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Wenn mir Gott das Leben fristet, Bruder, so mache ich die Reise von Mainz hieher noch einmal. Wollüstiger wüßte ich für mich nichts. Die Fahrt auf der Donau durch Östreich ist schön, aber die auf dem Rhein übertrifft sie unendlich weit. Ich wüßte ihr nichts gleichzusetzen als eine Fahrt auf dem Genfer- oder Zürichsee.
Meine Reisegesellschaft war wie ausgesucht, und unser Schiff war ein ganz andres Gebäude als die elenden Fahrzeuge, die man auf der Donau Schiffe nennt. Es hatte Mast und Segel, sein ebnes Verdecke mit einem Geländer, seine gemächlichen Kajüten mit Fenstern und einigen Möbeln und war überhaupt so ziemlich im Stil eines holländischen Jagdschiffes gebaut.
Als wir unsre Augen auf dem prächtigen und lachenden Rheingau geweidet hatten, fuhren wir in das Dunkel des engen Tales hin, welches sich unter Bingen öffnet und dessen ganzen Boden der gedrängte Rhein einnimmt. Der Abstich tat unsern Augen unbeschreiblich wohl. Die Berge, welche sturzdrohend in diesem Tal über dem Fluß herhangen, sind bald mit dem mannigfaltigsten Grün bedeckt, bald nackte Felsen, hie und da blauer oder roter Schiefer und oft auch harter Urfels. Ihre Gestalten, ihre Einschnitte, ihre Verkettung, ihre Bekleidung, ihr verschiedener und seltsamer Anbau hie und da und die beständigen Krümmungen des Stromes machen die Aussichten alle Augenblicke abwechseln. Ungeachtet der größern Beschwerden sind die Ufer dieses Tales doch ungleich stärker angebaut und bewohnt als die Ufer der Donau in irgendeiner Gegend. Fast alle Stunde hat man eine Stadt vor sich. Fast jeder Berg ist mit den Trümmern eines alten Schlosses gekrönt, worin ehedem ein deutscher Ritter hausete. Die Lage dieser Städte und Flecken hätte die erhabenste Phantasie nicht romantischer und malerischer angeben können. Wir hatten einen Schottländer bei uns, der über Suez und über Italien aus Ostindien kam. Der Mann tat oft wie rasend. Er hatte hie und da Ähnlichkeiten mit Gegenden seines Vaterlandes gefunden, und da sprang er immer mit gleichen Füßen in die Höhe und schrie: "Das ist die Küste von N.! – Das ist die Bucht von N.!" Und da nennte er allezeit einen Ort im Schottischen Hochland, welcher der Partie der Rheinlandschaft, die wir vor uns hatten, ähnlich sein sollte. Die Liebe zu seinem Vaterland, von dem er zehn Jahre entfernt war und nach welchem er sich so heftig sehnte, griff ihn beim Anblick dieser Ähnlichkeiten wirklich mit gichterischen Zückungen an. Ich hatte Bosheit genug, ihn einigemal zu erinnern, wie weit er noch von seinem Vaterland entfernt sei, welches er auf dem Rhein zu sehen glaubte. Als uns hie und da Weinberge zu Gesicht kamen, fragte ich ihn, ob diese Landschaft auch Ähnlichkeit mit einer Bucht in Schottland hätte. Anfangs tat er böse; endlich ward er sehr beredt darüber, um mir zu beweisen, daß der Anblick der Weinberge der traurigste in der ganzen Gegend wäre, die wir durchfahren hätten. Er behauptete, die Regelmäßigkeit der gepflanzten Weinstöcke und ihre Einförmigkeit habe so was Ekelhaftes und Beklemmendes, daß er die Augen wegkehren müsse, um sie auf den kahlen und abstürzigen Felsen oder dem wilden und dicken Grün der gegenüberstehenden Berge weiden zu lassen. Das verkünstlende Gewühl der Menschenhände, sagt' er, wäre höchstens nur deswegen in dieser Landschaft zu dulden, um die Reize der schönen und unverzierten Natur umher auffallender zu machen. Ich antwortete ihm auf seine lange Rede mit einem Glas roten Aßmannshäuser, welches ich ihm zubrachte und den er sehr trinkbar fand.
Die schönsten Gegenden in diesem romantischen Land sind die um Bacharach und Kaub, welche Städte beinahe grade einander gegenüberliegen, um St. Goar und um Koblenz. Die Lage von Bacharach ist, wie der Ort selbst, finster und schauerlich schön. Der Berg, an dessen Fuß das Städtchen liegt, hängt senkrecht drüber her und ist zum Teil mit Reben bekleidet, die einen der besten Rheinweine liefern. Die Lage von Kaub ist offener und lachender und macht mit dem entgegengesetzten Bacharacher Ufer einen unvergleichlichen Kontrast, besonders da sich die Häuser dieses Ortes durch ein lichtes Weiß im tiefen Grün seiner Gegend und im Abstich mit der ehrwürdigen Schwärze von Bacharach ungemein stark ausnehmen. Mitten im Rhein zwischen beiden Städten liegt auf einem Felsen, der kaum über die Oberfläche des Wassers emporragt, ein dicker, hoher und fester Turm, die Pfalz genannt, wie er denn auch, samt den beiden Städten, dem Kurfürsten von der Pfalz zugehört und vom gemeinen Volk für das eigentliche Stammhaus der Pfalzgrafen gehalten wird. Eigensinniger und malerischer kann in einer Landschaft nichts gedacht werden als die Lage dieses Turms, wenn man ihn in einiger Entfernung sieht. Die Gegend um St. Goar ist von ganz andrer Natur. Das rechte Ufer des Rheines ist hier ganz wild. Auf einem der hohen und fast senkrecht abgehauenen Berge, die es bilden, der sich durch seine majestätische Gestalt stark ausnimmt, liegt sehr romantisch ein festes Schloß, welches man noch zu erhalten sucht. Das linke Ufer, worauf die Stadt liegt, ist noch steiler, aber zum Teil mit unbeschreiblicher Mühe angebaut. Man hat auf kleinen Terrassen, wie zu Rüdesheim, auf dem abstürzigen Felsen Weinberge angelegt, die eine ungeheure hohe Treppe bilden. Der Raum zwischen dem Strom und den Felsen ist so enge, daß die Einwohner sich zum Teil in den Fels selbst hineinbauen. Über der Stadt ragt die Festung Rheinfels, von welcher ein Ast des hessischen Hauses den Namen trug, die aber nach Absterben desselben samt dem dazugehörigen beträchtlichen Lande dem Landgrafen von Hessen-Kassel zugefallen ist, majestätisch empor. Die Stadt selbst ist ziemlich lebhaft und die beste zwischen Bingen und Koblenz. Die Einwohner scheinen ein sehr fleißiges Volk zu sein. Ein wenig über der Stadt verursachen die kurzen Krümmungen des gedrängten Rheines einen Wirbel, der unter dem Namen der St. Goarer Bank sehr verschrien ist. Von beträchtlichen Unglücksfällen hört man sehr selten; allein wir waren Augenzeugen davon, daß der Ruf dieses Platzes kein leerer Popanz wieder des Donauwirbels ist. Ein großes kölnisches Schiff fuhr eben neben uns herauf. Es hatte von St. Goar einen alten erfahrnen Steuermann mitgenommen, der an der gefährlichen Stelle sehr weit in den Strom hineinstach. Die Pferde zogen stark an. Auf einmal ward der Steuermann von der Gewalt des Stromes so sehr überwältigt, daß das Schiff in einem Augenblick an dem linken Ufer des Flusses lag, ob es schon beinahe 150 Schritt davon entfernt war. Zum Glück stand eben da an der Spitze eines Felsen ein großer Kahn, der wie ein Hut zusammengedrückt ward, ohne den aber das Schiff vielleicht eine große Wunde bekommen hätte. Es saß demungeachtet auf dem Felsen auf und mußte mit Winden und Hebeln gelichtet werden.
