J. L. Pyrker
Lieder der Sehnsucht nach den Alpen
J. L. Pyrker

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6. Der arme Sennt.

            Thürmend ragt ein Fels empor
    An des Sennen Hütte;
Duftig zieht ein Nebelflor
    Fort an seiner Mitte,
Und verschwimmt im tiefen Thal
    Wo des Waldstroms Fluthen
Hin zum nahen Wasserfall
    Sich im Laufe sputen.

Lichter wird es ringsumher:
    Denn die hehre Sonne
Hebt sich aus dem Nebelmeer
    Aller Welt zur Wonne.
Gemsenpfeifen, Vögelsang
    Tönt den Wald herunter,
Und was lebt das Thal entlang,
    Fühlt sich froh und munter.

Doch der Sennte, schmerzgebeugt,
    Thränen statt der Lieder,
Erdenwärts den Blick geneigt,
    Schwankt zum Dorfe nieder:
Alsbald dringen aus dem Thal
    Auf die Trauerklänge:
Von dem Kirchlein Glockenschall,
    Fleh'n, und Grabgesänge.

Ach, der Aermste kehrt zurück,
    Wirft sich hin zur Erde,
Schluchzt, und klaget dem Geschick
    Mit des Weh 's Geberde:
»Dort liegt nun die traute Maid
    Eingesargt im Grabe . . .
Endlos ist fortan mein Leid,
    Werthlos meine Habe.«

Was soll mir die Alpe doch –
    Was die Schar der Kühe?
Ohne sie zu leben noch
    Lohnte nicht der Mühe:
Wenn nicht laut ihr Jubelsang
    Schlug' an Felsenwände,
Und mein Herz, so angst und bang
    Dort sie nimmer fände!«

Als ich einst vorüber kam,
    Stand die Senn' verödet:
Denn des Treuen tiefer Gram
    Hatte ihn getödtet.
Und ich fand ein Doppelgrab
    An des Kirchleins Mauer,
Wo der Herr ihm Ruhe gab
    Nach so herber Trauer!


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