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a. Die Moeren.
Die Moeren im Plural werden bei Homer nur Il. 24, 49 und Od. 7, 197 genanntIl. 24, 49 τλητὸν γὰρ Μοῖραι ϑυμὸν ϑέσαν ἀνϑρώποισιν. Od. 7, 197 ἅσσα οἱ Αἶσα Κατακλῶϑές τε βαρεῖαι γεινομένω νήσαντο λίνῳ, ὅτε μιν τέκε μήτηρ. Hier wird mit Buttmann Mythol. 1, 293 und Bekker besser gelesen κατὰ Κλῶϑες., an welcher letzteren Stelle sie Κλῶϑες d. h. die Spinnerinnen heißen. Dann erscheinen sie vollständig bei Hesiod th. 217 als Töchter der Nacht und mit den bekannten Namen Κλωϑώ Λάχεσις und Ἄτροπος, von welchen der erste das stille Wirken und die unauflöslichen Verschlingungen der Schicksalsverfügung durch das altherkömmliche Bild des Spinnens ausdrückt, der zweite den Zufall des Looses (λαγχάνειν), der dritte die unausweichliche Nothwendigkeit der Schicksalsbeschlüsse, namentlich der Stunde des Todes. Dazu der Gesang durch den sie die Zukunft verkündigen, denn immer sind sie als Schicksalsmächte auch aller Dinge und der Geheimnisse der Zukunft kundig, wie namentlich Plato rep. 10 p. 617 C die Moeren als Mächte der höheren Weltordnung schildert wie sie auf hoben Stühlen thronend, in weißen Gewändern, das Haupt bekränzt an der Spindel der Nothwendigkeit spinnen, sie selbst die Töchter der Nothwendigkeit, und dabei die himmlische Musik der 414 Sphären mit ihrem Gesange begleiten, indem Lachesis von der Vergangenheit, Klotho von der Gegenwart, Atropos von der Zukunft singt: eine Schilderung welche an die drei Nornen der Edda erinnert, von denen die eine Urd heißt, die andre Werdandi, die dritte Skuld d. h. das Gewordene, das Werdende und das Werdensollende. Doch ist gewöhnlich nur Wiege und Grab, Geburt und Tod die eigentliche Thätigkeit der Moeren, so vorzugsweise daß man hin und wieder nur zwei Moeren gelten lassen wollte, z. B. in Delphi (Paus. 10, 24, 4, Plut. de Εἰ. ap. Delph. 2). Als Geburtsgöttinnen stehen sie auch den Mächten der weiblichen Natur und Entbindung sehr nahe, daher Aphrodite Urania in Athen als älteste der Moeren verehrt (S. 267) und Eileithyia gleichfalls den Moeren ähnlich oder als deren engverbundene πάρεδρος gedacht und angerufen wurdePind. N. 7, 1 Ἐλείϑυια πάρεδρε Μοιρᾶν βαϑυφρόνων. Ol. 6, 41 τᾷ μὲν ὁ Χρυσοκόμας πραύμητίν τ' Ἐλείϑυιαν παρέστασέν τε Μοίρας. S. oben S. 402.. Ja die Moeren sind nicht blos bei Geburten, sondern auch bei Hochzeiten zugegen, wie sie nach Pindar dem Zeus die Themis zuführten, nach Aristophanes Vögel 1731 ihn mit der Olympischen Hera vermählten und auch bei der Hochzeit des Peleus mit den Musen, den Horen und Chariten zugegen waren. So pflegten auch die Bräute der Hera τελεία und der Artemis und den Moeren zu opfern (Poll. 3, 38). Noch häufiger wird ihnen aber das düstere Geschick des Todes zugewiesen, wie der Name Μοῖρα denn mit μόρος und mors zusammenhängt und auch die gewöhnlichen Epithete der Parcen Μοῖρα κραταιή Il. 24, 209 und Κλῶϑες βαρεῖαι daher entlehnt sindSelbst beim Tode des treuen Hundes Argos schreitet die Moere ein, Od. 17, 326. Vgl. Soph. O. C. 1221 Μοῖρ' ἀνυμέναιος, ἄλυρος, άχορος und Il. 5, 83; 16, 849. 852; 22, 5, Od. 2, 100; 3, 238. 269; 11, 292.. Ja sie treten als solche auch persönlich in das Getümmel der Schlacht, wo die Moere nach den Schilderungen Homers an die Kämpfenden dicht herantretend würgt und tödtet, die Fallenden packt und zu Boden reißt, seine Glieder bindet, seine Augen umnebelt; daher sie nach Apollodor 1, 6, 2 auch in der Gigantomachie mitkämpfen, die wilden Riesen mit ehernen Keulen zu Boden schlagend. Also sind die Keren und Moeren sehr nah verwandte Begriffe, wie sie auch im Bilde vereinigt werden, z. B. in dem Schlachtgemälde bei Hesiod sc. Herc. 258, wo Atropos die abschneidende Todesgöttin kleiner als ihre beiden Schwestern d. h. noch mehr gebückt und vor Alter 415 zusammengeschrumpft ist. Auch sind die Moeren als Töchter des nächtlichen Dunkels die Schwestern und enge Verbündete der Erinyen, besonders bei AeschylosProra. 