Alexander Roda Roda
Russenjagd
Alexander Roda Roda

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Bei den Deutschmeistern im Schützengraben.

– 26. August 1915.

Bald jährt sich der Tag von Tschesniki. Am 29. August 1914 haben die Deutschmeister zwar nicht ihre Feuertaufe empfangen (denn die kriegten sie vierzehn Tage vorher im Gefecht bei Narol), aber sie sind am 29. in die erste Schlacht eingetreten, die von Samoschtsch und Komarow. Oberst Hassenteufel, der sie damals führte (nachdem Oberst Freiherr v. Holzhausen bei Narol gefallen war) – er steht auch heute an der Spitze des Wiener Regiments.

In diesem einen Jahr – was haben die Deutschmeister nicht alles erlebt! Es ist noch nie zusammenhängend gesagt worden:

Aus der Schlacht von Samoschtsch-Komarow gingen sie Anfang September 1914 sofort in eine neue böse Schlacht, jene bei Grodek; sie fochten bei Wereschitza (25 Kilometer nördlich von Grodek) viele Tage – wenn ich nicht irre, bis 12. September. Darauf erfolgte der Marsch zur Retablierung in die Gegend von Tarnow; in den ersten Oktobertagen der Vorstoß an der San. 47 Sie schlugen sich nordwestlich von Jaroslau. Immer im Verband der Vierten Armee.

Die Schlacht am San wurde bekanntlich abgebrochen, als die Armeen Hindenburg und Dankl im Norden auf unbezwinglichen Widerstand stießen. Zu jenen Truppenkörpern, die man daraufhin der Ersten Armee G. d. K. Dankl zuschob, gehörten auch die Deutschmeister. Sie bestiegen Anfang November die Eisenbahn und fuhren über Kattowitz nach Russisch-Polen. Nicht weit von Tschenstochau gab es von Mitte November an hartnäckige Kämpfe. Sie führten das Regiment in Verfolgung der Russen schließlich an die Nida. Hier hielt man sich am längsten auf; die Deutschmeister hatten sich schon am San Winterquartiere erbaut – das Schicksal wollte, daß sie an der Nida die Arbeit von neuem beginnen mußten. Erst im Mai gelang es, den Feind wieder ins Rollen zu bringen, und man jagte ihn in einem Zug bis Opatow. Er stellte sich und machte sich durch Gegenangriffe Luft, indem er unsre Linien auf die Lysa Gora zurückdrängte. Unsre Truppen schöpften hier Atem, setzten nochmals an und erreichten nun die Weichsel. Nach Einnahme von Josefow war die Aufgabe des Regiments an dieser Stelle erfüllt.

Flugs ging's in Einem Eisenbahntransport von der Kamienna über Krakau, Przemysl bis Grodek und Scholkjew. Von da in Eilmärschen an den Bug. Nun folgt für die Deutschmeister 48 das blutigste Gefecht des Krieges, ja der Regimentsgeschichte überhaupt: der Kampf um Sokal, 15. bis 31. Juli. Es muß zur Kennzeichnung der schweren Tage einstweilen genügen, wenn ich die Anzahl der Tapferkeitsmedaillen nenne, die dem Truppenkörper für Sokal bisher verliehen worden sind: 536. Fünfhundertsechsunddreißig goldne, silberne und bronzene Medaillen; über die Auszeichnung der Offiziere wird erst der Kaiser entscheiden.

In den durch die Sokaler Gefechte erstrittenen Gräben sind die Deutschmeister dann etwa einen Monat geblieben – bis heute – schoben sich nur zwischen den Nachbarregimentern zurecht und machten sich's komod. Hier habe ich sie besucht und sehr, sehr überraschende Eindrücke empfangen. So hatte ich mir den Wiener im Feld nicht vorgestellt.

Die erste Ueberraschung für mich war der Oberst. »Franz Hassenteufel« – kann es einen bessern Namen für den Deutschmeister-Kommandanten künftiger Volksstücke geben, die den großen Krieg behandeln werden? »Haß den Teufel!« Dieser Oberst – hassen wird er den Teufel wohl, doch fürchten sicher nicht. Franz Hassenteufel ist ein Mann mit vortrefflicher Reiterfigur, allem Anschein nach ein harter Soldat, hat aber so grundgescheite, allesverstehende Augen, daß ich meine, er könne auch viel verzeihen. Auf meine Bitte, nach vorn in den Schützengraben zu dürfen, 49 hat er die lächelnde Antwort: er werde mich selbst dahin führen; wann ich denn abreiten wolle? Etwa um halb drei?

