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XXX.
Lätitia Davenants Tagebuch.

Schloß Davenant, Erscheinungsfest 1646. Erst vier Jahre sind vergangen seit meinem fröhlichen, sechszehnten Geburtstage, an dem das ganze Dorf hier versammelt war und Olivia und ich Kleidungsstücke unter die Mädchen meines Alters austheilten, während Roger Abends zurückblieb, um beim Anzünden der zwölf Freudenfeuer zu helfen.

Und jetzt sind wir durch Wälle und Gräben von dem Dorfe und dem Herrenhause getrennt, wie in jenen alten Tagen der Eroberung durch die Normannen, als die Davenants zuerst diese Ländereien in Besitz nahmen und den alten verfallenen Thurm bauten über dem Thorweg, von wo sie später nach dieser Abtei übersiedelten, um das sächsische Dorf in Respekt zu halten, in welchem die Draytons schon damals das Herrenhaus bewohnten. Ob wohl noch etwas von der alten Feindseligkeit in dem sächsischen und dem normännischen Blute liegt? Man sagt, das Rebellenheer bestehe meistens, Offiziere sowohl als Soldaten, aus den kräftigen altsächsischen Freisassen und aus den Handwerkern der Städte, während die Offiziere unserer Armee Edelleute aus alten adeligen Schlössern sind mit alten geschichtlichen Namen aus der Normannenzeit. Wie viele von den höhern Ständen und vom Adel treu geblieben sind, hat sich in den letzten sechs Monaten, seit dem verhängnißvollen Tage von Naseby bei der Belagerung (und leider auch Erstürmung und Uebergabe) von wenigstens zwanzig alten Schlössern und Herrenhäusern gezeigt, von dem am 11. September durch Prinz Ruprecht überlieferten Bristol bis nach Bovey-Tracey in dem getreuen Westen. Dem Himmel sei Dank, sie haben Oliver Cromwell und Sir Thomas Fairfax Mühe genug gemacht, besonders Basing-Hall. In künftigen Zeiten, wenn der König wieder sein Eigenthum genießen wird (was gar nicht ausbleiben kann), glaube ich, daß eine solche geschwärzte Ruine ein köstlicheres Besitzthum für eine adelige Familie sein wird, als ein mit königlicher Pracht eingerichteter Palast. Die Rebellen nannten Basing-Haus Basting oder Prügelhaus, wegen des Schadens, den es ihnen zufügte; unsere Leute nannten es Loyalität.

Roger Drayton hat ohne Zweifel an vielen dieser Belagerungen Theil genommen. So unbeugsam ist er in Erfüllung seiner vermeintlichen Pflicht, daß er, glaube ich, sich kein Gewissen daraus machen würde, seine Rebellen-Kanonen gegen uns zu richten, sobald dieser Bierbrauer von Huntingdon ihm dazu Befehl gäbe. »Dein Auge soll nicht schonen,« sagen sie in ihrem heuchlerischen Gewinsel. Sir Launcelot erzählt, sie hätten Seine geheiligte Majestät wie einen gehetzten Hirsch von Ort zu Ort gejagt, und Herr Cromwell, den Roger mehr liebt, als König und Freunde, unternehme nie etwas Wichtiges ohne einen »Spruch« zu haben, auf den er sich stützen könne. Vor dem Sturm auf Basing-Hall habe er die Nacht im Gebete zugebracht. Der Text, der ihn vorzüglich bei dieser That »gestärkt« habe, sei Psalm 115, 8 gewesen: » Die solche machen, sind gleich also, und Alle, die auf sie hoffen!« Als ob wir Royalisten Cananiter, Götzendiener, Papisten, ich weiß nicht was wären! Bei einer Psalmenmelodie einen Kornschober anzünden, oder mit einem Spruch auf einen nächtlichen Einbruch ausgehen! Und was ist es anders wenn man loyalen Edelleuten ihre Häuser über dem Kopfe anzündet von einem Ende des Reiches zum andern? Das Gewissen thut dies Alles, der schreckliche Moloch des Gewissens! Ja, dies war stets die schwache Seite der Draytons.

