Ludwig Preller
Griechische Mythologie Theogonie, Götter
Ludwig Preller

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9. Hermes.

Einer der ältesten und interessantesten Gottesdienste, dessen Wesen und Bedeutung aber schwierig zu bestimmen ist, zumal da auch die Erklärung des Namens Ἑρμείας Ἑρμέας Ἑρμῆς unsicher bleibtἙρμείας ist die gewöhnlichere Form des Epos, doch war auch Ἑρμέας gebräuchlich s. Il. 5, 390, H. in Ven. 148, desgl. Ἑρμάων Hesiod b. Str. 1, 42 u. Ἑρμᾶν s. Sauppe Mysterieninschr. a. And. 17. In der 1. Ausg. leitete ich den Namen ab von ἕρμα ἕρμαξ ἕρμαιον d. i. der Steinhaufe als älteste Vergegenwärtigung des Hermes auf den Bergen und an den Straßen, welches Wort auf εἴρω necto zurückweisen würde. Welcker Gr. G. 1, 342 stellt Ἑρμῆς zusammen mit ὁρμᾶν und ὁρμή, indem er Hermes erklärt für die lebendige Bewegung, den Umschwung des Himmels, des Tages und der Nacht, des Wachens und Schlafens, des Lebens und Sterbens. Auch A. Kuhn in Haupts Zeitschr. 6, 117–134 geht zurück auf ὁρμᾶν und ὁρμή, welches er durch die Skswurzel sar erklärt, davon saramâ d. i. Sturm, stürmende Bewegung, welches dem griechischen ὁρμὴ entspreche, vgl. G. Curtius Grundz. 1, 313. Diese Saramâ und neben ihr Saramejas, welcher dem gr. Ἑρμείας entspreche, seien der indischen Mythologie als göttliche Mächte des Sturmes bekannt, welche die dem Indras geraubten Kühe wiederfinden, während Saramejas zugleich als Gott des Schlafes, als Hüter des Hauses und als Bewahrer vor Krankheit angerufen werde.. Am weitesten wird man aber auch hier kommen wenn man den Wurzelbegriff so verschiedenartiger Eigenschaften in einer und derselben Naturbedeutung sucht. Und diese wird sich am besten dahin bestimmen lassen daß man Hermes für eine dem Zeus der Höhe nahverwandte Macht der Licht- und Luftveränderung erklärt, wie sie sich am Himmel in unablässigem Wandel darstellt, bald in der Form der verdüsternden Wolken- und Nebelbildung welcher der befruchtende Regen folgt, bald in der des nächtlichen Dunkels welches das Licht des Tages entführt, aber auch umgekehrt in dem entgegengesetzten Spiele der Morgendämmerung in welchem die Lichter des Himmels erlöschen. Solche Beobachtungen leiteten den Geist und die Phantasie des Naturvolks zu der Vorstellung einer befruchtenden und unablässig geschäftigen Macht, welche die ausserordentlichsten Wirkungen auf eine kaum bemerkbare Weise erreichte, also für höchst listig und sinnig gelten mußte und mit solchen Eigenschaften, wie dadurch daß man den Segen der Weiden und der Heerden vornehmlich von ihr ableitete, auch in 295 die Lebensthätigkeit der Menschen und des menschlichen Verkehres auf die mannichfaltigste Weise eingriff. Sicher ist es daß diese drei Eigenschaften des Hermes in den ältesten Ueberlieferungen immer am meisten hervorgehoben werden, seine befruchtende Kraft, welche in dem Gottesdienste sogar die Symbolik seiner