In den Schützengraben reiten? Wirklich: reiten? Das ist die zweite Ueberraschung. Man muß wissen, daß die Russen am Waldrand östlich des Bug stehen, unsern Linien genau 700 Meter gegenüber; daß der Boden von uns gegen den Bug glatt wie der Tisch abfällt und der Feind daher jeden Hasen sehen muß, der von hinten her den Deutschmeistergräben zuläuft. Allein, als einziger gehen – und zwar in der Dämmerung – so hatte ich mir's vorgestellt. Einem einsamen Fußgänger widmet der Gegner kein Schrapnell und keine Patrone. Aber bei hellem Sonnenschein, um halb drei nachmittag und inmitten eines ganzen Stabes? Mir wurde ziemlich schwül. Doch wenn der Oberst reiten will, kann ich nicht zurückbleiben. Am Ende ist es besser so: im Galopp ist der gefährdete Raum rasch durchmessen.

Der Oberst aber, sein Adjutant, ein Ordonnanzoffizier und der Regimentstrompeter schlugen Schritt an und später den gemütlichsten Reisetrab. Ich neben dem Obersten. Er zeigte mit der Reitgerte hinüber nach den russischen Gräben, und als ich nach dem Feldstecher griff, meinte er: »Wozu? Man sieht ja alles mit freiem Auge. Das Gelbe unter den Bäumen sind die Brustwehren des Feindes, davor die blauen Drähte – in den Weidenbüschen stehen die russischen 50 Feldwachen, und im Drachenballon sitzt der Artilleriebeobachter; die russischen Batterien sind im Wald.«

Wir kreuzten eine Bahnstrecke, auf die der Feind gestern schwere Granaten gerichtet hat – das weiß ich, und mir wird immer schwüler. Auf den Feldern ringsum – sollte man's glauben? – ein Gewimmel von fleißigen Bäuerinnen, Kindern und alten Bauern, die ihre Garben zusammentragen, das Getreide zu Tristen häufen, auf Wagen einbringen. Oft genug müssen sie die spanischen Reiter einer von unsern Truppen überholten Stellung wegräumen, um eine Durchfahrt für den Wagen zu gewinnen. . . .

Im Dorf Dobratschyn saßen wir ab. Nun waren wir wenigstens gegen Sicht geborgen und suchten den Einstieg in den Laufgraben. Gleich da hinter dem Haus . . . Ein mannstiefer Laufgraben, zickzack ausgehoben in fetter schwarzer Erde, die nach Sumpfmoder und Fruchtbarkeit riecht, die Breite des Laufgrabens so bemessen, daß zwei Menschen einander gerade ausweichen können. Man geht wie in einer Katakombe, hat die Wurzeln des Grases in Augenhöhe und kann sie wachsen hören. . . . Der Erdwall oben und die Zickzackführung schützt uns vor den Gewehrschüssen, die Tag und Nacht unregelmäßig, aber beharrlich aus den russischen Linien knattern. Im Boden Wasserabzugrinnen; heut stehen sie leer, das 51 Wetter ist schön; wehe, wenn es regnen sollte! Die schwarze Erde ist locker wie ein Schwamm.

»Herr Oberst, ich melde mich gehorsamst als Kommandant der xten Kompagnie.« Ein Reserveoberleutnant mit der Großen Silbernen Tapferkeitsmedaille. Mir fällt erst jetzt auf, daß auch der Oberst vielfach dekoriert ist, man erkennt es an den zahlreichen Laschen der Bluse. Er trägt aber nur eine Auszeichnung darin, die seltenste: die Kriegsmedaille; muß also 1882 in der Kriwoschije gekämpft haben; sicherlich der einzige im Korps, der Kriegserfahrungen in den Feldzug mitbrachte. Und der Adjutant Hauptmann v. Piller trägt seine Dekoration an der – Kappe; der Schirm ist von einer Schrapnellfüllkugel durchschossen worden. Bei Tschesniki, vor einem Jahr.