Ohngefähr eine Meile über Koblenz bilden einige alte Städtchen und Schlösser am Fuß oder auf dem Gipfel hoher und waldichter Berge ungemein malerische Szenen. Man erblickt endlich das Städtchen Lahnstein, über welches ein trotziger und rauher Berg herüberhängt. Nahe bei dem Städtchen bildet ein Schlund, durch den sich der Lahnfluß In den Rhein ergießt, ein großes und prächtiges Perspektiv. Das Tal ist immer noch so enge, daß der Rhein seinen ganzen Boden einnimmt. In der Nähe von Koblenz fängt es an, sich zur Linken zu erweitern. Man erblickt auf einem entfernten Berg ein prächtiges Gebäude, ein Kartäuserkloster, hat die Stadt gerade vor sich und zur Rechten den steilen Felsen, den die Festung Ehrenbreitstein krönt. Am Fuß dieses Felsen liegt das herrliche kurfürstliche Residenzschloß nebst mehrern prächtigen Gebäuden. Das Ganze tut eine unbeschreiblich gute Wirkung.
Koblenz ist eine artige, aber etwas tote Stadt von ohngefähr 12.000 Seelen. Der itzige Kurfürst, ein Prinz von Sachsen und Schwager des Kaisers, bleibt dem alten System getreu. Er ist exemplarisch fromm, und ich glaube, daß bloß mißverstandne Frömmigkeit die Ursache seiner Anhänglichkeit an das päpstliche Kirchensystem ist und die Politik, wie einige glauben, keinen Teil daran hat. Er trieb seine Hochachtung gegen den Papst bei seiner vor kurzem vorgefallenen Reise durch Augsburg so weit, daß er sich in offener Kirche zu den Füßen desselben niederwarf. Man hat auch einen Brief von ihm an seinen hohen Schwager, worin er ihm Vorstellungen über seine Reformationsanstalten macht. Allein diese Vorstellungen waren nicht gut angebracht. Der Kaiser betrachtet den Heiligen Vater in einem ganz andern Licht als der Herr Erzbischof. Übrigens ist er ein guter Regent, und seine Frömmigkeit artet nicht, wie bei Regenten gewöhnlich ist, in Indolenz und Schwachheit aus.
Er hat seine Beförderung der Betriebsamkeit des kaiserlichen Hofes zu verdanken, der ihn erst dem Domkapitel von Lüttich zu einem Bischof vorschlug, welches aber den Vorschlag mit einer ganz unerwarteten Hartnäckigkeit verwarf. Die Domkapitel von Mainz, Würzburg und Lüttich sind die einzigen in Deutschland, die ihre Wahlfreiheit soviel als möglich gegen den kaiserlichen Einfluß zu verteidigen suchen. Wenigstens würde es sehr hart halten, bis sie sich einen Prinzen aufdringen ließen, ob sich gleich die zwei erstere, insoweit der Kaiser einen aus ihrem Mittel in Vorschlag bringt, dieses Einflusses nicht ganz verwehren können. Als die Wahl zu Lüttich fehlgeschlagen war, empfahl der Kaiser seinen Schwager dem Kapitel von Trier, welches weniger Schwierigkeiten machte. Als Kurfürst hat er ohngefähr 500.000 und als Bischof von Augsburg ohngefähr 150.000 Gulden Einkünfte. Nebst dem ist er Koadjutor [des Abtes] von Ellwangen, wo er mit der Zeit noch einen jährlichen Zuschuß von ohngefähr 60.000 Gulden zu erwarten hat. Mit drei solchen Pfründen würde man mich auch in starke Versuchung bringen können, gut bellarminisch zu denken. "Macht mich nur zum Papst, und dann will ich schon ein Christ werden", sagte ein Patrizier von Rom, den man bekehren wollte.
Die Gegend zwischen Koblenz und Köln ist sehr schön und erstaunlich stark bewohnt. Eine schöne Stadt liegt an der andern. Neuwied ist ganz neu und regelmäßig gebaut und voll Industrie. Die Einwohner genießen nicht nur die uneingeschränkteste Religionsfreiheit, sondern auch eine in Deutschland sehr seltene Befreiung von schweren Auflagen. Der Ort ist besonders durch eine zahlreiche Herrnhuter-Kolonie bekannt. Fast grade gegenüber liegt die alte Stadt Andernach am Ufer des Rheines, die zwar nicht so schön als Neuwied, aber doch sehr lebhaft ist. Bonn, die Residenzstadt des Kurfürsten von Köln, ist die größte und schönste Stadt zwischen Koblenz und Köln. Sie zählt gegen 12.000 Einwohner.
Bis auf drei Meilen über Köln sind die Ufer des Rheines immer noch gebirgicht, nur sind die Bergreihen sanfter als zwischen Koblenz und Mainz und werden hie und da von kleinen Ebenen unterbrochen. Aber hier endigt sich das Gebirge zur Rechten mit sieben ungeheuern Pyramiden, die Siebenberge genannt, auf deren jeder ein altes Ritterschloß liegt und die ein vortreffliches Amphitheater bilden. Von hier bis an das deutsche Meer hinab ist kein erheblicher Berg mehr, und hier schließt sich auch das Gebiete des deutschen Weingottes.
Der ganze Strich Landes von hier bis nach Mainz hinauf ist einer der reichsten und bevölkertesten von Deutschland. Man zählt in diesem Strich von achtzehn deutschen Meilen gegen zwanzig Städte, die hart am Ufer des Rheines liegen und größtenteils aus den Zeiten der Römer her sind. Noch sieht man deutlich genug, daß diese Gegend in Deutschland am ersten angebaut wurde. Weder Moräste noch Heiden unterbrechen den Anbau, der sich mit gleichem Fleiß weit von den Ufern des Flusses über das benachbarte Land ausdehnt. Während daß viele Städte und Schlösser, die unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern, besonders unter Heinrich dem Ersten, in andern Gegenden Deutschlands gebaut wurden, wieder eingegangen sind, haben sich in dieser Gegend nicht nur alle alten Orte erhalten, sondern es sind auch viele neue dazu gebaut worden.
