Fritz Reuter
Hanne Nüte un de lütte Pudel
Fritz Reuter

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20.

              As't Tid is, geit hei hen. – Dor sitten
Twei Meister, vir Gesellen un de Oltgesell
An eine eigne Tafel midden
Up ehren groten Harbargssaal.
Un as de Bräuderschaft tau Stell,
Dunn kloppt de Oltgesell dreimal
Mit sinen Hamer up den Disch un seggt:

»Mit Gunst, ihr Gesellen, seid still! Es sind heute vier Wochen, daß wir zuletzt Auflage gehalten haben. Mag es länger oder kürzer sein, so ist hier Handwerksgebrauch, daß wir nach vier Wochen auf der Herberge zusammen kommen, um Auflage und Umfrage zu halten. Der Knappmeister wird die Lade auftragen nach Handwerkgebrauch und Gewohnheit.«

                        De ward de Lad denn up den Disch henstellen
Un redt tau Meister un Gesellen:

»»Mit Gunst, daß ich mag von meinem Sitze abschreiten, fortschreiten, über des Herrn Vaters und der Frau Mutter Stube gehn, und vor günstiger Meister und Gesellen Tisch treten.««
Drup seggt de Oltgesell: »Das sei Dir wohl vergönnt!«

              De Junggesell, de lett de Lad nu los un seggt:

»»Mit Gunst, daß ich mag die Gesellenlade auf günstiger Meister und Gesellen Tisch setzen. Mit Gunst hab' ich angefaßt, mit Gunst laß' ich ab.«« –

                »Du hast Deinen Abtritt,«
Seggt nu de Oltgesell un slütt
Den Deckel up, halt rute de Papiren,
De tau de Uplag' nödig wiren,
Un ward mit Krid twei Kreisen schriwen.
Den bütelsten, den lett hei apen bliwen,
Un wo hei up is, spannt hei mit den Dum
Un mit den Middelfinger äwer'n Rum,
Taum Teiken, dat sin Hand sall gellen
As Vörhand äwr'e annern all,
Un dat em Jeder folgen sall,
Un redt nu so tau de Gesellen:

»Mit Gunst, so habe ich den Gesellenkreis gezeichnet, er sei groß oder klein, ich überspanne ihn und schreibe die Gesellen hinein, die hier in Arbeit stehen. Schreib' ich zu viel oder zu wenig, so kommt wohl ein reicher Kaufmann und bezahlt Strafe und Buße für mich.«

    Un kloppt nu dreimal up den Disch:

»Mit Gunst, so habe ich Macht und Kraft und ziehe den Gesellenkreis zu.«

                      Un dormit schriwwt hei up den Disch un tüht
Den Kreis tausamen mit de Krid:

»Mit Gunst, ihr Gesellen, seid still. Ich habe euch eingezeichnet; ist Einer oder der Andere vergessen worden, der melde sich. Macht euch bereit zum Auflegen!«

                               Un de Gesellen treden achter'n anner
Mit ehre Bistü'r an den Disch heranner
Un leggen up den Disch ehr Geld.
Un as sik Keiner wider mellt,
Dunn kam'n de Frömden an den Reih.
De Oltgesell, de seggt tau ehr:
Es sei nicht blos günst'ger Meister und Gesellen Begehr,
Nein, alter Handwerksbrauch es sei,
Daß, wenn ein Schmied in dieser Stadt
Bei vierzehn Tag' gearbeit't hat
Dann müßt' er sich einschreiben lassen:
»Ist das Dein Wille, so gelobe an,
Unt thu' hier diesen Hammer fassen!«
De Frömd, de fött den Hamer an.
                          

Oltgesell:
Grüß Dich Gott, mein Schied!

Frömde:
Dank Dir Gott, mein Schmied!

Oltgesell:
Mein Schmied, wo streichst Du her,
Daß Deine Schuhe so staubig,
Dein Haar so krausig,
Daß Dein Bart gleich einem Schlachtschwert
Auf beiden Seiten herausstört?
Hast einen feinen meisterlichen Bart
Und eine feine meisterliche Art.
Mein Schmied, bist Du schon Meister gewesen,
Oder gedenkst Du's noch zu werden?

Frömde:
Mein Schmied, ich streich' über's Land,
Wie der Krebs über'n Sand,
Wie der Fisch über's Meer,
Daß ich mich ehrlich ernähr'.
Bin noch nicht Meister gewesen,
Gedenk' es aber noch zu werden,
Ist's nicht hier, ist's anderswo.
Eine Meile vom Ringe,
Wo die Hunde über die Zäune springe,
Da ist gut Meister sein.

Oltgesell:
Mein Schmied, wie ist der Name Dein,
Wenn Du zur Herberg' trittst hinein,
Wenn die Gesellenlade geöffnet ist,
Und Du Meister und Gesellen jung und alt darum sitzen siehst?

Frömde:
Silbernagel, das edle Blut,
Dem Essen und Trinken wohl thut.
Essen und Trinken hat mit ernährt,
Worüber ich manchen Pfennig verzehrt.
Ich habe verzehrt meines Vaters Gut
Bis auf einen alten Hut,
Der liegt unter des Herrn Vaters Dache,
Wenn ich dran denke, muß ich lache.
Sei er gut oder böse,
Fern sei, daß ich ihn löse.
Willst Du ihn lösen, sollst Du drei Heller Beisteuer haben.