»Was Neues?«

»Nein, Herr Oberst,« antwortet der Oberleutnant. »Ich glaube nur, daß wir neue Gegner bekommen haben; sie schießen ganz anders.« Man horcht auf das träge Feuer drüben, aus dessen Takt man Schlüsse ziehen möchte.

Wir treten in den eigentlichen Schützengraben ein. Die Deutschmeister halten ihn, wie gesagt, seit dem 1. August, vier Wochen also – da war Zeit genug, den Graben zu vertiefen, zu verbreitern, auszubauen. Es gibt hölzerne Scharten, Kopfschutz – Herdchen, auf denen Eßschalen mit Kartoffeln brodeln (wohl das Ergebnis nächtlicher Streifzüge auf den umliegenden Aeckern) – 52 Sitznischen – unterirdische Offiziersgelasse mit Türen und Fenstern, Betten aus dem Dorf, rohgefügten Tischen und Stühlen, Wandteppichen von Strohgeflecht und sogar gemauerten Oefchen – strohgefütterte Unterstände für die Mannschaft, vor denen Zeltblätter als Gardinen hangen – hie und da ein Kaiserbild oder ein Buntdruck aus einer illustrierten Zeitung. Nein – so anspruchslos, ordentlich, so – diszipliniert hatte ich mir den Wiener im Feld nicht vorgestellt.

Es sind ja doch Großstadtkinder aus den besten und den . . . . andern Kreisen Wiens. Hier sind alle nur Soldaten. Drei Uhr nachmittag. Bei jedem Schwarm hält man fleißig Schule – am Scheinwerfer, am Maschingewehr, am Distanzmesser. Ein Korporal erklärt den Gebrauch der Handgranate, deren in jedem Stützpunkt fünf, sechs bereitliegen. Dort ist ein Gewehr auf Böcke gelegt, der Unteroffizier hat einen schwarzen Faden über Grinsel und Korn gespannt, um der Mannschaft die Visierlinie zu weisen.

Ein Mann von jedem Schwarm hält immer Ausblick nach dem Feind – mit oder ohne Feldstecher. Es ist sehr hübsch, wie sich dieser Beobachter benimmt, wenn der Oberst hinter ihm vorbeigeht: ohne ein Auge von den gegnerischen Gräben zu wenden, steht er stramm. Auch wir gucken nun aus den Scharten nach vorn aus. Da breitet sich zuerst ein Gürtel von nassen Wiesen, etwa sechzig Meter breit, und davor unsre 53 Hindernisse. Es sind spanische Reiter, über und über mit Stacheldraht durchflochten, fest miteinander verstrickt und verankert. (Was ein spanischer Reiter ist? Zwei aufrechte, große lateinische X von Holz, deren Kreuzungspunkte durch einen wagrechten Balken verbunden sind; etwa wie das Gestell eines mächtigen Küchentisches.) Jenseits unsrer Hindernisse fließt zwanzig Meter breit der Bug, heute ein glattes, unschuldiges Flüßchen. Dann wieder Sumpfland, Wasseradern, Nebenarme, nasse Wiesen – bis zu jenen Weidenbüschen, worin sich die russischen Feldwachen eingenistet haben. Hinter ihnen die Hindernisse, die Gräben des Feindes und endlich der Wald.

Ueber alle die künstlichen und natürlichen Hindernisse weg bis zu uns herüberkommen könnten die Russen nie, wenn – wenn sich nicht allabendlich nach Sonnenuntergang ein giftiger Nebel vor den Ausschuß legte. Er begünstigt Ueberraschungen. Sie zu verhindern, stehen die Deutschmeister jederzeit bereit. Sie schlafen vor- oder nachmittags, wie sich's eben trifft – bei Nacht und besonders in der Morgendämmerung aber sind sie wachsam. In den Scharten liegen, auf die eigenen Hindernisse gerichtet, geladen und gespannt die Büchsen – man muß nur mehr an das Züngel rühren. Die Gewehre der Schützengrabenreserve stehen geordnet, die Scharten der Reserve sind numeriert, mit Namenstäfelchen des Schützen bezeichnet. Eine Distanztafel 54 bei jedem Zug gibt die Aufsatzstellung an – bis zu den Weidenbüschen – bis zur abgebrannten Fabrik – bis zum Wald – kurz, allen irgend markanten Gegenständen im Gelände. Und Patronen für die Leuchtpistolen, Leuchtgranaten, die man aus Gewehren schießt, werden das Vorfeld im Fall eines nächtlichen Angriffes erhellen.