Vor acht Tagen kam Sir Launcelot Trevor hieher, um zu sehen, ob noch etwas zur Verstärkung der Festungswerke geschehen könne. Mein Vater war in Bristol, als es gestürmt wurde, und hat seitdem den König nicht verlassen; zwei meiner Brüder sind in Irland, um zu sehen, was dort für die Sache des Königs zu machen ist; zwei sind über's Meer geflohen, nachdem der tapfere Marquis von Montrose vorigen September bei Philipshaugh in der Nähe von Selkirk geschlagen worden; und zwei liegen auf jener unseligen Rowtoner Heide, wo am 23. September die letzte königliche Armee, die noch diesen Namen verdiente, ihren Untergang fand.

Wir haben Opfer genug gebracht, um uns die Sache des Königs theuer zu machen. Ich denke, dieses alte Schloß wird wohl das nächste sein. Denn Harry sagte, es könne durchaus keine Belagerung aushalten. Aber ach! wenn ich nur sicher wäre, daß Sir Launcelot sich irrt, indem er sagt, Roger habe Harry den Todesstoß gegeben; alles Uebrige würde mir leicht scheinen. Ich habe meiner Mutter noch nie diese Befürchtung mitgetheilt. Zuweilen wenn ich daran denke, wie Roger an jenem Morgen aussah und sprach, bin ich überzeugt, daß es nicht wahr sein kann. Allein er pflegte immer zu sagen, es sei so Unrecht, Dinge zu glauben, nur weil man wünsche, daß sie wahr sein möchten. Und je mehr ich mich nun sehne, diese Behauptung für falsch zu halten, desto weniger ist es mir möglich.

Erst vier Jahre seit jenem fröhlichen Geburtstage, da ich noch ein Kind war! Und dann jener glückliche Sommer, da die Welt so groß und herrlich zu werden schien und wir so Großes zu vollbringen hofften.

Anfangs scheinen unsere Geburtstage Triumphsäulen ähnlich, wie Trophäen eines eroberten Jahres. Dann gleichen sie Meilenzeigern, welche ein wenig traurig den durchlaufenen Weg bezeichnen. Aber jetzt finde ich, daß sie Grabsteinen gleichen; so viel liegt auf immer unter diesem schrecklichen Jahre, das jetzt zu Ende ist, begraben, nicht allein Leben, nein, auch Liebe, Vertrauen und Hoffnung.

Ich sagte dies meiner Mutter, als ich ihr heute gute Nacht wünschte. Es war egoistisch. Denn ich sollte sie trösten. Aber sie tröstete mich. Sie sagte: »Allmälig werden die Geburtstage wieder wie Meilenzeiger aussehen, mein Herzchen. Sie werden auf der andern Seite das Zeichen tragen: ›so viel näher der Heimath,‹ und zuletzt werden sie abermals wieder Trophäen gleichen, welche die eroberten Jahre bezeichnen.«

Nun brach ich ganz zusammen und sagte:

»O Mutter, rede doch nicht so, sage doch nicht, daß Du sie so ansiehst. Denke an mich, die ich noch am Anfang der Reise stehe, so nahe dem Anfange.«

»Ich thue es, Lätitia,« erwiderte sie. »Ich bitte Gott täglich, daß er mich noch länger leben lasse, um Deinetwillen.«

Um meinetwillen; nur um meinetwillen! Sie sehnt sich hinweg. Das ist mir das Allertraurigste.

Denn ausgenommen an Tagen wie dieser, wenn ich nachdenke und zurückschaue, bin ich nicht immer so unglücklich. Seltsam, in der That, nach all dem, was vorgefallen ist! Ja, ich bin sogar zuweilen – sogar öfters – ein klein bischen glücklich. Es gibt so viel Heiteres und Schönes auf der Welt; ich kann mich nicht enthalten, mich dessen zu freuen. Und es kann sich auch noch Angenehmes ereignen.

