Johann Kaspar Riesbeck
Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland
Johann Kaspar Riesbeck

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Hamburg

Der Körper, lieber Bruder, befindet sich durchaus in Norddeutschland grade um soviel schlechter, als sich der Geist überhaupt besser befindet als in Süddeutschland. Jenseits des Erzgebirges sind die Wirtshäuser, Straßen, Postwägen und alle Dinge, die auf den Tiermenschen wirken, in dem besten Zustand. Diesseits des Erzgebirges sind die Wirtshäuser auf dem Lande nicht viel besser als die spanischen. Die Straßen sind wie die ungarischen, und anstatt der Postkutschen hat man hier eine Art großer und plumper Bauernwagen ohne Dach und Fach, worauf sich die Passagiers aufs Stroh hinlegen, wie die Schweine, und allem Ungemach der Witterung ausgesetzt sind. Dagegen findet man hier überall die besten Gesellschaften, fast in jeder noch so kleinen Stadt einige merkwürdige Fabriken, Sammlungen von Kunstsachen, Bibliotheken, Mäurerlogen und dergleichen mehr, und fast jeder Landpfarrer hat hier mehr Welt- und Menschenkenntnis als mancher Hofmann in Süddeutschland.

Die Natur hat im physischen Betracht beide Hälften Germaniens schon sehr verschieden gemacht. Sachsen, welches der beste Teil vom nördlichen Deutschland ist, kömmt in Rücksicht auf natürliche Fruchtbarkeit doch mit Böhmen, Österreich, Bayern und Schwaben in keinen Vergleich, und der Boden von Brandenburg, Pommern und Mecklenburg hat nicht halb soviel natürlichen Wert als der von Süddeutschland in gleicher Größe.

Das Herzogtum Mecklenburg ist ohngefähr so groß als das Herzogtum Württemberg. Dieses zählt 560.000 Einwohner und trägt seinem Fürsten beinahe zwei Millionen Reichstaler ein, da jenes kaum 220.000 Menschen enthält und nicht viel über 400.000 Reichstaler abwirft, wovon die schwerinische Linie der Herzoge drei und die strelitzische ein Viertel zieht. Bei der so ungleich stärkeren Bevölkerung könnte das Württembergische doch noch sehr gemächlich alle Einwohner Mecklenburgs mit seinem Überfluß ernähren. Wenn man einen Kalkül machte, so würde sich finden, daß das Herzogtum Württemberg fünf- bis sechsmal soviel natürlichen Wert hat als das mecklenburgische, ungeachtet der vorteilhaftern Lage des letztern an der See.

Im malerischen Betracht ist das Mecklenburgische schöner und mannigfaltiger als die Mark Brandenburg, ob man schon in beiden Ländern keine eigentlichen Berge zu Gesicht bekömmt, denn die Dinge, welche man in diesem ganzen Strich mit dem Titel von Gebirgen beehrt, sind im Vergleich mit wahren Gebirgen nur Maulwurfhaufen. Unterdessen sah ich doch in Mecklenburg einige sehr reizende Landschaften, wo sanfte, mit mannigfaltigem Gehölze bekränzte Hügel, wogichte und mit Getreide vergoldete Anhöhen und prächtige Wiesen mit einigen Bauernhütten rings um einen kleinen See her ein vortreffliches Gemälde ausmachten.

Die mecklenburgischen Bauern sind ein schöner und starker Schlag Menschen. Ihr lockichtes und blondes Haar erinnert den Reisenden an die alten Germanier, die dem römischen Luxus ehedem die auream caesariemlat. – blondes Haar, war in der Römerzeit, besonders als Frauenhaar ein wichtiger Exportartikel lieferten, welche auf dem Kopf eines dünnbeinichten, bleichgelben und hustenden jungen Senators oder einer hohlaugichten Liebhaberin der Tiere mit den langen Ohren, wofür Juvenal einen Teil der Damen seiner Zeit ausgibt, die größte Satire auf das Verderben Roms in den Augen des Denkers sein mußte.

Alle Bauern in Mecklenburg sind zwar Leibeigne; allein ihr Schicksal ist eben so hart nicht, weil der Adel menschlich, aufgeklärt und sehr gesittet ist. Dieser genießt nebst den Bürgern einiger Städte hier eine Freiheit, die er schon vor langer Zeit im ganzen übrigen Deutschland verloren hat. Die Herzoge von Mecklenburg nebst dem Kurfürsten von Sachsen sind die eingeschränktesten Fürsten des Reichs, und keine Reichshofratsreskripte, die sie in den vielen Streitigkeiten mit ihren Landständen schon ausgewirkt haben, konnten bisher noch den Adel demütigen, der seine Eifersucht auf die Gewalt der Regenten oft bis ins Lächerliche treibt. Die Herzoge erhielten durch den Teschner Friedensschluß zur Befriedigung ihrer Ansprüche auf die Landgrafschaft Leuchtenberg das sogenannte Ius de non appellando oder das Recht, kraft dessen keine Streitigkeit von ihren Gerichten an die Reichstribunalien gezogen werden kann. Sie glaubten nun ein entscheidendes Übergewicht über ihre Landstände zu haben; allein diese protestierten gegen dieses Privilegium, weil dadurch ihre Freiheiten vernichtet würden, und die Sache ist noch nicht ausgemacht. Wahrscheinlicherweise werden sich die Herzoge im Besitz eines Rechtes erhalten, welches außer den Kurfürsten wenige andre Reichsstände besitzen, und dadurch eine vollkommne Souveränität in ihren Landen erhalten.

Wenn ich euch Leuten in der großen Welt sage, daß man an der Löcknitz, Stör, Recknitz, Warnow und an andern Flüssen, die ihr in eurem Leben nicht habt nennen gehört und die nichtsdestoweniger so gut als die Somme, Schelde, Sambre usw. und zum Teil auch schiff bare Flüsse sind, sehr gute Gesellschaften findet, so sprecht ihr einstimmig das Urteil, mein Geschmack sei durch die grobe deutsche Luft verdorben worden. Unterdessen versichre ich euch, ihr würdet die Gesellschaft selbst gutheißen, wenn ihr auch, warm in euren Betten parfümiert und wohl eingeschlossen in euren Kabinettchen, durch den Schlag eines magischen Stabes in einen Zirkel von mecklenburgischem Adel versetzt würdet, ohne nur ein Drachma deutsche Luft unterwegs einzuatmen, und wenn ihr auch gleich keine Academiciens, keine Abbés, keine Virtuosen, keine Journalisten, keine Komödianten und keine von den Personen findet, welche ihr zur Würze eurer Gesellschaften braucht. Die Natur, der gesunde Menschenverstand und die reine Gutherzigkeit geben dem Umgang hier eine kräftigere und nahrhaftere Zubereitung als eure Histoires und Anecdotes du jour, eure Komödien, fliegende Broschüren und alle eure künstlichen Brühen, worunter ihr auch so viel Asa foetida zu mischen pflegt. Geselliger und gastfreier fand ich noch keinen Adel als den von Mecklenburg, besonders in und um Güstrow. Er ist auch mit der feinen Lebensart und der großen Welt so unbekannt nicht, als ihr wohl wähnt. Die Tafeln sind hier vortrefflich besetzt, und man findet viele Leute mitunter, die eine große praktische Kenntnis vom Hofleben haben. Die Literatur ist durch alle Stände, die über dem Pöbel sind, ausgebreitet. Die Frauen wissen nichts davon, was Tongeben heißt. Sie haben nichts von dem Vordringlichen und Herrischen und auch nichts von Eroberungssucht unserer Landsmänninnen. Sie sind sanft, nachgiebig gegen ihre Gatten, still und züchtig. Allein alles, was sie reden, ist so naiv und so herzig, daß mir der Witz unserer berühmtesten Gesellschafterinnen im Kontrast damit anekeln würde.

Ich fand es sehr natürlich, daß ich auf meinen deutschen Reisen durchaus sehr viel von dem jetzigen Krieg sprechen hörte. Die Nation nimmt wenigstens in Rücksicht auf ihre Miettruppendie deutschen Fürsten verkauften dem englischen König 30.000 Soldaten einigen Teil daran, und da sie seit einem Jahrhundert der Mittelpunkt aller europäischen Kriege war und überhaupt sehr kriegerisch ist, so wundert es mich eben nicht, daß über hundert inländische Zeitungen kaum hinreichend sind, ihren Hunger nach Kriegsneuigkeiten zu stillen. Unerklärlich ist mir aber die große Parteilichkeit der Deutschen für die Engländer. Unter hundert Deutschen findest du kaum einen, der unsre Partei nimmt. Besonders sind die Mecklenburger bis zur Schwärmerei für die Briten eingenommen. Ich war an vielen Orten, wo man kleine gesellschaftliche Feste gibt, wenn die Göttin mit den zwo Trompeten,one before and one behind,ob sie "eine Trompete zuvor und die andere danach" bläst, wissen wir nicht ein den Engländern günstiges Gerüchte verbreitet. Man findet etwas Großes in den Taten und dem Charakter der Briten, welches man auf unsre Kosten bis zur Abgötterei verehrt und bewundert. Auch außer den Kriegsoperationen sind die Deutschen bis zur Ausschweifung gegen uns unbillig. Man hält unsre Regierung für die Quintessenz des Despotismus und uns überhaupt für ein tückisches und betrügerisches Volk, da wir doch Bonhomie und Offenherzigkeit für unsre Hauptnationaltugenden halten, die uns auch viele Ausländer zugestanden haben. Die Projekteurs und Aventuriers, welche Frankreich ausgeworfen hat und die in Deutschland ihr Glück zu machen suchten, mögen das meiste zu diesem Vorurteil beigetragen haben. Ich könnte es den Deutschen nicht verzeihen, unsre ganze Nation nach diesem Auswurf so einseitig zu beurteilen, wenn ich nicht wüßte, daß man bei uns ebenso ungerecht gegen sie ist und den Baron, der mit seinem bordierten Rock und seiner bordierten Weste in Paris manchmal eine drollichte Figur spielt, als das Muster vom deutschen Adel betrachtet. Die Nationen müssen überhaupt einander viel verzeihen, und es ist auch sehr leicht zu verzeihen, wenn die Vorurteile dieser Art, wie in Frankreich und Deutschland, den Individuis unschädlich sind, sosehr auch die Nationalehre darunter leiden mag. In England, Holland und einigen andern Ländern haben sie für den Partikularen öfters schlimme Folgen, und dies ist unverzeihlich.

