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XII.

. Im Jahre 1504 schienen sich die Verhältnisse des Meisters wieder etwas bessern zu wollen. Es waren alte Freunde desselben, welche sich seiner erinnerten und ihm durch mehrere Aufträge zu helfen suchten. Vielleicht war es Peter Vischers Empfehlung, welche den reichen und angesehenen Sebald Schreyer, für den Adam Krafft ehedem das herrliche Grabmal auf dem Kirchhofe von St. Sebald geschaffen hatte, darauf aufmerksam machte, daß der Meister besonderer Unterstützung bedürfe. So sehr, wie wir wissen, Schreyers Neigungen humanistischen Studien zugewandt waren, die mit Kraffts Kunstweise äußerst wenig Verwandtschaft hatten, hielt er es doch für seine Pflicht, dem Meister einige Bildwerke zu übertragen, die er der Sebalduskirche, deren Kirchenmeister er war, zu gute kommen lassen wollte. Über zwei derselben, von denen eins vor die »Ehethür an der Sakristei« kam, läßt sich jetzt wenig sagen, dagegen muß eine »Kreuztragung« Sie findet sich in der St. Sebaldkirche und ist vielleicht erst von 1506. rühmend erwähnt werden, die eine treffliche Komposition zeigt und sich dabei von ähnlichen Werken Adam Kraffts aus früherer Zeit wesentlich unterscheidet. Da dieses Werk durch Witterungseinflüsse mitgenommen und früher auch übermalt worden ist, kann man zwar auf seinen früheren Wert keinen sichern Schluß ziehen, doch scheint es nicht mehr ganz auf der Höhe der Meisterwerke Kraffts gestanden zu haben.

Damals mag auch eine »Verkündigung« entstanden sein, welche dem Künstler zugeschrieben wird. Sie befindet sich jetzt der St. Sebaldkirche gegenüber, an dem Eckhause der Winklerstraße und des Schulgäßchens. Vielfach für dieselbe gehalten, welche sich nach Neudörffer an Gabriel Prenners Haus (Ecke der Fleischbrücke) befand. Obwohl dieses Werk ebenso schlecht erhalten wie restauriert ist, hat man doch aus den jungfräulich-anmutigen Zügen der heiligen Jungfrau die meisterliche Frauendarstellung Kraffts vollauf wiedererkannt.

Solche Werke mußten doch einigermaßen belohnt werden und den Meister in die Lage versetzen, daß er mit seiner Gattin besser durchkommen konnte. Dennoch unterliegt es keinem Zweifel, daß seine Sorgen auch jetzt noch nicht aufhörten. Vielleicht wurden ihm seine Arbeiten nicht mehr so gut wie früher bezahlt; möglich auch, daß er schon, bevor er an eins der ihm übertragenen Werke heranging, große Darlehne aufnehmen mußte, also daß die spätere Bezahlung nicht mehr für Tilgung derselben nebst Zinsen ausreichte.

Peter Imhoff ließ sich in dieser Lage des Meisters dazu herbei, wiederholt auszuhelfen. Anfangs schien ihm wohl in den Aufträgen, die Adam Krafft von Männern wie Sebald Schreyer empfangen, die erwünschte Sicherheit zu liegen, doch unter den wachsenden Verlegenheiten des Meisters that er ernstliche Schritte, um sich vor Verlusten zu schützen.

So kam es am 25. August 1505 zu eingehenden Verhandlungen zwischen beiden Männern. Anlaß hierzu mochte das neue Gesuch Kraffts um eine kleinere Darlehnssumme gegeben haben.

