Fritz Reuter
Hanne Nüte un de lütte Pudel
Fritz Reuter

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9.

    In't irste Virtel steit de Mon,
Hei speigelt sik in Abenddak
Up Feld un Wisch as wittes Lak
Un in den Dik as goldne Kahn.
Un üm den Kahn, dor rätert dat
Un üm den Jahn, dor plätert dat;
De olle Poggenkanter satt
Noch ümmer up sin Mümmelblatt,
Un fängt nu an:

      Natt, Natt,
      Nat is dat Water.
      Wat drögere Städen!
      Hir sünd wi taufreden, freden, freden.
      Kein Katt un kein Kater
      Hett uns tau befehlen, tau quälen;
      Fri kän wi grälen, grälen, grälen.

    Un all dat anner Poggentakel,
Dat föllt nu in mit grot Spectakel:

      Kein hett en Quark uns tau befehlen!
      De Aderbor, de Aderbor,
      De Aderbor, de is nich dor,
      Wi känen grälen, grälen, grälen.

    Un weik un dump
Klingt ut den Sump
So angst un bang
De Unkensang:

      Duk unner, duk unner! En Königskind
      Is hir mal vör Johren verdrunken;
      An'n Grun'n, an'n Grun'n, dor sitt s' un spinnt,
      Sei 's Königin von uns Unken.
      Sei sitt in Lum'm, sei sitt in Plün'n
      In'n Sump un deipen Grun'n;
      Wer unsre Königin will win'n,
      Küß driest ehr up den Mun'n.

    Un dörch dat Grälen un de Klag',
Dörch Poggensang un Unkensag',
Dörch Abenddak un Frühjohrsnacht
Geit up en Lied in vulle Pracht.
Dat funkelt irst so heimlich still,
As Stirnenschin bi Winters Küll;
Dat gütt denn weik sik äwer'n Plan,
As Sommerstid de vulle Man,
Un gläut denn hell mit Stral up Stral
As lichte Sünn von'n Heben dal.
Dat küßt so säut, un deit so wei,
Dat heilt dat Hart un ritt't intwei.
Dat is de säute Nachtigal,
Sei singt von de zwei Beiden,
Sei singt de olle Melodei,
Sei singt von Scheiden un Meiden:

      Adjüs, adjüs! – Ik denk an Di –
            Un sall ik Di verlir'n,
      Adjüs, adjüs! Denn denk an mi,
            An mi, Din lütte Dirn!
      Un kihren Din Bräuder taurügg, taurügg,
            Un sälen mi grüßen von Di,
      Wer weit, wer weit, wo ik denn ligg,
            Un Du liggst nich bi mi.

    »Nu hür,« seggt Jochen, »hür doch mal!
Dat is de Krät, de Nachtigal.
Dat Dingschen süht nah gor nicks ut
Un wo bringt sei dat nüdlich rut!
Un ümmer hett s' en Stück parat. –
Hüt Abend ward ik an de Strat
Up't Hakelwark bi Jochen Smidten
So'n Beten in Gedanken sitten,
Un denk mi vel un denk an nicks,
Dunn kümmt sei ran un makt en Knicks:
»Gun'n Abend, Jochen,« seggt sei, »na? –
Ik bün taurügg ut Afrika.« –
»»Ja,«« segg ik, »»süllst Di brav wat schämen,
So in de Welt herüm tau striken,
Bliw hir bi uns, bi Dines Gliken!
An Lotten kannst en Bispill nemen,
De brödd nu all den tweiten Satz.««
Dunn lacht s' un seggt: »Mein lieber Spatz,
Dein Lotting ist ein braves Weib,
Un Essen kochen, Strümpfe knütten
Un Junge aus die Eier sitten
Ist sicher auch ein Zeitvertreib;
Doch wir, die in der Poesie
Die Aufgab' unsers Lebens finnen,
Wir Künstler und wir Sängerinnen,
Wir knütten, Jochen, un brüten nie.
Doch wenn das letzte Lied verklungen,
Und wenn die Kehlen ausgesungen,
Und sich 'ne gute Aussicht zeigt,
Denn sind wir auch nicht abgeneigt... –
Na, Jochen, Du wirst mich verstehn,
Du bist ja selbst 'ne Art Genie,
Und darum – willst Du mit mir gehn –
Will ich ein Stückchen Poesie
Dir in der nächsten Nähe zeigen. –
Komm! – hinter diesen Erlenzweigen.«
Du leiwer Gott, dor stunn lütt Smidten-Fiken –
De lütte Pudel, segg sei jo –
De hellen Thranen in dat Og',