Der erste Anblick des Innern der Reichs- und Hansestadt Hamburg ist sehr ekelhaft und abschreckend. Die meisten Straßen sind eng, dumpficht und schwarz, und das gemeine Volk, welches sie durchwühlt, ist grob, wild und im ganzen auch nicht sehr reinlich. Sobald man aber in einigen der bessern Häuser bekannt ist, bekömmt man einen vorteilhaftern Begriff von der Stadt. In den Häusern der reichern Kaufleute herrscht Gemächlichkeit, Reinlichkeit, Pracht und zum Teil auch Verschwendung. Die Hamburger sind die ersten Protestanten, die ich sah, welche im Essen und Trinken gut deutsch-katholisch geblieben sind. Ihre Tafeln übertreffen noch jene der Wiener, Grazer, Prager und Münchner, und vielleicht wird nirgends in der Welt so viel auf den sinnlichen Geschmack raffiniert als hier. Die Gärtnerei ist in wenig Städten Deutschlands so blühend als hier, und doch begnügt man sich nicht mit den vortrefflichen Zugemüsen, welche der vaterländische Boden liefert, sondern beschreibt sich manche Gattungen derselben aus England, Holland und einigen Gegenden Deutschlands, bloß weil die Mode den ausländischen Gewächsen einen Vorzug beigelegt hat. Aus Norden, Osten, Süden und Westen treibt man alles zusammen, was nur jedes Land Eigenes und Kostbares für den Tisch hat. Es würde deinen Glauben übersteigen, wenn ich dir ein vollständiges und getreues Gemälde von der hiesigen häuslichen Lebensart machte. Du kannst dir einigen Begriff davon machen, wenn ich dir sage daß man in den guten Häusern hier zu jeder Speise einen besondern Wein gibt. Nach der hier allgemein herrschenden Grundlehre des Essens und Trinkens hat der Burgunder, der Champagner, der Malaga-, Porto-, Madeira-, Rhein- und Moselwein jeder seine besonders angewiesene Speise, auf welche er paßt, und so wie die Tracht kömmt, für welche die Natur nach dem Ausspruch des weisen Hamburgers diese oder jene Gattung Wein geschaffen hat, so werden frische Gläser mit der gehörigen Sorte gekredenzt. Zu jungen grünen Bohnen, die Schüssel oft für einen Dukaten, mit neuen Heringen, das Stück oft um einen Gulden, trinkt der Hamburger gewiß keinen andern als Malagawein, und zu neuen grünen Erbsen ist der Burgunder das anständige Vehikulum. Austern müssen notwendigerweise im Champagner schwimmen, und ihre köstlichen gesalzenen Fleische werden bloß mit Porto- oder Madeirawein konvoyiert. Du mußt nicht glauben, dies geschehe bloß bei Feierlichkeiten. Nein, es ist die alltägliche Art der hiesigen Reichen. Die ganze übrige Lebensart stimmt mit diesem Geschmack überein. Ich mußte schon einige Besuche in den Landhäusern vor der Stadt machen, die unzählig sind. Equipage, Möbeln, Spieltische, kurz, alles entsprach dem Reichtum der Tafel. Eine gewöhnliche Gesellschaft von Leuten von Stand zu Paris ist selten glänzender, als die hiesigen Partien in den Sommerhäusern sind, und schwerlich wird in Paris im ganzen so hoch gespielt als hier. Häuser, die jährlich 20- bis 30.000 Livres verzehren, gehören noch unter die mittelmäßigen, und wenn sich gleich die Familien bloß durch ihre Industrie erhalten müssen und fast gar kein Adel hier ist, der seine gewissen Revenuen von liegenden Gründen hat, so sind doch der Häuser, die 40-, 50- bis 60.000 Livres zu ihrer Wirtschaft brauchen, sehr viele.

Bei dem Hang zur Sinnlichkeit vernachlässigt man aber hier doch den Geist nicht wie in Süddeutschland. Die Hamburger von der höhern Klasse sind noch munterer, geselliger, gesprächiger und witziger als die Sachsen. Man findet hier viele Gelehrte vom ersten Rang. Besonders steht hier die Naturgeschichte in großer Achtung, wie denn auch ein Hamburger dem Ritter Linné die Grundidee zu seinem Natursystem gegeben hat. Da viele der hiesigen jungen Leute meistens des Handels wegen auf einige Zeit nach London, Petersburg, Bordeaux, Cadiz und nach andern Seeplätzen gehn, wo sich Äste von hiesigen Handelshäusern angepflanzt haben, so trifft jeder Fremde hier Leute an, die mit seinem Vaterland bekannt sind. Überhaupt reisen die Hamburger viel, welches die hiesigen Gesellschaften besonders lebhaft und unterhaltend macht.

Das hiesige Frauenzimmer ist schön, artig und freier im Umgang, als es in protestantischen Städten gemeiniglich zu sein pflegt. Überhaupt herrscht hier eine Lebhaftigkeit, die man so tief in Norden nicht suchen sollte und welche mit den holländischen Handelsplätzen stark absticht. Ohne Zweifel trägt die gute Tafel das meiste dazu bei. Eine dieser Stadt ganz eigne Belustigungsart bietet der Alsterfluß dar. Er fließt von Norden fast mitten durch die Stadt und bildet in derselben einen See, der wohl seine 1000 Schritte im Umfang haben mag. An den jetzigen schönen Sommerabenden ist dieser See fast ganz mit einer Art Gondeln bedeckt, die aber nicht so traurig aussehn als die venezianischen. Man speist, familien- und partienweise fahrend, in diesen Gondeln mit der gewöhnlichen Niedlichkeit der Hamburger zu Nacht, und ein mit Musik besetztes Fahrzeug schlängelt sich öfters durch die gedrängten Reihen dieser Gondeln durch. Das Ganze hat eine unbeschreiblich gute Wirkung, besonders da nahe bei dem See ein öffentlicher, stark besuchter Spazierplatz ist, dessen Lebhaftigkeit jene des Sees noch sehr erhebt.

Nahe über der Stadt liegen an der Elbe einige Dörfer, die Vierlande genannt, die im Sommer auch ein besonderer Tummelplatz des öffentlichen Vergnügens sind. Die Bauern dieser Dörfer sind sehr wohlhabend und ziehn durch ihre vortrefflichen Gemüse, besonders ihre berühmten grünen Erbsen, eine unglaubliche Summe Geldes aus der so leckerhaften Stadt. Täglich findet man im Sommer Lustpartien von Stadtleuten in diesen Dörfern, wo ebensoviel Reinlichkeit als Überfluß im Essen und Trinken herrscht. Die unvergleichlich schönen Baurenmädchen, deren Kleidung die schönste ist, die ich je unter Landmädchen gesehn, locken, auf Kosten ihrer Unschuld, die jungen Herren schwarmweise aus der Stadt, von denen sich mancher auch auf einige Wochen unter dem Vorwand einer Milchkur in einem der Dörfer einquartiert, um seiner Liebe nachhängen zu können. Läßt dieselbe sichtbare Spuren zurück, so haben die Bordells und die Zuchthäuser der Stadt eine neue Akquisition gemacht, die sie immer wechselsweis einander abtreten, bis die Ware ins Hospital muß. Diese sogenannten Vierlande liefern der Stadt nebst den Zugemüsen, der Butter, Milch, dem Heu und dergleichen mehr auch die meisten Freudenmädchen und die meisten öffentlichen Spinnerinnen. – Das hart an der Stadt gelegene Altona bietet den Hamburgern noch unzählige Gelegenheiten, sich zu belustigen, dar. Der König von Dänemark, welcher diesen Ort aus Eifersucht auf Hamburg auf alle Art blühend zu machen sucht, scheint den Bordells und Wirtshäusern dieser Stadt ebensoviel Abbruch als der Handlung derselben tun zu wollen. Durch seine Bemühungen ist Altona wirklich in kurzer Zeit aus einem Dorf eine Stadt von ohngefähr 35.000 Einwohnern geworden, unter denen aber freilich sehr viel Gesindel ist.

Die Gegend um Hamburg ist sehr reizend, ob sie schon eben ist. Der mannigfaltige und fleißige Anbau gibt sehr viel Leben. Das meiste trägt aber das Gewässer zu ihrer Schönheit bei. Der Fluß, welcher der Stadt unsägliche Vorteile verschafft und den sie als die äußerste Zollstadt größtenteils beherrscht, hat vor derselben 7/4 Stunden in der Breite und bildet verschiedene Inseln, auf welche man auch häufige Lustpartien macht. Der Anblick dieses mächtigen, stark beschifften und zum Teil mit schattichten Inseln bedeckten Stromes hat viel Majestät.

Ungeachtet des vielen Gewässers und der tiefen Lage der Stadt ist die Luft hier doch sehr gut, weil sie immerfort und von allen Seiten von starken Winden gereinigt wird. Der Nordwestwind ist der Stadt sehr gefährlich. Er hemmt den Ausflug des Stromes und verursacht ungeheure Überschwemmungen, welche oft den untern Teil der meisten Häuser mit Wasser anfüllen und auf dem Lande umher unbeschreibliche Verheerungen anrichten.

