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X.

Alles Forschen nach Julien war bisher vergebens gewesen, und die von Natur gebietherische Gemüthsart des Marquis, jetzt durch Verdruß erhöht, wurde allen, die um ihn waren unerträglich. So wie die Hoffnung, Julien wieder zu finden, abnahm, verstärkte sich sein Glaube, daß Emilie zu ihrer Flucht behülflich gewesen wäre, und er ließ sie die Härte seines ungerechten Verdachtes empfinden. Sie erhielt Befehl, ihr Zimmer nicht zu verlassen, bis ihre Unschuld an den Tag gebracht, oder ihre Schwester wieder gefunden wäre. Die treue Theilnahme der Madame de Menon war der einzige Trost ihres gepreßten Herzens. Ihre Angst um Julien vermehrte sich täglich. Sie wußte niemand, dem ihre Schwester sich anvertrauen, keinen Ort, wo sie Schutz finden könnte, und mußte die schrecklichsten Übel für sie erwarten. – Eines Tages, als sie, in traurige Betrachtungen versenkt, in ihrem Zimmer am Fenster saß, sah sie einen Mann in voller Eile ins Schloß sprengen. Ihr Herz klopfte von Furcht und Erwartung; seine Eile ließ sie vermuthen, daß er Nachricht von Julien brächte, und kaum konnte sie sich enthalten, den Befehl des Marquis zu brechen, und in die Halle zu stürzen, um zu erfahren, was er brächte. Sie hatte richtig vermuthet. Es war ein Spion vom Marquis, und er kam ihm zu sagen, daß Fräulein Julie in einer Hütte im Walde bey Marentino versteckt sey. Der Marquis frohlockte über diese Nachricht, und gab dem Manne eine reichliche Belohnung Er hörte zugleich, daß ein junger Cavalier sie begleitete, welches ihn in die äußerste Verwunderung setzte; denn er wußte außer dem Grafen Vereza niemand, dem sie sich anvertrauet haben könnte, und der Graf war von seinem Schwerte gefallen. Er befahl sogleich einem Theile seiner Leute, dem Bothen nach dem Walde bey Marentino zu begleiten, und bey Todesstrafe weder Julien noch den Cavalier entwische zu lassen. – Als der Herzog von Luovo von dieser Entfernung Nachricht erhielt, bath er den Marquis um Erlaubniß, ebenfalls nachzuspüren, und erhielt sie. Er machte sich sogleich auf den Weg, bewaffnet, und von einer großen Anzahl seiner Leute begleitet. Es war sein Vorsatz, alle Gefahr zu laufen, und das Äußerste zu wagen, ehe er den Gegenstand seines Unternehmens verfehlte. – Der Wald lag einige Meilen von Mazzini entfernt, und der Tag neigte sich, als sie die Grenzen desselben erreichten. Das dicke Laub der Bäume verbreitete einen tiefern Schatten umher, und sie mußten mit Vorsicht reiten. Dunkelheit hatte längst die Erde bedeckt, ehe sie an die Hütte kamen, zu welcher ein Licht sie führte, das von fern durch die Bäume schimmerte. Der Herzog ließ seine Leute in einiger Entfernung, stieg ab, und ging nur von einem Bedienten begleitet auf die Hütte zu. Als er sie erreicht hatte, stand er stille, und sah durch das Fenster einen Mann und eine Frau in Bauernkleidung beym Abendessen sitzen Sie waren im eifrigen Gespräche begriffen, und der Herzog, der nähere Nachricht von Julien zu vernehmen hoffte, suchte sie zu behorchen. Sie priesen die Schönheit einer jungen Dame; der Herzog zweifelte nicht, daß es Julie sey, und die Frau sprach viel zum Lobe des Cavaliers. »Er hat ein edles Herz,« sagte sie; »und ich bin nach seinem Ansehen gewiß, daß er aus einer vornehmen Familie seyn muß.«

»Ach was! –« antwortete ihr Gefährte; – »die Dame ist so gut, als er. Ich bin zu Palermo gewesen, und weiß wohl, was vornehme Leute sind; und wenn sie nicht dazu gehört, lasse ich mir den Hals abschneiden. Das arme Ding! wie sie sich in den Kleidern ausnahm! Das Herz that mir wehe, wenn ich sie ansah.«

Sie schwiegen ein Weilchen. Der Herzog klopfte an die Thür, und fragte den Mann, der sie aufmachte, nach der Dame und dem Cavalier, die jetzt in seiner Hütte wären.

