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Swen Dufwas Vater war Sergeant, arm, abgedankt und alt,
War mit Jahr acht und achtzig schon und für bejahrt schon galt,
Jetzt wohnt' auf seiner Scholle er, und nahm sein Brod davon,
Und hatte um sich Kinder neun, Swen war der jüngste Sohn.
Ob je der Alte selbst gehabt hinreichend an Verstand
Zu geben solchem Kinderschwarm, ist freilich nicht bekannt;
Allein mit mehr als billig wohl die Ältern er versah,
Denn für den jüngst gebornen Sohn, war kaum ein Bischen da.
Swen Dufwa wuchs heran gleichwohl, ward schulterbreit und stark,
Grub auf dem Felde wie ein Knecht und pflügte Wald und Mark;
War fromm und froh und willig mehr, als mancher Hochgelehrt,
That alles was man wollte gern, doch that er's stets verkehrt.
»In Gottes Namen, armer Sohn, was wird wohl mal aus Dir?«
So sprach der Alte manches Mal in seinem Kummer hier.
Da dieses Lied kein Ende nahm, des Sohnes Langmuth schwand,
Und Swen fing an zu denken selbst, so gut er es verstand.
Als Sergeant Dufwa eines Tags begann im alten Ton'
Zu singen sein gewohntes Lied: »Was wirst du werden Sohn?«
Da macht ihn ganz erschreckt und stumm die unerhörte That,
Als Swen macht auf sein breites Maul und antwortet: »Soldat«.
Der alte Dufwa lacht darob am Ende voller Spott:
»Du, Schlingel, tragen sollst Gewehr und sein Soldat. Ach Gott!«
»Ja«, meint der Junge, »alles geht verkehrt mir von der Hand,
Vielleicht es minder künstlich wär, zu sterben für sein Land«.
Der Vater staunt, aus seinem Aug' bricht eine Thrän' hervor,
Und Swen er hing sein Bündel um und ging zum nächsten Corps.
Er füllt' das Maß, war frisch und rasch, nichts mehr bedurft es hie,
Und ohn Umständ' ward er Rekrut bei Dunckers Compagnie.
Nun sollte Haltung kriegen Swen und lernen Exercise,
Es war 'ne Lust es anzusehn, auf eigner Art ging dies:
Es schrie und lacht' der Korporal, und lachte laut und schrie,
Doch der Rekrut verblieb sich gleich, bei Ernst wie Ironie.
Wohl war er unermüdlich stets, wenn je ein andrer Mann,
Er stampfte, daß die Erde bebt', ging daß der Schweiß ihm rann.
Doch ward's zum Schwenken kommendirt, da schlug er immer fehl,
Nahm rechtsum, linksum umgekehrt beständig ohne Hehl.
Gewehr an Schulter lernte er, Gewehr an Fuß sogar,
Und schultern, fällen Bajonnet schien ihm auch ziemlich klar;
Doch hieß es schultern, senkte er gewöhnlich Bajonnet,
Und bei Gewehr an Fuß, flog ihm zur Schulter die Muskete.
So ward Swen Dufwas Exercise berüchtigt weit umher,
Befehl und Mannschaft lachte gut, ob dieser Wundermähr';
Doch Swen ging ruhig seinen Gang, und macht' sich nichts daraus,
Und wartet' einer bessern Zeit. Da brach der Krieg auch aus.
Nun sollt' der Trupp zum Aufbruch ziehn, da ward's in Frag' gestellt,
Ob Dufwa wäre klug genug zu nehmen mit ins Feld?
Er ließ sie sprechen, stand getrost und dacht' in seinem Sinn:
»Darf ich nicht mit den Andern gehn, geh' ich alleine hin«.
Gewehr und Ranzen durft' er doch behalten vor der Hand,
War Knecht, wo man zum Rasten hielt, Soldat in Kampfes Brand;
Doch kämpfen und Bedienter sein ging stets mit gleichem Takt,
Und niemals ward er feig genannt, doch oft als dumm belacht.
Im Rückzug Sandels war bereits, der Russe drängte drauf,
Man Schritt vor Schritt zurück sich zog längst eines Stromes Lauf,
Ein Stückchen vor am Heeres Pfad führt überm Fluß ein Steg,
Da stand ein kleiner Posten nun, kaum zwanzig Mann, am Weg.