Hamburg ist ohne Vergleich die blühendste Handelsstadt in Deutschland. Außer London und Amsterdam ist schwerlich ein Handelsplatz in Europa, wo man immerfort so viele Schiffe sieht als hier. Das hiesige Gewerbe beruht freilich größtenteils nur auf Kommissionen und Speditionen, allein der eigentümliche und solide Handel der Einwohner ist daneben doch auch sehr beträchtlich. Spanien und Frankreich sind für den hiesigen Handel die wichtigsten Länder, besonders ist das Verkehr mit dem ersten Reiche sehr vorteilhaft für die hiesigen Kaufleute. Hamburg versah Spanien bis hieher größtenteils mit Leinwand und lieferte ihm auch eine ungeheure Menge Eisen, Kupfer und andre nordische Artikel. Die Preußen, Dänen, Schweden und Russen geben sich zwar alle Mühe, ihre Produkten selbst den Spaniern zuführen zu können, allein es hält schwer, die Handlung aus einem alten Gang zu bringen, und viele Kaufleute in Norden finden den Zwischenhandel der Hamburger zu gemächlich und zum Teil auch zu vorteilhaft für sich, als daß diese in Gefahr stünden, diesen Handlungskanal ganz zu verlieren. Die Remessen bleiben zu lange aus Cadiz aus, und wenn eine Nation nicht durch den Warentausch sich immerfort bezahlt macht, so ist der Handel mit Spanien sehr beschwerlich. Nun ist aber Hamburg immerfort an Spanien schuldig, oder es bezieht allzeit mehr Waren aus diesem Reich, als es demselben liefern kann (die Kriegszeiten ausgenommen, wo die Schiffsbaumaterialien, Munition und dergleichen mehr einen Unterschied machen). Es ist also sehr natürlich, daß ein Teil der nordischen Ausfuhr leichter durch die Hände der Hamburger geht, die ordentlich und geschwinde bezahlen können, dahingegen das Abwarten der Schiffe von Havanna, welche die Seele des ganzen spanischen Handels sind, oft den nordischen Kaufmann in Verlegenheit setzt.

Zuckerrohr ist der Hauptartikel, den Hamburg aus Spanien zieht und womit es ungeheure Summen gewinnt. Keine Nation hat es bisher den Hamburgern im Zuckersieden zuvortun können, und der Handel mit diesem Artikel erstreckt sich durch ganz Deutschland, Polen und einen großen Teil der Nordländer. Weine, Salz, Baumwolle, Früchte usw. sind ebenfalls sehr wichtige Artikel, die Hamburg den Spaniern abnimmt und womit es einen sehr ausgebreiteten Handel in Norden treibt. Nebst dem machen die Kattun-, Strümpf- und Bandfabriken, die Spezereien und der Fischfang einen großen Teil des soliden Handels dieser Stadt aus. Nirgends gibt es auch feinere und kühnere Spekulanten als hier. Kein Umstand, kein Augenblick, der einem gewissen Artikel günstig ist, entgeht ihnen. Der jetzige Krieg hat hier erstaunliches Geld aufgehäuft.

Die aufgeklärten und patriotischen Regenten dieser Stadt unterlassen nichts, was zur Ausbreitung der Handlung beitragen kann. Vor mehrern Jahren suchten sie wegen dem Anschein großer Vorteile ihren Mitbürgern den Handel nach den Küsten der Barbarei zu eröffnen. Die Holländer wurden eifersüchtig darauf und machten den König von Spanien glaubend, die Hamburger führten zu seinem Nachteil den Sarazenen Kriegsvorrat zu. Der König ergriff diesem Wahn gemäße Maßregeln, welche den hiesigen Kaufleuten diesen neuen Kanal verstopfen, dem sie den ungleich wichtigern Handel mit den Untertanen desselben nicht aufopfern konnten.

Auf allen Seiten ist diese Stadt im Gedränge mächtiger Rivalen, über deren Bedrückungen aber allzeit ihre Industrie, Klugheit und Freiheit siegen. Die dänische Regierung unterläßt nichts, was dieser Stadt schaden kann. Oft sucht sie dieselbe ohne einen abzusehenden Vorteil bloß zu necken. Die dänischen Minister glauben, der Kanal, wodurch sie die Ostsee mit dem deutschen Meere vermittelst des Eiderflusses wirklich verbinden wollen, werde der Handlung von Hamburg und Lübeck unheilbare Wunden versetzen; allein die Regierung und der kluge Teil der hiesigen Bürgerschaft sind so ruhig darüber, als wenn Seine dänische Majestät einen Kanal in Grönland graben ließe. Auf der andern Seite erschwerte der König von Preußen durch seine fürchterlichen Zölle die Kommunikation dieser Stadt mit Sachsen vermittelst der Elbe, die für beide Teile ungemein wichtig ist. Der weise Rat von Hamburg trat hierauf in Unterhandlung mit den Regierungen von Hannover und Braunschweig und entwarf den Plan zu einer Straße, welche den Handel zwischen Sachsen und dieser Stadt erleichtern sollte. Der König von Preußen sah, daß nun seine Elbzölle eher ruiniert würden als die Handlung zwischen Hamburg und Sachsen, und setzte sie demzufolge herab. Sie sind immer noch sehr lästig für die Sachsen und Hamburger, allein sie müssen doch in gewissen Schranken bleiben.

Aller Bedrängnisse ungeachtet, hat die Handlung dieser Stadt in diesem Jahrhundert immer zugenommen. Die durch den stärkern Anbau, die wachsende Bevölkerung und den Luxus der Nordländer vermehrte Konsumtion hat ohne Zweifel das meiste hiezu beigetragen. Allein bloß die Freiheit würde imstand gewesen sein, eine Menge Hindernisse zu besiegen, welche feindselige Nachbarn der hiesigen Handlung in den Weg zu legen suchten. Während daß die benachbarten Regierungen ihre mannigfaltigen Akzis- und Mautsysteme einführten und dadurch ihren Untertanen so viele Handlungskanäle verstopften, eröffnete man hier der Aus- und Einfuhr der Waren ohne den geringsten Unterschied alle mögliche Türen und suchte die Zölle eher zu verringern als zu erhöhen. Diese uneingeschränkte Handlungsfreiheit entspricht vollkommen der Verfassung und der Lage der Stadt, und sie war das einzige Mittel, welches die kluge Regierung derselben ergreifen konnte, um die Republik aufrechtzuerhalten. Wenn aber die Stadt nicht eine besondere selbständige Republik ausmachte, so würde diese eingeschränkte Handlungsfreiheit dem Staat, welchem die Stadt zugehörte, sehr nachteilig sein, indem sie zum Teil auf dem Luxus und der Verschwendung des benachbarten platten Landes beruht und nur auf Kosten andrer Teile dieses Staates bestehen könnte. Die hiesigen Politiker haben recht, wenn sie behaupten, die uneingeschränkteste Handlungsfreiheit sei die Grundfeste des Wohls ihrer Vaterstadt; allein sie haben sehr unrecht, wenn sie, wie sie allgemein tun, das preußische Akzissystem für ein wahnsinniges und land- und leutverderbliches Unternehmen hatten. Mit einer einzeln unabhängigen Stadt verhält es sich ganz anders als mit einem großen Staat. Die Handlung, welche die Herren Hamburger bereichert, macht viele Holsteiner und Mecklenburger arm, denen sie soviel Geld für Kaffee, Zucker, Wein und dergleichen mehr abzapft, und sie könnte des Königs von Preußen beste Provinz in kurzer Zeit zugrunde richten, so wie die blühende Handlung von Danzig sehr viel zur Verarmung des ganzen weiten polnischen Reiches beigetragen hat. Wenn Hamburg ein beträchtliches Gebiet hätte, so würden seine Regenten bald die schlimmen Folgen einer unbedingten Handlungsfreiheit empfinden, wenigstens wenn sie nicht, wie die Regenten einiger andern Republiken, das Landvolk den Bürgern der Stadt gänzlich aufopfern wollten. Unterdessen hat bloß das Geschrei der aus- und inländischen Kaufleute, von denen der König von Preußen seine Bauren nicht will plündern lassen, ihn bei den Leuten von Herrn Wraxalls Art in den Ruf der Tyrannei gebracht.

Das Vermögen der hiesigen Einwohner ist einer beständigen Ebbe und Flut gleich. Die kostbare Lebensart ist die Ursache, daß wenige sehr reiche Häuser hier sind und vielleicht keines aufzufinden ist, das sich über sechzig Jahre lang in einem gewissen Glanz erhalten hat. Das ungeheure Vermögen dieser so mächtigen Handelsstadt ist so sehr verteilt, daß nicht über fünf Millionärs hier zu finden sind, aber die Zahl der Häuser von 300- bis 600.000 Gulden ist sehr groß. Sobald es ein Kaufmann auf die 100.000 Gulden gebracht hat, muß er seine Equipage und seinen Garten haben. Sein Aufwand steigt mit seinem Vermögen, und dann ist der kleinste Schlag imstand, ihn wieder in den Kot zurückzuwerfen, aus dem er sich freilich wieder sehr leicht herausarbeiten kann. Hamburg ist darin wirklich einzig, daß man hier viele Leute findet, die zwei-, drei- und viermal bankrutt geworden und doch wieder bei Kräften sind. Der Mann, der seine 200 bis 300.000 Gulden Vermögen hatte und sowohl in seiner Wirtschaft als auch in seinen Handelsgeschäften mehr Lärmen damit machte als mancher Amsterdamer mit vielen Millionen, verliert augenblicklich sein Comptoir, sein Haus, seine Magazine, seinen Garten, seine Kutschen und Pferde, läuft des andern Tages wieder als Mäkler in der Stadt herum, und kaum ist sein altes Hab und Fahrt vom Gerichte verkauft, so hat er schon wieder sein Comptoir, kauft sich wieder ein Haus, fährt gar bald wieder mit zwei prächtigen Holsteinern herum, hat wieder seinen Garten, seinen Koch, seine Spieltische, und, husch! ist er wieder ein Mäkler. Die unbeschreibliche Leichtigkeit, das Geld umzusetzen, macht die Kaufleute hier zu kühn, und ein Hamburger macht mit 50.000 Gulden gewiß mehr Geschäfte als ein Holländer mit 200.000; allein dagegen ist er auch den schlimmen Zufällen mehr ausgesetzt als dieser. Die Sicherheit, in seinem Alter nicht darben zu müssen, macht ihn vollends sorglos. Nirgends hat man für die Bankruttiers so günstige Einrichtungen als hier. Sie erhalten, wenn sie nicht wieder mäklen und ihr Glück von neuem versuchen wollen, Stadtdienste, von welchen sie gemächlich leben können, und man hat auch besondre Fonds, um arme Bürger, unter denen man hier nichts als Bankruttiers versteht, zu unterstützen. Überhaupt findet man nirgends so vortreffliche Armenanstalten als hier. Man sieht überall, daß Bankruttiers von jeher Teil an der Gesetzgebung und Staatsverwaltung gehabt haben und sich und ihre Nachkommenschaft auf alle Fälle sichersetzen wollten.