Der Feind funkt regel- und ziellos ohne Unterbrechung seine Schüsse herüber. Hier kümmert man sich nicht viel darum. Die dienstfreie Mannschaft spielt Karten, liest zerfranste Zeitungen – der »Neuen Freien Presse«, die ich seit Mitte August nicht mehr sah, konnte ich hier im Schützengraben der Deutschmeister endlich begegnen. Viele schreiben Briefe: sie stehen auf dem Auftritt, und die Armstütze ist der Tisch.

Der Oberst schreitet durch den Graben immer weiter und mustert seine Leute. Im Sonnenschein sehen sie proper aus; wenn es auch nur einen Tag regnet, wird sich die lehmige Uniform in nichts von jener der Russen unterscheiden. Der Oberst kann stolz sein: jeder zweite Mann trägt die Tapferkeitsmedaille – für Narol, für Tschesniki, Leschasjk, Rzendkowitze, Iwaniska, Sokal und wie die blutigen Affären der Deutschmeister sonst noch alle heißen.

Hier spricht der Oberst einen Mann an, der ihm durch seine blassen Wangen auffällt; der Mann soll zur Erholung in den Standort des Stabes abgehen. Da ein Kriegsfreiwilliger mit 55 angegrautem Vollbart: es ist der Stabsoberjäger Bartelmus, 53 Jahre alt, der sich in den letzten Kämpfen die Silberne holte; in seinem Wiener Leben ist er Hilfsämteradjunkt. Auch ich kann einen Bekannten begrüßen – Herrn Hanns vom Münchner Schauspielhaus. Direktor Stollbergs Bühne ist auf allen Kriegstheatern vertreten.

Ein gradlinig geführter Graben stände dem Flankenfeuer des Feindes offen. Darum gibt es Schulterwehren, die sich immer wieder vorschieben und den Graben in Schlangenkurven zwingen. Sie grenzen die Wirkung schwerer Granaten, die etwa den Graben treffen, seitlich ab. Doch sie erschweren auch die Bauarbeit. Welch unermeßliche Arbeit – solch eine Stellung innerhalb von drei Tagen auszuheben! Und Großstadtkinder haben sie vollendet. Die Schlangenwindungen machen das Durchschreiten der Katakomben zur Qual.

Dann die Fliegen. Ihrer sind Milliarden. Die Parabel muß noch geschrieben werden: wie der Fürst der Fliegen, Läuse und Flöhe sich mit dem Zaren verbündet gegen den gemeinsamen westlichen Feind; wie Fliegen und Läuse zu ertrotzen suchen, was den Russen nicht gelang: den Sieg über die Zivilisation.

Immer weiter in Schlangenwindungen, über einen Boden, der weich wie ein Smyrnateppich federt, im Graben durch Flachsfeld, Rübenacker, Stoppeln. Wo die lockere Erde nicht von selbst 56 halten wollte, ist die Brustwehr aus zusammenlegbaren Schanzkörben von Drahtgeflecht und Sackleinwand errichtet. Wir passieren den Beobachtungsstand der Artilleristen, die sich da mitten in der Schwarmlinie niedergelassen haben – passieren hübsche Gelasse der dienstführenden Feldwebel – und Offizierswohnungen, die allen Grabenkomfort aufweisen; nur hat man die Türen wieder mit Rasenstücken zumauern müssen, weil die Gewehrkugeln des Feindes sie durchschlugen. . . . Während wir wandern, surrt von links ein Flieger her, tritt in die Sonne ein – ein Venus-Durchgang – und schwebt nach rechts weiter. Das Feuer der Russen knackt und prasselt langsam, eintönig. Aus dem Telephonunterstand quäkt es wie eine Kindertrompete: »Brest-Litowsk ist unser.« Ich habe es schon gestern gewußt; hier erregt die Nachricht große Freude.