»Ihr werdet einsehen, Meister Adam,« begann der Kaufherr, »daß es so nicht weiter gehen kann. Zwar entspricht es der alten Freundschaft, die unser Haus mit einem so trefflichen Künstler verbindet, daß Ihr mich immer geneigt findet, Euch auszuhelfen. Doch die Zeiten wollen sich noch nicht bessern, die Verluste allerorten nicht aufhören; man muß sich besorgt fragen, wie lange man das aushalten kann. Daher muß ich auch Freunden gegenüber auf baldige Rückzahlung Bedacht nehmen.«

»Alles das,« sagte der Meister beklommen, »muß ich wohl einsehen, doch wie es jetzt mit mir steht, kann ich Euch noch nichts erstatten, sondern bitte nochmals um ein wenig Geld.«

Bedenklich schüttelte Imhoff den Kopf.

»Das ist das Gegenteil von dem, was ich wünschen muß. Statt zurückzuempfangen, soll ich wiederum geben! – Wenn Ihr doch wenigstens eine Verpflichtung eingehen wolltet, ratenweise in bestimmten Fristen die Schuld zu tilgen.«

»Dazu bin ich gern bereit, sobald ich die Arbeit, die ich für den Marschalk von Ebenet übernommen, Von diesem Werke ist sonst gar nichts bekannt. hab' vollenden können. Die wird mir hundertfünfzig Gulden eintragen, von welchen Euch der größere Teil zufließen könnte. Dazu will ich, wenn's Euch recht ist, die steinernen Stiegen in Euerm Hause, die schadhaft geworden sind, ausbessern …«

»Gut, Meister Adam, dann will ich Euch die Bedingungen zusammenstellen –, so billig wie sie irgend sein können: Noch zehn Gulden borg' ich Euch jetzt; dann beträgt Eure Schuld im ganzen dreihundertzehn Gulden. Aus alter Freundschaft will ich Euch diese Summe, zu der Ihr Euch ›öffentlich für Euch selbst und Eure Erben schuldig bekennen müßt‹, vorläufig stunden, wenn Ihr Euch ausdrücklich verpflichtet, im Laufe eines Jahres – sobald der Marschalk Euch befriedigt haben wird – hundert Gulden bar an mich zu entrichten, und hernach jedes Jahr abermals fünfundzwanzig Gulden, bis die Schuld ganz getilgt ist. Außerdem sollt Ihr Euch verbindlich machen, in unserm Hause die steinernen Stiegen und andere Dinge bis auf die Fastenzeit gründlich auszubessern, und mir gestatten, den Lohn, der Euch dafür zukommt, von jener Schuldsumme abzuziehen. Zur Sicherheit Eurer Schuld müßt Ihr mir aber Euer Haus ›in der Neuen Gasse, auf St. Jakobssteig gelegen, wo man von den Zwölfbrüdern gegen St. Jakob zu geht,‹ zu einem steten Unterpfand einsetzen … Meister Adam, ich hab' ja alles Vertrauen, daß Ihr Euer Wort recht halten werdet; aber bei einem Kaufmann geht's nun einmal nicht an, daß er ohne Sicherheit sein Geld ausleiht …« Die vom 25. August 1505 datierte Vertragsurkunde ist so bezeichnend, daß wir genauer auf dieselbe eingehen mußten. Als Zeugen sind Hans Kneussel und Hans Reich genannt.

In seiner Bedrängnis mußte der Meister auf alle diese Forderungen eingehen, wofür er wieder ein kleines Darlehn mit heimnahm.

Als er zu seiner Eva kam, sagte er etwas beklommen: »Die Urkunde, die ich mit dem Kaufherrn abgeschlossen hab', macht's ganz klar, wie wir zu ihm stehen. Mag Gott dazu gnaden, daß wir beide darüber nicht schlecht fahren. Ehedem haben wir in dem größeren Hause hierneben wohnen dürfen, vor dessen ›Thore der Lindwurm Wasser speiet‹. Das mußten wir aufgeben, weil uns das Geld zu knapp ward; nun dient diese kleinere Behausung dem Imhoff auch schon als Bürgschaft, wenn ich ihm nicht zahlen kann … Möcht' ihm fast zutrauen, daß er mich, so schöne Worte er immer für mich aufwendet, draus fortjagen würd'! …«

