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Zu den edelsten und verdienstvollsten Aufgaben patriotischer Schriftsteller gehört zweifellos die, die bedeutendsten Persönlichkeiten der vaterländischen Geschichte, namentlich auch die großen Förderer des deutschen Geistes- und Kulturlebens, unserm Volke, besonders unserer Jugend, in lebendiger, packender Weise vor Augen zu führen. Gerade diese Aufgabe harrt noch immer größeren Teils ihrer Erfüllung. Zwar haben emsige Forscher bereits die meisten der betreffenden Persönlichkeiten hinreichend nach ihrer allgemeinen Bedeutung bezeichnet, ihre Werke zusammengestellt und beurteilt, aber durch solche meist äußerst mühsamen und jedenfalls höchst verdienstvollen Arbeiten konnte es ihnen doch nicht gelingen, unsere alten Geistesheroen und Meister dem Verständnisse und der verdienten Wertschätzung weiterer Kreise näherzubringen.
Soll dies erreicht werden, so muß meines Erachtens dem Dichter gestattet werden, daß er warmen Gemütes und phantasievoll den Spuren des fleißigen Forschers nachwandeln und die nackten Thatsachen, die jener gefunden, mit einem anmutigen Gewande bekleiden darf. Während der Forscher mit kritischer Sonde aus dem gesamten Nachrichtenmaterial das Feste und Sichere herauszufinden, die Wahrheit von der Dichtung zu scheiden gesucht hat, fordert dieser nachwandelnde Dichter für sich die Freiheit, jene Ergebnisse mit einer Art Seherblick zu betrachten, um hinsichtlich der Lebensverhältnisse und Schicksale des Helden gewisse Anhaltspunkte zu gewinnen, welche er zur erwünschten Ausfüllung der vielen vorhandenen Lücken benutzen kann, um so zu einem abgerundeten, packenden Charakterbilde zu gelangen. Da geben ihm oft anscheinend geringfügige Umstände, gelegentliche, bisher unbeachtete, ja selbst unverbürgte Angaben brauchbaren Stoff zu anregenden Bindegliedern und fesselnden Episoden, wobei sein Augenmerk allenthalben darauf gerichtet sein wird, die persönlichen Verhältnisse des Helden in den Vordergrund zu rücken.
Ich behaupte, daß neben den rein gelehrten, wissenschaftlichen Arbeiten, die für das Studium von Fachgenossen bestimmt sind, unserm Volke, unserer Jugend Werke der geschilderten Art dringend von nöten sind, und betrachte es als eine schöne Lebensaufgabe, solche Werke zu schreiben. Meine »Brandenburgisch-preußischen Geschichten« (L. Ost, Hannover) und mein »Berliner Zeit- und Charakterbild Thilo von Wardenberg« (Schall & Grund, Berlin) verfolgen die bezeichneten Bahnen und geben Darstellungen, welche sich den geschichtlichen Romanen nähern, ohne jedoch solche sein zu wollen. Mit meinem » Albrecht Dürer« (drei Erzählungen aus dem Kunstleben Alt-Nürnbergs) habe ich begonnen, auch hervorragenden Persönlichkeiten der altdeutschen Kunstgeschichte Charakterbilder dieser Art zu widmen. Mein nachstehendes Werk über den Bildhauer Adam Krafft schließt sich an das über den großen Maler seiner ganzen Gestaltung nach an; es ist ebenfalls ein in poetischer Freiheit entworfenes Charakterbild, – wenn man will, eine Art Künstlerroman.
Ich hoffe, daß man meine Absichten verstehen und daß insbesondere auch dieses Büchlein sich recht geeignet erweisen wird, um namentlich unsere Jugend mit einem der eigenartigsten und edelsten Meister Alt-Nürnberger Kunst vertraut zu machen.
Außer kunstwissenschaftlichen Werken allgemeiner Art sind für mein Werk G. W. K. Lochners Ausgabe der Nachrichten Johann Neudörffers, und besonders Fr. Wanderer, »Adam Krafft und seine Schule« und Berthold Daun, »Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit« von großem Nutzen gewesen.
Friedenau-Berlin, im August 1899.