bildlichen Darstellung bestimmte, sein stets geschäftiges und betriebsames Wesen worüber er zum διάκτορος schlechthin, und sein zugleich höchst verschlagenes und höchst erfinderisches Wesen worüber er zu einem Hort sowohl der Diebe und der Kaufleute als der Dichter und Denker geworden ist. Unter den übrigen Göttern steht er am nächsten seinem Vater Zeus, insbesondre dem Zeus der Atmosphäre d. h. der Wolken- und Nebelbildung, welche den Griechen auch sonst als ein Element zugleich der Befruchtung und der Verdunkelung zu erscheinen pflegteHes. ἀερία ὁμίχλη παρὰ Αιτωλοῖς. Θάσον τε τὴν νῆσον καὶ Αίγυπτον καὶ Λιβύην καὶ Κρήτην καὶ Σικελίαν καὶ Αιϑιοπίαν καὶ Κύπρον οὕτως ἐκάλουν, nehmlich von den nebelnden Wolken der Fernsicht. Vgl. v. ἠέρα ἀορασίαν, ὁμίχλην, σκοτίαν und v. ἠέρι, ἠέριον, ἠεροειδές – δηλοῖ δὲ καὶ τὸ ζοφῶδες καὶ σκοτεινὸν καὶ ἀερῶδες τῇ χροιᾷ. Daher ἠεροφοῖτις Ἐρινὺς und die Nebelkappe des Hades und Nebelheim für die Unterwelt. Auch das Chaos wurde oft durch das nebelnde Element der Luft erklärt, s. oben S. 34, [Anmerkung 29].; wie denn auch Zeus nicht allein für einen sehr fruchtbaren, sondern auch für einen listigen Gott vieler Verwandlungen galt, Hermes aber zu seinem Boten und Ausrichter in allen himmlischen irdischen und unterirdischen Angelegenheiten und dadurch zu dem Vermittler zwischen Ober- und Unterwelt d. h. zwischen der Welt des Lichtes und der Welt der Finsterniß geworden ist. Aber auch zu seinem Bruder Apollon steht Hermes in einem sehr nahen und innigen Verhältniß, wie dieses besonders in dem Homerischen Hymnus auf Hermes hervorgehoben wird. Apollon ist der Gott des Lichtes und der Erleuchtung, Hermes der des Dunkels und der Verdunkelung, so daß sich ihre Kreise an mehr als einem Punkte berühren und ergänzen, zumal in dem sinnreichen Mythus vom Rinderdiebstahle des Hermes, nach welchem dieser das Licht des Tages mit jedem Abende im Dunkel der Nacht verbirgt, während Apollo es mit jedem Morgen aus der verbergenden Höhle wieder hervorholt. Man könnte das Verhältniß der göttlichen Brüder insofern mit dem der Dioskuren vergleichen, nur daß in diesem Mythus beide Brüder von demselben Wechsel des Lichtes und der Finsterniß betroffen sind, dessen Causalität dort über Apollo und Hermes 296 als zwei unveränderlich göttlichen Mächten des Lichtes und der Verdunkelung vertheilt ist.

Für die ältesten Culte des Hermes gelten der von Arkadien, wo der hohe Berg Kyllene allgemein für die Stätte seiner Geburt gehalten wurde, der von Attika und der auf den Inseln Lemnos, Imbros und Samothrake, lauter Gegenden die sich vorzugsweise einer pelasgischen Bevölkerung rühmten und an Heerden und Triften reich waren. Herodot 2, 51 sagt ausdrücklich, die ithyphallische Bildung des Hermes, die er für ein characteristisches Merkmal dieses Dienstes und seines griechischen Ursprungs hielt, sei von den Pelasgern abzuleiten und eben deshalb in Athen