tod nur schaut mit starrem Blicke,
Kann ohne Zeugen ich Dir danken jetzt.
Du schenktest Vaterland und Freund' mir wieder,
Als unsre Hoffnung sank in tiefe Nacht.
Du alles siehst, schau in die Seele nieder
Ob recht mein Herz Dir seinen Dank gebracht!
Vor seinem Gotte mag der Sklave liegen,
Ich lernte betteln nicht und kann nicht kriechen,
Auch hab' ich nie um Gunst und Lohn gefleht;
Ich will nur froh vor deinem Antlitz stehen,
Zu dir mit glühndem Herzen aufrecht sehen,
Dies ist mein freies, männliches Gebet.
Du gabst mir Kraft die Massen zu beleben
Zu kühnen Heldenthaten in der Schlacht.
Mein Leib ist kraftlos, meine Glieder beben,
Was hätte ich vermocht aus eigner Macht?
Ich hab gesiegt. Umzingelt, fast zerbrochen,
Sieht Finnlands Heer zum Heil die Bahn gebrochen,
Geöffnet einen Weg zur That durch mich.
Doch Dich, nur Dich, als Retter wir erkennen
Mein Gott, mein Bruder, wie ich Dich mag nennen
Du Siegesgeber, Dir nur danke ich!«
So sprach der Mann, und still sein Auge senkte,
Er ritt davon, bald schwindet seine Spur;
Der Tag sank hin. Die Nacht mit Perlen tränkte
Des Todes schattendunkle Ernteflur.
O Vaterland! wer kann dein Schicksal deuten?
Verborgen ist's, ob in der Zukunft Zeiten
Das Glück dir oder Unglück folgen mag;
Doch wie du einst wirst jubeln oder klagen,
Du immer doch zu deinen schönsten Tagen
Wirst zählen diesen, zählen Döbelns Tag.