Die schnellen und beständigen Revolutionen in den Handelshäusern geben hier dem Kaufmannsgeist einen Schwung, den er nirgends in der Welt hat. Nirgends tut das kaufmännische Genie so viele Wunder als hier. In richtigen Beurteilungen, Kalkulationen, Spekulationen und glücklichen Coups übertreffen die Hamburger weit die Holländer, und unter den hiesigen Mäklern findet man mehr echte Handlungstheorie als in manchen dicken Büchern, die hierüber geschrieben worden. Nur muß man dieselbe nicht statistisch betrachten wollen, denn für Zölle, Akzise und alles, was dem modernen Judaismus im Weg steht, haben sie keinen Sinn. Der Schliff und die Biegsamkeit, welche die häufigen und mannigfaltigen Zufälle dem hiesigen Handlungsgeist geben, sind in Rücksicht auf das Ganze ein größeres Kapital als die Millionen der Holländer, die geschickter sind, das Geld zu behalten als zu erwerben. Mit der nämlichen Leichtigkeit, womit der Hamburger fällt, arbeitet er sich auch wieder empor, dahingegen der Holländer ohne die äußerste Kärglichkeit und angestrengten Bemühungen sein Glück nicht machen kann und, überhaupt genommen, bloß durch den Fleiß und Sparsamkeit seiner Ahnen vermögend ist. Reiche Erben sind hier, nach dem Verhältnis der ganzen Geldmasse, sehr selten, weil dieselbe zu sehr verteilt und ihre Ebbe und Flut zu schnell ist. Verstand und Industrie sind hier das Hauptkapital des einzeln Kaufmannes.

Der ganz uneingeschränkte Kredit der hiesigen Bank ist ein Beweis, wie vermögend die Stadt im ganzen ist und wie richtig man hier über alles denkt, was Bezug auf die Handlung hat. Die Grundsätze, wornach diese Bank eingerichtet ist, sind die einfachsten, die sich denken lassen. Kein Papier, keine gewisse Münzsorte, kein eingebildeter Wert, sondern das wirklich bar daliegende und nach dem Pfund abgewogene Silber ist die Grundfeste dieser Bank, die sich bei allen Fremden in so großes Ansehen gesetzt hat und gewiß auch unter allen, die man nur kennt, die solideste ist.

Die Regierungsverfassung von Hamburg ist vortrefflich. Ich kenne keine Republik, die das Mittel zwischen Aristokratie und Demokratie so glücklich traf und sich gegen die Inkonvenienzen beider Regierungsarten so sicherzusetzen wußte als diese. Die gesetzgebende Macht ist in den Händen der gesamten Bürgerschaft. Sie ist nach den fünf Kirchspielen der Stadt eingeteilt. Das erste Kollegium oder der erste Ausschuß derselben besteht aus den Oberalten, deren aus jedem Kirchspiele drei von den verschiedenen Gemeinden dazu erwählt werden. Zu dem zweiten Ausschuß wählt jedes Kirchspiel noch neun Personen, so daß er mit den Oberalten ein Kollegium von sechzig ausmacht. Zu dem dritten Ausschuß gibt jedes Kirchspiel noch vierundzwanzig, so daß er mit den beiden erstern aus 180 Personen besteht. Gewisse Dinge werden vom Rat stufenweis bloß vor diese drei Ausschüsse der Bürgerschaft gebracht; wenn aber ein neues Gesetz oder eine Auflage zu machen ist, so muß es, wenn es vor diesen Ausschüssen war, auch noch der gesamten Bürgerschaft vorgetragen werden. Bei dieser Bürgerversammlung müssen die 180 und aus jedem Kirchspiele noch sechs sogenannte Adjunkten notwendig erscheinen. Von den übrigen Bürgern darf jeder, der ein eigenes Haus oder unbewegliches Gut schuldenfrei oder eine bestimmte Summe bares Geld über den Wert besitzt, um welchen das Haus oder das Gut verhypothesiert ist, bei dieser Versammlung erscheinen und seine Stimme geben.

Das elende Zunftsystem, welches in andern Republiken, die sich der Demokratie nähern, oft zu so lächerlichen und oft auch zu so abscheulichen Auftritten Anlaß gibt, hat also hier keinen Einfluß auf den Staat. Kein Handwerk kann hier, wie in manchen andern republikanischen Städten, das ganze Volk tyrannisieren, und der Schusterleist kann nicht der Maßstab vom Wohl des gemeinen Wesens werden. Es ist auch dafür gesorgt, daß die Volksluft, welche in Staaten, die der demokratischen Verfassung so nahe als Hamburg sind, oft die weisesten Verordnungen und die gemeinnützigsten Entwürfe verweht, dem hiesigen Staat nicht so leicht nachteilig sein kann. Ehe ein Gesetz vor die gesamte Bürgerschaft kommt, ist es schon von dem bessern Teil derselben geprüft worden, und es ist dann nicht schwer, das Volk für die gute Sache zu gewinnen, da es zu seinen von ihm selbst gewählten Ausschüssen Zutrauen haben muß. Der Hauptausschuß ist auch zu zahlreich, als daß sich eine besondre Partei durch die bekannten demokratischen Künste leicht überwichtig machen könnte. Da die Ausschüsse für eine lange Zeit gewählt sind und nicht leicht abgeändert werden, so sind ihre Mitglieder mit dem wahren Zustand des gemeinen Wesens bekannt genug, um ihren Gemeinden und der gesamten Bürgerschaft einen genauen und deutlichen Begriff von dem Sinn der Gesetze, Verordnungen und öffentlichen Anstalten geben zu können. Die Verteilung der Bürgerschaft nach den Kirchspielen hat auch noch den Vorteil, daß die Familienverbindungen nicht so leicht ein schädliches Übergewicht bekommen als in den Republiken, wo dieselbe in Zünfte oder beliebige gewählte Gesellschaften verteilt ist. Wenn du dir die Mühe nimmst, diese Verfassung mit andern republikanischen Formen zu vergleichen, so wirst du leicht noch mehr Vorteile herausrechnen können.

Der Rat, welcher die vollziehende Gewalt in Händen hat, besteht aus sechsunddreißig Personen, nämlich vier Bürgermeister, vier Syndiks, vierundzwanzig Ratsherren und vier Sekretärs: Aber bloß die Stimmen der Bürgermeister und Ratsherren werden gezählt. Er wählt seine Glieder selbst nach vorläufigem Vorschlage durch das Los. Seine Gewalt, die sich nämlich bloß auf Vollziehung der Gesetze bezieht, ist uneingeschränkt, und die Gerechtigkeit und Polizei haben deswegen hier eine Kraft, die sie in wenigen so demokratischen Republiken haben. Er besteht nicht aus Leuten, die gar keinen Beruf zum Regieren haben können, wie in andern Republiken. Drei von den Bürgermeistern, elf Ratsherren und alle Syndiks und Sekretärs müssen Gelehrte und sogar Graduierte sein und Beweise von ihren erfoderlichen Kenntnissen abgelegt haben. Ein Bürgermeister und dreizehn Ratsherren müssen, der Natur der Republik gemäß, Kaufleute sein. Die Einkünfte von den Ratsstellen selbst sind unbeträchtlich genug, um den Geiz von der allgemeinen Staatsverwaltung entfernt zu halten. Ehre, Tugend und Geschicklichkeit sind die vorzüglichsten Beweggründe zur Bewerbung. Wenn einer die Ratsstelle, wozu er gewählt wird, ausschlägt, muß er sogleich die Stadt räumen. Die Anzahl der Ratsglieder ist zu gering, als daß die Familienparteilichkeiten der Gerechtigkeit und Polizei öfters hinderlich sein könnten. Kurz, die gesetzgebende Macht ist so sanft und populär, als sie sein kann, und die vollziehende Macht ist, wie sie sein muß, monarchisch strenge, und Hamburg ist wirklich das Muster einer wohleingerichteten Republik.

Malversationen mit den Staatsgeldern sind hier höchst selten und fast unmöglich, weil die Leute, welche sie verwalten, keine Glieder des Rats sind, sondern unter der strengen Aufsicht desselben und der Bürgerschaft stehen und zur pünktlichsten Rechenschaft gezogen werden. Sie sind eine besondere Deputation der Bürgerschaft, die aus zehn Personen besteht, wozu jedes Kirchspiel zwei teils durch Wahl, teils durchs Los deputiert. Alle sechs Jahre legt jeder dieser Deputierten sein Amt nieder, und sein Kirchspiel wählt einen andern an seine Stelle. Dies geschieht nicht, um, wie in andern Republiken, mehrere am gemeinen Besten teilnehmen zu lassen, sondern um die Deputierten von einer wirklichen Last zu befreien.