Da dieser nur gesendet war den Weg zu bessern, blieb
Er hier in Ruh'; als dies geschehn, entfernt von Schuß und Hieb,
Nahm er sich in dem Dorfe dort von allem was er sah,
Und ließ Swen Dufwa Schaffner sein, denn er war eben da.
Doch plötzlich ward es anders, denn von nächster Höh', gewandt,
Auf schaumbedecktem Pferde her, sprengt Sandels Adjutant;
»Zur Brücke, Jungen, ins Gewehr, um Gottes Willen, fort!«
Er schrie, »man sagt ein feindlich Trupp will überm Strome dort«.
»Und Herr«, er redete zu dem, der führt den Haufen an,
»Reiß't, wenn Ihr könnt, die Brück', wenn nicht, so kämpft zum letzten Mann;
Verloren sind wir, wenn den Feind man uns im Rücken läßt,
Ihr Hülfe kriegt, der General selbst eilt hierher, seid fest!«
Er flog zurück. Die Brücke kaum hatt' noch der Trupp erreicht,
Als auf des andern Ufers Wall ein Russisch Corps sich zeigt.
Es dehnt' sich aus, es dichter ward, es legte an, ein Knall;
Die allererste Salve schon ward acht der Finnen Fall.
Es war nicht gut zu weilen hier, es schwankt ein jeder Mann;
Ein Donner wieder, und man zählt nur fünf Gefährten dann:
Da folgten Alle, als es hieß: »Gewehr zur Hand, Retraite!«
Swen Dufwa nur hatt' sich verseh'n und senkte Bajonnet.
Noch mehr, sein Schwenken zur Retraite ging auch besonders schief,
Denn weit davon zurück zu ziehn, er hin zur Brücke lief.
Da stand er schulterbreit und steif, nach alter Weise still,
Bereit die beste Exercice zu lehren, wer da will.
Es dauert auch nicht lange mehr, bis er sie zeigen kann,
Im nächsten Augenblick sich füllt die Brück' mit Feinden an,
Sie rannten an, Mann hinter Mann, doch jedem der sich naht
Gab rechtsum Swen und linksum so, daß er plautz burzeln that.
Zu stürzen diesen Riesen hier ward Menschenarm zu schwer,
Und stets war ihm sein nächster Mann gen Andrer Schuß zur Wehr.
Doch immer dreister ward der Feind, je mehr die Hoffnung schwand,
Da zeigt sich Sandels mit dem Heer und schaut Swen Dufwas Stand.
»Brav, Brav«, er rief, »recht so, halt aus, mein kecker Bursche du,
Laß keinen Teufel überm Steg, noch eine Weil' schlag' zu!
So soll ein Finne kämpfen, den man nennen kann Soldat.
Schnell, Jungen, eilet ihm zur Hülf'! er uns gerettet hat«.
In Kurzem seinen Anfall sah der Feind vereitelt dort,
Auch kehrten schon die Russen um und zogen langsam fort;
Als still es ward, saß Sandels ab und hin zum Ufer schritt,
Und spürte wo der Mann jetzt wär', der auf der Brücke stritt.
Man zeigte auf Swen Dufwa hin. Er hatte ausgekämpft,
Er hatte wie ein Mann gekämpft, der Kampf war jetzt gedämpft;
Es schien als hätt' er sich gelegt zur Ruh' nach seinem Spiel,
Nicht ruhiger zwar als zuvor, doch bleicher, bleicher viel.
Und Sandels neigte sich zu ihm, sah den Gefallnen an,
Es war kein Fremder, nein es war, ein wohlbekannter Mann;
Doch unterm Herzen, wo er lag, war's Gras gefärbet roth;
Ein Schuß getroffen seine Brust, er lag verblutet, todt.
»Die Kugel wußte wie sie traf, das Lob verbleibe ihr«,
So redete der General, »sie wußte mehr als wir,
Sie ließ die Stirn ihm unberührt, denn die war schwach und wust,
Und hielt sich zu dem Besseren, der edlen, tapfren Brust«.
Und diese Worte wurden bald im Heer' herumgebracht,
Und alle meinten überall, daß Sandels wahr gesagt.
»Gedanken«, sprach man, »hatte Swen gar wenig unterm Hut,
Mit seinem Kopf war's schlecht bestellt, allein das Herz war gut«.