Der natürliche Reichtum des Bodens in Vergleich mit andern deutschen Ländern und der leichte Absatz der Produkte vermittelst des Rheines tragen ohne Zweifel das meiste dazu bei. Allein sosehr man auch in Deutschland gegen die geistlichen Regierungen eingenommen ist, so haben sie doch gewiß auch zu dem blühenden Zustand dieser Gegenden beigetragen. In den drei geistlichen Kurfürstentümern, welche den größten Teil dieses Landstriches ausmachen, weiß man nichts von den gehäuften Auflagen, worunter die Untertanen vieler weltlicher Fürsten Deutschlands seufzen. Diese Fürsten haben die Grenzen der alten Steueranlage sehr wenig überschritten. Man weiß in ihren Landen wenig von der Leibeigenschaft. Die Apanage vieler Prinzen und Prinzessinnen zwingen sie zu keinen Erpressungen. Sie haben kein unmäßiges Militäre und verkaufen ihre Bauernsöhne nicht, und sie haben an den innern und äußern Kriegen Deutschlands nie so viel Teil genommen als die weltlichen Fürsten. Wenn sie gleich nicht so geschickt sind, ihre Untertanen zum Kunstfleiß aufzumuntern, so ist doch der mannigfaltige Landbau in ihrem Gebiete auf einem sehr hohen Grad von Vollkommenheit gekommen. Die Natur tut von selbst, was man durch Verordnungen und Gesetze erzwingen will, sobald man ihr nur die Steine des Anstoßes aus dem Weg räumt.
Von außen bietet die ungeheure Stadt Köln mit einem Wald von Mastbäumen und den unzähligen Kirchtürmen einen prächtigen Anblick dar. Allein alle Pracht verschwindet, sobald man einen Fuß unter das Tor gesetzt hat. Die Straßen und die Einwohner sind gleich schmutzig und finster. Schon in der ersten dunkeln Straße hatte ich einen Auftritt, der mir keinen hohen Begriff von der Polizei dieser Reichsstadt machte. Man gab mir, als ich aus dem Schiffe gestiegen, einen Invaliden mit, der im Gasthaus meinen Koffer visitieren sollte. Sobald wir allein waren, stellte mir der gute Mann sehr beweglich vor, wie alt er sei, daß es eine Beschwerde für ihn wäre, mit mir ins Wirtshaus zu gehn, und daß er gerne ohne Besichtigung meines Koffers wieder zurückkehrte, wenn ich ihm einige Stüber geben würde. Ich brachte ihn also mit einigen Kreuzern vom Hals. Kaum war ich seiner los, als mich ein ganzer Schwarm von Bettlern anfiel und mich mit großem Geschrei bis ins Gasthaus begleitete. Einen andern erbaulichen Auftritt hatte ich im Wirtshaus selbst. Es stand ein schmutziger Pfaff bei der Wirtin, mit dem sie um eine Messe förmlich akkordierte. Er foderte vierzehn Stüber, und sie wollte ihm nur zwölf Stüber geben. Als sie endlich den Kauf geschlossen hatten und der Pfaff seines Weges gegangen war, kam ein andrer herzu, der in einiger Entfernung dem Handel zugesehen hatte, und versicherte die Wirtin, daß er ihr eine Messe um zehn Stüber lesen würde, wenn sie es verlangte. – Mit nächster Post mehr von dieser Stadt, die durchaus eine sehr seltsame Miene hat.
Köln, Bruder, ist in jedem Betracht die abscheulichste Stadt von Deutschland. In ihrem weiten Umfang von drei Stunden findet man nicht ein sehenswürdiges Gebäude. Die meisten Häuser drohen den Einsturz. Ein großer Teil derselben steht ganz leer, und von der Bevölkerung kann ich dir überhaupt keinen bessern Begriff geben, als wenn ich dich auf meine Ehre versichere, daß mein Hauswirt, ein Stadtoffizier, bei dem ich mich auf ohngefähr zwei Monate einquartiert habe, für sein schönes und geräumiges Haus nebst Hof, Stallung und einem großen Garten jährlich fünfzig rheinische Gulden Miete bezahlt. Und das Haus liegt in einer guten Straße. – Im Umfang der Stadtmauern, die das ganze Gebiete derselben einschließen, zählt man einige hundert Bauerngärten, worin alles Gemüs für die Stadt gezogen und auch soviel Vieh unterhalten wird, als zur Versorgung derselben mit Milch, Käs und Butter hinlänglich ist. In vielen Straßen liegt daher zu beiden Seiten der Mist vor den Häusern. Manche sind so öde, daß man stundenlang darin spazieren kann, ohne ein lebendes Geschöpfe zu erblicken. Schade ist's um den schönen Platz, der mitten in der schwarzen Stadt liegt und in Betracht seiner Größe und prächtigen Lindenalleen einer der schönsten Plätze wäre, die ich noch in einer Stadt gesehen, wenn er nicht von den schlechten Gebäuden umher verfinstert würde.
Einen Dritteil der Einwohner machen privilegierte Bettler aus. Diese bilden hier eine förmliche Zunft. Es ist keine Satire, sondern voller Ernst, lieber Bruder. Vor jeder Kirche sitzen sie reihenweise auf Stühlen und folgen einander nach der Anciennität. Stirbt der vorderste ab, so rückt sein nächster Nachbar nach der strengsten Ordnung in der Reihe vor. Die Eltern, welche zu dieser Zunft gehören, geben einen bestimmten Platz vor einer Kirchtüre ihren Söhnen oder Töchtern zur Aussteuer mit, wenn sie heiraten. Es versteht sich also, daß die meisten Zünfter vor mehrern Kirchtüren solche Plätze besitzen, die sie wechselweise besuchen, je nachdem ein Fest in einer Kirche glänzender ist als in der andern, und die sie dann unter ihre Erben verteilen. An den wenigen Tägen des Jahres, wo hier in keiner Kirche ein besonders Fest ist, ziehn sie dann familienweise durch die Straßen der Stadt und fallen die Vorübergehenden mit unbeschreiblicher Wut und Hartnäckigkeit an.
