Peter Rosegger
Die Abelsberger Chronik
Peter Rosegger

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Eine Abelsberger Hahnenjagd.

Unweit Abelsberg, im Ramsauertale steht die alte moosbärtige Fichte, an der das Wunder geschehen ist. Dort hat der Graf Adlerstamm den Hahn und der Preinermichel den Bock geschossen.

Im Frühjahre war's, als der Graf in Nimrods kecker Rüstung ins Tal fuhr. Der Oberförster – Hans Schrödinger heißt er, der uns nachher die Geschichte erzählt – hatte für Jagd und Wild zu sorgen. Er war ratlos. In die nahe Holzknechthütte ging er hinüber, hieß einen Freund, den Preinermichel mit sich, und als sie allein durch den Wald gingen, und der Michel seinen Tabaksbeutel vom Rücken herüberzog, wo er ihn im Gurte stecken hatte, und seine Pfeife füllte, sagte der Förster: »Möcht' ich wissen, wie wir das anfangen.«

»Ist was anzufangen?« fragte der Michel.

»Der Graf ist da und will morgen früh einen Auerhahn schießen.«

»Dem gehört die Jagd, der kann's tun.«

»Der kann's nicht tun,« sagte der Oberförster.

»Warum? Heuer gibt's ja Hähne genug, weiß selber einen oder zwei. Der Herr Graf muß halt gut auf den Stand geführt werden.«

»Das ist zu wenig, mein Lieber, der Graf trifft nichts. Es muß was geschehen. Jetzt, denk' dir einmal, ist's heuer das vierte Jahr, daß der Herr auf den Hahn kommt, und hat noch nicht ein Federl geschossen. Er wird dir endlich verzagt, verkauft die Jagd, und das wär' arg; du weißt, Michel, er gibt –« und machte mit den zwei Gebefingern eine bedeutsame Geste. »Kurz, er muß morgen den Hahn schießen. Aber wie, Mensch, wie? Wenn ich mir das nur anzuschicken wüßt'.«

»Binden wir ihm den Hahn auf den Baumwipfel,« meinte der Preinermichel, nahm seine angestopfte Pfeife zwischen die Vorderzähne und steckte den Tabaksbeutel wieder in den Gurt.

»Anbinden,« sagte der Förster, »dran habe ich schon gedacht, aber es ist zu wenig; er trifft ihn nicht.«

»Wenn er zwei- und dreimal hinaufbrennen kann?«

»Trifft ihn nit. Und wenn er trifft, so fallt nix. Der Graf ist kurzsichtig, das weißt, hat keinen festen Ansatz und keine sichere Hand und keine Geduld und Ruh'; dem fehlt nicht mehr, als alles zum Jäger.«

»Nachher kunnt ich keinen Rat geben,« sagte der Michel.

»Es gibt nur ein Mittel,« flüsterte der Förster mit leiser Stimme, als traute er nicht einmal den Bäumen, »und weil es das einzige ist, so muß es ausgeführt werden.«

»Nachher ist's ja recht.«

»Aber dazu brauch' ich dich, Michel. Los' einmal.«

Sie blieben stehen und der Förster brachte dem Vorhacker was bei.

»Na du,« sagte dieser plötzlich laut auflachend, »das tu' ich nicht!«

»Kannst es ganz ruhig tun; 's ist gar keine Gefahr. Er schießt zum mindesten eine Klafter weit an dir vorbei.«

»Zu dem Geschäft such' dir einen andern, Förster.«

»Nun, zu deiner Beruhigung – du weißt ja, daß ich dem Herrn den Büchsenspanner abgebe – werde ich das Gewehr blind laden.«

»Das ist eine Red'. Jetzt hast mich. Wo will der Herr Graf den Hahn schießen?«

»Oben im Donnerwald, etwa bei der Zwiselfeichten. Je weiter und schwieriger der Weg, je größer das Vergnügen. Kennst ja das, von den hohen Herren. Und um drei Uhr, wo's g'rad' noch die rechte Finstern hat. Nicht vergessen aufs Balzen!«

»Ist recht.«

Sie verabredeten noch manches und verloren sich im Walde. –

Um Mitternacht wird der Herr Graf höflich geweckt. Er beladet sich mit allem, was dem Jägersmann an den Leib steht. Und wenn der Förster meint, das oder das sei nicht nötig, so sagt der Graf fürsichtig, 's wär' immerhin besser, man denkt an alles. Es ist eine klare stille Nacht.