Man versicherte ihn, es sey niemand in der Hütte, als die Leute, die er jetzt sähe. Der Herzog bestand darauf, daß die Personen, nach welchen erfragte, darin versteckt wären, und als der Mann eben so hartnäckig läugnete, gab er das Signal, worauf seine Leute hervor kamen, und die Hütte umgaben. Die Bauern erschraken, und gestanden, daß eine Dame und ein Cavalier so wie er sie beschriebe, einige Zeit in der Hütte verborgen gewesen, jetzt aber fortgegangen wären. – Der Herzog mißtraute dieser letzten Aussage, und befahl seinen Leuten, die Hütte und den umliegenden Theil des Holzes zu durchsuchen. Sie fanden nichts. – Der Herzog beschloß indessen, sich alle mögliche Nachricht von den Flüchtigen zu verschaffen, nahm eine finstere Mine an, und befahl dem Bauer bey Strafe augenblicklichen Todes, alles, was er wüßte, zu entdecken. – Der Mann antwortete, daß ungefähr vor einer Woche in einer sehr finstern und stürmischen Nacht zwey Personen in die Hütte gekommen wären, und um Zuflucht gebethen hätten. Sie hätten niemand zur Begleitung gehabt, sondern vornehme Personen in verstellter Kleidung zu seyn geschienen; sie hätten für alles, was sie bekommen, sehr freygebig bezahlt, und wären wenige Stunden vor der Ankunft des Herzogs aus der Hütte fortgereist. – Der Herzog erkundigte sich, welchen Weg sie genommen hätten, und nachdem er Nachricht erhalten hatte, stieg er wieder auf sein Pferd, und setzte nach. Der Weg ging verschiedene Meilen weit durch den Wald, und die Finsterniß und die Wahrscheinlichkeit, auf Banditen zu treffen, machte die Reise sehr gefährlich. Mit Tages Anbruche kamen sie aus dem Holze, und sahen ein wildes, gebirgiges Land, durch welches sie viele Stunden fortritten, ohne eine Hütte oder menschliches Wesen wahrzunehmen. Keine Spur von Anbaue war zu sehen; kein Laut drang in ihr Ohr, außer das Stampfen ihrer Pferde, und das Brüllen des Windes durch die dicken Wälder, die über den Bergen hingen. Das Nachsehen war mißlich; aber dennoch beschloß der Herzog zu beharren. Endlich erblickten sie eine Hütte, und der Herzog hörte zu großer Freude, daß zwey Personen; so wie er sie beschrieb, vor ungefehr zwey Stunden hier angehalten, und Erfrischung zu sich genommen hätten. Er fand es nothwendig, zu eben dem Zwecke anzuhalten: Brot und Milch, das Einzige, was die Hütte vermochte, wurde aufgetischt, und seine Leute würden sehr zufrieden gewesen seyn, wäre nur von diesem häuslichen Mahle genug da gewesen, ihren Hunger stillen. Sie verschlangen eilends, was da war, und begaben sich wieder auf den Weg, den man ihnen als denjenigen, welchen die Flüchtlinge genommen hatten, anwies. Das Land gewann nun eine fröhlichere Gestalt. Korn, Weinberge, Wäldchen von Oliven und Maulbeerbäumen schmückten die Hügel. Die schattigen Thäler verschönerten oft die Krümmung eines hellen Stroms, und abwechselnd sah man halb verborgene Hütten haufenweise zusammen stehen. Hier ragten die hohen Thürme eines Klosters über die dicken Bäume, welche sie umgaben, hervor, und dort bildeten die wilden Wüsten, durch welche die Reisenden gekommen waren, einen kühnen und mahlerischen Hintergrund in der Landschaft.

