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XI.

. Der redliche Erzgießer Peter Vischer machte große Augen, als schon am nächsten Vormittag Adam Krafft bei ihm eintrat und ihn bat, bei Frau Barbara in dem Häuschen an der Burg für ihn als Brautwerber vorsprechen zu wollen. Als Antwort verlangte er vorerst von dem Freunde nähere Auskunft über diese Angelegenheit, und nachdem ihm derselbe in raschen Worten seine Erlebnisse vom gestrigen Abende mitgeteilt hatte, sagte er trocken:

»So weit, lieber Adam, wie Du da meinst, sind wir doch noch nicht!«

»Warum denn nicht, Peter? Hast Du mir nicht selber den Gedanken eingegeben und meine Bedenken zu zerstreuen gewußt?«

»Freilich hab' ich dies gethan und bereu' es auch gar nicht; doch damit Du nichts dabei zu bereuen hast, wollen wir etwas langsamer verfahren!«

»Dann wird schwerlich etwas zu stande kommen …«

»Im Gegenteil: Du wirst dann die Rechte finden, die für Dich paßt!«

»Bedenk', Peter, wie es gehen könnt', wenn wir so zögern: Frau Barbara findet vielleicht einen andern oder zieht aus Nürnberg fort …«

»Das befürcht' ich nicht; – so schnell pflegt das nicht einzutreten!«

»Aber was mich selber betrifft: wenn nicht sogleich gehandelt wird, kann ich leicht bedenklich werden und meinen Entschluß rückgängig machen …«

»Das darfst Du nicht; ich werd' es schon verhüten! – Um kurz zu sein, Adam: Ich muß erst zu der Frau Barbara gehen, ihre Verhältnisse und ihren Charakter zu erforschen suchen. Darüber bericht' ich dann an Dich, und kann ich Dir zu dieser Wahl wirklich raten, so kehr' ich mit Deiner vollen Einwilligung zurück und vermittle das Weitere … Bist Du's zufrieden?«

»Wenn Du sofort Anstalten triffst, mag's ja wohl sein!«

Da versprach der Erzgießer, daß er nicht zögern und schon selbigen Abends an seinen Freund berichten wolle.

* * *

Als Vischer dieser Verabredung gemäß noch vor Dunkelwerden bei Adam Krafft erschien, schaute ihn dieser erwartungsvoll an und suchte aus seinen Mienen den Erfolg seiner Sendung zu lesen. Der Erzgießer sah ziemlich ernst aus und schien keine Hoffnungen zu erwecken.

»Die Frau, die Du da vor Deinem Sakramentshäuschen entdeckt hast,« sprach er gelassen, »ist, wie ich aus meinen Gesprächen mit ihr und aus genauen Erkundigungen in Erfahrung gebracht, wohl tugend- und ehrsam – habe niemand gefunden, der ihr etwas Nachteiliges hätte anhängen mögen –, auch hätte sie sicherlich ein besser Geschick verdient, als ihr bisher zu teil geworden; – dennoch kann ich Dir nicht raten, daß Du ihr Leben mit dem Deinigen verknüpfest …«

»Findest Du sie etwa zu alt und zu abschreckend häßlich?«

»Im Gegenteil ist sie eine ganz ansehnliche Frau, dazu weder zu jung noch zu alt; – hiernach könnte sie ja für Dich passen …«

»Und trotzdem zögerst Du noch? Fast möcht' ich an Dir irre werden!«

»Adam, sieh mal: die Frau ist in gar einfachen Verhältnissen aufgewachsen, gehört keiner Bürgerfamilie an, sondern stammt nur vom Dorfe; sollte sie da Deiner würdig sein und Dich, den Künstler, und Dein Streben würdigen können?«

»Nachdem ich sie vor meinem Tabernakel betend geschaut hab', möcht' ich das annehmen!«