Die Einkünfte der Stadt sind sehr beträchtlich und fließen teils aus alten beständigen Quellen, teils aus unbeständigen Auflagen, die von der Bürgerschaft bewilligt werden. Gewisse Kontributionen hat der Bürger das Recht in einem verschlossenen Beutel den Deputierten einzuhändigen, den sie in seiner Gegenwart nicht öffnen dürfen. Die Stadt hat auch ungeheure Ausgaben. Um den Ausfluß der Elbe, worauf das ganze Wohl der Republik beruht, nicht versanden zu lassen und ihren bei der Mündung des Flusses gelegenen Hafen im Stand zu erhalten, hat sie Anstalten treffen müssen, die dem Anschein nach ihre Kräfte übersteigen sollten. Ihre sämtlichen Einkünfte sollen sich auf beinahe vier Millionen Mark belaufen und reichen kaum zum nötigen Aufwand zu.

Die schnellen und beständigen Revolutionen in dem Vermögen der einzeln Bürger setzen diesen Staat vielleicht noch wirksamer als seine Verfassung gegen Oligarchie und Familienkomplotte sicher. Hier weiß man nichts von herrschenden oder gefährlichen Häusern, von welchen keine unserer heutigen Republiken frei ist. Ein Beweis von der guten Einrichtung und der vortrefflichen Verwaltung dieser Republik ist, daß sie vielleicht die einzige deutsche Reichsstadt ist, die keine Prozesse mit sich selbst bei den Reichsgerichten führt. Zu Wien nennte man mir verschiedene Reichsstädte, deren manche Prozesse zu Dutzenden gegen sich selbst beim Reichshofrat anhängig gemacht hat. Zu Anfang dieses Jahrhunderts war Hamburg auch in einer starken Gärung, die aber 1708 durch die wohltätige Verwendung des kaiserlichen Hofes und die Klugheit verschiedener Patrioten so gänzlich unterdrückt wurde, daß die Ruhe des Staats seitdem nicht die geringste Erschütterung mehr erlitten. Die Bande der Gesellschaft sind wirklich zu fest, als daß einige Zerrüttung in Zukunft zu befürchten stünde.

Bloß der mißverstandne Religionseifer wollte einigemal Feuer anblasen; allein zu unsern Zeiten ist das Religionsfeuer überhaupt nur eine Strohflarnme, die sich noch leichter aus- als anblasen läßt. Die Gegenwart des kaiserlichen Gesandten, den die Bürgerschaft aus mehr als einer Ursache zu respektieren hat, und die Weisheit des Rats sorgen dafür, daß die Funken erstickt werden, ehe sie zu Flammen ausbrechen können. Unterdessen war Hamburg von jeher mit orthodoxen Pfaffen gesegnet, die es an nichts ermangeln ließen, was einen Brand erregen könnte. Durch unermüdetes Blasen brachten sie es einigemal dahin, daß das Volk zu Tätlichkeiten schreiten wollte, um den Gottesdienst der Katholiken in der Hauskapelle des kaiserlichen Gesandten zu stören; allein die Polizei war ihnen allezeit überlegen. Wirklich steht an der Spitze der hiesigen Geistlichkeit ein Mann, welcher der Stadt in unserm philosophischen Jahrhundert wenig Ehre machen würde, wenn man nicht wüßte, daß ihn der Rat bloß deswegen duldet, weil er äußerst sicher ist, daß seine inquisitorischen Anstalten nicht die geringste Wirkung haben und die Scheiterhaufen, die er beständig baut, niemand ein Härchen versengen können. Erst vor kurzem blies dieser orthodoxe Mann, der sich GoezeJohann Melchior Goeze, Hauptpastor zu St. Katharinen, † 1786. s.a. Lessing "Anti-Goeze" und Andreas Urs Sommer "Die Kunst selbst zu denken" nennt, auf der Kanzel wieder gegen den Papst und seinen Anhang Feuer; es tat aber keine andre Wirkung, als daß er sich die Backen wund blies und er dem kaiserlichen Gesandten eine Abbitte tun mußte. Als dieser Mann seinen geistlichen papiernen Thron bestieg, herrschte noch die löbliche Gewohnheit in Hamburg, vor jeder Predigt in einem Gebet den Papst und seinen Anhang öffentlich und feierlich zu verfluchen. Der Rat sah ein, daß dies zu unsern Zeiten eine große Ärgernis wäre, und befahl dem Herrn Hauptpastor, diesen Fluch inskünftige zu unterlassen. Die Liebe zum Fluchen war aber diesem Mann so an die Seele gewachsen, daß er gegen diese Eingriffe der weltlichen Macht in das Heiligtum eine förmliche Protestation eingab und, ohne die weitern Verfügungen seiner Oberherren abzuwarten, in der nächsten Predigt einen doppelten Keil [Pfeil?] auf den Papst und sein Reich von der Kanzel herabschleuderte; seine Donnerschläge sind aber zum Glück allezeit kalt. Der Rat ergriff nun das wirksamste Mittel, um den unartigen Mann Sitten zu lehren, und drohte ihm mit dem Verlust seiner fetten Pfründe. Der Herr Hauptpastor hatte Philosophie genug, um einzusehen, daß es besser für ihn sei, nicht zu fluchen, als zu hungern, und so war der Papst und sein Reich in den Kirchen der Reichs- und Hansestadt Hamburg gerettet. Obschon dieser Mann unzähligemal öffentlich und allgemein ausgepfiffen worden und seit zwölf bis fünfzehn Jahren der beständige Gegenstand des Spottes vom ganzen protestantischen Deutschland und zum Teil auch von seinen geistlichen Brüdern in Hamburg ist, so ist sein heiliger Eifer doch im geringsten nicht erkaltet. Gegen das Sittenverderbnis eifert er ebensosehr als gegen den Papst. Er ist ein abgesagter Feind von allen öffentlichen Belustigungen, aber gegen die Lustpartien hinter den Bettgardinen soll er sanftere Gesinnungen hegen. Die Theater sind ihm besonders ein scharfer Dorn in den Augen. Da der bessere Teil des hiesigen Publikums nur seinen Spaß mit ihm treibt, so gab es schon verschiedene sehr interessante Auftritte. Unter andern fand einst ein Engländer ein deutsches Originalstück auf dem hiesigen Theater so schön, daß er den Mann, der neben ihm saß, um den Namen des Verfassers fragte. Dieser Mann war ein sehr witziger Kopf namens Dreyer, welcher den Engländer gar ernstlich versicherte, der Herr Senior und Hauptpastor Goeze wäre der Verfasser dieses vortrefflichen Stückes. Der Engländer, voll Begierde, einen so großen Theaterdichter kennenzulernen, machte des andern Tages dem geistlichen Akteur seine Aufwartung, der sich über das Kompliment, welches ihm der Brite wegen der angedichteten Geistesgeburt machte, so sehr ärgerte, daß er Gift speien wollte. Da er ein handfester Mann und Lebensart überhaupt seine Sache nicht ist, so schmiß er den Engländer zur Türe hinaus. Herr Dreyer, der ihn in den April geschickt, begegnete ihm bald darauf auf der Straße. Ohne die geringste Erklärung gab ihm der Engländer eine Ohrfeige, daß er zu Boden sinken wollte. Demungeachtet spielte Herr Dreyer nachher dem antitheatralischen Herrn Pastor noch manchen ähnlichen Streich.

Ich hielt dich so lange mit diesem Pastor auf, um dir ein Beispiel zu geben, daß die protestantische Geistlichkeit nicht durchaus in Deutschland so wohlgezogen und tolerant ist als in Sachsen und in den preußischen Staaten. Überhaupt ist die Religion des großen Haufens in den Gegenden der Niederelbe lange nicht so helle als weiter oben.

Das mißverstandne Eifern gegen die öffentlichen Belustigungen trägt viel dazu bei, daß die schädlichen Winkelergötzungen hier so häufig sind und daß sich in einer so reichen Stadt von 90.000 Menschen kein Theater erhalten kann, indessen täglich in den Stunden, wo man gemeiniglich das Theater zu besuchen pflegt, zum Verderben der Familien viele tausend Gulden verspielt werden.

Seit meinem letzten Schreiben, lieber Bruder, tat ich einen Einfall tief in das sogenannte dänische Reich hinein. Schon im Holsteinischen, welches noch zum deutschen Reiche gehört, fiel mir eine Verschiedenheit in der Lebensart und den Sitten des Volks und dem Anbau des Landes auf. Als ich jenseits der Eider, welche die natürliche Grenze zwischen Deutschland und Dänemark ist, einige Stationen zurückgelegt hatte, fand ich einen Abstich zwischen diesem Lande und Deutschland, der so stark war als jener zwischen Bayern und Sachsen. Wenn man die Aufklärung, den Fleiß und die gute Zucht der Protestanten rühmt, so muß man auch einige Ausnahmen machen, so wie auch die Protestanten, wenn sie den Katholiken wegen ihrer Dummheit, Trägheit und Liederlichkeit Vorwürfe machen, große Ausnahmen machen sollten.