Einen andern Dritteil der Einwohner machen die Pfaffen aus. Man zählt hier bloß neununddreißig Nonnenklöster. Der Mannsklöster und Prälaturen sind über zwanzig und der Stifter über zwölf. Nebst diesen wimmelt es hier von dem geistlichen Ungeziefer, das man bei uns Abbés nennt, welches hier aber von einer ganz andern Art ist. Es besteht hier nicht aus den bunten, geschmeidigen, niedlichen und schlüpfrigen Geschöpfen, womit unsere Damen spielen, sondern aus groben, ungehobelten Klötzen, über und über mit Tobak und dem Ausfluß der Nase beschmiert, die im dicken Tobaksdampf in den offenen Bierhäusern mit den Bauern um Pfenninge auf dem Brett oder mit Karten spielen, Schuhputzer, Lehnlakaien und Lastträger machen und sich mit Fäusten um eine Messe schlagen. – Nirgends sah ich den schwarzen Stand in einer so verächtlichen Lage als hier. Es gibt hier eine Menge Geistlichen, die selbst nicht wissen, was sie sind. Ich kenne einen Chorherrn, der jährlich von seiner Pfründe 2.000 Gulden zieht und, wie er mich selbst versicherte, in diesem ganzen Jahr weder eine Messe gelesen, noch seine eigne Kirche gesehen hat. Einen andern Chorherrn traf Ich auf einem Kaffeehaus bei einem Mädchen an, auf welches ein Kaufmannsbedienter, der auch zugegen war, ein Aug hatte. Diese zwei spielten eine Partie Billard zusammen, und mitten im Spiel fingen sie an, mit den Queuen auf einander zu schlagen. Der Kaufmannsbediente war seinem Gegner so sehr überlegen, daß er den geistlichen Herrn unter das Billard werfen konnte. Als wir Friede gestiftet hatten, ging der Comptoirschreiber seiner Wege, und nun folgte ein andrer seltsamer Auftritt. Das Chorherrchen hatte einen jungen hübschen Menschen bei sich, der ihm zur Unterhaltung diente und dem er seit Jahr und Tag den Tisch gegeben hatte. Er nahm es diesem Menschen so übel auf, daß er seine Partie nicht genommen und auf seinen überlegnen Feind zugeschlagen hatte, daß er ihm in unsrer Gegenwart augenblicklich alle Freundschaft aufkündigte und ihm auf die unanständigste Art die Wohltaten vorwarf, die er zeither von ihm genossen. Dieser junge Mensch, der in der Lage seiner Finanzen den Schlag hart empfand, erklärte mir beim Weggehn, daß die beiden Schläger schon seit langer Zeit einen Groll der Eifersucht wegen der Tochter des Hauses gegeneinander hatten, der während des Spieles wie eine stille Wut auf einmal ausgebrochen. – Die Rollen unsrer Abbés spielen hier die sogenannten reglierten Chorherren, die Antoniter und die Priester vom Malteserorden. In allen vornehmern Häusern sieht man sie um die Damen. – Von den hiesigen Nonnen sind jetzt wirklich vier schwanger, und gegen sechs sind auf ewig eingemauert, weil sie die Kunst nicht verstanden haben, nicht schwanger zu werden. – Gleich in den ersten Tagen meines hiesigen Aufenthalts führte mich der Sohn eines guten Hauses, an welches ich adressiert war, in ein Nonnenkloster, worin er eine Schwester hatte. Sie war nebst einer guten Freundin in dem sogenannten Krankenzimmer, worin sie Besuche annehmen därfen. In der ersten Minute unsers Besuchs konnte ich leicht bemerken, daß mein Freund eben nicht gekommen war, um seine Schwester zu sehn, und daß ihre Freundin auch nicht wegen einer dringenden Krankheit zur Ader gelassen hatte. Ich fand seine Schwester reizend genug, um mich nicht zu ennuyieren, während daß er sich mit ihrer Freundin unterhielt. Die folgende Woche wiederholten wir den Besuch, weil seine Schwester purgiert und diese wieder ihre gute Freundin mit sich ins Krankenzimmer genommen hatte. Diese Woche mußte die gute Freundin wegen einem Fluß im Kopf schwitzen, und wir ermangelten nicht, im Krankenzimmer unsre Aufwartung zu machen. Die nächste Woche ist die Reihe, krank zu sein, wieder an der Schwester meines artigen Freundes, und ich sehe wohl, daß wir, solange ich hier bin, alle Woche eine Patientin zu besuchen haben und die zwei Nonnen den ganzen Kurs durch die Krankheiten machen werden, die in irgendeinem medizinischen Kompendium verzeichnet sind.
Der Mangel an Aufsicht ist die Ursache der uneingeschränkten Freiheit, welche die Geistlichen hier genießen. Sie leben in der größten Anarchie. Eigentlich sollten sie unter dem Hirtenstab des Erzbischofs von Köln stehn, allein der Magistrat der Stadt ist eifersüchtig auf die Gewalt des Erzbischofs und will in Disziplinsachen keine Verordnungen desselben gelten lassen. Es ist zwischen beiden Mächten schon zu sehr lebhaften Auftritten gekommen.
Den letzten, dritten Teil machen einige Patrizierfamilien, die Kaufleute und Handwerker aus, von denen die zwei andern Dritteile leben. Überhaupt ist Köln wenigstens noch um ein Jahrhundert hinter dem ganzen übrigen Deutschland zurück, Bayern selbst nicht ausgenommen. Bigotterie, Unsittlichkeit, Trägheit, Grobheit, Sprache, Kleidung, Möbeln, kurz, alles zeichnet sie so stark von ihren übrigen Landsleuten aus, daß man sie mitten in ihrem Vaterlande für eine fremde Kolonie halten muß. Ich habe nicht nötig, dir zu sagen, daß es auch hier, wie überall, Ausnahmen gibt. Ich bin in einigen Häusern bekannt, wo der feinste Geschmack und die beste Lebensart herrscht; allein es sind der Ausnahmen doch sehr wenig.
Die Regierungsverfassung setzt diese Stadt so weit hinter die meisten andern Städte Deutschlands zurück. Nebst dem allen Republikanern eigenen Haß gegen Neuerungen und der gewöhnlichen Ohnmacht und Trägheit ihrer Regenten herrscht hier das unsinnige Zunftsystem noch mit ungleich mehr Stärke als in irgendeiner andern Reichsstadt. Nur einen Zug will ich dir mitteilen, um dir begreiflich zu machen, wie unmöglich es ist, daß diese Stadt gleiche Schritte mit dem übrigen Deutschland zur Kultur machen kann. Vor einigen Jahren ließ sich hier ein oberrheinischer Bäcker als Bürger nieder, der sich durch schönes Brot um so geschwinder eine zahlreiche Kundschaft verschaffte, da die übrigen Bäcker alle ein Brot backen, das nur ein Kölner genießen kann. Eifersüchtig auf das Glück dieses Mannes, stürmten seine Zünfter in sein Haus und rissen ihm seinen Ofen nieder. Die Sache kam vor den Rat. An dem Tag, wo sie entschieden werden sollte, versammelten sich vor dem Rathaus nicht nur alle Bäcker, sondern auch ein großer Teil der andern Gildegenossen, Schuster, Schneider usw., und schrien vor der Türe des Rathauses, daß sie allen Ratsherren, wenn sie herunterkämen, die Köpfe einschlagen würden, wenn man der Bäckerzunft nicht gegen den Neuling, der, dem alten Zunftgebrauch zuwider, anderes Brot gebacken als seine Zünfter, Gerechtigkeit verschaffte. Der Rat kannte seine Leute, die auch wirklich schon den sogenannten Gewaltrichter, der den alten Reichsvogt repräsentieren soll, vor ihrem Zug vor das Rathaus in den Stadtgraben geworfen hatten. Erbaut durch dieses Beispiel, fällte also der hochweise Rat von Köln das Urteil, "daß der Bäcker, der sich unterfangen, die Gildegerechtsamen zu verletzen und unzunftmäßiges Brot zu backen, seinen eingerissenen Ofen auf seine Kosten wieder aufbauen und in Zukunft kein anderes Brot backen soll, als wie alle seine Zunftgenossen von alten Zeiten her zu backen gewohnt sind".