»Gut, ich bin dazu gleichfalls geneigt; denn einen frommen Sinn hat sie jedenfalls, und Deine Werke dienen mit wenigen Ausnahmen der Andacht; – aber …«

»Was hast Du noch einzuwenden, Peter?« rief Krafft ungeduldig. »Hast Du schon etwas vernommen, was einer Ablehnung nahe kommt?«

»Dazu hab' ich ihr noch keine Veranlassung gegeben – und eine Ablehnung fürcht' ich am wenigsten …«

»So sprich, was Du sonst noch hast!«

»Adam, Deine Vermögenslage ist keine günstige; bei ihr steht es gerade so. Wenn Du sie also zur Frau nähmest, würde wohl nichts Gutes draus erwachsen, sondern der Mangel größer werden als vorher. Deshalb rat' ich: Nimm Dir Zeit mit der wichtigen Sache; Du findest dann wohl auch eine Frau, welche etwas Vermögen einbringt und dabei Deiner nicht minder würdig ist!«

Da lachte Adam Krafft.

»Wenn es weiter nichts ist, Peter, so mach' Dir nur keine Sorge: Was Not heißt, hab' ich die Zeit her genügend kennen gelernt und bin dran einigermaßen gewöhnt; ist sie es auch schon – um so besser, denn wir passen dann um so mehr zu einander! … Übrigens wird, wenn in meinem Hause erst wieder ein trefflich Weib waltet, meine alte Künstlerkraft hoffentlich aufs neue erwachen, und mit neuen guten Werken wird es auch Mittel geben, daß ich selber leben und eine Hausfrau ernähren kann! – Geh hin, Peter, und bring' die Angelegenheit in Ordnung!«

* * *

Daß unser Meister so plötzlich wieder in den Ehestand trat, überraschte bei seinem Alter die Nürnberger Bürgerschaft allgemein, nicht minder schüttelten viele bedenklich den Kopf über die Wahl, welche er da getroffen. Ein stattliches Paar freilich war es, das am 6. September 1503 im Beisein Peter Vischers und einiger anderen Freunde getraut wurde; denn unser Bildhauer war trotz seiner Jahre noch rüstig und ging wieder hochaufgerichtet einher, die Frau Barbara aber erschien in Gestalt und Haltung seiner nicht unwürdig. Trotzdem meinten viele Zuschauerinnen: ein so kunstreicher Meister hätte wohl auch in »besseren Kreisen« eine neue Lebensgefährtin finden mögen, doch wer hätte ahnen können, daß er mit solcher Absicht umgegangen? Wenn er hernach seine Wahl bereuen thät', sei's freilich zu spät, und niemand vermöcht' ihm dann zu helfen …

Zunächst schien unserm Künstler wieder ein besseres Leben erblühen zu wollen. Denn aus so einfachen Kreisen Barbara hervorgegangen sein mochte, sie besaß doch eine natürliche Anmut, und ihr reines, unverdorbenes Gemüt ersetzte bis zu einem gewissen Grade, was ihr an Bildung abging. Daher war sie auch fähig, sich in die künstlerische Beschäftigung ihres Gatten, den sie aus seinen Werken kennen und schätzen gelernt hatte, hineinzudenken, und daß sie dem Fluge seiner künstlerischen Phantasie allenthalben zu folgen verstünde, war er weit entfernt zu verlangen. Soviel fand auch Peter Vischer bald heraus, daß die Lücke im Dasein seines Freundes wenigstens teilweise ausgefüllt worden war. Adam Krafft gab sich jetzt von der liebenswürdigsten Seite; seine Künstlerseele führte ihn bisweilen sogar zu ganz drolligen Einfällen.

