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Fähnrich Stahl.

Zurück in die vergangne Zeit
Ich denke noch so gerne,
Wo mancher Stern voll Lieblichkeit
Mir winkt aus weiter Ferne.
Wohlan! wer folget meiner Spur
Nach Näsijärwis Wellenflur?

Dort hab' ich einen Mann gekannt,
Soldat vor langen Jahren,
Jetzt wurde Fähnrich er genannt,
Doch war sein Glück entfahren.
Gott weiß, wie sich's gefügt, daß hier
Er wohnt' in einem Hof mit mir.

An meiner wichtigen Person
Ich keine Mängel kannte,
Ich war Student, in Condition,
Man mich Magister nannte;
Mein »Mensa« Überfluß mir bot,
Der Alte aß sein Gnadenbrod.

Ich hatte Meerschaumpfeife ich
Und rauchte »Gefle Wappen«,
Der Alte Blätter schnitt für sich,
War er nicht im Verknappen,
In diesem Falle wurde Moos
Des Maserkopfes karges Loos.

O Zeit von Gold, wenn Einem brennt
Das Blut vor Lust und Freuden,
Wenn jung man ist, und ist Student,
Und hat was zu vergeuden;
Wenn keine andre Sorg' uns bleibt,
Als daß der Schnurrbart langsam treibt!

Was wußte ich von Andrer Noth,
Ich eigne Freud' nur kannte;
Mein Arm war stark, die Wange roth,
Und jeder Puls mir brannte;
Ich war so jung, ich war so frei,
Und wie ein König stolz dabei.

In seiner Hütte unverwandt
Saß Fähnrich Stahl ohn' Härmen,
Zog seinen Rauch und Netze band
Und ließ uns andre lärmen.
Potz tausend nochmals gegen ihn
Wie wichtig man sich selber schien.

Zu sehn ich hatte meine Freud'
Die eckige Gestaltung,
Sein Antlitz, sein seltsames Kleid
Und seine steife Haltung;
Vor Allem seine Adlernas'
Mit bogenlosem Brillenglas'.

Um lust'gen Spaß zu machen ich
Ging öfters hin zum Greisen;
Es freute mich, wenn ärgerlich
Er that sein Netz zerreißen,
Wenn ihm die Nadel aus der Hand
Ich spielt' und falsche Maschen band.

Da sprang er manchmal auf burdus blindlings, über Hals und Kopf.
Und trieb mich aus der Klause;
Ein freundlich Wort, ein Schmauch Kardus Gefle Wappen.
Und Friede war im Hause;
Ich kam, wie ich's bisher gethan,
Und fing die alten Streiche an.

Daß seinen Tag der Greis gehabt,
Als jung er war im Leben,
Daß weiter er als ich getrabt,
Bei wichtigerem Streben,
War zu gelehrt ich zu verstehn,
Dies hatt' ich noch nicht eingesehn.

Nicht daß das Schwert er in der Hand
Sein Herzblut froh vergossen
Für eben dieses Vaterland,
Das ich so lieb umschlossen;
Ich war so wild, so jung ich war,
Er Fähnrich nur, ich König gar.

Doch wie es eines Tag's geschah
Daß satt den Rausch ich kriegte;
Es Winter war, lang schien der Tag,
Ob auch nur kurz an Lichte;
Es war ganz anders als vorher,
Als ob dem Tag' kein Ende wär'.

Ich nahm das Buch das erst ich fand,
Nur um die Zeit zu dämpfen,
Es war ein Werk von fremder Hand
Von Finnlands letzten Kämpfen;
Als Heft es lag hier, wie auf Gnad',
In welschgebundner Bücher Lad'.

Ich nahm es auf mein Zimmer, saß
Und folgt' des Krieges Pfade,
Ich weiß nicht wie zuerst ich las
Von Sawolaks Brigade,
Ich eine Zeile las, las zwei,
Mir schlug das Herz so warm dabei.

Ich sah ein Volk, das Alles kann,
Nur seine Ehr' nicht missen,
Ein Heer, das Sieg auf Sieg gewann
Und fror und darbt' dazwischen;
Von Blatt zu Blatt ich eilte fort,
Ich wollte küssen jedes Wort.

In der Gefahr, im Schlachtenbrand
Von welchem Muth getrieben!
Wie konnte, armes Vaterland,
Es dich so innig lieben,
Woher die Lieb', so schön, so groß,
Bei dem du nährst mit Rind' und Moos!

Und mein Gedanke eilend schwebt
Durch nie geahnte Räume,
In meiner Seel' das Leben webt
Die zauberreichsten Träume;
Beschwinget flog mein Tag dahin,
O wie mein Buch mir kurz erschien!

Das Buch war aus, der Abend schwand,
Doch glühte noch mein Feuer,
Zu forschen und zu fragen fand
Ich Vieles mir so theuer,
So manchen dunklen Gegenstand;
Ich mich zum alten Fähnrich wandt'.

Er saß noch immer für und für,
Und seine Netze strickte;
Ich sah, daß mich schon in der Thür
Er mißvergnügt erblickte;
Es war, als hätte er gedacht:
Hat man nicht einmal Fried' zur Nacht?

Doch anders jetzt ich fühlte mich,
Ich kam mit anderm Sinne:
»Ich las von Finnlands letztem Krieg,
Und bin auch ich ein Finne.
Zu hören mehr das Herz mir brennt,
Vielleicht daß ihr vom Krieg was kennt?«

So war mein Gruß. Vom Netze sah
Erstaunt zu mir der Alte;
Ein Glanz in seinem Auge lag,
Als ob man Heerschau halte:
»Ja wohl, hierin weiß ich Bescheid,
Ich war ja mit; sein Sie bereit«.

Platz nahm ich auf des Bettes Halm,
Und er erzählt' erfahren
Von Dunkers Feuer, Hauptmann Malm,
Und mancher That vor Jahren;
Sein Blick ward licht, die Stirn ihm klar,
Noch denk ich stets, wie schön er war.

Er hatte manchen blut'gen Tag,
So manch' Gefahr getheilet,
Nicht Siege nur, auch Niederlag',
Die noch nicht Zeit geheilet,
So Vieles, was schon längst die Welt
Vergessen, ward von ihm erzählt.

Ich saß da stumm achtend darauf,
Daß mir kein Wort entgehe,
Die Nacht schon ihren halben Lauf
Gemacht, als fort ich gehe;
Er folgt mir bis der Schwelle Rand
Und drückte fröhlich mir die Hand.

Dann, wenn er mich nicht sah, sein Herz
Vermißte jede Freude;
Wir theilten Lust, wir theilten Schmerz,
Das Wappen rauchten beide;
Jetzt war er alt und jung ich war,
Ich nur Student, er König gar.

Die Sagen hier zum Sang gemacht,
Des Alten Mund' entstammen,
Ich hört' sie manche stille Nacht
Bei matten Kienholzflammen;
Sie einfach sind an Wort und Sinn,
Nimm theures Vaterland sie hin!


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