                    Ehr Backen gläuten lichterloh,
So sach sei Hanne Nüte'n nah,
De in de Frömd tau wannern tog.
Un folgt de Hand so äwer't Hart,
As wir't 'ne Duw, de flügge ward,
Un wull nu fleigen
Ut ehren Slag,
Un säuken tau eigen
En anner Flag.
Ach Gott, wo würd dat Kind mi jammern!
So würd s' sik an den Kirschbom klammern
Un stamert lising vör sik hen:
»Herr Gott, Herr Gott! Was is mi denn?« –
Dunn rep oll Smidtsch: »»Dau! Fiken, swinn!
Uns' Korl föllt glik in'n Sod herin!«« –
Dunn fohrt s' tau Höcht, as kreg s' en Stot,
Un flog heranne an den Sod
Un ret dat Gör von't Water t'rügg,
Un satt un weinte bitterlich,
Un kunn sik gor nich wedder faten,
Un wull dat Kind nich von sik laten,
Bet Mutter ehr denn irnstlich schüll,
Dunn würd sei still. –
»»Dat sünd de Nerven,««, antwort Lott.
»»Dat arme Kind! Du leiwer Gott!
Un hett mi mal in frühern Johren
Ut Noth erlöst, as 'k von den Jungen,
Von ehren Brauder Fritz, was fungen.
Dunn heww ik ehr dat fast tau sworen,
Wo ik dat künn, will ik ehr nütten;
Un nu möt s' so in Thranen sitten!
Un wull ehr helpen, wo ik künn;
Un wo sei güng, un wo sei stünn,
Süll, wat uns' Fründschaft is, und Du
Bewachten sei un wohren tru.
Wer is de Nüte denn für Ein?«« –
»Wo, kennst Du Hanne Nüten nich?
Na, dat wir doch absonderlich!
Hir buten kannst en liggen seihn.« –
»»De is dat! De!«« röppt Sparlings-Lotting,
»»De mit dat grote Growbrod-Botting.
Wat möt dat für en Schapskopp sin!
Geit in de wide Welt herin,
Un lett den säutsten Gottes-Engel,
Den leiwsten Schatz tau Hus taurügg!««
»Ja, von de Kläuksten is hei nich,
Hei is so'n oll'n dickköpp'gen Bengel,
Un sallst mal seihn, de Slüngel schafft
Sik up sin dämlich Wanderschaft
As Brut so'n olles Schätzschen an,
De 'n in de Arwten setten kann;
Hei is en Klas un bliwwt en Klas.« –
Knapp hett hei dese Meinung seggt,
Dunn rögt sik unnen wat in't Gras,
Un Hanne rappelt sik tau Höcht
Un kickt in't Sparlings-Finster rin:
»»Wohrhaftig, ja! Ik bün en Klas.
Wat ik doch för en Schapskopp bün!
Hett mi dat drömt? – Het't wer mi seggt? –
Wo'st mäglich, dat Ein dat nich mark!
Wat was sei fründlich, leiwlich ümmer,
Wat was sei stilling üm mi rümmer!
Un kek mi nah dörch't Hakelwark!
Dortau heww 'k kein Gedanken hatt.
Ik wüßt von nicks, nu weit ik wat.
Lütt Fiken, lütt Dirning, des' Post von di,
De is mi deip in't Hart rin drungen! –
Hewwt ji't mi seggt? Hewwt ji't mi sungen?««
Un de Nachtigal sung:

            Adjüs, adjüs!
      Kihr bald, kihr bald taurügg!
            En leiwes Hart, dat sleit für Di
            So säut, so säut, so lat, so früh,
      Dat lett Di nich, dat lett Di nich,
      Dat tüht, dat tüht Di ümmer t'rügg;
            Kihr bald, kihr bald un tröst sin Wei!
            Kihr bald, kihr bald, ihr't Hart intwei!
      Hanne Nüte, Hanne Nüte, kihr bald!