Der Herzog erhielt auf seine Fragen an die verschiedenen Leute, denen er begegnete, Antworten, die ihn aufmunterten, weiter zu gehen. Um Mittag hielt er in einem Dorfe an, um sich und seine Leute zu erfrischen. Er konnte keine Nachricht von Julien erhalten, und wußte nicht, welchen Weg er nehmen sollte; endlich aber beschloß er, den, worauf er war, zu verfolgen, und machte sich wieder auf. Er reisete viele Meilen weit, ohne jemand zu finden, der ihm die nöthigen Nachrichten geben konnte, und er gab beynahe alle Hoffnung auf, sie zu finden. Die verlängerten Schatten der Wälder und das schimmernde Licht verkündigten den Untergang des Tages – als er plötzlich von der Spitze eines kleinen Hügels zwey Personen zu Pferde im Thale unten entdeckte. An der einen unterschied er eine weibliche Tracht, und glaubte in ihrem Wuchse Julien zu erkennen. Während er stille hielt, und sie aufmerksam betrachtete, sahen sie sich nach dem Hügel um, und als von einem plötzlichen Schrecken getrieben, sprengten sie eilends über die Thäler. Der Herzog zweifelte nicht länger, daß sie diejenigen waren, die er suchte, und befahl also einigen von seinen Leuten, sie zu verfolgen, während er selbst sein Roß in vollen Galopp setzte. Ehe er das Thal erreichte, waren die Fliehenden, die sich schnell um einen Hügel gedreht hatten, ihm aus dem Gesichte. Der Herzog setzte seinen Weg fort, und seine Leute, die weit vor ihm voraus waren, erreichten endlich den Hügel, hinter welchem die zwey Personen verschwunden waren. Keine Spur von ihnen war zu sehen, und sie kamen in einen engen Weg zwischen zwey Reihen hoher, wilder Berge; zur Rechten rollte ein reißender Strom hin, dessen tiefes, wiederhallendes Gemurmel die feyerliche Stille des Ortes unterbrach. Die Abendschatten sanken nun dick herab, und bald war die Gegend in Dunkelheit gehüllt; allein der Herzog, den eine ungestüme Leidenschaft forttrieb, achtete diese Hindernisse nicht. Ob er gleich wußte, daß die Wildnisse von Sicilien oft von Banditen durchschwärmt werden, ließ ihn doch sein zahlreiches Gefolge keinen Angriff fürchten. Nicht so seine Begleiter, von welchen verschiedene Bewegungen blicken ließen, die ihrem Muthe nicht sehr zur Ehre gereichten; sie starrten vor jedem Busche zurück, und glaubten, daß er einen Räuber verhehlte. Sie bemühten sich, den Herzog vom Weitergehen abzubringen, äußerten wie ungewiß es sey, ob sie auf dem rechten Wege wären, und empfohlen die offenen Thäler; allein der Herzog, der mit wachsamem Auge die Flucht der Flüchtlinge bemerkt hatte, und sich nicht von seinem Vorhaben abbringen ließ, trieb schnell ihre Argumente zurück. Sie setzten ihren Weg fort, ohne eine einzige Person zu treffen. – Der Mond stieg nun auf, und verschaffte ihnen einen schattigen unvollkommenen Blick von den umliegenden Gegenständen. Die Aussicht war wüst und dunkel, und ihre Augen trafen auf keine menschliche Wohnung. Sie hatten nun alle Spur von den Flüchtlingen verloren, und fanden sich in einer wüsten, wilden Gegend verirrt. Ihre einzige Sorge war nun, sich aus einer so trostlosen Lage zu befreyen, und mit ängstlicher Sorgfalt horchten sie bey jedem Schritte nach einem Laute, der ihnen eine menschliche Wohnung entdecken könnte. Sie horchten vergebens; die Stille der Nacht wurde nur vom Winde unterbrochen, der zuzeiten in hohlem, tiefem Gebrülle durch die Berge pfiff. So wie sie mit schweigender Behuthsamkeit weiter ritten, sahen sie in einiger Entfernung ein Licht durch die Felsen schimmern. Der Herzog stand an, ob er sich heran wagen sollte, da es wahrscheinlich von einer Bande Banditen kam, womit diese Gebirge erfüllt seyn sollten. Während er sich besann, verschwand es; allein er hatte noch wenig Schritte zurück gelegt, als es wieder erschien. Er sah nun, daß es aus der Mündung einer Höhle hervor ging, und einen hellen Schimmer auf die überhangenden Felsen und Gesträuche warf.

Er stieg ab, und von zweyen seiner Leute begleitet – die übrigen ließ er in einiger Entfernung – ging er schweigend und mit langsamem Schritte nach der Höhle zu. So wie er näher kam, hörte er den Schall vieler Stimmen bey einem hohen Saufgelage. Plötzlich hörte das Getümmel auf, und eine helle, männliche Stimme sang folgende Worte:

Auf, schenket reichlich ihr Zecher!
     Füllet den schäumenden Becher
Bachus zu Ehren mit Wein!
     Mit Wonne soll er durchglühen
Jegliches Aug' so entfliehen
     Trüben Gedanken der Zukunft.