Als er bald nach seiner Wiedervermählung einst in der Werkstatt saß und Barbara eintrat, um, wie sie sagte, sich seiner schönen Werke zu freuen und ihn zu bitten, daß er sich nicht über seine Kräfte anstrenge, erwiderte er heiter: »Komm her, liebe ›Eva‹, und sieh, ob die Englein hier meinem Meißel gelungen sind! … Du mußt nämlich wissen, liebe ›Eva‹, daß ich früher viele Englein mit Lockenköpfen gebildet hab', die meiner Magdalena und vielen anderen sehr gefielen; aber hernach, als ich einsam ward, wollten sie mir nicht mehr recht glücken! Darum sieh nun, liebe ›Eva‹, ob es wieder besser darum steht …«

Sie war vor das Steinbild getreten.

»Warum nennst Du mich › Eva‹, da ich doch Barbara heiß'?«

»Ach sieh, liebes Weib, ich hab's Dir schon lange sagen wollen: Als Adam im Paradiese untergebracht war und ihm großes Heil werden sollte, sprach Gott der Herr: ›Es ist nicht gut, daß der Mann allein sei, – ich will ihm eine Gefährtin geben!‹ – und er gab ihm Eva. So bist auch Du mir gegeben worden, als ich nicht länger allein bleiben konnt', sondern in der Vereinsamung sicherlich zu Grunde gegangen wär'. Deshalb will ich, der ich Adam heiß, wie der erste Mann, Dich fortan auch meine Eva nennen; Du wirst's mir ja wohl gestatten! Vielleicht nur eine Anekdote, doch ist sie uns von Neudörffer ernsthaft überliefert worden. … Und nun beantworte mir meine Frage!«

Barbara nickte ihm freundlich zu.

»Wenn Du es so wünschest, muß es ja sein! – Was aber die Englein betrifft, so find' ich, wenn ich frei reden soll, nur den einen von ihnen recht schön; der andere sollte, wie mir scheint, ein froheres Antlitz zeigen. Denn wer wie die Engel sich des Himmels erfreuen, Gott von Angesicht schauen und von droben her den armen Menschen Hilfe bringen darf, kann doch unmöglich traurig oder gar unzufrieden sein, wie wir hier unten auf Erden oft genug sind!«

Solcher harmlosen Worte freute sich der Meister, drückte ihr einen Kuß auf die Wange und sagte: »Recht so, liebe Eva, in Zukunft sollen alle meine Engel freundlich dreinschauen!«

Ja, das Gemütsleben Adam Kraffts hatte durch seine Wiedervermählung eine Hebung und Befruchtung gewonnen, die er selbst und seine Freunde gewünscht hatten; wie aber stand es mit seinen sonstigen Verhältnissen?

Eins war sicher: Seine Arbeitslust war wieder gewachsen; denn die aufs neue übernommene Pflicht, für ein Wesen zu sorgen, das ihm liebend zur Seite stand, gab seinem Schaffen ein festes Ziel. Wenn nur auch jederzeit solche Aufgaben vorhanden gewesen wären, an deren Ausführung seine Hand frisch und munter gehen mochte!

Es wollten wieder keine größeren Aufträge kommen; er hatte nur kleine Arbeiten zu fertigen, die seinen Neigungen wenig entsprachen. Fast schien es, als ob die von ihm schon früher gehegte Ahnung, daß seine Kunstrichtung sich überlebt habe und einer andern weichen müsse, vorzeitig in Erfüllung gehe. Oder nahmen diejenigen, welche ihm vordem so ehrenvolle Aufgaben gestellt hatten, an, daß er bereits von der Höhe seines künstlerischen Schaffens herabgesunken sei? Auffällig ist es jedenfalls, daß wir von dem Meister, der noch in den fünfziger Jahren stand, aus dieser letzten Zeit kein recht bedeutendes Werk mehr besitzen.

Nicht leicht war es für den Künstler, unter solchen Umständen seine Arbeitsfreudigkeit zu bewahren, und hin und wieder wurde, vielleicht auch infolge des fortschreitenden Alters, seine Hand bei der Führung von Meißel und Schlägel abermals laß. Düstere Gedanken durchwogten dann seine Seele und drohten das junge Glück, das mit Barbara in sein Haus eingezogen war, zu erschüttern.