Oltgesell:
Mein Schmied, ich danke für Deinen alten Hut;
Aber Silbernagel ist ein Name gut,
Den woll'n wir in Ehren hier behalten.
Mein Schmied, wo hast Du ihn errungen?
Hast Du ihn ersungen oder ersprungen?

Frömde:
Mein Schmied, ich konnte wohl singen,
Ich konnte wohl springen,
Es wollte mir aber nicht gelingen.
Ich mußte rennen und laufen,
Um für's Wochenlohn ihn zu erkaufen.
Das Wochenlohn wollte aber auch nicht recken,
Ich mußte das Trinkgeld noch dran stecken.

Oltgesell:
In welchem Lande, in welcher Stadt
Ist Dir widerfahren diese Wohlthat?

Frömde:
Zu Bramborg, wo man mehr Gerste zu Bier mälzt,
Als man hier Gold und Silber schmelzt.

Oltgesell:
Mein Schmied, kannst Du mir nich drei Glaubwürdige nennen,
Damit ich Deinen Namen kann recht erkennen?

Frömde:
Ich will sie Dir nennen, wenn Du sie Dir willst merken:
Peter trifft's Eisen,
Fix vor den Stock,
Rasch mit dem Balg.
Hast nicht genug an den Dreien Du,
Bin ich, Conrad Silbernagel, der Vierte dazu.

                 De Oltgesell, de fröggt noch dit un dat.
De frömd Gesell het up sin Fragen
De Red un Antwurt glik parat,
Un as hei sine Bistü'r gewen,
Dunn ward hei in dat Bauk indragen
Un in de Bräuderschaft inschrewen. –
Nu kümmt de Ümfrag', dat Gericht ward hollen,
Wenn Stridigkeiten vör sünd follen,
Wenn Einer gegen Handwarkssaken
Un Handwarksbruk hett wat verbraken.
De Oltgesell steit up un seggt:

»Mit Gunst, still ihr Gesellen! Es sind heute gewesen vier Wochen, daß wir nicht beisammen gewesen. Hat sich während dem etwas zugetragen, was Einem oder dem Andern nicht zu leiden steht, so wolle er aufstehen vor Meister und Gesellen und thun eine Umfrage.

                         Es soll ihm wohl vergönnet sein.
Un schütte Jeder seine Sache aus,
Weil wir sind in des Vaters Haus',
So hat man Macht zu sprechen draus,
Daß man's nicht spare bei Bier und Wein,
Wo gute Gesellen beisammen sein.
Auf freien Straßen und Gassen
Soll Einer den Andern zufrieden lassen.
Zu Wasser und zu Landen
Wird Keinem etwas zugestanden.
Rede Keiner viel von Handwerksgeschichten,
Was Meister und Gesellen auf der Herberge verrichten,
Schweigt Einer jetzt, so schweig' er auch hernach.
Was aber Einer mit Wahrheit bezeugen kann,
Das steht mit und meinen Gesellen wohl an.
Das sei gesagt zum erstenmale,
Das sei gesagt zum andernmale,
Das sei gesagt zum drittenmale
Bei der Buße mit Gunst!«
Un de oll Smädgesell, de stünn
Nun up, güng in den Kreis herin:
Mit Gunst, hei wull doch blot mal fragen,
Wat günst'ge Meister un Gesellen
Bi'n Smid Holthau'n un Waterdragen
För handwarksbrükliche Arbeit höllen;
Un wat dat wir en richt'gen Smid,
De, stats in lust'ge Cumpani
Sin Lid tau singen frank un fri,
Bi olle Judenwiwer sitt.
Un dat Gericht ward drup entscheiden:
»Mit Gunst, das steht nicht zu leiden.
Zeig' es uns an, wer dies gethan,
Er soll ein doppelt Strafmaß ha'n.« –
Dunn wis't hei höhnsch up Hanner Snuten:
»»Hir de Gesell bi Meister Wohlgemuthen.««
Uns' Hanner will sik deffendiren,
Doch Keiner lett sik dorup in,
Dun dat Gericht will nicks nich hüren,
Un't ward en heimlich Lachen sin.
Sin Mitgesellen ut de Smäd,
De treden nah einanner vör
Un jeder hatt 'ne ni Beswer,
Un wat Jehann ok dortau säd,
Hei würd verurthelt un verdunnert.
Un halw in Wuth un halw verwunnert
Tellt hei sin Strafen grimmig hen
Un set't sik trotzig up sin Städ.
De Oltgesell steit up: »Mit Gunsten, wenn
Niemand mehr etwas weiß, so weiß ich was:
Wir wollen Geld zählen und Bier zappen,
Wo schöne Mädchen mit den Krügen klappen.«
Un tellt dat Geld un slütt de Lad:

So wie ich unserer Gesellenlade Schloß schließe, soll ein Jeder seinen Mund schließen. Mit Gunst, aus Kraft und Macht schließe ich zu. Mit Gunst stecke ich mein Schwert in die Scheide. Mit Gunst, daß ich mein Haupt bedecke. Mit Gunst, ihr Bursche, bedeckt euch!«


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