Ich liebte Harry zärtlich; inniger beinahe als irgend sonst Jemanden. Und ich liebe ihn noch immer. Aber für meine Mutter, scheint es, ist sein Verlust gerade der Kummer, der sie allen irdischen Freuden und Sorgen entrückt hat, so daß sie dieselben wie über einen weiten Abgrund hinweg, gleich einem Engel, nur aus der Ferne erblickt.

Ich glaube, für die Meisten unter uns gibt es ein Wesen, dessen Verlust uns die ganze Welt verfinstern, und Alles rings umher in Nacht hüllen kann. Andere lassen dieses Grabmal hinter sich. Es überwächst und wird mit der Zeit ein kleiner grasbedeckter geweihter Hügel oder ein stattliches Denkmal für das hier geendete Leben. Aber Eine Person ist da, für die es die ganze Welt zu einem Grabe gemacht hat, vor welchem [sie] weinend steht, indem es [sie] vergeblich hineinschaut.

Nur Eine Stimme gibt es, welche hier das Herz zu trösten vermag.

Den Tag darauf. Heute habe ich mich mit Sir Launcelot gezankt. Wir sahen von der Terrasse aus nach Netherby hinüber, und ich sagte etwas von der guten alten Zeit. Da erwiderte er, die Draytons würden wohl bald die Ländereien in Besitz nehmen, welche sie in alten Zeiten vor der Eroberung durch die Normannen verloren hätten.

Ich fuhr heftig auf und sagte, daß kein Glied der Draytons je etwas berühren möchte, das ihm nicht gehörte. » Sie sind keine von Prinz Ruprechts Plünderern,« warf ich hin.

»Ohne Zweifel,« versetzte er, »sie haben ein besseres Recht auf Besitz als das des Schwertes.« Und die Hände faltend setzte er mit näselndem feierlichem Tone hinzu: »Beschlossen, es steht geschrieben, die Heiligen sollen das Land besitzen. Beschlossen – wir sind die Heiligen.«

»Sir Launcelot,« sagte ich, »Sie wissen, es ist mir unerträglich, wenn ich so von alten Freunden muß reden hören.«

(Nachdem ich doch erst gestern selbst so bitter über sie geschrieben hatte! Aber es macht mich immer böse, wenn die Leute unbillig sind.)

Nun änderte er seinen Ton und sprach ernsthaft genug, in der That nur zu ernsthaft. Er sagte, meine Meinung gelte ihm mehr als irgend Etwas auf der Welt. Und als ich in den Gartensaal zurückkehrte, um solche Reden nicht länger anzuhören, warf er sich mir zu Füßen, ehe ich es verhindern konnte, und ergoß sich in leidenschaftlichen Betheurungen, daß ich ihn retten, ihn bessern, Alles aus ihm machen könnte, was er nicht sei, aber zu werden sich sehne. Wenn ich ihn zurückweise, könne keine Macht der Erde ihn verhindern, sich in's Verderben zu stürzen. Ich war sehr erschrocken und betrübt. Denn ich liebe ihn nicht. Das weiß ich ganz gewiß. Allein es ist ein schrecklicher Gedanke, die einzige Schranke zu sein, welche eine Seele vor dem Verderben bewahrt. Und ich wage kaum, mit meiner Mutter darüber zu sprechen, aus Furcht, sie könnte mir rathen, Sir Launcelots Bekehrung auf mich zu nehmen. Denn im Vergleich mit der Religion scheint ihr gar nichts Gewicht zu haben. Und doch kann ich es nicht für meine Pflicht halten, Jemand zu heirathen aus demselben Grunde, aus dem ich seine Pathin werden könnte. Ueberdies, welche Macht hätte ich, auf ihn zu wirken, wenn ich ihn nicht liebe?

Des Nachts einige Stunden später. – Ich habe meiner Mutter Alles mitgetheilt, und sie sagt, mein letztes Bedenken mache die Sache ganz klar. Ich könnte keinen wohlthätigen Einfluß ausüben, wenn ich ihn nicht liebe. Und ich fühle keine Liebe zu Sir Launcelot und werde nie welche für ihn fühlen.