So fand ihn die Gattin eines Tages, es war am 6. November 1503, in seiner Werkstatt. Freundlich legte sie den Arm um seinen Hals und fragte teilnehmend: »Was hast Du, lieber Adam? Hat ein Unwohlsein Dich plötzlich angefochten, oder bist Du von allzu großer Anstrengung ermüdet?«

Zärtlich blickte er zu ihr hinüber und antwortete: »Laß nur gut sein, liebe Eva, nicht schlimm ist's und wird bald wieder vorübergehen!«

Doch sie ließ nicht nach, ihn zu bitten, daß er ihr nichts verhehlen möchte, habe er doch selbst gesagt, daß kein Geheimnis zwischen ihnen sein dürfe.

Da hielt er nicht mehr zurück und erging sich in banger Klage.

»Um Deinetwillen, Du Gute, bin ich vornehmlich bekümmert; denn es scheint, als wenn ich Dir nicht, wie ich gehofft, ein sorgenfreies Leben bereiten könnte! Wer nicht, wie der Kaufmann, durch lohnenden Handel Schätze zu sammeln vermocht hat, muß in der Art des Tagearbeiters für die täglichen Bedürfnisse zu sorgen suchen. In dieser Lage bin auch ich und bin auch entschlossen, vor keiner Anstrengung zurückzuweichen, wenngleich nicht mehr jugendliche Kraft meine Sehnen und Nerven belebt. Aber um arbeiten zu können, muß man auch an die Arbeit gestellt werden, und mein wachsender Kummer ist's, Eva, daß es hieran immer mehr zu fehlen beginnt! Was ich zeither in Stein zu meißeln übernahm – kleine Schmuckstücke an Außenwänden, Verzierungen an Treppengeländern reicher Patrizier –, ist eigentlich dessen, der das Tabernakel in St. Lorenz geschaffen, nicht recht würdig; trotzdem hab' ich's vollführt; denn mannigfach sind jedes Tages Bedürfnisse, und sie können nicht unbefriedigt bleiben … Nun ist dies kleine Gebild hier das letzte, das ich in Auftrag hab' – und wenn es wirklich fertig wird, bringt's uns nichts ein, da ich den bedungenen Lohn schon im voraus empfing! Wovon wollen wir nun heute leben – wovon morgen? Liebe Eva, ich weiß es noch nicht!«

Ihre gutmütigen Augen schauten erschrocken auf ihn, doch sie suchte sich schnell zu fassen und sann auf Worte des Trostes.

»Sollte unser Herrgott einen solchen Meister wie Dich, der ihm für seine Kirchen und Kapellen so zahlreiche schöne Bildwerke gemeißelt, zu Grunde gehen lassen? Nein, Adam, das mag ich doch nicht glauben! Wenn es Dir in diesem Augenblicke an Geld fehlt – und auch ich hab' ja keinen Silberpfennig mehr in der Tasche –, kann es, denk' ich, nicht immer so bleiben! Ich mein', es müßten unter den großen Herren, die Dir vordem ihre herrlichen Bildwerke anvertraut haben, noch einige sein, die Dir wieder Beschäftigung gäben!«

»Martin Ketzel – der alte Hans Imhoff und mancher andere sonst ist hingestorben; die jüngeren halten das Geld mehr zusammen oder verwenden's auf Dinge, die nicht meiner Art sind. Doch darin, liebe Eva, magst Du recht haben: Ich könnte von früheren Gönnern den einen oder andern aufsuchen, ob er mir vielleicht wieder Beschäftigung geben möcht'. Wenn's dahin kommt, erhalt' ich wohl eine Anzahlung; – ist's nichts, so hab' ich noch einige Wertstücke, so ich für ein Darlehn als Pfand einsetzen könnt'! … Gestern ist mir Herr Peter Imhoff, der jetzt an der Spitze des großen Handelshauses steht, begegnet, hielt mich an auf der Gasse und befragt' mich freundlich, wie mir's ginge. Er weiß, wie sehr sein Vater mich geachtet und wie gern er mir, ohne daß ich drum bat, über die ausbedungene Summe hinaus gezahlt hat. Ja, zu Herrn Peter Imhoff will ich jetzt gehen! …«