und auf der Insel Samothrake, wo dieselben Pelasger ansässig gewesen, auch in späteren Zeiten beibehalten worden, in welchem Sinne, das könne man aus den Mysterien auf Samothrake erfahren. Die Nachrichten von diesen sind nun freilich wiedersprechend und meist aus späterer Zeit, doch wissen wir auch aus andern Quellen daß Hermes auf jenen drei Inseln des thrakischen Meeres, sowie auf Thasos und an der benachbarten thrakischen Küste viel verehrt wurde, sowohl in der populären Bedeutung eines befruchtenden Gottes der Weiden und der Viehzucht, welche auf diesen Inseln und Küsten viel betrieben wurdeAuf den Münzen von Lemnos, Imbros und Samothrake ist der Widder oder der Kopf des Widders und der Hermesstab ein gewöhnliches Gepräge. Auf Lemnos Ἑρμαῖον λέπας oder ὄρος, der höchste Berg der Insel, Aesch. Agam. 283, Soph. Philokt. 1459. Auf den M. von Thasos, Aenos, Sestos der Kopf des Hermes oder die Herme auf einem Thronsessel. Im Bosporus, wo er am engsten, ein Ἑρμαῖον Polyb. 4, 43., als in der allgemeineren eines Gottes von befruchtender Kraft, wie dieses die ithyphallische Bildung andeutete und die Mysteriensage es durch verschiedene mythologische Combinationen zu motiviren suchte. So wurde Hermes auf Samothrake unter dem Namen Καδμῖλος oder Κασμῖλος neben der Gruppe der chthonischen Götter des Ackersegens verehrt, der Demeter Persephone und dem Pluton, welche in den Mysterien Axieros Axiokersa und Axiokersos genannt wurdenSchol. Apollon. 1, 917 μυοῦνται δὲ ἐν τῇ Σαμοϑράκῃ τοῖς Καβείροις, ὧν Μνασέας φησὶ καὶ τὰ ὀνόματα. τέσσαρες δ' εἰσὶ τὸν ἀριϑμόν· Ἀξίερος Ἀξιόκερσα Ἀξιόκερσος, Ἀξίερος μὲν οὖν ἐστιν ἡ Δημήτηρ Ἀξιόκερσα δὲ ἡ Περσεφόνη, Ἀξιόκερσος δὲ ὁ Αἵδης, ὁ δὲ προστιϑέμνος τέταρτος Κασμῖλος ὁ Ἑρμῆς ἐστιν, ὡς ἱστορεῖ Διονυσόδωρος. Καδμῖλος nennt ihn Lykophr. 162 Schol. und die Tradition der Lehre von den Accenten b. Arkad. p. 56, 2, Cramer Anecd. Oxon. 2 p. 229, vgl. Eustath. Il. 487, 36, nach welchem derselbe Hermes auch Κάδμος hieß. Κασμῖλος scheint die Autorität des Kallimachos für sich zu haben, s. Varro 1. 1. 7, 34 und Statius Tullianus b. Macrob. S. 3, 8, 6., und auf Imbros, 297 wo dieselben Mysterien heimisch waren, nannte man ihn mit einem angeblich karischen Worte Ἴμβραμος, welches identisch zu sein scheint mit dem griechischen Ἵμερος, dem Gott des erotischen VerlangensSteph. B. Ἴμβρος νῆσος ἱερὰ Καβείρων καὶ Ἑρμοῦ, ὃν Ἴμβραμον λέγουσιν οἱ Κᾶρες, vgl. Conze Reise a. d. Ins. d. thrak. M. S. 96 und die dort mitgetheilte Inschrift: οἱ τετελεσμένοι Ἑρμῇ u. s. w. Auch der Name Ἴμβρασος auf Samos ist desselben Ursprungs, s. oben S. 126, [Anmerkung 306].. Auch erzählte man von diesem ithyphallischen Hermes, welcher ein Sohn des Uranos und der Hemera, also ein Bruder der Aphrodite Urania genannt wurde (S. 265, [Anmerkung 755]), daß er zu solcher Brunst durch den Anblick der Persephone bewegt worden sei, oder daß von ihm und der chthonischen Artemis oder der Aphrodite Eros abstammeCic. N. D. 3, 22, 56. Mercurius unus Caelo patre Die matre natus, cuius obscenius excitata natura (d. i. pars pudenda) traditur quod adspectu Proserpinae commotus sit. 23, 60 Cupido primus Mercurio et Diana prima (einer T. des Zeus und der Persephone) natus dicitur, secundus Mercurio et Venere secunda (der Schaumgebornen). Vgl. Arnob. 