    Un all de Poggen fangen an tau grälen:

      Wat, wat, wat soll dat Quälen, Quälen, Quälen?
            Wat trecken, wat wannern?
            Makt't grad as de Annern
            Un danzt up de delen,
            Up Tehnen, up Hacken;
            Lat't Kauken tau backen;
            Achter'n Aben dat Fatt,
      Un denn man brav natt, natt, natt!
      Dat darw up 'ne Hochtid nich fehlen, fehlen, fehlen.

    Un in den ollen Drängesang
Singt sacht un lis' de Unk mit mang:

      In Lum'm sitt s' un Plün'n,
      En Schatz up Hartens Grun'n;
      Wer desen Schatz will win'n,
      De win'nt em, wenn hei wun'n
      Den Kuß von ehren Mun'n.

    Un Hanne langt nah sinen Stock
Un smitt den Ränzel un den Rock
Sik äw're Schuller, horkt un geit
Un steit denn wedder, wat dat heit,
Dat hei de Nachtigal versteit,
Dat Unkensang un Poggengrälen
Tau Uhr un Hart em dütlich spreckt,
In em 'ne säute Unrauh weckt,
Half helle Lust, half heimlich Quälen. –
Was is't mit em? Wat is mit em gescheihn?
Hett hei in'n Drom en Engel seihn?
Hett de em Uhr un Hart upslaten,
Em Gold un Sülwer, Edelstein
In'n eig'nen Bussen funken laten,
Von dat hei sülben nich hett wüßt?
Hett de em ut den Slap upküßt?
Sprök de tau em so weik un warm
Un doch so irnst un fast tauglik:
»Behöllst den Schatz du, bliwwst du arm,
Verschenkst du en, denn wardst du rik?« –
Ja, will en verschenken
An sin lütt Dirn;
An ehr will hei denken
In wide Firn;
Ja, will en verschenken
In allen Glanz;
An ehr will hei denken
So heil un ganz. –
Un as hei geit nu üm de Bucht,
Wo't in den Holt geit barghendal,
Swenkt hei den Haut fri dörch de Lucht
Un dreit sik üm taum letzten Mal:
»Ja, Nachtigal, ik kam taurügg;
Ik bring' all Gold un Edelstein
An't Hus taurügg so hell un rein;
Ik schüdd't ehr all in ehren Schot! –
En trues Hart un däglich Brod,
Dat is de Schatz von Unserein. –
Un sitt s' in Lum'm un sitt s' in Plün'n,
Ja, olle Unk, ik will sei win'n,
Ik hal sei ut den deipen Grund,
Will küssen ehren roden Mund,
Sall Königin sin, min hartleiw Schatz!
Un dese Swur, de sall mi brennen,
Wenn ik en nich holl; denn, Musche Spatz,
Denn sallst du nich »Klas« mi, sallst »Schuft« mi nennen!«-
Un hei treckt wider sine Strat. – –
»»Süh so!«« seggt Spatz, »»dor heww'n wi den Salat!
Hei hett de Reden, de wi führt,
Hir buten Wurt für Wurt anhürt.«« –
»Ih wo!« seggt Lott, »is dat 'ne Sak!
Kein Minsch versteit uns' Vagelsprak.« –
»»Mein Kind,«« seggt Spatz, »»es thut mir leid
Um Deine groß' Unwissenheit;
Denn dieses muß ich besser wissen. –
In alten Zeiten, lang vor dissen,
Da konnt' die Menschheit in den Sternen lesen
Und konnt' die Vogelsprach verstehn,
Doch thät sie diese Künst verdäsen
Und ließ sie schmählich untergehn.
Worum? Sie dünkt sich allzuklug,
Schrieb schrewen Schriwwt, las drucktes Buch
Und glaubt in ihrem Uebermuth,
Mehr Weisheit steck' in diesen Dingen,
As wenn der Himmel schreiben thut
Und wenn wir klugen Vögel singen.