516 Μοῖραι τρίμορφοι μνήμονές τ' Ἐρινύες, vgl. Theb. 975, Eum. 961. Paus. 2, 11, 4 Altar der Moeren im Haine der Erinyen, 3, 11, 8 Grab des Orestes beim H. der Moeren in Sparta., weil nehmlich auch diese letzteren nicht blos Mächte der Finsterniß, sondern bis zum Tode unerbittliche Straf- und Rachegeister, also Todesgöttinnen sind. Weiter sind die Moeren die Vertreter und Bewahrer aller naturgemäßen Ordnung der Dinge, sowohl in der wirklichen Natur als in der übertragenen des SittengesetzesPind. P. 4, 145 Μοῖραι δ' ἀφίσταντ' εἴ τις ἔχϑρα πέλει ὁμογόνοις, wie wir sagen: Es ist gegen die Natur, vgl. Lehrs popul. Aufs. S. 50. Nach der arkadischen Legende b. Paus. 8, 42, 2 beruhigen sie Demeter über den Raub der Persephone, welcher auch zur natürlichen Ordnung der Dinge gehörte.; daher hin und wieder auch wohl vom Neide der Parcen die Rede ist, obwohl sie in andern Fällen wie Themis für Urheberinnen aller gedeihlichen Verfassung und Ordnung gelten, auch in bürgerlichen AngelegenheitenDer Hymnus b. Stob. Ecl. 1,6 p. 172 Κλωϑὼ Λάχεσις τ' εὐώλεθοι κοῦραι Νυκτὸς εὐχομένων ἐπακούσατ' οὐράνιαι χϑόνιαί τε δαίμονες ὦ πανδείμαντοι, πέμπετ' ἄμμιν ῥοδόκολπόν τ' Εὐνομίαν λιπαροϑρόνους τ' ἀδελφάς, Δίκαν καὶ στεφανηφόρον Ειράναν.. Eben deshalb werden neben den älteren Moeren, den Töchtern der Nacht, nicht selten jüngere genannt, die Töchter des Zeus und der Themis und die Schwestern der Horen (Hesiod th. 901), mit denen sie auch auf Bildwerken oft zusammengestellt wurdenAm Amyklaeischen Thron, Paus. 3, 19, 4. Moeren und Horen über dem Haupte des Zeus, P. 1, 40, 3. Zeus Themis und die Moeren in Theben, P. 9, 25, 4. Die Moeren Horen und Chariten auf der Ara Borghese.. Denn Zeus ist als höchster Gott des Himmels auch der Herr über alle Entscheidung z. B. in der Schlacht, wo er nach dem alten und weitverbreiteten Bilde die Todesloose in goldener Wage wägtIl. 8, 69; 16, 658; 19, 223; 22, 209, J. Grimm D. M. 819., eine Vorstellung welche Aeschylos in seiner Psychostasie sogar auf die Bühne gebracht hatte. So ist Zeus auch der höchste Herr aller auf seinen Gesetzen (ϑέμιστες) beruhenden Naturordnung, also Gemahl der Themis und Führer der Moeren (Μοιραγέτης), in welchem Sinne er namentlich in Delphi verehrt wurde, er und Apollon, dieser weil er der Prophet des Zeus und seiner Ordnungen istP. 10, 24, 4. In Olympia Zeus Μοιραγέτης und die Moeren, als oberste Vorsehung über die Kampfspiele, P. 5, 15, 4, vgl. 8, 37, 1 und Aesch. Suppl. 673 ὃς πολιῷ νόμῳ αἶσαν ὀρϑοῖ, Eurip. Pel. fr. 623 κλύετ' ὦ Μοῖραι, Διὸς αἵτε παρὰ ϑρόνον ἀγχοτάτω ϑεῶν ἑζόμεναι.. 416 Obwohl Apollon gewöhnlich als sehr feindselig gegen diese Mächte des dunklen Schicksals und des Todes geschildert wurde, die seiner freudigen und allversöhnlichen Natur und Ordnung des Lichtes ganz zuwider sind. So wurde von ihm in der Geschichte des Admet erzählt daß er den alten Moeren auf nicht weniger rauhe Weise entgegengetreten sei wie in der des Orestes den Erinyen, indem er die greisen Göttinnen betrunken machte um seinen Freund vom Tode zu retten (Aesch. Eum. 173. 724, Eurip. Alk. 32). Sonst pflegten die Moeren in der Fabel vom Meleager auf der attischen Bühne zu erscheinen, wie diese seit Phrynichos von den Tragikern oft bearbeitet wurde; wo sie denn wieder ganz als die unerbittlichen Schicksalsgöttinnen der Geburt und des Todes auftraten.
Abgebildet wurden die Moeren gewöhnlich als hochbejahrte Schwestern und Greisinnen, die eine spinnend die andere den Faden ziehend die dritte abschneidendSo bei Hesiod a. a. O. und Catull 64, 305 ff. Vgl. Welcker Zeitschrift f. A. K. S. 197–233, Müller Handb. § 398, 1, D. A. K. 2, 921–925.. Andre bildliche Ausdrücke und Darstellungen ihrer Thätigkeit gehören nicht der griechischen, sondern der Symbolik des italischen Götterglaubens, welchen diese spinnenden und singenden Mächte des Schicksals fast noch mehr als den griechischen beschäftigten.