4, 14. Hermes und Aphrodite s. Paus 2, 19, 6; 6, 26, 3; 8, 31, 3, Plut. coni. pr. z. A. und unten vom Hermaphroditos.. Wie Hermes denn auch sonst nicht selten neben der Aphrodite verehrt wurde und namentlich die thebanische Mythe von der Ehe des Kadmos und der Harmonia nur ein andrer Ausdruck derselben Paarung zu sein scheint; während die Sage von Pherae am boebeischen See in Thessalien, der an Weiden und Heerden reichen Gegend, daß Hermes dort mit der Brimo gebuhlt habePropert. 2, 2, 11 Mercurio sanctis fertur Boebeidos undis virgineum Brimo composuisse latus. Vgl. oben S. 246. In Eleusis galt der Heros Eponymos für einen Sohn des Hermes und der Δάειρα oder Δαῖρα, welche für eine T. des Okeanos und die Schwester der Styx, aber auch für die Persephone oder ein derselben nahe stehendes Wesen gehalten wurde, Paus. 1, 38, 7, Schol. Apollon. 3, 847, Eustath. Il. p. 648, 33–42., jenes erotische Verhältniß zur Artemis oder Persephone in andrer Ueberlieferung wiederholt, denn Brimo ist eine Nebenfigur der bekannten Artemis von Pherae. Also verschiedene mythologische Umschreibungen einer und derselben Naturkraft, die man sich als eine stark befruchtende männlichen Geschlechts dachte und deshalb mit den verschiedenen Göttinnen, welche den Segen des Erdbodens oder der Weide oder kosmische Befruchtung überhaupt bedeuteten, zusammenstellte und im Sinne des Alterthums mit gerecktem Gliede abbildete, wie dieses auch beim Dionysos, beim Priap, welcher bald für den Sohn des Dionysos bald für den des Hermes galt, und hin und wieder auch beim Zeus der Fall war. Gewiß ist diese Bildung des 298 Hermes in Athen, wo sie seit der pelasgischen Vorzeit die herkömmliche geblieben war, auch bei dem alten angeblich vom Kekrops geweihten Holzbilde vorauszusetzen, welches Pausanias (1, 27, 1) im Tempel der Athena Polias mit Myrtenzweigen, dem heiligen Laube der Aphrodite, ganz verhüllt sah. Auf dem Kyllene von Arkadien und auf dem Vorgebirge gleiches Namens in Elis, wo Hermes gleichfalls seit alter Zeit verehrt wurde, war ein aufgerichteter Phallos das älteste Sinnbild des GottesArtemid. 1, 45 εἶδον δὲ καὶ ἐν Κυλλήνη γενόμενος Ἑρμοῦ ἄγαλμα οὐδὲν ἄλλο ἢ αἰδοῖον δεδημιουργημένον λόγῳ τινὶ φυσικῷ. Vgl. Lukian Iup. Trag. 42 Κυλλήνιοι Φάλητι, Philostr. v. Apollon. 7, 20 p. 120 K. u. Hippol. ref. haer. 5, 7 p. 144 αἰδοῖον ἀνϑρώπου ἀπὸ τῶν κάτω ἐπὶ τὰ ἄνω ὁρμὴν ἔχον. Vom Kyllene in Elis Paus. 6, 26, 3 τοῦ Ἑρμοῦ δὲ τὸ ἄγαλμα, ὃν οἱ ταύτῃ περισσῶς σέβουσιν, ὀρϑόν ἐστιν αἰδοῖον ἐπὶ τοῦ βάϑρου..