Die Dänen sind noch wenigstens um ein Jahrhundert hinter den meisten protestantischen Völkern Deutschlands zurück und um kein Haar besser als die Bayern und Portugiesen. Sie sind das finsterste, schwerfälligste und trägste Volk, das ich noch gesehen. Liederlichkeit, Bigotterie und Unverträglichkeit zeichnen es von den meisten Protestanten Deutschlands so stark aus, daß man auf einen Blick von der Unwirksamkeit der Religion auf die Besserung der Menschen, wenn ihr nicht oft zufällige Nebenumstände zu Hülfe kommen, überzeugt wird. Es gibt wohl unter den Geistlichen dieses Landes aufgeklärte und wackere Männer; allein im ganzen sind sie ebenso stolz, so intolerant und unwissend als die Pfaffen in Spanien. Ich sah Pastors, die auch im Äußerlichen den spanischen Priestern vollkommen gleich waren. Sie trugen die Brillen geradeso hoch über der Nase, trugen den Hals ebenso steif, warfen geradeso den Kopf zurück, sprachen vollkommen so durch die Gurgel und die Nase und schritten ebenso aufgeblasen daher wie die Priester von Barcelona oder Saragossa. Wenn sie über einer Predigt sitzen, so tun sie, als wenn sie mit der Erlösung des Menschengeschlechts schwanger gingen. Ich besuchte einen, den man für einen großen Botaniker ausgab, der aber nicht viel mehr als die Heidekräuter seines Vaterlandes kennt. Er brütete eben seine Sonntagspredigt aus. Es blieb lang unentschieden, ob er mir Audienz geben wollte. Nachdem ich mit seinen zwei Töchtern, den dümmsten und unartigsten Kreaturen, welche ich noch gesehen habe, die mir, aus Ungezogenheit oder falschen Keuschheitsbegriffen, nie ins Gesicht zu sehen getrauten, eine halbe Stunde von Wind, Wetter und Sonnenschein verplaudert hatte, kam ihre hohlaugichte, dunkelgelbe Mutter aus dem Studierzimmer ihres Herrn Gemahls und kündigte mir an, daß der Herr Pastor entsetzlich viel mit seiner Sonntagspredigt zu schaffen habe, daß er aber jetzt ein Stündchen verschnaufen wolle und ich die Ehre haben könne, mit ihm eine Pfeife Tobak zu rauchen. Ich stand wirklich an, ob ich diese Ehre annehmen wollte; denn daß ich einem groben Pastor zum Vehikulum seines Verschnaufens dienen sollte, brachte meine Eigenliebe wirklich in einen kleinen Aufruhr. Ich überwand mich aus Achtung für die Landessitten, die ich auch den Hottentotten schuldig wäre, und wie ich zur Tür hineingetreten war, erhob sich der Herr Pastor sehr langsam von seinem großen gepolsterten Stuhl und ließ mir Zeit genug, über den Hinterteil seiner zottichten Perücke, den Contour seiner breiten Schultern und die Draperie seines langen, in der Mitte zusammengebundenen Schlafrocks Betrachtungen anzustellen. Endlich kam er durch den Labyrinth seiner unzähligen Bücher, die teils auf Stühlen, teils auf Pulten um ihn her lagen und ohne Zweifel alle auf seine Sonntagspredigt Einfluß hatten, zu mir hervorgekrochen. In vier bis fünf Minuten waren wir schon am Ende alles Gespräches. Ich zwickte an allen möglichen Saiten, aber kein Ton wollte auf dem dicken Pastor einen Widerhall hervorbringen. Als er endlich selbst bemerkte, daß er mir durch sein Verschnaufen Langeweile machte, nahm er seine Predigt zur Hand und las mir einige Perioden vor, um mich zu "desennuyieren". Ich hörte kein Wörtchen, denn der Tobaksdampf, den er mir während des Lesens unter die Nase blies, brachte mich vollends aus der Fassung. Hierauf hatte er noch den grausamen Einfall, mir seinen "Schatz", wie er es nennte, zu eröffnen. Das war ein Schrank, welcher die Handschriften aller seiner Predigten, in acht bis zehn dicken Folianten, enthielt. Wie er den ersten herauszog, lief mir ein kalter Schauder über den Rücken, der mir einen Katarrh befürchtend machte. Er sah, daß es mir nicht wohl bei der Sache ward, und tröstete mich damit, daß er mir nur die Texte seiner Predigten in dem Register vorlesen wollte. Ich hielt ein Register aus; wie er aber zum zweiten Folianten griff, nahm ich Stock und Hut und eilte zur Türe.

In keinem protestantischen Land, das ich sah, selbst Holland nicht ausgenommen, stehen die Pfaffen noch in einer so dalai-lamaischen Achtung bei dem Volk als in Dänemark. Der Stolz und das eigenmächtige Ansehen der Diener der Religion sind ein sicherer Maßstab, die Aufklärung des Volkes und den Wert der Landesregierung zu berechnen. Die geistliche und weltliche Macht sind von Natur so eifersüchtig aufeinander, daß man allzeit Indolenz auf seiten der Landesregierung voraussetzen muß, wenn das Priestertum ein gewisses Übergewicht hat. Man weiß, wieviel Einfluß auch die dänische Geistlichkeit auf StruenseesStruensee, Leibarzt des Königs und Geliebter der Königin, wurde Minister und führte Reformen durch, vom reaktionären Adel gestürzt und 1772 hingerichtet Sturz gehabt hat.

Überall, sogar auch in den Städten Dänemarks, in denen man doch ziemlich viele Ausländer antrifft, findet man Spuren von dem übermächtigen Einfluß und der Intoleranz der Geistlichkeit. An einigen Orten empfand ich eine beleidigende Verschlossenheit auch von angesehenen Leuten gegen mich, als ich ihnen erklärt hatte, daß ich ein Katholik wäre. In Horsens schien die Frau eines der besten Häuser nicht begreifen zu können, daß die Katholiken Christen wären. Man setzt uns wirklich mit den Heiden und Juden parallel. Ich glaube auch wirklich, daß Seine dänische Majestät, so uneingeschränkt auch ihre Gewalt im übrigen ist, den Schritt zur Toleranz ohne Gefahr nicht tun könnte, den der Hof zu Wien getan hat, welchem man doch noch vor wenig Jahren so bittere Vorwürfe wegen der Intoleranz und dem Ansehn seiner Geistlichkeit gemacht hat. Ein offenbarer Beweis, daß es in den österreichischen Staaten schon vor langer Zeit heller war, als es jetzt noch in Dänemark ist.

Man lebt in Dänemark beständig wie auf einem Schiffe, das eine Reise um die Welt macht. Gesalzener Speck, Hülsenfrüchte und Branntewein sind die hauptsächlichsten Nahrungsmittel der groben und trägen Einwohner, die bei ihren Nachbarn auch als tückisch und betrügerisch verschrien sind. Der unmäßige Gebrauch des Brannteweins trägt ohne Zweifel viel zu ihrer Indolenz, ihrer Dummheit und Verwilderung bei. Wenigstens legte der König von Schweden in einer den Branntewein betreffenden Verordnung diese Wirkungen demselben zur Last. Die Verwilderung ist besonders auf dem Lande sichtbar. Sie schreckte mich ab, meine Reise bis nach Ålborg und von da zurück durch Seeland und die übrigen Provinzen des dänischen Reiches fortzusetzen, wie ich mir vorgenommen hatte und welche Tour man, wenn man auch hie und da die Winkel besichtigen will, in acht bis zehn Tagen gemächlich vollenden kann. Der Schlamm des Meeres und der Flüsse in ihrer Mündung, den die Frösche den Einwohnern beständig streitig machen und welcher durch das Salz bis zur Geilheit fruchtbar gemacht wird, ist noch ziemlich gut angebaut. Sobald man sich aber einige Schritte weit von den Ufern entfernt, gerät man in Wüsteneien. Zwischen Arhus und Ringkøbing, welche Städte an den beiden entgegengesetzten Ufern der Halbinsel Jütland vierzehn deutsche Meilen voneinander entfernt liegen und das Nonplusultra meiner dänischen Expedition waren, erstreckt sich auf viele Meilen in die Länge und Breite hin eine Wildnis, die den tatarischen Steppen nicht unähnlich sein mag. Dieser Boden ist nicht unfruchtbar, sondern besteht aus einer grauen, etwas schweren und hie und da mit Sand untermischten Erde, die für ein so enges Reich, als das dänische ist, unschätzbar sein sollte. In Preußen hat man Erdreich angebaut, das nicht halb soviel natürlichen Wert hat als dieses. Die Natur selbst macht durch die starken Gesträuche und die fetten Gras- und Kräuterarten, welche diese Wildnis bedecken, den fühllosen Einwohnern Vorwürfe wegen ihrer Trägheit. Die Regierung machte einige Versuche, ihre Untertanen zum Anbau dieser Wildnis aufzumuntern; allein es fehlt allen dänischen Regierungsanstalten an Nachdruck, und die Trägheit des Volks läßt sich auch nicht in einem einzigen Fall besiegen, wenn sie zur Natur geworden ist. Die benachbarten Gemeinden fanden es für ihre hottentottische Wirtschaft zu gemächlich, daß sie ihr Vieh auf dieser Steppe konnten weiden lassen, als daß sie nicht gegen die Vorkehrungen der Regierung hätten protestieren sollen. Unterdessen zeigten diese Versuche der Regierung, daß man aus diesem Erdreich alles machen könnte, was man wollte. In Jütland weiß man noch nichts von den glücklichen Entdeckungen, die man in England, Frankreich, Deutschland und Schweden zum Behuf der Landwirtschaft gemacht hat. Wenigstens haben sie auf dieses Land noch keinen Einfluß, wenn sie vielleicht auch in die Studierzimmer einiger Gelehrten gekrochen sind. Der dummstolze Adel des Landes verwendet lieber sein Geld auf prächtige Gebäude, französische und englische Möbeln und kostbare Kleider als auf den Anbau von Ländereien und lebt größtenteils in der Hauptstadt. Die Landpfarrer, unter denen man in Norddeutschland, besonders in den preußischen Staaten, so viele Kenner und Beförderer der Landwirtschaft findet, haben in Jütland mehr mit Moses' Anstalten in der Wüste, mit Ägypten, mit dem Bach Cedron und Bileams Eselein sprechender Esel, der auch Gespenster sehen kann, vgl. 4. Moses, 22 als mit ihrem Vaterlande zu schaffen. Die Kronbedienten haben alle die Nachlässigkeit und die Begierde, ihren Eigennutz zu befriedigen, welche von einer despotischen und schwachen Regierung unzertrennlich sind. Und wer sollte dann das Übel heben? – Die gute Zucht der dänischen und holsteinischen Pferde, welche dem Land beträchtliche Summen einträgt, beruht zum Teil auf Vernachlässigung des Ackerbaues. Die Marschländer an der See und den Flüssen erfodern keine mühsame Bearbeitung und sind größtenteils zu Weiden angelegt. Die Bauern sind daher nicht, wie in den Ländern, wo man mehr Mühe auf den Feldbau verwendet, gezwungen, ihre Pferde sehr frühe zu den schwersten Arbeiten zu gebrauchen und sie in den kritischesten Jugendjahren zugrunde zu richten. Die höhern Gegenden sind beinahe durchaus ungebaut. In den Städten, wo sich Fremde wegen der vorteilhaften Lage niederlassen, sieht es besser aus als auf dem Lande, und in den meisten fand ich einige blühende Manufakturen.