In Rücksicht auf die Hartnäckigkeit, womit die verschiedenen Gemeinden hier ihre Privilegien behaupten, sosehr sie auch in Mißbräuche ausgeartet sind, auf die Grobheit des Pöbels, die man Gefühl der Freiheit zu nennen beliebt, und auf die durchaus herrschende Ausgelassenheit, die von keiner Polizei eingeschränkt wird, verdient Köln allerdings den Namen des "kleinen Londons", womit es einige seiner Einwohner beehren. Es herrscht auch hier die nämliche Verachtung der Fremden und der nämliche Nationalstolz, der den Janhagel von London auszeichnet. Wenn die Stadt sich etwas unartig gegen ihre Nachbarn, die Kurfürsten von Köln und der Pfalz, beträgt, so ergreifen diese sogleich das wirksamste Mittel, sie gefälliger zu machen, und schneiden der Stadt die Zufuhr von Lebensmitteln ab. Der geängstigte Rat fertigt sodann augenblicklich einen Kurier an den Kaiser ab, mit untertänigster Bitte, die beiden Kurfürsten dahin zu vermögen, daß sie die armen Bürger von Köln nicht Hungers sterben machen. Unterdessen rottieren sich die Bürger in allen Wirtshäusern und auf allen öffentlichen Plätzen zusammen, schwören den Kurfürsten Rache und Tod, besichtigen ihre rostigen Gewehre und machen sich zur blutigsten Fehde gefaßt. Der Kaiser, aus Erbarmen über die bedrängte Stadt, hat nun den Kurfürsten wirksame Vorstellungen gemacht, und die Zufuhr wird wieder geöffnet, und nun schreien die Bürger von Köln Triumph über Triumph. "Gelt", sagen sie, "wir haben die Kurfürsten zur Räson gebracht. Sie haben sich vor unserm Anmarsch geförchtet und taten wohl daran. daß sie es nicht zum Krieg kommen ließen." – Ganz im Ton des Janhagels von London.
Ein regierender Bürgermeister von Köln (es sind ihrer sechs, die zu zwei jährlich in der Regierung abwechseln) wird auch mit dem nämlichen Gepränge wie der Lord-Mayor von London behandelt. Er trägt eine römische Toga, halb schwarz und halb purpurfarb, einen großen spanischen Hut, spanische Beinkleider und Weste usw. Er hat seine Liktoren, die ihm feierlich die FaszesAmtsdiener römischer Beamter, die ihnen als Zeichen der Macht ein Rutenbündel mit Beil vorantrugen vortragen, wenn er in seinem Charakter öffentlich erscheint. Bei seiner Wahl gibt man Beleuchtungen, macht Knittelverse, besauft sich, förmlich wie zu London, auf seine Gesundheit und schlägt sich auf sein Wohl Arme und Beine entzwei. – Im letzten Krieg war eines unserer Regimenter im Anmarsch gegen die Stadt. Diese wollte es mit dem König in Preußen nicht verderben, der als Herzog von Kleve und Graf von der Mark ihr Schutzherr ist. Sie ließ also dem Kommandanten des Regiments, der die Tore geöffnet haben wollte, bedeuten, "sie sei gesinnet, die Neutralität zu beobachten". Umsonst stellte unser Landsmann dem Rat vor, seine Truppen wären Auxiliartruppen des Kaisers, ihres Oberherrn. Man verschloß die Tore, und der rasende Pöbel jauchzte, das Vergnügen zu haben, seine Häuser im Schutt zu sehen. Als, der Kommandant seine Kanonen vor ein Tor gepflanzt hatte und gefaßt war, losbrennen zu lassen, besann sich der Rat eines Bessern und ließ die Tore zum großen Leidwesen des Janhagels öffnen. Der Kommandant ging auf das Rathaus, um den Senatoren Vorwürfe zu machen. Bei Erblickung desselben rief der vorsitzende Bürgermeister seine Liktoren und gebot ihnen, mit den Faszes neben seinem Thron zu stehn. Als der Offizier einige beißende Bemerkungen gemacht hatte, steifte der Konsul den Hals, ließ die Liktoren die Insignien in die Höhe heben und fragte den Kommandanten mit der ernstlichsten Miene, ob er wohl einen Begriff von einem römischen Bürgermeister hätte. Ob er wüßte, daß er des römischen Kaisers Majestät repräsentierte und daß man die Tore bloß aus gutem Willen gegen den Kaiser geöffnet. Der Offizier, welcher seine Truppen auf dem öffentlichen Platz mitten in der Stadt mit geladenen Gewehren und brennenden Lunten postiert hatte und im unbedingtesten Besitz der Stadt war, konnte sich des lautesten Gelächters nicht enthalten, aber, indem er die Türe in die Hand nahm, auch nichts anders antworten als: "Sie sind nicht recht bei Verstand."
Der Mangel an Polizei, welcher hier ausschließlich das Wesen der Freiheit ausmacht, lockt vom Oberrhein, aus Westfalen, den kaiserlichen Niederlanden, zum Teil auch aus Holland und Frankreich eine Menge Leute hieher, die inkognito leben wollen oder müssen. Der bessere Teil dieser Aventuriers, die Offiziers von den zahlreichen kaiserlichen und preußischen Werbkorps, einige Chorherren der hiesigen Stifter und verschiedene Patrizier und protestantische Handelshäuser lassen es an guter Gesellschaft und artigen Lustpartien nicht fehlen. Die lebhafte Schiffahrt, besonders der Holländer, für welche diese Stadt der Stapelort ist, den sie mit ihren Schiffen nicht überfahren dörfen, der geringe Preis der Lebensmittel, die Nähe von Bonn, die Entfernung von dem beschwerlichen Hof- und Adelton, welcher in den meisten andern Städten herrscht, die gesunde Luft und die Munterkeit des Volkes in den benachbarten kurkölnischen und bergischen Ländern machen diese Stadt für jeden, der etwas vom Stadtleben mit den Reizen des Ländlichen verbinden will, zu keinem unangenehmen Aufenthalt, so abschreckend auch der große Haufen hier ist. Dieser dient einem philosophischen Zuschauer zum Stoff unendlicher Betrachtungen, die er anderstwo nicht so leicht machen kann. Alle Auftritte des bürgerlichen Lebens sind hier stärker charakterisiert als in irgendeinem andern Lande.
Dieses düstere und schwerfällige Völkchen zeichnet sich ebenso stark durch religiöse als politische Schwärmerei von allen übrigen Europäern aus. In verschiedenen Gegenden der Stadt erblickt man Schandsäulen, worauf Köpfe von Bürgermeistern und Ratsherren an eisernen Spießen stecken, die das Opfer der politischen Begeisterung der hiesigen Bürgerschaft geworden sind. Der republikanische Stolz weiß allen, auch den alltäglichsten Vorfällen hier ein Kolorit zu geben, das den Menschenfreund äußerst interessieren muß, und sollte es auch nur sein, um lachen zu können, wie Demokrit die Handlungen seiner Mitbürger von Abdera zur wohltätigen Erschütterung seiner Lungenblätter gebraucht hat.
