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XXVI.
Lätitia Davenants Tagebuch.

Oxford, den 30. Januar 1644.

Eingeschlossen in diesen alten mönchischen Steinmauern, habe ich abermals ein Weihnachtsfest und einen Geburtstag zugebracht. Meiner Mutter bietet die Kapelle mit den gemalten Fenstern, der Orgel und den täglichen Gottesdiensten für Vieles Ersatz, das wir hier entbehren. Wenn ich aber Tag für Tag das Nämliche sehe und höre, so sehe und höre ich es am Ende fast gar nicht mehr. Meine Seele wird nicht dadurch angeregt. Ich meine, die heilige Musik der Wälder und Fluren ist wohlthuender für mich, wenigstens an Werktagen. Denn sie ist heilig und doch nie dieselbe. Und die Chorsänger dort sind, während sie ihre Psalmen singen, zugleich fleißig; sie bauen ihre Nester und holen Futter für ihre Jungen, was mir ihren Gesang um so anziehender und ehrwürdiger macht.

Kein Wort von den Freunden in Netherby. Und um keinen Schritt dem Ziele näher.

Jedoch es ist Unrecht, zu klagen. Ist es nicht schon viel, daß mein Vater und meine sieben Brüder, welche doch die ganze Zeit über allen Gefahren des Krieges ausgesetzt waren, bis jetzt unversehrt geblieben sind? Ich mag gar nicht daran denken, welch ein Abgrund sich zwischen mir und Olivia und ihnen Allen öffnen würde, wenn eines unserer Lieben in dem Streit fiele.

Ich habe eigentlich gar keinen Grund zur Klage, außer daß die Dinge sich nicht ändern; und wie würde ich mich nach diesen unveränderlichen Tagen zurücksehnen, wenn eine jener schrecklichen Veränderungen einträte, die nur zu leicht kommen könnten!

Den 22. Januar erschien hier ein elendes Gespenst von einem Parlament. Ich wollte, der König hätte es nicht berufen! Ich meine, wir sollten es den Rebellen überlassen, mit dem Schein und den Phantomen wirklicher Dinge zu spielen, wie sie auch in ihrer Anmaßung von Obersten und Generalen reden. Seine Majestät hätte besser gethan, ihrer Anmaßung königlicher Autorität nicht diesen Schein parlamentarischer Berathschlagung gegenüber zu stellen. Sechzig Lords und ungefähr hundert Abgeordnete schleichen jämmerlich durch diese alten Universitätsstraßen und scheinen nicht mehr Kraft oder Leben in sich zu haben, als die Bilder der Heiligen und Kreuzfahrer in den Kirchen. Ja sogar noch weit weniger; denn die Bilder sind Denkmäler von Personen, welche einst gelebt haben, während dieses Parlament nichts ist, als die ärmliche Copie der Kleider und Verzierungen einer noch jetzt lebenden Macht. Der Könige zieht sie nicht zu Rathe; die Nation kümmert sich nicht um sie, und so zeigen sie nur, wie uneinig wir in Wirklichkeit sind. Der König selbst nennt sie das »Meerkatzen-Parlament«. Seine Majestät ist so groß und majestätisch, wenn er ernsthaft ist, daß ich meine, man könnte Alles opfern, um seinen traurigen, königlichen Zügen ein Lächeln abzugewinnen. Allein ich wollte, er machte keine solchen Scherze. Ich habe oft bemerkt, wenn ernste Personen scherzen, so thun sie es leicht auf eine grausame Weise. Ihren Scherzen fehlen die Schwingen. Der ernste Charakter der Persönlichkeiten, von denen sie ausgehen, vermehrt ihr Gewicht, und anstatt angenehm zu reizen und anzuspornen, drücken und verwunden sie. Daher wünschte ich, Seine Majestät möchte nicht scherzen, vorzüglich nicht über Parlamente und die Marine. Die Leute sehen gar zu oft den Witz nicht ein, wenn man sie »Katzen« oder »Wasserratten« oder »Meerkatzen« nennt; sie fühlen nur den Stachel.

Im März. – Der schottische General Leslie hat ein Heer über die Gränze geführt. Der Verräther! Und erst vor wenigen Jahren war der König so gnädig, ihn zum Grafen von Leven zu ernennen. O, treulose Schotten! Bethört durch ein Ding, das sie Presbyterium nennen, und Verräther an ihrem Landsmanne und ihrem gesalbten Könige!