»Helf' Dir und mir unser Herrgott!« sprach die Gattin, und als er seinen Schurz abthat und seinen besseren Rock hervorsuchte, leistete sie ihm Beistand und gab ihm dann bis zur Hausthür Geleit.

»Was hast Du da für ein Paket?« fragte sie beim Abschied.

»Laß gut sein, Eva; es ist nur für den äußersten Fall, der kommen könnt'!« gab er zur Antwort. Da forschte sie nicht weiter.

Peter Imhoff befand sich in seinem Comptoir. Er eilte dem Künstler entgegen, reichte ihm die Hand und sprach: »Sieh da, Meister Adam, was bringt mir die Freude Eures Besuches?«

Er hatte ihn in ein Nebengemach geführt und ihm einen Sessel geboten.

»Ich will nicht viele Umschweife machen,« hob der Bildhauer an, »fragen wollt' ich, Herr Peter, ob Ihr oder einer Eurer Brüder wohl Arbeit für mich hätte; denn ich würd' jetzt grad' ohne Verzug dran gehen können!«

Der Kaufherr blieb freundlich wie vordem.

»Ihr wißt, Meister, daß jeder von uns Eure Kunst hochschätzt und wohl Euch vor anderen Auftrag geben würd', doch in diesem Augenblick find' ich beim besten Willen nichts, was Ihr für mich meißeln könntet! Möcht' Euch auch nicht verbergen, Meister, daß die Zeiten jetzt nicht günstig sind; da muß man sich einzurichten suchen und Wünsche, die man hegt, wenn sie nur den Schmuck und die Kunst betreffen, zurückhalten … Habt Ihr sonst ein Anliegen?«

»Wenn Ihr mir einen Auftrag gegeben hättet, würd' ich wohl gebeten haben, mir einen Vorschuß drauf zu zahlen!«

»Seht, Meister Adam, wie ich schon gesagt habe, muß man sein Geld sehr zusammenhalten. Bei uns Kaufleuten steckt es überhaupt ja verstreut in mancherlei Dingen und an mancherlei Orten. Hab' erst gestern einem alten Bekannten sagen müssen, daß ich keinem mehr ohne volle Sicherheit Geld ausleihe. Selbst gegen alte Geschäftsfreunde muß man jetzt sehr zurückhaltend sein.«

»Wenn Euch aber ein genügendes Pfand gestellt würde?«

»Das müßten wir uns erst genau ansehen und abschätzen; – nun ja, wenn es ausreichte …«

Da öffnete Adam Krafft sein Paket.

»Seht hier, Herr Peter! Es sind drei Becher von gediegenem Silber; einen von denselben hat mir Euer seliger Vater geschenkt – damals, als ich das Sakramentshäuschen zu St. Lorenz aufgestellt hatte. Von ihm empfing ich dermalen auch einen namhaften Ehrensold und mein Weib Barbara ein schönes Kleid …«

»Mein guter Vater – ja, er gab immer so gern, mehr als die Werkmeister wirklich verdient hatten und irgend erwarten konnten! Er hat Euch, ich erinnere mich, Euer Werk sehr, sehr reichlich gelohnt. Ich will ihn drum nicht grade schelten; denn gegen einen Künstler, wie Ihr seid, muß man sich in solchem Falle freigebig zeigen. – Schade, daß ich nicht die Mittel hab', im gleichen Falle ebenso zu handeln. … Was die Becher betrifft, so mögen sie nach flüchtiger Schätzung bei dreißig Gulden wohl wert sein.«