Ja, die Bestimmungen jener Urkunde ließen dies wohl befürchten. In Peter Imhoff war wohl der Kaufmann stärker als der Kunstfreund und Christ, und schon damals hierüber kein Zweifel möglich. Daß trotz dieser Erkenntnis Adam Krafft nicht dazu gelangte, Abzahlungen an Imhoff zu leisten, kann wohl nur dadurch erklärt werden, daß seine Lage keine Besserung erfuhr. Die Arbeit für den Marschalk wird ja in bedungener Höhe vergütet, aber die vereinnahmte Summe für andere dringliche Bedürfnisse verwendet worden sein. Dabei ging das Künstlerleben, welches uns beschäftigt, allmählich zur Neige.

Eigentümlich genug sollte ihm grade jetzt noch die Stätte, an welcher er seinen Künstlerruhm gewissermaßen begründet hatte, Gelegenheit zu einer größeren Aufgabe darbieten. Draußen auf dem Gottesacker, zu welchem seine wunderbaren »sieben Fälle« geleiten, sollte er für Jörg Holzschuher, denselben Patrizier, welcher ehedem (am 25. April 1493) die Imhoffsche Urkunde über das Sakramentshäuschen mit unterzeichnet hatte, eine »Grablegung Christi« schaffen. Dieses Werk hatte jener Patrizier, welcher damals einer der trefflichsten Kunstfreunde war, Er starb 1529 und war von 1483–1508 Pfleger der Familienstiftung. für die dortige Grabkapelle seiner Familie bestimmt.

Man darf annehmen, daß der gealterte Meister sich diesem Auftrage gern unterzog, und wenn er ihn auch selbst nicht mehr ganz hat vollführen können, wenn Gesellen nach seinem Heimgange die letzte Hand an das Werk gelegt haben mögen, so rührt sicherlich der Entwurf und ein Teil der Gestaltung desselben von ihm her.

Schon war diese Arbeit in rüstigem Fortschreiten begriffen, als Adam Krafft eine dringende Einladung nach dem nicht allzu fern gelegenen Schwabach erhielt. Es handelte sich anscheinend um eine Aufbesserung des dortigen Sakramentshäuschens, welches aus seiner Werkstatt hervorgegangen, wenngleich größtenteils Gesellenarbeit gewesen sein mag. Durch die bedrängte Lage des Meisters mag es auch begründet sein, daß er dem Rufe, der ihm vielleicht schnell einen verhältnismäßig guten Gewinn in Aussicht stellte, unverzüglich Folge leistete.

Als er von seiner Eva Abschied nahm, durfte er baldige Rückkehr verheißen, und aus seiner Beschäftigung mit jenem größeren Werke, welches inzwischen nicht vollständig zu ruhen brauchte, ergab sich auch, daß eine hoffnungsfreudige Stimmung ihn wieder beseelte. Noch glaubte er nicht am Ende seines Künstlerdaseins angelangt zu sein. Gott meint es ja gut mit edeln, auf höhere Ziele gerichteten Menschen, wenn er sie aus einem rüstigen Schaffen plötzlich hinwegführt; der hingegen ist zu bedauern, den der Tod erst findet, nachdem er seine Aufgaben bereits erfüllt hat und nicht mehr weiß, warum er noch Erdenluft atmet!

Schon war der Zweck seiner Anwesenheit in Schwabach nahezu erfüllt, als Adam Krafft plötzlich von einer hitzigen Krankheit ergriffen wurde. Fern der Heimat und der sorglichen Gattin, suchte er eine Pflege, welche unter solchen Umständen immerhin noch die beste war, – er ließ sich in das dortige Spital schaffen. Doch seine Lebenskraft sank schnell dahin; nach wenigen Tagen war er eine Leiche. Diese Darstellung entspricht den Angaben Neudörffers und einer verbreiteten Sage. Es war im Jahre 1507; er wird daher wohl nur ein Alter von etwa sechzig Jahren erreicht haben.