Ein andres Bataillon, schon feldgrau gekleidet, nicht mehr hechtgrau. Die Stellung lehnt sich an das Dorf Sawischnja, der Graben führt durch eine Scheune. Wie sonderbar – das Dorf ist bewohnt. Es sind nicht viele Bauern dageblieben im stets gefährdeten Raum, immerhin viele von ihnen. Ihre Truhen mit dem Kostbarsten haben sie an einem Ort geborgen, der ihnen der sicherste schien gegen Brand und russische Plünderung: im Schützengraben der Deutschmeister.

Hinter Sawischnja ist ein Stück der Stellung 57 nicht gedeckt, sondern nur durch einen Zaun maskiert. Als wir diese bestrichene Stelle durchschritten haben und eben wieder in den Graben einsteigen, verweilt der Oberst ein wenig, um mich auf einen Stützpunkt des Feindes aufmerksam zu machen. Sofort haben die Russen uns erspäht; drei Geschosse kommen: das erste klatscht, die andern pfeifen uns – tsiii – tsiii –um die Ohren. So nah hab ich's noch nie gehört. Der Oberst bleibt gleichmütig; im Regiment heißt er »der Selbstmörder«; er aber verläßt sich auf Talisman und Schicksal. . . . (Und hat Recht behalten: er ist den Strohtod gestorben) Wo sich der Graben unterhalb eines Straßendammes fortsetzt, wählt der Oberst ruhig wieder den Weg über die Straße: »weil's da nicht so naß ist.« Mir hätte eigentlich die sichere Pfütze ganz wohl gepaßt.

Bei den Russen ist indessen der Dunst von hundert Kochfeuern aus einem Waldzipfel aufgestiegen, und unsre Artillerie richtet über uns hinweg einige Schrapnells dahin. Der Himmel braust, über dem Waldzipfel aus dem Nichts entstehen plötzlich die weißrosa Daunenbälle. Dumpfe Pauken tönen.

Ein paar Schritte auf freiem Feld, hinter dem Straßendamm. Er dient als Deckung. Die Schützenstände sind in die Böschung eingeschnitten. Der Feind hat gestern schwere Granaten hergeschmissen, um den Durchlaß zu zerstören – heute sind die länglichen Splitter jener Granaten schon 58 spielerisch zu einem Kaisermonogramm geordnet. Die Böschung ist ein Gärtchen; auf dem Mittelbeet, mit Sand ausgestreut, lese ich den Namen »Josefine«; der sentimentale Gruß eines Reserveleutnants an seine ferne junge Frau.

Im Durchlaß fließt ein Wässerchen und bildet die Badeanstalt der Deutschmeister. »Beneidenswerte Menschen! So gut hab ich's schon lang nicht gehabt,« sagt der Oberst lächelnd. »Zum letztenmal im Herrenhaus von Poturtschitza; da hatte sich eben der russische Oberst eine Wanne wärmen lassen, und ich stieg hinein.«

Ein Hauptmann meldet sich bei seinem Regimentskommandanten und weist auf eine feindliche Feldwache vorn, die er heute nacht wird aufheben lassen, wenn der Mond in Wolken tauchen sollte. Der Kadett mit der Patrouille steht schon bereit – alle haben sich freiwillig gemeldet; es sind 19- und 43jährige darunter, auch ein Bosnier, der irgendwie unter die Deutschmeister geriet.

Es will Abend werden. Unser Kugelballon ist aufgestiegen – der russische Drache, wohl ein Beutestück aus Przemysl, hängt schon längst oben – der deutsche fehlt heute zufällig. Die Ballonneure wollen in der Dämmerung die Mündungsfeuer der Geschütze sehen.

Wenn wir so weiterschritten im Schützengraben, kämen wir bis an die Ostsee. Der Schützengraben zieht sich ja von Rumänien quer durch Europa.

59 »Möcht nur wissen, wie der rechte Flügelmann von die Verbündeten ausschaut,« brummt ein Feldwebel, als wir in die »Ernstlhütte« zum Nachtessen eintreten. Die »Ernstlhütte« ist ein Offiziersunterstand am Rand der Deutschmeisterstellung. 60

 


 


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