»Ich lege noch ein ›Paternoster‹ hinzu, – wollt Ihr mir dreißig Gulden drauf leihen?«

»Dreißig Gulden –, ja, ja, so viel können sie schon wert sein … Doch man irrt sich bisweilen; will sie erst nochmals genauer abschätzen lassen; – Ihr braucht das Geld doch nicht sofort?«

»Allerdings würd' ich's gern sehen, das Darlehn jetzt gleich zu empfangen.«

»Dann will ich Euch vorläufig siebenundzwanzig Gulden drauf borgen; sollten die Gegenstände es zulassen, leg' ich hernach vielleicht noch ein paar Gulden zu!«

»Ich bin es zufrieden,« sagte der Meister gedrückt, nahm die siebenundzwanzig Gulden in Empfang und schlich traurig nach Hause. Der Vorgang ergiebt sich aus einem Vermerk des Imhoff'schen Geheimbüchleins vom 6. November 1503.

Unterwegs begegnete ihm sein Freund Peter Vischer.

»Hast ja schon einen frühen Ausgang gemacht, Adam! – Warum schaust Du so griesgrämig drein?«

»Peter, es ist schon jetzt gekommen, wie Du befürchtet hast: Der Mangel hat sich in meiner neuen Ehe mit zu Gaste gebeten, und Schmalhans ist unser Küchenmeister geworden! … Doch die Barbara oder, wie ich sie jetzt nenn', die Eva, ist ein vortrefflich Weib. Vorläufig hab' ich noch Versatzstücke gehabt, die ich zu Peter Imhoff getragen, um Geld zu bekommen; doch besser ist's, wenn man seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Wenn Du also einen Auftrag finden solltest, der für mich paßt, so denk' an mich!«

Er eilte hurtig weiter.

Mitleidig schaute der gutherzige Erzgießer hinter ihm drein. »Hab' zwar auch nicht grade Überfluß, zumal ich nicht so kinderlos durchs Leben geh' wie Freund Adam; aber besser bin ich doch noch dran als er … Ist's nicht ein Unrecht, den guten Künstler darben zu lassen? Die reichen Imhoffs, für die seine meisterliche Hand so treffliche Bildwerke geschaffen hat und die sich darauf hin in der Bürgerschaft recht viel zu gute thun, hätten ihm wohl auch ohne Unterpfand aushelfen können! – Und einen Auftrag? Die ›schlechten Zeiten‹ müssen da herhalten, – und doch gehen die Geschäfte der Kaufherren nicht schlechter als vordem. Nein, unsre Patrizier thun sehr unrecht daran, daß sie die Kunst nicht mehr so wie früher unterstützen! …« Man wird dem damaligen Patriziat von Nürnberg diesen Vorwurf nicht ersparen können, wenn auch hier nur von einer moralischen Verpflichtung die Rede sein kann.

Wohl erhielt Adam Krafft auf seine Pfänder von Peter Imhoff nochmals drei Gulden, und einige Wochen später zwei Gulden zwanzig Kreuzer. Es ergiebt sich dies auch aus dem Imhoffschen Geheimbüchlein. Aber ist es nicht bezeichnend, daß unser Meister schon wenige Wochen nach seiner Wiedervermählung so kleine Beträge erheben mußte, und mehr noch, daß es ihm hernach nicht möglich war, die erwähnten Pfänder einzulösen? Vielleicht ist seine mißliche Vermögenslage auch mit daraus zu erklären, daß er früher in seiner bereits anfangs hervorgehobenen Gutherzigkeit für Freunde und Bekannte Verpflichtungen übernommen hatte, die seine Kräfte überstiegen. Man möchte diesen Schluß unter anderm aus einer Urkunde ziehen, in welcher er gemeinsam mit Sebastian Lindenast für die Mitbürger Hans und Endres Hachenberger eine Bürgschaft übernimmt. Es geschah dies unterm 6. September 1499.


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