* * *

Plötzlich sah sich Frau Barbara, die, seit sie seine Eva geworden war, vier glückliche, wenn auch keineswegs sorgenfreie Jahre an seiner Seite verlebt hatte, wieder verwitwet und verlassen. Wir wissen nicht, ob sie die Möglichkeit fand, ihm die Augen zuzudrücken. Das alte Nürnberg erkannte jedenfalls nicht die Verpflichtung, seinen großen Meister aus der Fremde wieder heimzuholen, auf daß er an seinen unvergleichlichen »Stationen« vorüber nach dem Johanniskirchhofe zur ewigen Ruhe hinausgeleitet werden konnte. Man ließ ihn dort, wo er starb; als Fremdling ward er zu Schwabach beerdigt, und sein Grab ist längst schon nicht mehr zu finden, während uns doch jener » Campo santo« vor dem Tiergärtnerthore noch jetzt Gelegenheit giebt, an den Gräbern der meisten anderen Männer, welche Alt-Nürnberg berühmt gemacht haben, ehrfurchtsvoll vorüber zu wandeln.

Bald nach seinem Tode, der anscheinend völlig unbeachtet geblieben war, wurden seine Mitbürger noch einmal in deutlicher Weise daran erinnert, was sie an diesem Meister besessen und wieviel sie mit ihm verloren hatten.

Es war in dem nämlichen Jahre, als Frau Barbara in Begleitung einiger Freunde ihres verstorbenen Gatten den St. Johanniskirchhof besuchte. Unterwegs durfte die Witwe aus dem beredten Munde kunstverständiger Männer, wie Peter Vischer, Veit Stoß, Albrecht Dürer, das begeisterte Lob der »sieben Fälle« ihres Adam vernehmen, und als sie, an dem Gottesacker angelangt, in die Kapelle Jörg Holzschuhers traten, standen alle eine Zeitlang in stummer Ergriffenheit da. Das Werk, nach welchem das Kirchlein den Namen »zum heiligen Grabe« oder »zur Mutter Angst« erhalten hat, trat ihnen in einer Nische rechts vom Eingange voll erhabener Schönheit entgegen. Es war eine Steinarbeit, welche aus sechzehn Rundfiguren bestand.

»Seht hier,« erläuterte der Erzgießer Vischer, »Nikodemus und Joseph beschäftigt, den Heiland ins Grab zu senken. Dort steht des Verstorbenen Mutter, in schmerzvolle Betrachtung seines edlen Antlitzes versunken. Am Fußende des Grabes kniet trauernd Maria Magdalena, während eine andere der heiligen Frauen, wie zum Abschiede, nochmals den linken Arm des Herrn ergriffen hat. Der Mann hier mit den drei Nägeln stellt wohl Simon von Kyrene dar, während wir dort den Apostel Johannes eilig herankommen sehen. Klagende Frauen schauen dem Vorgange zu …«

»Wohl hat der Stifter,« bemerkte Veit Stoß, »auch die Wände der Kapelle mit Scenen aus der Geschichte des Heilands geschmückt, vom Einzuge in Jerusalem an bis zur Himmelfahrt reichend, – doch diese Darstellungen dienen gewissermaßen nur zum Rahmen für dieses letzte Werk unsers Freundes!«

»Wie schade,« klagte Frau Barbara, »daß er nicht selber das Werk vollenden konnte!«