»Exzellenz!« sagte der Förster unterwegs, »heut' gilt's einen. Ich sag's. Ich weiß einen. So schön ist noch keiner gestanden, wie der.«

»Soll Sein Schade nicht sein. Doch – hat Er's gehört, jetzt? Ist das nicht ein Schuß gewesen?«

»Wahrhaftig,« lachte der Förster, »aufs Haar wie ein Schuß; das hat mich anfangs auch immer getäuscht. Nein, Exzellenzherr, eine Lawine ist im Höllgraben drüben abgegangen. Das ist um diese Zeit nichts Seltenes.«

Je höher sie emporkamen gegen den Donnerwald, je leiser wurde ihr Gespräch. Als sie bei der Rotbuche waren und horchten, hörten sie das erstemal balzen. Nun hub das Laufen an, um dann, während der Hahn wieder schwieg, starr wie ein Baumstrunk still zu stehen.

So waren die beiden Jäger allmählich zur Zwiselfeichten gekommen, in deren buschigem Gewipfel das Tier schnalzte und balzte, daß es eine Lust war.

Der Förster führte den Grafen auf den rechten Standpunkt und fragte flüsternd, ob er dort oben den Hahn wohl sehe.

»Wohl, wohl! 's ist ein sakrisch mächtiger Kerl.«

»Nicht das schwarze Bündel dort, Exzellenz, das ist der Baumwipfel. Daneben, der kleine Punkt . . .«

»Gut, gut!« entgegnete rasch der Graf und fuhr mit dem Schaft zur Wange. – Puff! – – Hurra! Das Tier rauschte herab von Ast zu Ast und schwer fiel es nieder auf den Boden.

Der Graf sprang hinzu, jauchzte, jubelte; es war auch ein prächtiger Vogel. – Das Telegraphenamt! Alsogleich berichten der Gemahlin, den Freunden: Waidmannsheil! Den Hahn geschossen. Morgen großer Schmaus! –

Ein herrlicher Vogel fürwahr! und gerade mitten in die Brust getroffen! Aber – was hängt doch daran? An den Klauen hängt ein Knollen – was das sein mag? – Sogleich ist Licht gemacht – welch eine Erscheinung?! In den Klauen verhakt lag ein vollgedunsener Tabaksbeutel.

»Verdammter Esel!« fluchte der Förster für sich und rasch setzte er bei: »Der erste Fall in meiner Praxis, Exzellenzherr, wo mir das vorkommt, was erzählt wird. Daß Auerhähne bisweilen in die Nähe der Holzarbeiter dringen und verschiedene Gegenstände, die die Leute irgendwo beiseite gelegt, mit sich forttragen. Ich wette, diese Tabaksblase ist ein solcher Raub. Seltsam, seltsam!«

Der Graf starrte drein und sagte kein Wort. Den Vogel ließ er liegen; auf dem kürzesten Weg eilte er dem Bahnhofe zu. Und der Michel kletterte verzagt von der Zwiselfeichten, von der er früher den toten Vogel herabgeschleudert hatte.

»Was kann denn ich dafür!« beteuerte er dem Förster, »ihr seid zu früh dagewesen. Wie der Schuß fällt, hängt der Vogel noch fest an meinem Gurt. Ich reiß' ihn eilends los, nu, und hab' halt meinen gottverblitzten Beutel mit hinabgeworfen.«

In acht Tagen war das Revier verkauft.



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