Die Regierung von Dänemark ist die despotischeste in Europa. Diese Regierungsart kann die beste und schlimmste sein, besonders für ein Reich, das wegen seiner Kleinheit so leicht zu übersehen ist wie das dänische, welches aber auch wegen seiner Kleinheit die Leidenschaften und Schwäche seiner Regenten um so härter empfindet. Dieses Reich ist wirklich das geringste unter allen europäischen Königreichen. Es hat, die Lappländer, Grönländer und Isländer mitgerechnet, kaum 1.800.000 Einwohner, und kaum machen die Holsteiner, die zu den Deutschen gehören, die Zahl von zwei Millionen dänischer Untertanen vollständig. Den Sund-Zoll, welchen die seefahrenden Nationen aus gutem Willen entrichten, mitgerechnet, betragen die sämtlichen Einkünfte des Königs von Dänemark nicht viel über neun Millionen rheinische Gulden oder ohngefähr zwanzig Millionen Livres. Er kann sich also mit dem Kurfürsten von Sachsen nicht messen, und der Kurfürst von Pfalzbayern ist ihm an Macht gleich. Ohne Subsidien ist Seine dänische Majestät nicht imstand, eine Armee von 40.000 Mann oder eine Flotte von zwanzig Linienschiffen nur einige Jahre lang in Aktivität zu unterhalten. Die Auflagen sind ungeheuer, und einige sind von der Art, wie man sie in wenig andern Ländern findet. Hier muß man die Erlaubnis bezahlen, sich zu verheiraten. Unsere Regierung machte ehedem eine Auflage auf die Hagestolzen. Die dänischen und französischen Regierungsgrundsätze sind also sehr verschieden.

Diese Eingeschränktheit der Staatskasse ist die Ursache, daß in Dänemark mehr Projekte gemacht werden als in irgendeinem andern Lande, die aber größtenteils nur Luftschlösser sind und vom ersten Wind verweht werden. Gemeiniglich haben sie den Eigennutz des Projekteurs zum Hauptzweck, und zur Unterstützung von großen Entwürfen wahrer Patrioten fehlt es dem Hof an Kräften und auch an gutem Willen. Der König, welcher sich durch einen öffentlichen förmlichen Prozeßakt zur zahlreichen Brüderschaft gekrönter Ehemänner bekennt hat, muß den größten Teil der Regierung seinen Bedienten überlassen. Seine Stiefmutter soll viel Regierungs- und Hofkunst besitzen; allein den meisten Einfluß haben doch die Minister und Räte. Unter diesen herrschen immer Kabalen, Intrigen und Revolutionen, die man aus Struensees Geschichte, besonders aus seiner eigenen Rechtfertigung, am besten kann kennenlernen. Vor kurzem erst ist wieder ein Premier gesprengt worden.

Saint-GermainSaint-Germain, ungarischer Fürst, einflußreicher Freimaurer, Alchemist, Arzt, Musiker, Geheimdiplomat, Abenteurer, Weltreisender. Wirkte als Berater unter Ludwig XV., Ludwig XVI. und dem Schah von Persien. War am Sturz des russischen Zaren Peter III. beteiligt. (1698 – 1784) war in Kopenhagen sehr übel angebracht. Der verstorbene König berief ihn an seinen Hof, um die Armee auf einen bessern Fuß zu setzen, weil Seine dänische Majestät damals willens war, an gewissen Bewegungen in Norden teilzunehmen oder sich wenigstens fürchterlich zu machen. Man sagte ihm von 50- bis 60.000 Mann. Bei seiner Ankunft fand er aber außer den Garden gar keine eigentlichen Soldaten. Das übrige war teils eine wilde, undisziplinierte Miliz, teils ein Haufen hungriger Invaliden. An Kavallerie fehlte es gänzlich. Der gute König, welcher seine Armee nur auf dem Papier gesehen und sie vielleicht auch da nicht genau besichtigt hatte, denn Rechnen war seine Sache nicht, konnte nicht begreifen, wohin seine große Armee bei Saint-Germains Ankunft sollte verschwunden sein. Einige vom Ministerium, welche das papierne Kriegswesen verwalteten, machten sich Hoffnung, Saint-Germain würde mit ihnen unter der Decke spielen. Dazu war nun Saint-Germain der Mann nicht. Nachdem er entdeckt hatte, daß ein Teil des für die Truppen bestimmten Geldes in die Privatbörsen der Minister, Kommissärs und Offiziers floß, wollte er mit seiner gewöhnlichen Redlichkeit und Strenge Hand an die Reformation legen. Er sah aber bald, daß, wenn auch die Malversationen gehoben würden, eine dänische Armee, die in Norden Figur machen sollte, doch immer nur ein frommer Wunsch bleiben würde. Überzeugt, daß nichts zu reformieren sei, wo nichts ist, erklärte er mit der ihm eignen Freimütigkeit dem König, er sehe nicht, wozu er Seiner Majestät gut sein könnte, im Gegenteil müsse er derselben zur Last fallen, und seines Erachtens wäre es ratsamer, er ginge seines Weges wieder zurück. Die Minister waren froh, einen so strengen Aufseher vom Hals zu bekommen, den sie nicht leicht durch eine Kabale hätten stürzen können, weil ihn der König liebte und eine Kabale gegen entschlossene Gradheit, verbunden mit wahrer Menschen- und Hofkenntnis, nichts vermag, wenn der Regent, wie hier der Fall war, für die gute Sache ist, wenn sie ihm ins rechte Licht gestellt wird. Nach einigem Zaudern und mancherlei Unterhandlungen tat ihm endlich ein Minister den Vorschlag, er möchte sich anstatt der versprochenen Pension mit einer gewissen Summe baren Geldes für immer begnügen lassen. Kein Vorschlag konnte Saint-Germain willkommner sein, da er die Unzuverlässigkeit des dänischen Hofes kannte. Bekanntlich war er für sich kein vorsichtiger Ökonom, und er nahm ohne alles Bedenken einen Wechsel von 50- oder 60.000 Talern an, der auf einen Kaufmann zu Hamburg gestellt war. Bei seiner Ankunft in dieser Stadt hatte der Kaufmann soeben bankrutt gemacht und sich auf dänischen Grund und Boden geflüchtet. Saint-Germain behauptete bis an sein Ende, der Minister habe den Raub mit dem Kaufmann geteilt. Er mußte nun, wie bekannt, eine lange Zeit von einer Kollekte leben, welche die Offiziers unsrer deutschen Truppen aus ihrem eignen Antrieb für ihn subskribierten.