Zwar geht die Sage, daß in spätern Zeiten
Im fremden Land, im fernen Inden,
Zuweilen Weise noch zu finden,
Die Sternenschrift noch könnten deuten
Und Vogelsprache noch verstünden,
Und daß bei uns auch mancher wache Schläfer,
Der stundenlang mit off'nem Maule brütet,
Und hie und da ein alter Schäfer,
Der seine Herde an dem Waldsaum hütet,
Noch einen Rest von dieser Gabe
In Einfalt sich bewahret habe.
Doch hab' ich Keinen noch gefunden,
Denn das Verständniß ist gebunden
An Forderungen mannichfachster Art.
Zuerst muß der, der so begnadigt ward,
Ein reiner Junggeselle sein,
Geboren Mittags zwischen Zwölf und Ein,
Am Sonntag unter günstigem Gestirne.
Dann muß ihn eine keusche Dirne,
Ohn' daß er selber davon weiß,
Mit einer Liebe rein und heiß
Seit ihrer ersten Jugend Tagen
Still im verborg'nen Herzen tragen.
Dann muß er Abends an dem ersten Mai,
Den Tag nach Wolperts-Hexerei,
Ein grobes Butterbrod aufessen
Und drob all Leid und Gram vergessen.
Und schläft er dann an einem Baum,
Worin ein treues Pärchen wohnt,
Am Teich, am dunkeln Waldessaum,
Wo eine grause That gescheh'n,
Von Vogellied gewieget ein;
Steht in der ersten Quart der Mond
Und scheint aus lichten Himmelshöh'n
Ihm freundlich in's Gesicht hinein,
Dann wird er die Vogelsprach' versteh'n.
Doch diese fremde Kunst verschwindet
Grad in demselben Augenblick,
In dem er selbst der Liebe Glück
In eigner Brust zuerst empfindet.
Kein Hoffen, Wünschen, Sehnen, Trauern
Bringt das Verständniß ihm zurück.
In leisem Zittern, dunkeln Schauern
Verblüht der kurze Silberblick,
In dem das Leben sich erschlossen,
Sein ganzes Sein in Eins geflossen,
Der einz'ge helle Wahrheitsspiegel,
Wenn das Metall war echt und rein!
Und was bis dahin in ihm lebte,
Und was er wußte, was er strebte,
Das wirft er alles in den Tiegel,
In des Metalles Gluth hinein.
Die alte Form, sie ist zerbrochen,
Und was zum Herzen einst gesprochen,
Das schweiget stumm seit dieser Frist.
Es soll das Alte untergehn,
Ein neu Gebilde soll entstehn.
Wohl ihm, wenn er ein Bildner ist.«« –
»Ach Gott,« seggt Lotting, »ach de Minschen!
Wat maken s' sik dat Leben sur!
Dat is en ewig Quälen, Wünschen,
Un nicks bi ehr is up de Dur.
Na, lat sei gahn, wenn sei't so willen!
Doch hür' mal, Jochen, dese Beiden,
De will'n wi heimlich ganz in Stillen
Mit uns're ganze Sippschaft häuden,
Vör Unglück un vör Untru möten.
Un süll ehr mal en Led taustöten,
Denn will'n wi dat taum Besten wen'n.
Lütt Fik hett mi ut Fritzen sine Hän'n,
Ut Ängsten un ut Nöthen redd't;
Nu heww ik't in den Kopp mi set't,
Ik will ehr riklich dat vergellen.« –
»»Ja,«« seggt de Oll, »»min leiwes Pöpping,
Settst Du Di mal wat in dat Köpping,
Denn kann Ein up den Kopp sik stellen...
Na, Lotting, na, denn helpt dat nich!««
Un dreit sik üm: »»Gu'n Nacht ok, Kind!««
Un snorkt un sagt ganz fürchterlich. –
Un Lotting wakt noch lang' un sinnt,
Wo Allens intaurichten wir,
Denn negstedags is Kindelbir.


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