Bilder von Wonn' und Entzücken,
     Schweben vor unseren Blicken,
Während der Geist sich ergießt.
     In uns ströme die Gottheit,
Sanfte Gefühle und Frohheit,
     Die kein Nüchterner kennt!

Die letzten drey Zeilen wurden im lautem Chore wiederhohlt. Der Herzog horchte mit Erstaunen zu. Solche gesellige, jovialische Fröhlichkeit in dieser wüsten Einöde schien mehr der Bezauberung, als der Wirklichkeit zu gleichen. Er würde sie ohne Bedenken für einen Haufen Banditen gehalten haben, hätte ihm nicht ihr Gesang für Menschen von dieser Classe zu seyn geschienen – – Er konnte nun die ganze Höhle übersehen, und der Augenblick, der ihn von seinem Irrthume überführte, vermehrte auch seine Verwunderung. Er sah bey dem Lichte eines Feuers eine Bande Banditen im tiefsten Grunde der Höhle rings um eine Art von plumpem Tische, der in den Felsen gehauen war, sitzen. Der Tisch war mit Speisen besetzt, die sie mit großer Begierde und Freude verschlangen. Die Gesichtsbildungen dieser Menschen zeigten eine wunderbare Mischung von Muth und Geselligkeit, und der Herzog wähnte beynahe, in diesen Räubern eine Bande der frühern Römer zu sehen, ehe Wissenschaften sie verfeinert, Luxus sie geschwächt hatte. Allein es blieb ihm nicht lange Zeit zu Betrachtungen; – ein Gefühl seiner Gefahr hieß ihn fliehen, so lange noch Fliehen in seiner Macht war. Als er sich umdrehte, um fortzugehen, sah er zwey gesattelte Pferde nahe bey der Mündung der Höhle grasen. Es fiel ihm sogleich ein, daß sie Julien und ihrem Gesellschafter gehören könnten. Er besann sich, und beschloß endlich, noch ein wenig zu warten, und dem Gespräche der Räuber zuzuhören, in Hoffnung einen Aufschluß seiner Zweifel zu erhalten. Sie sprachen eine lange Zeit in hoher Jovialität, und priesen frohlockend viele von ihren Thaten. Sie beschrieben mit spöttischen Anspielungen und mit rohem Witze das Benehmen verschiedener Leute, die sie beraubt hatten, während die Höhle von lautem Gelächter und Beyfalle wiederhallte. Sie beharrten in dieser lärmenden Fröhlichkeit, bis einer von ihnen den armseligen Gewinn ihres letzten Abenteuers verwünschte, aber die Schönheit einer Dame pries, worauf sie alle die Stimmen senkten, und über einen ungewöhnlich interessanten Punct zu debattiren schienen. Die Leidenschaften des Herzogs wurden aufgereizt, und er war überzeugt, daß Julie das Frauenzimmer seyn müßte, von dem sie sprachen. Im ersten Antriebe seines Gefühls zog er sein Schwert; allein der Gedanke an die Zahl seiner Widersacher hielt seine Muth zurück. Er drehte sich von der Höhle, um seine Leute zusammen zu rufen, als der Schein des Feuers auf den blanken Griff seines Degens blitzte, und einem von den Banditen ins Auge fiel. Er sprang von seinem Sitze auf; seine Kameraden erhoben sich voller Bestürzung, und entdeckten den Herzog. Mit lautem Geschreye stürzten sie aus der Höhle – er versuchte zu seinen Leuten zu entwischen; aber zwey der Banditen schwangen sich auf die Pferde, die neben der Höhle graseten, hohlten schnell ihn ein, und ergriffen ihn. Seine Kleidung und Anstand zeigten, daß er eine Person von Stande war, und jubelnd in der Hoffnung auf reiche Beute, schleppten sie ihn mit Gewalt in die Höhle. Hier erwarteten ihre Kameraden sie; aber was waren des Herzogs Gefühle, als er in dem Räuberanführer, der zuvor mit dem Rücken nach der Thüre gesessen hatte, seinen eigenen Sohn erkannte! Um der bittern Strenge seines Vaters zu entgehen war Riccardo vor einigen Jahren aus seinem Schlosse entflohen, und hatte nie wieder von sich hören lassen. – Er hatte sich an die Spitze einer Räuberbande gestellt, und erfreut über die Freyheit, die er nie zuvor gekostet hatte, und über die Macht, die