Als ich ihr mein Herz über diese Angelegenheit öffnete, wagte ich auch zugleich ihr zu sagen, was Sir Launcelot über Harry und Roger muthmaße. Hätte ich es ihr doch schon längst anvertraut!

Denn sie glaubt es nicht. Sie sagt, Roger wäre gewiß nicht gekommen, es uns zu sagen, wenn dem so wäre. Sie besorgt nicht im Mindesten, es könnte wahr sein. Mein Herz ist dadurch wunderbar erleichtert. Roger hat nicht ganz Recht, wenn er sagt, ich könne Alles glauben, was ich wünsche.

März. – Ein rauher März für die gute Sache. Am 14. ergab sich der tapfere Sir Ralph Hopton in Cornwallis. Am 22. wurde der alte tapfere Sir Jakob Astley, derselbe, welcher vor der Schlacht bei Edgehill gebetet hatte: »Herr, wenn ich Dich heute vergessen sollte, so vergiß Du meiner nicht«, bei Stow in Gloucestershire geschlagen, als er eben eine kleine Schaar, die er mit Mühe gesammelt hatte, nach Oxford zur Verstärkung des Königs führen wollte. »So, nun habt Ihr Eure Arbeit vollbracht und könnt spielen«, sagte er zu den Rebellen, welche ihn gefangen nahmen, »wenn Ihr nicht über einander herfallen wollt!« Der biedere, sentenziöse alte Veterane!

Mai. – Seine Majestät hat sich zur schottischen Armee nach Newark geflüchtet.

Wir wundern uns, daß er Presbyterianern, die den Covenant unterzeichnet, seine geheiligte Person anvertraut hat. Doch er mag wahrhaftig des Wanderns müde sein und von seinen eigenen Landsleuten noch einiges Mitgefühl erwarten, so wenig Theilnahme sie auch der süßen, schönen Dame, der Mutter seines Vaters bewiesen haben.

Wir hören, daß er wider seinen Willen den 27. April zwischen zwei und drei Uhr nach Mitternacht sich zu ihnen begab. Wenige Tage zuvor verließ er zu Pferde seinen Zufluchtsort Oxford, das ihm so lange treu geblieben war, als Bedienter verkleidet, hinter seinem treuen Diener Herrn Ashburnham reitend. Einmal fragte ihn unterwegs ein Fremder, ob sein Herr ein Edelmann sei? »Nein,« sagte der König, »mein Herr ist einer vom Unterhause,« eine traurige Wahrheit, in der That, obschon bildlich gesprochen. Manche von uns glauben, daß er gern die Ostküste erreicht hätte, um sich dort nach Schottland einzuschiffen und sich mit Montrose und den ächten Schotten zu vereinigen. Denn seine Flucht war unbestimmt und er wechselte die Richtung mehr als einmal; zuerst nach Henley an der Themse, Slough und Uxbridge, dann auf die Spitze von Harrow-Hügel, von hier quer über das Land nach St. Albans, wo das Getrampel eines Bauernkleppers hinter ihnen sie in unnöthige Angst versetzte, als ob sie verfolgt würden; von da zu Häusern mancher treuen Edelleute, die ihn kannten und liebten, aber seine Verkleidung ehrten und sich stellten, als wüßten sie nicht, wer er war; dann nach Downham in Norfolk, nach Southwell; und von da, wie Einige sagen, durch Versprechen getäuscht, oder (was Andere behaupten) aus eigenem freien Antriebe, wie ein Fürst sich der alten schottischen Treue in die Arme werfend, ritt er nach Newark, mitten unter das Heer des Grafen von Leven.

August 1646. – Man kündigt an, der Bürgerkrieg sei zu Ende. Jede Besatzung und jedes Schloß im ganzen Königreich hat sich ergeben. Im Juni das loyale Oxford, und zuletzt den 19. August das loyalste von allen, Schloß Ragland mit dem edeln alten Marquis von Worcester, der sich im Dienst des Königs vollständig zu Grunde gerichtet hat und in dieser Welt wohl schwerlich dafür belohnt werden wird.