Eben dieser Dienst in Arkadien und den angrenzenden Gegenden von Argos bis Elis ist für die Mythologie insofern der wichtigste, als die alterthümlichen Fabeln von der Geburt des Hermes, wie die von dem Rinderdiebstahle und der Tödtung des Argos, sichtlich unter dem Einfluß dieser Gegenden sich entwickelt haben. Denn seine Geburt wurde gewöhnlich auf jenes die Berge des nördlichen Arkadiens weit überragende, Achaja südlich wie eine starke Mauer begrenzende Gebirge Kyllene verlegt, nach welchem er seit alter Zeit schlechtweg Κυλλήνιος genannt zu werden pflegteOd. 24, 1, Pind. Ol. 6, 77 ff., Schol. v. 129 ff., Paus. 8, 17, E. Curtius Pelop. 1, 199. Der Name Κυλλήνη hängt zusammen mit κυλλὸς d. i. krumm, gewölbt vgl. κοῖλος, γύης, γύαλον. Das an Wäldern und Triften reiche Gebirge gehörte größtentheils zum Gebiete von Pheneos, wo Hermes eifrig verehrt wurde, Paus. 8, 14, 7; 16, 1, wie auch zu Nonakris, Lykophr. 680, Steph. B.. Seine Mutter ist Μαῖα d. h. das Mütterchen schlechthin, eine der Pleiaden, welche für Töchter des Atlas und der Okeanide Pleione galten, die sie auf dem Berge Kyllene geboren habe: was am natürlichsten von befruchtendem Regengewölk verstanden wird, wie es aus dem Schooße des fernen Weltmeeres aufsteigt und sich um die Häupter des Gebirges über der Erde sammelt. Die ganze Fabel von der Geburt des Hermes und wie sich seine erfinderische und diebische Natur gleich nach seiner Geburt durch die Erfindung der Leier und das unbezwingliche Gelüste nach den Heerden Apollons offenbart habe wird ausführlich erzählt in dem Homerischen Hymnus auf Hermes, neben welchem verschiedene spätere Schriftsteller zu berücksichtigen sindAntonin Lib. 23 nach Hesiod u. Nikander, Ovid M. 2, 679–707, Philostr. Imag. 1, 26, Apollod. 3, 10, 2.. Ein Hymnus, in welchem Alkaeos dasselbe Thema von 299 seiner diebischen Natur und dem Rinderdiebstahle behandelt hatte, ist leider bis auf einige wenige Bruchstücke verloren gegangenβουσὶ χαίρειν μάλιστα Ἀπόλλωνα Ἀλκαῖος ἐδήλωσεν ἐν ὕμνῳ τῷ ἐς Ἑρμῆν γράψας ὡς ὁ Ἑρμῆς βοῦς ὑφέλοιτο τοῦ Ἀπόλλωνος Paus. 7, 20, 2. Daß der kyllenische Hermes besungen wurde lehrt fr. 5. Das schöne Gedicht von Horaz Od. 1, 10 soll eine Ueberarbeitung des Alkaeischen Hymnus sein..

Nach dem Hymnus der Sammlung welche den Namen Homers trägt hat Maia den Hermes vom Zeus, dem Wolkensammler und Thalbefruchter, in einer einsamen verborgenen Gebirgsgrotte und in dunkler Nacht, wo alle Götter und Menschen schliefen, empfangen. Am vierten Tage des Monates wurde er geboren, denn die Zahl vier war dem Hermes in demselben Sinne heilig, wie die Siebenzahl dem Apollo, daher ihm in Athen an jedem vierten Monatstage geopfert wurde und in Argos der vierte Monat seinen Namen führtePlut. mul. virt. 4, Symp. 9, 4, 2, Schol. Ar. Plut. 1126. Nach Theophr. d. sign. pluv. 8 wechselt das Wetter vorzüglich ἐν τῇ τετράδι. Doch gehörte Hermes auch zu den am ersten Monatstage verehrten Göttern, Porph. d. abst. 2, 16 κατὰ μῆνα ἕκαστον ταῖς νεομηνίαις στεφανοῦντα καὶ φαιδρύνοντα τὸν Ἑρμῆν καὶ τὴν Ἑκάτην, also wenn der Mond zuerst wieder erschien. Ueber den Mt. Hermaeos K. F. Hermann Mtsk. 58. Vermuthlich entsprach er in Argos und Boeotien dem Februar, in welchem Hermes auch in Athen d. h. als Psychopompos verehrt wurde.. Früh Morgens kam er zur Welt, um Mittag erfand er das schöne Saitenspiel, gegen Abend machte er sich auf die Heerden des Apollo zu bestehlen, so zeitig und rasch entwickelt war die Natur dieses listigsten und gewandtesten unter allen Göttern. Die Mutter und hülfreiche Nymphen des Gebirges hatten ihn so sorgfältig gebadet und gewickeltPaus. 