Juni 1644. – Wieder ein Sommer innerhalb der Mauern dieser alten Stadt! Wieder ein Sommer fern von den Wäldern meiner Heimath! Ich fühle mich zuweilen versucht zu wünschen, der Krieg möchte auf die eine oder andere Weise ein Ende nehmen. Die Politik verwirrt mich immer mehr. So Viele hegen dieselben Wünsche aus ganz entgegengesetzten Gründen. So Viele sind auf unserer Seite, die man haßt, so Viele gegen uns, die wir achten. Die besten Menschen richten das ärgste Unheil an, indem sie den Streit beginnen, und dann sterben sie, oder fangen an zu zweifeln und machen den schlimmsten Leuten Platz, die den Streit beendigen – wenn er überhaupt je enden wird. Hampden und Lord Falkland todt, und Prinz Ruprecht und Oliver Cromwell die Namen, von welchen man jetzt am meisten hört! Sie nennen den letzteren jetzt General. Was soll noch daraus werden? Ein Landedelmann, nicht einmal einer der angesehensten oder vornehmsten, der bis in sein Zweiundvierzigstes Jahr sein kleines Gut umtrieb und vermehrte, indem er, wie Manche sagen, zu Huntingdon Bier braute – ein solcher, wahrhaftig, im fünfundvierzigsten General Cromwell, vor dem Leute von Stande mit entblößtem Haupte stehen, um seine Befehle zu empfangen! Und überdies ein Fanatiker, der seinen Leuten zwischen den Schlachten unter freiem Himmel predigt!

Ein schönes Leben, däucht mir, für Roger Drayton! Als Befehlshaber diesen fanatischen Bierbrauer; predigende Schneider und fechtende Schuhflicker als Kameraden, zur Erholung General Cromwells Predigten, und als Kriegsmusik, wie Sir Launcelot sagt, pathetisch durch die Nase gesungene puritanische Psalmen! Ein angenehmer Tausch für Roger Drayton gegen Herrn Miltons Orgelspiel und die Madrigale, welche wir in Netherby sangen. Und doch weiß ich nicht, ob unser Harry an dieser kläglichen Puritanermusik nicht mehr Geschmack finden würde, als an manchem spöttischen Cavaliersliedchen, womit unsere Leute sich belustigen. Die Zeiten sind ernst genug; mir kommt zuweilen die Vermuthung, daß die Puritanermusik am besten dazu paßt.

Den 20. Juli. Schreckliche Nachrichten, wenn wahr! Lord Newcastle und Prinz Ruprecht am 2. Juli bei Marston-Moor von dem Grafen von Manchester und Cromwell geschlagen, hundert Fahnen sammt der ganzen Bagage genommen und das königliche Heer nach allen Richtungen hin zerstreut! Und zehn Tage darauf die Uebergabe von York! Das treue York mitten in dem treuen Norden, der erste Zufluchtsort, wohin Seine Majestät sich aus der treulosen Hauptstadt rettete!

Sonderbar, daß die Leute, wenn von dieser Schlacht die Rede ist, weit mehr von Oliver Cromwell sprechen als von dem Grafen von Manchester! Seltsam, wenn es wahr ist, was Viele sagen, daß dieser Unheil stiftende Feuerbrand vor einigen Jahren schon auf einem Schiffe war, das nach Amerika segeln sollte, als der König ihm verbot abzureisen. Mein Vater jedoch behauptet, Niemand anders habe eigentlich diese Schlacht für das Parlament gewonnen als Prinz Ruprecht, der, wie er sagt, kein Feldherr, sondern nichts weiter als ein sorgloser Anführer für fouragirende Streifzüge ist. Denn er war es, der den Marquis von Newcastle gegen seine bessere Ueberzeugung zur Schlacht hinriß. Und nun sagt man, Lord Newcastle habe sich, mit solchen Genossen an sich selbst verzweifelnd (oder an der Sache unter solchen Anführern) nach Frankreich eingeschifft. Ich wollte, die Prinzen von der Pfalz wären statt seiner abgereist. Ihre Standarte wurde bei Marston-Moor genommen.

Drei meiner Brüder kämpften in jener Schlacht. Der eine wurde verwundet, doch, Gott sei Dank! nicht gefährlich. Die beiden andern sind nach Norden gegangen, wir wissen nicht wohin.

Harry ist viel bei uns, da der König ihn um sich haben will. Er mag nichts mit den Plünderungszügen des Prinzen zu thun haben. Allein es ärgert ihn, diese Schlacht versäumt zu haben. Er treibt den König an nach Westen zu ziehen, das loyale Devonshire und Cornwallis durch seine Gegenwart zu belohnen und zu begeistern, und Lord Essex zu verfolgen, der mit den Streitkräften der Rebellen dorthin gezogen ist.

Im August. – Am 14. Juli hat sich die Königin nach Frankreich eingeschifft. Mich wundert, wie sie es ertragen kann, in Zeiten, wie diese, das Meer zwischen sich und den König zu setzen. Aber meine Mutter sagte, sie habe es nicht ändern können und bringe selbst der guten Sache das größte Opfer, indem sie Seine Majestät der Bürde entledige, für ihre Sicherheit zu sorgen, und sich zu ihren Verwandten begebe, die sie vielleicht überreden kann, für ihn zu kämpfen. In der That hatte sie auch versucht, sich mit dem König wieder zu vereinigen. Nach der Geburt der kleinen Prinzessin zu Exeter ersuchte sie den Lord Essex um ein sicheres Geleite nach Bath, um das Wasser zu trinken; allein er bot ihr dafür einen Geleitsbrief nach London an, wo sie, wie er sagte, die besten Aerzte finden würde. Ein häßlicher Scherz, däucht mir, sie einzuladen, gerade in die Höhle des treulosen Parlaments zu rennen, welches unlängst gewagt hat, sie »öffentlich anzuklagen.«

Einige Schiffe der Rebellen verfolgten sie von Torbay aus; aber sie entkam glücklich nach Brest, und ich glaube, der König liebt sie so aufrichtig, daß er sie lieber in Sicherheit als in seiner Nähe weiß. Allein ich denke, an ihrer Stelle hätte ich ihn nicht darüber entscheiden lassen. Je mehr derjenige, den ich so lieb hätte, für meine Sicherheit und meine Wohlfahrt besorgt wäre, desto glücklicher würde ich mich fühlen, Alles für ihn zu wagen.