»Zwar haben Gesellenhände,« hob wieder Peter Vischer an, »die Arbeit abschließen müssen, die unser verstorbener Freund begonnen; – doch das deutliche Gepräge seiner unvergleichlichen Kunst tritt uns auch hier entgegen. Der Körper des Heilandes, der, wie ich weiß, von unserm Adam selbst gemeißelt worden ist, stellt ein wunderbares Gebilde dar: Welche edlen Züge zeigt sein Antlitz, welche schönen, weichen Linien bilden die übrigen Teile seines Körpers! – Auch Nikodemus, welcher mit der Hand unter die Schulter des Herrn greift, ist in seiner ganzen Haltung und Erscheinung sofort als ein Werk unsers Freundes zu erkennen … Wohl würde dieser in den übrigen Teilen seiner Grablegung manches besser ausgeführt haben als seine Gesellen – namentlich seine Frauengestalten pflegen in dem Ausdrucke des Schmerzes eine tiefere Ergriffenheit und größere Mannigfaltigkeit zu zeigen; – doch wir wollen diejenigen, welche die Aufstellung des Werkes ermöglicht haben, wegen einzelner Mängel, die sich hier und da finden lassen, nicht tadeln, sondern vielmehr gern anerkennen, daß sie sich in die Gedanken ihres verewigten Meisters mit aller Hingebung vertieft haben!«

Albrecht Dürer, jener jüngere Meister, welcher damals noch am Beginne seiner ruhmreichen Laufbahn stand, fügte wehmütig hinzu: »Für eine stolze Patrizierfamilie ist dies Werk bestimmt; in seiner Nähe werden die Gebeine der Holzschuher ruhen, doch wird es, wie ich unbedingt glaube, zugleich ein edles Vermächtnis und ein rührendes Denkmal unsers alten Freundes sein! … Als ich aus den sonnigen Gefilden Welschlands, lebhaft ergriffen von den glänzenden Schöpfungen der dort blühenden Kunst, in unsre kühlere, rauhere Heimat zurückkehrte, da hoffte ich, nicht nur mit Euch, sondern auch mit unserm Adam wieder anregende Stunden kunstsinniger Gespräche verleben zu dürfen. Leider ist's nicht mehr dazu gekommen; nun aber redet er hier, gleichsam aus dem Grabe, zu mir ein ergreifendes Wort. Deutsche Kunst mag an Glut und Wärme von der welschen übertroffen werden, – an Innigkeit und Tiefe der Empfindung wird sie es nimmer! … Darum, zum Gedächtnisse des unvergleichlichen Freundes, sei hier das Gelübde abgelegt: Bei allem, was wir von den welschen Kunstgenossen lernen dürfen, soll doch unsre Kunst eigenartig und deutsch bleiben Albrecht Dürer war Ende Februar 1507 von seiner Künstlerfahrt nach Italien, die er im November 1505 angetreten hatte, wieder heimgekehrt; er kann also nicht mehr viel mit Adam Krafft zusammen gewesen sein. Ein echter deutscher Künstler ist Dürer geblieben. Vgl. meinen »Albrecht Dürer. Drei Erzählungen aus dem Kunstleben Alt-Nürnbergs.« (Leipzig, E. Ungleich.) …«

Wohl haben damals auch viele andere Bürger der Reichsstadt Nürnberg, wenn sie in die Kapelle »zum heiligen Grabe« auf dem Johanniskirchhofe eintraten, um Adam Kraffts letztes Werk zu schauen, eine Ahnung davon empfunden, welch ein bedeutender Meister im Steinwerk dieser bis zu seinem Ende gewesen, auch wohl ein Wort des Bedauerns über seinen plötzlichen Tod in der Ferne gehabt; doch tiefer und nachhaltiger war die Teilnahme für ihn damals leider nicht. Im Jahre 1552 haben die Figuren der »Grablegung« in der Holzschuherschen Kapelle, wie hier nachträglich bemerkt sei, durch den Brand derselben vielfachen Schaden erlitten und sind hernach auch nur schlecht ausgebessert worden. Hierfür spricht nur zu deutlich das Schicksal, welches seiner Witwe bereitet wurde.