Die Religionsschwärmerei dieses kleinen Londons übertrifft alle Züge, die man von dieser Art kennt. Man begnügt sich hier nicht mit einzeln Heiligen, sondern stellt sie in ganzen Armeen auf. Ich beschaute vor einigen Tagen die Kirche der heiligen Ursula,Hl. Ursula – wurde auf der Rückkehr von einer Wallfahrt nach Rom mitsamt den 11.000 sie begleitenden Jungfrauen von den Hunnen umgebracht, 21.10. worin dieselbe nebst 11.000 englischen Jungfrauen begraben liegt. Die Wände und der Boden der Kirche sind mit Gebeinen und Särgen angefüllt. Da diese heilige Prinzessin aus den Zeiten der sächsischen Heptarchie ist, so läßt sich's um so weniger fassen, wie sie in dem Gebiete ihres Vaters 11.000 Jungfrauen auffinden konnte, die sie durch Deutschland begleiteten. Unterdessen läuft man hier wirklich Gefahr, dieser heiligen Jungfrau und ihrem schönen Gefolge geschlachtet zu werden, wenn man nur eine von den 11.000 subtrahieren wollte. So wunderbar diese Geschichte ist, so hat man doch noch einige andre Wunder zur Bestätigung derselben gebraucht. Unter andern ist an einer Säule ein kleiner Sarg angebracht, worauf zu lesen ist, man habe ein unmündiges Kindlein in die Kirche begraben; aber so unschuldig es auch gewesen, so habe der mit dem reinsten Jungfrauenblut benetzte Boden der Kirche dasselbe doch nicht bei sich behalten, sondern wieder ausgespien. Man habe also seinen Sarg auf einem Stein über der Erde anbringen müssen. Wenn du mit der Legende dieser heiligen Jungfrauschaften noch nicht bekannt bist, so wird es dir nicht ganz gleichgiltig sein, zu wissen, daß die Legendenschreiber selbst über diese Geschichte nicht eins sind. Die Italiener behaupten, der Mönch, welcher dieselbe geschrieben, oder einer seiner ersten Abschreiber hätte aus Versehen wenigstens ein Null zuviel gemacht. Ein Deutscher behauptet sogar, eine der Jungfrauen, welche das Gefolge der Prinzessin Ursula ausmachen und von denen die Legende verschiedene nennt, habe Undecimilla geheißen, woraus man in den unkritischen Mönchzeiten leicht eilftausend machen konnte. – Auch liegt hier der heilige Gereon nebst 1.200 oder 12.000 heiligen Soldaten (denn auf ein Null kömmt's hier bei Heiligen nicht an) in einer sehr reichen Stiftskirche seines Namens begraben. – Einer der drei Heumannsbrüder, von denen man einen elenden Volksroman in Deutschland hat, wirkt hier auch Wunder über Wunder. – Fast jede der zweihundert Kirchen, die hier sind, hat einige Heilige, von denen die Mönche und Bettler ihre Leibrenten ziehn. – Was mir von der Art hier am meisten auffiel, waren zwei hölzerne, weiß angestrichne Pferde, die auf dem schönen großen Platz mitten in der Stadt durch die Fenster eines alten Gebäudes herabschauen. Man erklärte mir dieses Denkmal durch folgende Geschichte: Man begrub eine reiche Frau aus diesem Haus. Der Totengräber sah viel kostbares Geschmeide an dem Leichnam und kam nach einigen Tagen in der Nacht, um das Grab zu öffnen und den Leichnam zu bestehlen. Kaum hatte er den Sarg aufgedeckt, als die Frau aufstand, die Laterne, welche der entflohene Totengräber in der Bestürzung zurückgelassen, in die Hand nahm und ganz gelassen nach Haus ging. Sie schellt an. Die Magd fragt zum Fenster heraus, wer da sei. Auf die Antwort, es sei ihre Frau, läuft sie zum Herrn mit dieser unerwarteten Nachricht. Diesem mochte es nicht sehr lieb sein, seine Frau wiederzusehn. "Es kann so wenig meine Frau sein", sagt er, "als meine Pferde aus dem Stall ins oberste Stockwerk hinauflaufen und zum Fenster hinaussehn." Gesagt, geschehn. Die zwei Schimmel spazieren die Treppe herauf und schauen noch auf den heutigen Tag zum Fenster heraus. Der Mann mußte nun seine Frau aufnehmen, die noch sieben Jahre lebte und ein großes Stück Leinwand spann und webte, welches man an einem gewissen Tag des Jahres in der benachbarten Apostelkirche dem Volk zeigt, wo man auch die ganze Geschichte gemalt sehen kann. – Die Stadt ist unerschöpflich reich an solchen Geschichten.
Es ist hier nicht wie an andern finstern Orten Deutschlands, wo solche Legenden bloß zur Unterhaltung des müßigen Pöbels dienen. Nein, der Kölner wird dadurch erhitzt und begeistert. Er betrachtet seine Vaterstadt als den angenehmsten Wohnsitz der Heiligen und seine Erde selbst als heilig. Er ist bereit, augenblicklich die Wahrheit dieser Geschichten mit seinem Blut zu unterzeichnen und ein Märtyrer für sie zu werden oder den Zweifler zu einem Märtyrer zu machen. Sein gallichter Humor umfaßt diese Gegenstände mit einer Hitze, die ihm beständig den Kopf schwindeln macht. Alle seine Legenden, wie du leicht an den obigen Beispielen sehen kannst, haben daher auch das Gepräge von dem melancholischen, abenteuerlichen Unsinn und der Schwerfälligkeit, welche mit diesem Humor gepaart zu sein pflegen. Die meisten Legenden der Katholiken an den Gegenden des Oberrheins, in Franken, Schwaben usw. haben immer einige romantische Züge, die ihrem jovialischen Humor entsprechen und die sanftern Gefühle reizen.
Die hiesigen Pfaffen, besonders die Mönche, wissen durchaus nichts Bessers auf die Kanzeln zu bringen als solche Legenden. Einige meiner hiesigen Freunde versichern mich, daß sie auch in den Beichtstühlen fast die ganze Sittenlehre der Beichtväter ausmachen. Die abscheulichsten Lügen vertreten hier die Stelle der sittlichen Belehrung. Klagt sich ein junger Mensch einer galanten Sünde an, so weiß ihm der Mönch nichts Bessers zu sagen, als daß erst vor einigen Tagen in der Stadt zwei junge unverehelichte Leute tot beisammen im Bette gefunden worden und ihnen der Teufel, dessen Klauen sehr erkenntliche Spuren auf den Körpern der Unglücklichen zurückgelassen, die Hälse herumgedreht hat. – Unter den vielen Predigern, die ich hier gehört habe und nach denen man in jeder Stadt den moralischen Zustand des Volks am sichersten beurteilen kann, war ein einziger, ein Karmeliter, der nicht platten Unsinn predigte.
Eine notwendige Folge davon ist, daß die Sitten des hiesigen Janhagels verderbter sind als in irgendeiner andern Stadt. Die Kirchen selbst sind hier das Rendezvous liederlicher junger Leute, wo alle Ausgelassenheit teils begangen, teils verabredet wird. Die Abendsandachten der vielen hiesigen Mönche sind der schönste Pendant zu den Winkeltheatern in den Vorstädten von Wien, in deren paarweis mit jungen Leuten besetzten Parterren man keine Hände sieht und wo man eine starke Beleuchtung scheut. Die Gärten einiger Wirtshäuser sind ganz zur Paillardise angelegt, und die Labyrinthe und die mit Gesträuche bedeckten Grotten derselben sind auf die Sonn- und Feiertäge mit bunten Paaren angefüllt. An diesen Tägen ist aller Pöbel der Stadt betrunken und tanzt und spielt und schlägt sich herum, daß er das lebendste Gemälde der alten Skythen und Deutschen darstellt.
Ehemals zählte Köln gegen 30.000 wehrhafte Männer, und im zwölften Jahrhundert konnte sie gegen das gesamte deutsche Reich eine Belagerung aushalten. Ihre Handlung war so blühend, daß sie das Haupt der Handelsstädte von der zweiten oder dritten Ordnung ward.