Im Juni ritt Prinz Ruprecht durch's Land und schiffte sich in Dover ein. Es wäre für die gute Sache besser gewesen, wenn er nie gekommen wäre. Sein Marodiren gab dem Krieg eine ganz andere Färbung, als er sonst gehabt hätte. Seine Unbesonnenheit machte, nach Harry's Ansicht, daß wir manche Schlacht verloren. Sein gesetzloses Wesen steckte die ganze Armee an. Der König konnte ihm die Uebergabe von Bristol, von dem man ihm wenige Tage vorher vorgespiegelt hatte, es könne sich noch Monate lang halten, nicht verzeihen. Allein dafür soll er, wie Manche denken, weniger zu tadeln sein, als für seine übrigen Thaten. Cromwell und seine Eisenseiten waren dort und erstürmten die Stadt; denn es scheint, als ob Cromwells Unternehmungen nie vereitelt werden könnten.

Dreihundert loyale Edelleute begleiteten Prinz Ruprecht, einige weil sie zu Hause an dem Gelingen der guten Sache verzweifeln; Andere, und unter diesen mein Vater, mit dem Auftrage betraut, an fremden Höfen Hülfe zu suchen.

Februar 1647. – Die schottische Armee hat ihn ausgeliefert! (»Verschachert und erhandelt« sagte Seine Majestät; Andere sagen, die zweimalhunderttausend Pfund seien für die Kriegsauslagen gewesen) – in die Hände der englischen Presbyterianer zu Newcastle.

März. – Wir haben den König wieder gesehen. Meine Mutter hat nun den wahren Grund erfahren, warum der König von den Schotten seinen Feinden überliefert wurde: Weil er ihren blutbefleckten Covenant nicht beschwören wollte. Er wollte die Kirche des Reiches mit ihren Bischöfen und ihrer heiligen Liturgie nicht zum Opfer bringen, obgleich Adelige, loyale und aufrichtige Männer, ja die Königin selbst in einem Briefe, ihn darum anflehten. Meine Mutter sagt, jetzt sei er, im vollsten Sinne des Wortes, ein Märtyrer, da er für die fleckenlose Braut, unsere theure, englische Mutterkirche und für die Wahrheit leide. Wir hörten, daß er in Schloß Holmby in Northamptonshire erwartet wurde, und so schwach meine Mutter auch ist, so konnte doch nichts sie abhalten, sich in einer Sänfte dorthin tragen zu lassen, um ihm ihre Huldigung darzubringen, und ich hätte um die ganze Welt nicht darauf verzichtet. Eine Menge edler Herren und Damen waren dort, ihn mit herzlichen Zurufungen, mit Thränen und Gebeten zu begrüßen. Es that unsern Herzen und, ich bin überzeugt, auch dem seinigen wohl, das herzliche Lebehoch und Zujauchzen zu hören. Die Reiter der Rebellen waren Engländer genug, kein Hinderniß in den Weg zu legen. So hatten wir die Freude, noch einmal in das ernste, königliche Antlitz zu schauen. Er ist heiter und froh, wie ein ächter Märtyrer sein soll, sagt meine Mutter, sein Kreuz auf sich nehmend und sich dessen freuend, nicht mürrisch und traurig, wie diejenigen, welche vorgeben, um des Gewissens willen Verfolgung zu leiden. Er verschmäht kein harmloses Vergnügen, das die langen Stunden seiner Gefangenschaft vertreiben kann; er reitet oft meilenweit, nach einer guten Kegelbahn, um Kegel zu schieben, und bringt die Abende mit Schachspielen oder Gesprächen über Kunst mit Herrn Harrington oder Herrn Herbert zu.

Er leidet nicht, daß ein presbyterianischer Kaplan an seiner Tafel das Tischgebet spricht, und seine hartherzigen Kerkermeister wollen ihm keinen andern gestatten.

