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Das Häuslermädchen.

Die Sonne sank, der Abend kam, der Sommerabend milde,
Ein matter Purpurschein umstrahlt die Dörfer und Gefilde,
Von Mühn des Tages froh und müd ein Haufen Bauern kehrt,
Nachdem sie ihr Geschäft erfüllt, zurück zum eignen Herd.

Sie hatten ihr Geschäft erfüllt und reiche Erndt' empfangen,
Ein kühner Feindeshaufen war vernichtet und gefangen,
Sie gegen ihn zum Kampf geeilt beim Morgensonnenschein,
Und als der Sieg vollendet war, brach Abend schon herein.

Ganz nah' dem Felde, wo's getobt das lange heiße Streiten,
Am Weg ein Häuslerhüttlein stand, halb öd' in jenen Zeiten,
Dort auf der niedren Treppe saß ein Mädchen still und schaut,
Wie kam die Schaar und ging vorbei beim Heimgange vertraut.

Sie sah wie der, der suchet, sieht, wer weiß woran sie dachte?
Die Wange glüht in höhrer Farb' als Abendröthe brachte.
Sie saß so stille, doch so warm, so spähend ungestört,
Daß wenn sie, wie sie sah, gelauscht, ihr'n Herzschlag sie gehört.

Der Trupp ging vorwärts seinen Weg, sie sah wie fort er rückte,
Zu jedem Haufen, jedem Mann sie eine Frage blickte,
Die bebend, scheu und ohne Stimm' noch stiller war vielleicht
Als selbst der Seufzer, welcher sanft des Mädchens Brust entschleicht.

Doch als die ganze Schaar vorbei, der letzte Mann gegangen,
Da schwand des armen Mädchens Ruh', da schien die Kraft vergangen,
Sie weint' nicht laut, doch sank die Stirn ihr in die offne Hand
Und große Thränen spülten lind der frischen Wange Brand.

»Was ist zu weinen? Fasse Muth, noch Hoffnungstrahlen scheinen,
Hör' Tochter deiner Mutter Stimm' vergebens ist dein Weinen,
Der, den dein Auge eben sucht' und nicht zu finden war,
Er lebet noch, er dacht' an dich und lebt deshalb fürwahr«.

»Er dacht' an dich, folgt' meinem Rath zu meiden die Gefahren,
Das war mein stilles Abschiedswort, als er zog mit den Schaaren,
Gezwungen folgte er dem Trupp, er war dem Streit nicht hold,
Ich weiß, er von des Lebens Freud' und uns nicht sterben wollt'.«

Das Mädchen schaut mit Beben auf, der Träume Trau'r entrißen,
Es war als ob ein Ahnen stört der stillen Seel' Vermissen,
Sie weilte nicht, sie blickte hin, wo jüngst der Streit gebrannt,
Und eilte fort, und flüchtet' still, verlor sich und entschwand.

Und Stund' auf Stunde flog dahin, schon löst die Nacht ihr Mieder.
Hoch schwamm die Wolke silberweiß, doch Dämmrung lag danieder,
»Sie zaudert noch, o Tochter komm, mach' keine Sorge dir,
Denn Morgen eh' der Tag noch graut, ist schon dein Bräutgam hier.«

Die Tochter kam, mit leisem Schritt sie ihrer Mutter nahte,
Ihr mildes Aug' getrübet jetzt von keinem Thränenbade,
Doch ihre Hand, zum Gruß gereicht, war wie der Nachtwind kalt
Und weißer als der Feste Wolk' die kühle Wang' gemalt.

Mach' mir ein Grab, o Mutter lieb, mein Leben ist verblichen
Der Mann, dem ich mein Herz geschenkt, ist feig dem Streit entwichen;
Er dacht' an mich, er dacht' an sich, er that wie Ihr gelehrt,
Verrieth so seiner Brüder Treu' und seiner Väter Erd'!

Als kam die Schaar und er nicht kam, ich sein Geschick beweinte,
Daß bei den Todten er als Mann am Wahlplatz läg' ich meinte,
Ich traurte, doch mein Schmerz war mild, er mir nicht bitter schien,
Ich möchte leben tausend Jahr', könnt ich betrauern ihn.

O Mutter unter Leichen ich gesucht bis Tag schon graute,
Bei Keinem der Gefallnen doch die theuren Züg ich schaute,
Nun will ich hier nicht weilen mehr auf dieser falschen Erd',
Er war nicht bei den Todten dort, und drum ich sterben werd'.


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