August. – Sie sind nach dem Westen, dem treuen Westen aufgebrochen: – der König, mein Vater und Harry, mit einem bis zum Enthusiasmus treuen Heere, voll froher Hoffnung und hohen Muthes. Prinz Ruprecht ist nicht bei ihnen, und Oliver Cromwell nicht bei den Rebellen. Gewiß muß etwas Großes geschehen.

September. – Eine glorreiche Nachricht ist angekommen:

Das Heer des Lord Essex ist zerstört, fort, verschwunden. Nicht in einem hitzigen Gefecht geschlagen, sondern beständig verfolgt bis Fowey, in einem Winkel des loyalen Cornwallis, dort ruhmlos immer enger und enger eingeschlossen, bis der General fast gezwungen war zu Schiffe zu entfliehen, und das ganze Fußvolk sich ergeben mußte. Die Reiterei freilich schlug sich durch, was ich ihr, da es Engländer waren, nicht übel nehme. Allein nie war eine Niederlage vollständiger.

Harry schreibt von Tavistock aus, einem kleinen, von bewaldeten Hügeln umgebenen Städtchen, das am Rande der wilden Moore liegt, wohin Seine Majestät sich zurückgezogen hat. Herr Pym war Deputirter dieses Ortes, nichts destoweniger scheinen die Einwohner der guten Sache nicht abgeneigt.

November. – Harry ist bei uns. Seit dem Ausbruche des Krieges habe ich ihn noch nie so guten Muthes gesehen.

Das königliche Heer hat bei dem durch das Blut des Lord Falkland berüchtigten Newbury eine leichte Schlappe erhalten.

Allein es scheint, Harry hält dies nicht für wichtig, im Vergleich zu dem Zustand der Rebellen, welcher durch diese Schlacht offenbar wurde. Die Rebellion, sagt er, folgt endlich ihren eigenen Gesetzen und zerstiebt aus eigener innerer Auflösung.

Nach der zweiten Schlacht bei Newbury wurde unsere Ruhe durch einen gedrohten Angriff auf Oxford sehr wirksam unterbrochen.

Artillerie rottete sich vor unsern Thoren und schleuderte Kugeln in unsere Straßen. Da schmeckte ich endlich ein wenig, was der Krieg ist. Es war mir nicht unangenehm. Mein Herz schlug muthiger bei dem Gedanken, daß ich die Gefahren meines Vaters und meiner Brüder theilte. Aber dabei muß ich gestehen, die Gefahr kam nicht sehr nahe heran. Noch waren die Mauern zwischen uns und dem Feinde. Nach einer kurzen Kanonade zogen die Rebellen ab, aus einem Grunde, der nach Harry's Aussagen viele Siege für uns werth ist. Lord Essex und Sir William Waller, ihre beiden Generale, waren uneins und gaben deshalb den Angriff auf Oxford auf, so daß sich, was noch mehr ist, der König, welcher außerhalb der Stadt war, mit einem viel kleinern Heere, das sich mit ihren vereinten Kräften durchaus nicht messen durfte, ohne Schwertstreich nach Worcester zurückziehen konnte.

Allein das Beste ist, daß die Generale der Rebellen, wie Harry sagt, einander im Parlament mit Vorwürfen überhäufen und daß immer einer den andern als die Ursache der letzten Unfälle anklagt. Lord Essex, Lord Manchester und Sir William Waller halten nicht aufrichtig gegen uns zusammen; nur in ihrem Haß gegen Cromwell, den einzigen, der für uns zu fürchten ist, sind sie einig. Und um den Wirrwarr vollständig zu machen, haben die schottischen Prediger auch etwas in der Sache zu sagen und klagen Herrn Cromwell feierlich als »Mordbrenner« an.

Und das ist er auch offenbar. Wenn nun die Mordbrenner anfangen gegen einander zu fechten und die Flammen zu löschen, so wird wahrscheinlich die Mordbrennerei gerächt und die Flammen wirklich gelöscht werden, und wir ruhige und treue Unterthanen werden nichts mehr zu thun haben, als die Ruinen wieder neu aufzubauen.

Dann wollen wir so wenig als möglich davon sprechen, wer das Unheil angestiftet habe, und nur sehen, wer dasselbe am besten wieder gut zu machen versteht; der König und das Parlament im ganzen Lande umher, und die Draytons und Davenants in unserm lieben alten Netherby.


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