Struensee und alle Leute von Einsicht behaupteten immer, die besten Maßregeln, welche der dänische Hof ergreifen könnte, wären, daß er die nach dem Verhältnis seiner Einkünfte unmäßigen Ausgaben für die auswärtigen Geschäfte einschränkte, sich in die Angelegenheiten der übrigen Mächte gar nicht einmischte, seinen Kriegsetat bloß zur Handhabung der innern Ruhe seiner Staaten und der Polizei reduzierte und alle Kräfte zum Anbau seiner wüsten Länder und zur Beförderung der Industrie verwendete. Dies ist gewiß auch alles, was Klugheit und Vaterlandsliebe raten können. Von Schwedens Seite hat Dänemark in der jetzigen gegenseitigen Lage beider Reiche nichts zu befürchten, und ein Wink des russischen oder preußischen Hofes würde hier auch bald Ruhe schaffen. Auf der andern Seite würde der erste Kurfürst des deutschen Reichs, welcher der dänischen Heeresmacht in den Weg käme, sie in die äußerste Verlegenheit setzen. Der Verlust eines Hauptmagazins oder einer Kriegskasse würde den ganzen Feldzug krebsgängig machen. Wenn aber auch fremde Subsidien die Seele ihrer Operationen wären, so könnte sie es doch nie gegen eine mittelmäßige deutsche Armee lange aushalten. Die inländische Miliz, welche die Hauptsache ausmacht, ist äußerst roh und ungebildet, und die mit so vielen Kniffen und Pfiffen geworbenen deutschen Truppen laufen beim ersten Schritt, den sie über die dänischen Grenzen tun, davon. Sie verwünschen ein Land, wo sie wegen der ungesunden Luft, den ungewohnten und schlechten Nahrungsmitteln und verschiedenen Vernachlässigungen dahinsterben wie die Fliegen. Ich sprach mit verschiedenen Deutschen in dänischen Diensten, und manchen flossen die Tränen über die Wangen, als sie mir die Art, wie sie von den Werbern gekapert wurden, und ihre gegenwärtige Lage schilderten. Man hat fast unglaubliche Beispiele von Verzweiflungsmitteln, die sie ergriffen haben, um aus dem gehässigen Lande zu entfliehn. Nebst dem fehlt es an einer hinlänglichen Reuterei, die heutzutage so entscheidend ist und von den deutschen Armeen beinahe den vierten Teil ausmacht. Es müßten ungeheure Subsidien sein, wodurch diese auf einen respektablen Fuß gesetzt werden könnte. Sie läßt sich nicht beim Ausbruch eines Krieges aus nichts schaffen. Ihre Bildung erfodert in Friedenszeiten einen Aufwand, wozu die Einkünfte des Staats mit allen Subsidien, die sich der Wahrscheinlichkeit gemäß voraussetzen lassen, nicht hinreichend sind. Die Zeiten sind vorbei, wo man mit einer Handvoll undisziplinierter und ungeübter Truppen Wunder tun und sie auf Feindeskosten unterhalten konnte. Die heutige Kriegsmethode erfodert Vorbereitungen und einen Vorrat an so mancherlei Bedürfnissen, daß dem dänischen Finanzminister die Haare würden zu Berge stehn, wenn man ihm die Berechnungen davon vorlegte. Wenn auch der dänische Hof zwei Millionen Taler jährliche Subsidien bekäme, so reichten doch dieselbe mit den sämtlichen Einkünften des Hofes kaum zu, einen einzigen Feldzug mit einer Armee von 40.000 Mann, von der man sich heutzutage etwas versprechen könnte, ohne Gefahr, durch irgendeinen beträchtlichen Verlust auf einen Schlag untätig zu werden, und mit Nachdruck zu betreiben. Der kurze Feldzug im Bayrischen Krieg vor einigen Jahren hat den Wiener Hof gegen zweiundsiebzig Millionen rheinische Gulden gekostet, obschon gar nichts von Bedeutung vorgefallen ist, und das, was zu jedem Feldzug vorrätig dasein muß, nicht mitgerechnet. Seine Armee war ohngefähr 300.000 Mann stark. Man mache nach dem Verhältnis den Anschlag für 40.000 Mann. Und was wären dann auch 40.000 Mann, wenn sie der dänische Hof, welches ihm doch platterdings unmöglich ist, auf eine etwas beträchtliche Zeit außer Landes in Tätigkeit setzen wollte? Dem König von Preußen, wenn er auch noch so beschäftigt wäre, kämen sie sehr willkommen. Es ist überhaupt eine gute Maxime, daß, wenn man einmal mit mächtigen Feinden beschäftigt ist, man die benachbarten Kleinen auch noch dazunehmen müsse. Man kann bei diesen mit einem Coup gewinnen, was auf der andern Seite allenfalls verlorengeht. Was wurde aus den armen Schweden, die sich im letzten Schlesischen Krieg durch französische Subsidien in Pommern sprengen ließen? Und doch hatte der König von Preußen damals mit dem größten Teil von Europa zu schaffen. Was wurde aus den armen Sachsen? Aus der armen Reichsarmee? Und doch waren die sächsischen und die Reichstruppen besser unterhalten und wenigstens so gut diszipliniert, als die dänischen wirklich sind. Dänemark kann auch nicht, wie Sachsen, in irgendeinem Fall gezwungen werden, die Neutralität zu Land zu brechen, und hat also nicht nötig, deswegen sich immer in einem respektablen Stand zu erhalten. Von Schweden hat es aus mehr als einer Ursache nicht das geringste zu befürchten, und seine Lage setzt es auf allen andern Seiten sicher. – So sicher, wie Dänemark durch seine Lage ist, hätte es sich immer doch nur ungewisse Vorteile von seiner Landmacht zu versprechen, wenn es sie auch auf einen respektablen Fuß setzen könnte und bei irgendeiner Gelegenheit der angreifende Teil sein wollte. Dagegen wären die Vorteile gewiß, die es durch die Verwendung der Kosten seiner Landtruppen zum Anbau wüster Ländereien und zur Beförderung der Industrie erhalten könnte.

Ich war über diesen Punkt so umständlich, um dir und deinen Bekannten begreiflich zu machen, daß unser Hof zu den vielen Torheiten, die er in neuern Zeiten begangen hat, noch eine neue häufte, wenn er in gewissen Absichten dem dänischen Hof Subsidien bewilligte, wozu er Neigung zu haben scheint. Das Geld wäre in jedem Betracht weggeworfen. Die Hälfte davon bliebe den dänischen Ministern und Kommissärs an den Fingern kleben, und die andre Hälfte wäre sehr übel angewendet.

So überwiegend nun auch die Gründe gegen die dänische Landarmee sind, so macht man doch täglich dänische Projekte, um sie zu verstärken. Das eitle Ministerium, welches Struensee in seiner bekannten Rechtfertigung so getreu geschildert hat, will die Welt nicht vergessen lassen, daß ein Königreich Dänemark da ist. Es gibt sich ein unbeschreibliches Air von Wichtigkeit. Verschiedene kleine Neckereien großer Höfe, in die man es immer zu ziehen beliebt, machen es wähnend, daß es wirklich einigen Einfluß habe. Unterdessen wird ihm von allen Seiten eingeflößt. Ein Wort des russischen Ministers bringt die ganze Politik desselben außer Fassung und hat zu Kopenhagen wenigstens zwanzigmal soviel Gewicht als zu Wien oder Berlin.

Ratsamer wäre es noch, die Kräfte des Reichs bloß auf eine Seemacht zu verwenden. Es wäre der Lage des Landes und den Beschäftigungen seiner Einwohner gemäß. Mit einiger Unterstützung könnte sich dieses Reich auf diese Art doch in gewissen Fällen gefürchtet machen und wenigstens zur Kriegszeit seine Kauffahrt decken. Allein das dänische Ministerium will zu Wasser und zu Lande glänzen. Es hat zwanzig Linienschiffe, die von fünfzig Kanonen mitgerechnet, wovon aber nicht sechs imstand sind, in Zeit von sechs bis acht Wochen unter Segel zu gehen, ob man schon seit der Geburt der bewaffneten Neutralität an einigen Fahrzeugen rüstet. An verschiedenen Schiffen wird schon seit acht bis zehn Jahren repariert, und andre sind gar nicht mehr zu reparieren.

Die Leichtigkeit, womit sich Aventuriers von der ersten Klasse von jeher in die dänischen Ratskollegien und bis ins Ministerium schwingen konnten, ist kein günstiges Vorurteil für die Staatsverwaltung dieses Hofes. Zu Hamburg hat man ein Sprüchwort, daß, wenn einer zu gar nichts mehr tüchtig ist, er doch wenigstens noch zu einem dänischen Rat zu gebrauchen wäre und sein Glück noch zu Kopenhagen durch Projekte machen könnte. In diesen Umständen kann es um den Patriotismus nicht gut stehen. Überhaupt ist die dänische Wirtschaft ein Beweis, daß die despotische Regierungsart bei all ihrer anmaßlichen Allmacht doch die schwächste unter allen Regierungsarten ist, wenn das Haupt nicht sehr gesund und stark ist. Die Minister reiten auf den Räten, diese auf den Sekretären, die Sekretären auf den Schreibern und die Weiber auf ihnen allen nach Belieben herum. Gar oft wird auch der Minister vom Rat und dieser vorn Schreiber geritten, und so herrscht eine stille Anarchie, in welcher die Ruhe und das Wohl des Landes oft bloß noch von einem Hosenknopf abhängt, und man hat sich dann nicht zu wundern, wenn an einem Hofe dieser Art manchmal solche Katastrophen ausbrechen, wie die vor zehn Jahren war. Prinz Friedrich, Stiefbruder des Königs, ist eine große Hoffnung für das Land und scheint mehr für die gute Sache als für die Kabalen und Intrigen des Hofes zu sein. Sein Einfluß ist aber jetzt noch eingeschränkt.

Auf meiner Rückreise aus Jütland nahm ich einen Umweg über Lübeck hieher. Diese Stadt, die ehedem an der Spitze des Hansebundes eine so große Rolle spielte und Königen auf den Thron half, ist nun, sowohl in Rücksicht auf Bevölkerung als auch auf Reichtum und Handlung, kaum die Hälfte von Hamburg. Gegen diese ohnmächtige Reichsstadt zeigt sich das dänische Ministerium in seiner ganzen Größe. Sie und Hamburg sind die einzigen Mächte, denen es wirklich fürchterlich ist. Besonders ist Lübeck der Gegenstand seiner Operationen. Wo es nur möglich ist, die arme Stadt zu bedrängen, läßt es dieselbe seine Überlegenheit mit allem Nachdruck empfinden. Geradezu und hart auf den Leib darf es ihr doch nicht gehn. Kaiser und Reich stehn für sie. Es muß seine Unternehmungen gegen dieselbe bloß auf eine Art von Blockade einschränken. – Das Band der deutschen Reichsstände ist in Rücksicht auf auswärtige Mächte viel fester, als manche glauben, und der Artikel in den kaiserlichen Wahlkapitulationen, "die Grenzen des Reichs nicht schwinden zu lassen", hat, besonders unter Joseph dem Zweiten, seine gute Wirkung. Sogar unser Hof muß benachbarte kleine Fürsten Deutschlands so sehr und oft noch mehr menagierenmenagieren – eigentlich: Essen in Empfang nehmen (beim Militär), hier: unterstützen als andre angrenzende souveräne Staaten. Er dürfte sich gegen die Reichsstadt Speyer das nicht erlauben, was er sich soeben gegen Genf1782 besetzten französische Truppen die Republik Genf erlaubt hat, wo er mit gewaffneter Hand den Vermittler machte, nachdem er doch die Garantie dieses Staats förmlich und feierlich niedergelegt und also gar keine Verbindung mehr mit demselben hatte.


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