8, 16, 1, Schol. Pind. Ol. 6, 144. Nach Philostr. l. c. u. v. Apollon. 5, 15 p. 91 ward Hermes auf dem Gipfel des Olymp geboren und von den Horen gepflegt., er aber hatte keine Ruhe in der Wiege, sondern rasch sprang er auf und erging sich im Freien. Da begegnet ihm eine Schildkröte, wie sie auf den griechischen Bergen bei feuchter Witterung viel gefunden werdenNördlich vom Kyllene, auf achaeischem Gebiete, lag ein Berg Χελυδόρεα (τὰ), wo Hermes angeblich die Schildkröte (χέλυς) gefunden und ihre Schale gereinigt hatte (δέρω f. ἐκδείρω) Paus. 8, 17, 4.. Ei! das soll mir ein lustiges Spielwerk werden, denkt er bei sich, trägt sie in die Höhle, tödtet das Thier und reinigt die Schale, setzt die beiden Hörner ein und zwischen ihnen den Steg, zieht darüber sieben Darmsaiten und versucht den Klang, der vortrefflich war. Gleich sang er nun schöne Lieder, wie junge Bursche sie beim Mahle singen, legte aber dann das 300 Instrument in seine Wiege und schlich wieder hinaus, diesesmal in diebischer Absicht und beim Anbruch der Nacht. Eben war die Sonne untergegangen als er in Pierien beim Olympos ankam, wo die Heerden des Apollo weideten. Davon trieb er fünfzig Kühe fort und wußte ihre Spuren und die seinigen so listig zu verwischen, daß sie nicht zu erkennen warenἀντία ποιήσας ὁπλὰς τὰς πρόσϑεν ὄπισϑεν, τὰς δ' ὄπισϑεν πρόσϑεν, κάτα δ' ἔμπαλιν αὐτὸς ἔβαινεν u. s. w. d. h. nachdem er ihnen die Vorderklauen hinten und die hintern vorne gesetzt hatte und indem er selbst rücklings ging, mit Reiserbündeln statt der Sandalen an den Füßen, um die Spuren noch besser zu verbergen.. Unbemerkt schlich er sich durch Thessalien und Boeotien, bis er bei Onchestos einen Alten traf, der die Nacht durch an einem Zaune arbeitete. Hermes befiehlt ihm Verschwiegenheit bei schwerer Strafe, aber der Alte läßt das Plaudern doch nicht: eine alte Episode dieser Fabel, welche von. Nikander und Ovid ausführlicher erzählt wird. Der Alte heißt bei ihnen Battos d. h. der Schwätzer und er wohnte auf einem Felsen in Messenien, den man Βάττου σκοπιά d. h. des Schwätzers Warte nannte, ursprünglich vielleicht nur wegen eines geschwätzigen Echos. Kaum hatte er dem Gott Verschwiegenheit versprochen, so verrieth er diesem selbst, als er in verwandelter Gestalt zurückkehrte, um schnöden Lohn das Geheimniß, worauf Hermes ihn in jenen Felsen verwandelteΒαττολογεῖν ist schwatzen. Bei Nikander werden die Thiere aus der Gegend am Ossa und Pelion entführt, wo die Heerden des Admet weiden, 12 Kälber, 100 Kühe und der Stier, denen H. Büschel an die Schwänze bindet um die Spur zu verwischen. Er treibt sie durch die Phthiotis Lokris Boeotien Megaris, das Gebiet von Korinth Argos Tegea beim Lykaeischen und Maenalischen Gebirge vorbei zur Warte des Battos, welche in Messenien zu suchen ist. Bei Ovid, wo auch die Apollinischen Heerden im Gebiete von Pylos weiden, gilt Battos für den Aufseher der Heerden des reichen Neleus.. In jenem Gedichte gelangt Hermes gegen Tagesanbruch mit seiner Beute über den Alpheios an den Meeresstrand und von dort in die Gegend von Pylos(Navarin), wo er die Rinder in einer durch ihn und die Heerden des Neleus und Nestor berühmt gewordenen Höhle verbirgtDie Heerden des Neleus sind die durch Melampus aus Thessalien entführten, