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J. Rist, Poet. Lustgarte. Hamb. 1638. 8. Bl. G7 fg. »Aus eines Frantzösischen Poeten Erfindunge.« Das Gedicht ist bemerkenswert wegen der Anwendung der alten Reimpaare, die im 17. Jahrh. sonst nicht gebräuchlich waren.
Neaera Mann war über Land
Von seinem Herren ausgesandt,
Daß er ein' angelegne Sach'
An fremden Orten richten mag,
Und wann er die gerichtet aus,
Alsdenn bald wiedrum käm' zu Haus
Und meld' es seinem Fürsten an,
Was er gelassen und gethan.
Indem erhört man ein Gerücht',
Als ob er nunmehr lebe nicht;
Er sei ohnlängst bei finstrer Nacht
Im Wald erwürgt und umgebracht
Und läg' jetzt mitten in dem Pfad,
Zwölf ganzer Meilen von der Stadt,
In Regen, Hitz' und Sonnenschein;
Man solt' ihn schleunigst holen ein.
Ein ander sagt, es wär nicht wahr;
Herr Appius lebt' ohn Gefahr,
Ja sei auch noch verletzet nicht;
Es sei nur Lügen und Gedicht,
Was man von dieser Unglücksnacht
Aus Scherz hab' auf die Bahn gebracht.
So rief der ein', es wär geschehn,
Ein ander wolt' es nicht gestehn;
Doch war der Immenschwätzer
Immenschwätzer, Scharen der Schwätzer. Zahl
Viel größer noch, die allzumal
Bezeugten fast mit Hand und Mund,
Daß Appius noch wär' gesund
Und wüste gar von keiner Pein;
Er würde bald zugegen sein.
Als dieß sein junges Weib vernahm
Und auf den Markt gelaufen kam,
Hilf Gott, wie rief das liebe Kind!
Sie warf die Hauben gar geschwind
Vom Kopf herab und riß ihr Haar,
So daß es zum Erbarmen war.
Sie schrie: »Ach weh, ich armes Weib!
Mein Schatz, wo find' ich deinen Leib?
O Appius, mein liebster Mann,
Ach weh', ach weh', was fang' ich an?
Sag' an, mein Schatz, wie weit von hier
Hat dich der Tod entzogen mir?
Sag' an, bekenn' es ohne Scheu,
Ob auch noch Leben in dir sei;
Wo nicht, so hol' mich Arme nach.
Wie kan ich solches Ungemach
Erdulden, o mein Appius,
Daß ohne dich ich leben muß?
Ein finstres Grab ist mein Begehr.
O süßer Tod, kom' eiligst her
Und würge mich von Stunden an,
Weil ich nicht länger leben kan.«
So schrie das Weib; ihr Leid war groß
Manch tausend Thränen sie vergoß,
Ja wrang
wringen, ringen, winden. die Händ' und schlug die Brust,
Daß es die Stein' erbarmen must'.
Und ob gleich viel' ihr schrien zu,
Daß sie doch stünd' in guter Ruh',
Es hätte nicht so große Not,
Ihr Appius wär' nimmer tot,
So half es alles nicht ein Haar.
Neaera rief noch immerdar,
Ja heulte so erschrecklich sehr,
Als ob sie nicht bei Sinnen wär,
Bis daß man endlich ihren Mann,
Der gleichwol tot war, bracht' heran.
Ganz blutig lag er ohne Sark.
Und wie er nun kam auf den Markt,
Da schwieg das Weib und gieng zu Haus,
Ihr Leid und Klagen das war aus;
Sie ließ hinfort kein Seufzerlein,
Ein andre möchte traurig sein;
Sie aß und trank mit solchem Mut,
Als mancher kaum zur Hochzeit thut;
Recht frölich war ihr Angesicht;
Bei ihr war mehr kein Trauren nicht,
Nur Scherzen und Spazierengehn,
Den ganzen Tag im Fenster stehn,
Bei guten Freunden frölich sein,
Das war ihr' Arbeit ganz allein.
Dieß wunderte manch frommes Kind,
Wie sich das Weiblein so geschwind'
Aus so gar großer Traurigkeit
Doch schicken könt' in solche Freud',
Und war doch gleichwol keiner nicht,
Der forschen dorft' aus ihr Bericht,
Weil Frau Neaera nicht nur zart,
Auch reich und wert gehalten ward,
Bis endlich ihre Muhme kam
Und sie zu fragen unternahm,
Was dieß doch vor ein Handel wär',
Daß sie zuvor so mächtig sehr
Getrauret, da sie doch nicht gar
Und eigentlich berichtet war
Von ihres liebsten Mannes Tod;
Jetzt aber, da sie selbst die Not
Mit Augen leider angesehn,
So wär' es um ihr Leid geschehn;
Sie säng' und sprüng', es wär' behend'
Ihr Trauren schon vorlängst zum End';
Ein solcher Wechsel der käm' ihr
Und vielen fremd und seltzam für;
Sie möchte doch zu dieser Stund'
Ihr allen Handel machen kund.
»Ja«, sprach sie, »Muhme, weiß sie nicht,
Wie mit den Weibern oft geschicht?
Als ich vernahm die neue Mär',
Wie daß mein Mann erschlagen wär',
Und bald ein ander kam und sprach,
Es wäre nichts noch an der Sach',
Ei wol, da war es Weinens Zeit,
Da klagt' ich nur der Wäscher Streit;
Denn einer sprach, mein Mann wär' hin;
Der andre schlug mirs aus dem Sinn.
Und weil sein Tod war mein Begehr,
So ward mir angst, drum schrie ich sehr;
So lang' ich noch im Zweifel stund,
Beklagte sich mein bleicher Mund;
Ich muste sorgen früh und spät,
Daß er vielleicht noch leben thät;
Drum schrie ich, bis der Leichnam kam
Und ich den rechten Grund vernahm.
Da ward' ich heimlich froh und still',
Erfüllet war mein Wunsch und Will';
Ich kam aus aller Angst und Not
In schnelle Lust, denn er war tot.
Jetzt bin ich nun mein eigen Herr;
Was wolt' ich doch begehren mehr?
Nun, Lob sei Gott, mein Leid ist hin,
Dieweil ich frei und ledig bin!«
So sprach das Weib. O leichtes Thier!
O falsches Herz, das für und für
Den Raben soll' ein Futter sein,
Geh, schäme dich ins Herz hinein!
Ist das wol Lieb, ist das wol Treu?
Ich muß mein Urteil sagen frei:
Wenn dieß wär' aller Weiber Sinn,
Man ließ' sie stündlich fahren hin
Mit Leib und Gut ins finstre Grab,
So käm' der Mann der Marter ab
Und würde von dem Thier erlost.
Doch ist dieß frommer Männer Trost,
Daß sie nicht sein all' einer Haar,
Wiewol das Sprichwort bleibt mir wahr,
Das nicht so neu erfunden ist:
Was geht doch über Weiberlist?