Ihre Lage an einem der schiffbarsten Flüsse Europens, dessen Ufer so stark bewohnt ist als irgendein Land in der Welt, der Stapel,das Stapelrecht – Köln besaß es seit 1259. Alle durchkommenden Waren mußten einige Zeit zum Verkauf angeboten werden oder dem Inhaber des S. zum Weitertransport übergeben werden die republikanische Verfassung, die vortrefflichen Landstraßen, die sie mit ganz Deutschland verbinden, und verschiedene andere Umstände begünstigten sie so sehr, daß es unter allen den Wundern, welche die Stadt enthält, gewiß nicht das kleinste Wunder ist, wie sie zum Schatten ihres ehemaligen Wesens, der sie wirklich ist, zusammenschwinden konnte. Sie zählt itzt kaum 25.000 Seelen.
Von Manufakturen kennt man hier nichts als eine Tobaksfabrike und die Spitzen, welche die Weiber und Töchter der geringern Bürger klöppeln. Aller Industriegeist ist durch das Mönchswesen und die von ihm unzertrennliche Liederlichkeit unterdrückt. Der sogenannten hiesigen Kaufleute, welche zur Bürgerschaft gehören, sind meistens nur Krämer und Kommissionärs für die Kaufleute von Frankfurt, Nürnberg, Augsburg, Straßburg, der Schweiz und andrer Länder. Nebst einigen wenigen Wechslern sind kaum zehn bis zwölf Bürgerhäuser hier, die einen beträchtlichen soliden Handel treiben. Dieser beruht auf Spezereien, womit sie Deutschland ein unbeschreibliches Geld abzapfen, auf Weinen, rohem und verarbeitetem Eisen aus den nassauischen Bergwerken, die nebst den steierischen und kärntnerischen dieses Metall in der ersten Güte liefern, auf Holz aus den obern Rhein-, Main- und Neckarländern und auf einigen andern unerheblichern Artikeln. Unter diesen wenigen Bürgerhäusern vom Gewicht sind einige Italiener und Franzosen, die den Eingebornen an Verstand, Fleiß und Sparsamkeit unendlich überlegen sind und mit diesem Kapital leicht hier ihr Glück machen konnten. Den wichtigsten soliden Handel treiben hier einige Dutzend Protestanten, die weder das Bürgerrecht erhalten können noch öffentlichen Gottesdienst haben. Sie gehen nach Mühlheim, einem schönen und nahrhaften pfälzischen Städtchen, zwei Stunden von hier, in die Kirche. Sie haben nicht nur hier selbst einige Manufakturen, sondern sind auch bei verschiedenen in den benachbarten pfälzischen und preußischen Ländern interessiert.
Wenn man den Kölnern Vorwürfe wegen ihrer Intoleranz gegen diesen bessern Teil der Einwohner ihrer Vaterstadt macht, wenn man ihnen die Stupidität, Trägheit, Liederlichkeit und Armut ihrer Bürger mit der Aufklärung, dem Fleiß, der Sparsamkeit und dem Reichtum dieser Beisässen in einen Kontrast stellt, so haben sie nicht nur keinen Sinn für diesen so auffallenden Unterschied, sondern sie deuten ihn noch obendrein zum Nachteil der Protestanten und ihrem eigenen Vorteil aus. "Diese Ketzer", sagen sie, "sind verworfene Geschöpfe. Ihre Herzen hängen an den irdischen Gütern, die ihnen Gott zuwirft, damit ihre Verdammnis noch größer werde. Gott hat in der Schrift die Reichen ausdrücklich verflucht, und ihre Schätze sind die Scheiterhaufen, auf denen sie in der andern Welt braten werden." – Bei diesen Grundsätzen, welche die Mönche hier auf allen Kanzeln predigen, ist es kein Wunder, daß ein Dritteil der Einwohner dieser Stadt bettelt.
Die vielen Schiffe, welche man hier immerfort in dem sogenannten Hafen sieht, sind der stärkste Vorwurf gegen die hiesigen Einwohner. Schwerlich ist ein Fluß in Europa, der so weit über seiner Mündung so stark befahren wird als der Rhein in dieser Gegend. Die ganze Reede an der Stadt, die beinahe eine Stunde lang ist, ist fast immer dicht mit Schiffen bedeckt. Allein die Güter dieser Schiffe, die dem Stapelrecht gemäß hier auf kölnische oder mainzische Schiffe geladen werden müssen, sind fast bloß für Rechnung auswärtiger Kaufleute.
Die holländischen Schiffe sind unter denselben die zahlreichsten und nehmen sich durch die den Holländern eigne Pracht und Reinlichkeit unter den übrigen stark aus. Sie sind wenigstens um ein Dritteil länger als unsere gewöhnlichen Seekauffahrtschiffe von zwei Masten und laden 3.000 bis 3.600 Zentner, also um ein beträchtliches mehr als besagte Seeschiffe. Sie werden von Pferden heraufgezogen, können aber mitunter auch die Segel gebrauchen, und nach dem Verhältnis ihrer Fracht haben sie kaum die Hälfte der Pferde nötig, die ein Donauschiff zu seiner Fahrt zwischen Wien und Ulm braucht. Die Eigentümer dieser ungeheuern Flußschiffe wohnen beständig auf denselben, wenn sie auch in Rotterdam sind. Solange sie vor der hiesigen Reede liegen, schenken sie alle Gattungen fremder Weine und bedienen die Liebhaber mit verschiedenen Erfrischungen nach holländischer Art. Ich hab mit verschiedenen meiner hiesigen Freunde einige sehr artige Lustpartien auf solche Schiffe gemacht, wobei auch wacker getanzt wurde. – Die hiesigen und mainzischen Schiffe, welche hier ausschließlich für den Oberrhein Güter laden dörfen, sind viel kleine holländischen, aber viele derselben sind doch groß genug, um 2.400 Zentner oder soviel als ein ordinäres zweimastiges Seeschiff laden zu können. – Alle diese Schiffe sind von Eichenholz gebaut, wohl verteert und ganz nach der Seeart eingerichtet, nur daß sie mehr in die Länge als Höhe und Breite gebaut sind.
Nichts stellt die Verfassung des deutschen Reiches in ein besseres Licht als die Beschiffung des Rheines. Jeder Fürst, so weit sein Gebiete am Ufer reicht, betrachtet die vorübergehenden Schiffe als Fahrzeuge fremder Nationen und belegt sie ohne allen Unterschied mit fast unerzwinglichen Zöllen. Es wird hiebei nicht die geringste Rücksicht genommen, ob die vorübergehenden Waren deutsche oder fremde Produkten sind, ob das deutsche Reich dabei zu gewinnen oder zu verlieren hat. Im Gegenteil werden einige Artikel der Ausfuhr Deutschlands, z. B. Wein, Holz und anderes mehr, nach dem Verhältnis des Wertes stärker verzollt als irgendeine fremde Ware. So blühend auch die Ufer des Rheines sind, so würden sie doch ungleich reicher sein, wenn sie nur einen Oberherrn hätten und man die Grundsätze einer klugen Staatswirtschaft geltend machen könnte. In den jetzigen Umständen wird die Ausfuhr der inländischen Produkte durch die unzähligen Zölle gehemmt, und es ist fast unbegreiflich, wie die Schiffahrt auf diesem Strom noch so stark sein kann.
Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert, als sich Deutschland der Anarchie nährte, in welcher es noch wirklich ist, wußten sich die rheinischen Fürsten, besonders die Geistlichen, von den unmächtigen Kaisern so viele Zölle zu erschmeicheln und zu ertrotzen, daß endlich fast jede Stadt eine Zollstätte ward. Ursprünglich gehörten alle Zölle den Kaisern selbst; allein sie brauchten so oft Geld, Mannschaft und andre Dienste, daß sie die meisten weggeben mußten, um sich Freunde zu machen. Während der Anarchie nahm man ihnen mit Gewalt, was sie nicht gutwillig hergaben, und durch Wahlkapitulationen wußte man sich im Besitz des Raubes zu erhalten. Kaiser Albrecht hatte endlich den Einfall, die der Kaiserkrone entzogenen Rheinzölle wieder mit derselben zu verbinden; allein er war dieser Unternehmung nicht gewachsen.
In dem kleinen Strich zwischen Mainz und Koblenz, welcher, die Krümmungen des Flusses mitgerechnet, kaum neun deutsche Meilen beträgt, zählt man nicht weniger dann neun Zollstätte. Zwischen Koblenz und Holland sind ihrer wenigstens noch sechzehn und jede dieser Zollstätte wirft In einem Jahr selten weniger als 25.000, gemeiniglich aber 30.000 rheinische Gulden und drüber ab. Hier sind eine Menge Artikel, welche in natura verzollt werden und einen Teil der Besoldung der Zollbedienten ausmachen, nicht mitgerechnet. – Ein alter englischer Schriftsteller hat schon dieses Zollsystem der deutschen Fürsten, welches zum allgemeinen Verderben ihrer Länder gereicht, eine unbegreifliche Raserei genennt. Es ist auch gar zu sehr von den Grundsätzen einer Regierung verschieden, die, anstatt von den auszuführenden inländischen Produkten Abgaben zu nehmen, für dieselbe noch Prämien bezahlt. Alles, womit nur feindselige Mächte einander schikanieren können, wird hier zur gegenseitigen Bedrückung gebraucht. Die Stadt Trier behauptet auf der Mosel das Stapelrecht. Nun hat man Beispiele, daß die Stapelgerechtigkeit eines Ortes an einen gemächlichern Platz des nämlichen Fürstentums verlegt wurde. Um die Stapelorte Mainz und Köln zu kränken, fiel der Kurfürst von Trier demnach auf den Einfall, sein Stapelrecht von Trier nach Koblenz zu verlegen, wo es für ihn ungleich einträglicher, aber auch für die Schiffahrt auf dem Rhein und die Ausfuhr von Deutschland überhaupt viel verderblicher sein würde. Zum Glück konnte er wegen zu starkem Widerspruch zu Wien seinen Einfall nicht realisieren. Das ewige Gezerre zwischen diesen Fürsten veranlaßte schon einige Kongresse, woran auch unser Hof wegen Elsaß, welches unbeschreiblich darunter leidet, teilnahm. Allein alles, was beschlossen ward, diente nur zum Stoff neuer Zerrereien. Man muß sie sich balgen lassen, bis sie irgendein Mächtiger auf einmal zusammen ausbalgt. – Eine große Revolution steht für diese Länder zu erwarten, wenn der Erzherzog Maximilian einst die Regierung von Köln und Münster wird angetreten haben. Schwerlich könnten diese Länder bei dieser Revolution, sie mag ausfallen, wie sie will, etwas verlieren.
Die jetzige Regierung des Erzbistums Köln und des Bistums Münster ist ohne Vergleich die aufgeklärteste und tätigste unter allen geistlichen Regierungen Deutschlands. Die ausgesuchtesten Männer bilden das Ministerium des Hofes von Bonn, und nebst dem Einfluß desselben wirkt für das Wohl des Bistums Münster besonders noch der kluge und warme Patriotismus seiner Landstände. Die Geistlichkeit beider Fürstentümer sticht mit jener der Stadt Köln durch gute Sitten und Aufklärung erstaunlich ab. Vortreffliche Erziehungsanstalten, Aufmunterung des Ackerbaues und der Industrie und Vertreibung des Mönchswesens sind die einzigen Beschäftigungen des Kabinetts von Bonn.
Das Kurfürstentum Köln trägt jährlich gegen eine Million rheinische Gulden ein, und die Einkünfte des Bistums Münster sollen gar 1.200.000 Gulden betragen. Nebst diesen zwei mächtigen Fürstentümern soll der Erzherzog Maximilian auch noch das Bistum Paderborn erhalten, welches jährlich gegen 600.000 Gulden abwirft. Einige lassen es für diesen liebenswürdigen Prinzen noch nicht genug sein und behaupten, der kaiserliche Hof habe die Sache auch zu Lüttich schon dahin eingeleitet, daß auch das dortige Kapitel seine alte Halsstarrigkeit vergessen und sich geneigt gezeigt habe, nach dem Tod des jetzigen Fürsten den Erzherzog zum Bischof zu wählen. Dieses Bistum wirft wenigstens 1.200.000 Gulden ab, wovon aber, so wie zu Münster, der beträchtlichste Teil in die Kasse der Landsstände fließt, die gegen die Eingriffe des Fürsten ziemlich gesichert ist. Der Prinz würde also, die Einkünfte des Deutschmeistertums, welche ohngefähr 400.000 Gulden betragen, mitgerechnet, ein Fürst von 4.400.000 Gulden Revenuen und nach den weltlichen Kurfürsten der mächtigste in Deutschland sein. In Rücksicht dessen machte der preußische Hof, dessen westfälische Staaten auf diese Art sehr ins Gedränge kommen, nachdrückliche Vorstellungen zu Bonn und Münster gegen die Ernennung des Erzherzogs zu einem Koadjutor, die aber keine Wirkung hatten. Wirklich ist diese Beförderung des kaiserlichen Prinzen ein großer Schritt zur Aufhebung des Gleichgewichts in Deutschland. Eine Sprosse des übermächtigen kaiserlichen Hauses, welches ihn mit der Macht seiner Niederlande so leicht unterstützen kann, mitten zwischen vielen kleinen Fürstentümern, die teils mit Kreaturen seines Hauses besetzt sind, teils sich an ihn schmiegen müssen, und so überlegen, wie er den benachbarten westfälischen Staaten des Königs von Preußen und des Kurfürsten von der Pfalz würde, wär nicht nur für den größten Teil des deutschen Reiches, sondern auch für die Republik Holland in gewissen Umständen sehr förchterlich. Er könnte, besonders wenn er mit einigen Subsidien von Wien unterstützt würde, leicht eine Armee von etlichen und zwanzigtausend Mann auf den Beinen halten, die, vereinigt mit den kaiserlichen Truppen in den Niederlanden, in sehr kurzer Zeit eine Armee von etlichen und fünfzig- bis sechzigtausend Mann bilden und weit und breit umher Schrecken verbreiten könnte. Ein Bischof von Münster ganz allein konnte ehedem der Republik Holland genug zu schaffen machen.