Dem Himmel sei Dank, das gemeine Volk wenigstens ist ihm noch treu. Als er von Newcastle nach Holmby gebracht wurde, drängten sich die einfachen Bauern um ihn her, ihn zu segnen, sich von seiner geheiligten Hand von den »Skropheln« heilen zu lassen. Sir Henry Marten, ein republikanischer Rebell, machte einen gottlosen Scherz daraus, indem er sagte: »Die Berührung des großen Siegels würde ihnen eben so heilsam sein.« Allein Niemand belachte diesen gemeinen Scherz. Und die Segenswünsche und Gebete der Armen folgten dem Könige überall. Ja, das gemeine Volk und der Adel ehren die wahre Größe. Ich bin überzeugt, Schriftgelehrte und Pharisäer waren aus dem Mittelstande, Freisaßen, Handwerker und Krämer. Sie verzehnteten Münze und Kümmel und fraßen der Wittwen Häuser. Das gleicht gerade jenen kriechenden, niedrigen, straflosen Sünden des Mittelstandes. Dessen Sorgen sind elende, niedrige, nagende Geldsorgen. Der Kummer der Vornehmen und der Geringen ist ein natürlicher, veredelnder Kummer: Verlust ihrer Lieben, Schmerz und Tod. Der geizige Mittelstand ist es, der die Großen beneidet. Das niedere Volk verehrt sie in ihrer hohen Stellung und beklagt sie gewöhnlich bei ihrem Fall. Meine Mutter sagt, vielleicht rühre der Kummer des Königs noch das aufrichtige Herz der Nation zu ehrfurchtsvollem Mitleid und führe es so zur Treue; so werde, wie oft bei großen Kämpfen, durch Kummer mehr gewonnen als durch Glück.

Im April 1647. – Wir sollen unsere letzte Strafe bezahlen. Man hat unser liebes altes Schloß für ein gefährliches Verräthernest und für eine Wiege der Empörung erklärt. Nun soll eine Rebellen-Besatzung hieher verlegt werden.

Unser Besuch zu Holmby hat zwei Folgen gehabt; er hat einige der jetzt unter den Rebellen in Ansehen stehenden Personen beleidigt und dieselben veranlaßt, das Schloß in Besitz zu nehmen, und er hat die schon zuvor schwachen Kräfte meiner Mutter so erschöpft, daß sie zum Reisen ganz unfähig ist und wir also hier bleiben und in unserm Hause die Gegenwart dieser frechen, rebellischen Leute dulden müssen.

April, Schloß Davenant. – Herr Drayton ist heute hier gewesen. – Er sah blaß und mager aus von dem langen Zimmerarrest, zu dem er gezwungen war, und hat seinen rechten Arm verloren – ein herber Verlust für ihn, der immer solche Freude am Gebrauch seiner mathematischen Instrumente hatte und so meisterhaft die Viola di Gamba spielte.

Er fuhr ein wenig zusammen, als er meine Mutter erblickte, und es lag eine Art ängstlicher, mitleidiger Ehrfurcht in seinem Benehmen gegen sie, das mich beunruhigt. Ich fürchte, er findet sie sehr verändert, und ich habe es oft selbst gedacht. Aber diese Trauerkleider, die sie nicht mehr ablegen will, und ihr liebes graues Haar, das sie wie eine italienische Madonna glatt gescheitelt trägt, machen schon an und für sich eine Veränderung aus. Gleichwohl kommt mir vor, ihre Augen seien nie so sanft und schön gewesen wie jetzt. Das goldene Haar der Jugend, mit all seiner herrlichen Farbe, scheint mir kaum so schön wie ihr Silberhaar und die sanfte Blässe ihrer Wangen.

Herr Drayton bat uns, im Herrenhause zu Netherby eine Zufluchtsstätte anzunehmen, bis wir uns mit meinem Vater irgendwo vereinigen könnten. Meine Mutter kennt Harry's Ansicht hierüber und ist nicht abgeneigt, die Gastfreundschaft Herrn Draytons anzunehmen.

Ich hätte sicher nie gedacht, auf solche Weise nach Netherby zu kommen.


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