Wir erinnern uns jener Urkunde, durch welche Adam Krafft für die Summe, die er Peter Imhoff schuldete, sein Wohnhaus verpfändete. Der Künstler hatte sich zu ratenweiser Abzahlung der verhältnismäßig großen Schuld in aller Form verpflichtet. Hierzu ist es indes nicht gekommen. Seine Einnahmen mögen nicht ausgereicht, sein jäher Tod dann alles vereitelt haben. Sonach gewann der Gläubiger das Recht, sich durch das Haus Kraffts bezahlt zu machen.

Man kann es dem reichen Kaufherrn zu gute rechnen, daß er damit keineswegs eilte, sondern einige Zeit vergehen ließ, ehe er seine Hand auf das Eigentum des Meisters legte. Immerhin muß es als eine wenig erfreuliche Thatsache bezeichnet werden, daß Imhoff, etwa zwei Jahre nach Kraffts Tode, zum Beweise seines Rechtsanspruchs einen Span aus dessen Hause schneiden ließ und dasselbe dann unterm 16. Juni 1510 zu dem Schätzungspreise von hundertsechzig Gulden an sich brachte. Zeugen der noch vorhandenen Urkunde sind Endres Tucher und Peter Harsdörffer.

Selbst in unserm nicht übermäßig empfindsamen Zeitalter wird gewiß mancher nicht mit Unrecht denken, daß der reiche Peter Imhoff in dankbarer Erinnerung an den Schöpfer des von seinem Vater gestifteten Sakramentshäuschens in St. Lorenz dessen Witwe das Häuschen bis zu ihrem Ende hätte belassen können. Oder hätten sich nicht unter den sonstigen Patriziern Nürnbergs, für welche die kunstreiche Hand des Meisters unvergleichliche Werke geschaffen, einige finden können, welche der Frau Barbara das bescheidene Obdach ihres Gatten zu erhalten suchten? …

* * *

Nach der Mittelfigur unter dem Sakramentshäuschen, welche als Porträt Adam Kraffts anzusehen ist Ich halte an der alten Annahme fest. und diesen mit Kappe, Meißel und Schlägel darstellt, müssen wir uns den Meister als einen kräftigen Bürgersmann denken, der Vertrauen zu erwecken und zu rechtfertigen verstand; nach seinen Werken finden wir in ihm einen Künstler von tiefer, empfindungsreicher Seele, der den ergreifendsten Thatsachen der Heilsgeschichte, den erhabensten Gedanken christlicher Frömmigkeit herzbewegenden Ausdruck zu geben vermochte, und zwar in dem spröden Stoffe des Sandsteins. Aus einem Handwerker, einem Steinmetzen wußte er sich zum bedeutenden Künstler emporzuringen, der selbständig Großes zu schaffen vermochte und alles Handwerksmäßige ablegte. Streng, fast hartnäckig blieb er auf dem Boden der alten Überlieferung, der Gothik, stehen, während der Geist der neuen Kunstrichtung sich immer deutlicher Bahn brach, doch wußte er seinen Gebilden einen gesunden Realismus zu verleihen. Ebenso klar wie wirkungsvoll sind seine Werke komponiert; seine Gestalten bewegen sich frei und ungezwungen im Raume. Deren Gesichter zeigen einen lebenswahren Ausdruck und eine ernste, tiefe Empfindung. Dadurch, daß er sich mühsam von der tieferen Stufe des Steinmetzen zum kunstreichen Meister emporarbeitete, gewann er wohl jene staunenswerte technische Vollkommenheit, über die schon zu seiner Zeit, wie wir gesehen haben, im Volke Sagen verbreitet waren. Er hat keine Schule hinterlassen; in einsamer Hoheit steht er an der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts, an der Grenze zwischen dem Mittelalter und der neueren Zeit da, aber seine Werke sichern ihm, solange sie zu der Nachwelt reden, einen dauernden Ehrenplatz als echt deutschem Künstler im Gedächtnisse des deutschen Volkes.

Druck von Carl Flemming,
Verlag, Buch- und Kunstdruckerei, A.-G., Glogau.

 


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