seine neue Lage ihm verschaffte, gefiel ihm diese wilde, gesetzlose Lebensart so wohl, daß er beschloß, sie nicht zu verlassen, bis der Tod die Bande auflöste, welche jetzt seinen Rang ihm nur zur Bürde machten. Dieser Umstand aber schien noch so weit entfernt zu seyn, daß er sich selten nur daran zu denken erlaubte. Wenn er aber einträte, so zweifelte er nicht, daß er entweder, ohne Gefahr entdeckt zu werden, seinen Rang wieder annehmen, der sein gegenwärtiges Betragen als eine Jugendausschweifung entschuldigen könnte, welche einige Handlungen der Großmuth leicht gut machen würden. Er wußte, daß seine Macht in einem Lande, wo das Volk an unbegrenzte Subordination gewöhnt ist, und selten über die Handlungen des Adels zu richten wagte, ihn vor Tadel sicher stellen würde. Doch waren seine Empfindungen, als er seinen Vater entdeckte, auf keine Weise angenehm; indessen erkannte er den Herzog an, und schützte ihn vor weiterer Schmach. – Bei dem Herzoge, dessen Herz keine sanften Regungen kannte, trat Zorn an die Stelle väterlichen Gefühls. Sein Stolz war die einzige Leidenschaft, welche bey der Entdeckung litt, und er war unüberlegt genug, um den Unwillen, den die Aufführung seines Sohns erregte, in ungezähmten Schmähungen zu ergießen. Die Banditen, durch die Schmach, die er auf ihren Stand warf, in Wuth gesetzt, drohten ihm augenblickliche Strafe für seine Vermessenheit, und kaum konnte Riccardo's Ansehen sie in Schranken halten. Die Drohungen, und endlich die Bitten des Herzogs, seinen Sohn zu bewegen, von dieser seltsamen Lebensart abzustehen, waren gleich unwirksam. Sicher in seiner eigenen Macht lachte Riccardo über die ersten, und achtete auf die letzten nicht; und sein Vater sah sich endlich genöthigt, den Versuch aufzugeben. Indessen klagte er ihn kühn und heftig an, daß er eine Dame und einen Cavalier von seinen Freunden geplündert und eingesperrt hätte, und beschrieb ihm zugleich Julien, für deren Befreyung er ihm eine große Belohnung anboth. Riccardo läugnete die Sache, welches den Herzog dermaßen aufbrachte, daß er sein Schwert zog, um es seinem Sohn in die Brust zu stechen. Die ihn umringenden Banditen hielten seinen Arm zurück; mit halb gezückten Schwertern standen sie in drohender Stellung da. Das Schicksal des Vaters hing jetzt an den Lippen des Sohns. Riccardo hob den Arm auf, ließ ihn sogleich wieder sinken, und wendete sich ab. Die Banditen steckten ihre Schwerter in die Scheide, und wichen zurück. Riccardo schwor nun feyerlich, daß er nichts von den beschriebenen Personen wüßte; der Herzog überzeugte sich endlich von der Wahrheit seiner Behauptung, verließ die Höhle, und ging wieder zu seinen Leuten. Seinen Sohn in einer so entehrenden, verworfenen Lage zu entdecken, hatte alle ungestümen Leidenschaften seiner Natur aufgereizt und entflammt. Doch war mehr sein Stolz als seine Tugend gekränkt, und er wünschte seines Sohnes Tod mehr, um sich selbst Schande zu ersparen, als ihn von der wirklichen Entehrung des Lasters zu retten. Er hatte keine Mittel, ihn zurück zu fordern; es durch Gewalt zu versuchen, wäre in diesem Augenblicke Tollkühnheit gewesen: denn sein Gefolge, obgleich zahlreich, war undisciplinirt, und würde gewiß als Schlachtopfer einer wilden und im Kampfe geübten Räuberbande gefallen seyn. –Zwischen stolzen und ängstigenden Gedanken hin und her getrieben, setzte er seine Reise fort; und da er alle Spur von Julien verloren hatte, suchte er nur einen Wohnort, der ihn vor der Nacht schützen, und ihn und seinen Leuten eine nothwendige Erfrischung verschaffen könnte. Allein diesen zu finden, schien wenig Hoffnung vorhanden zu seyn.


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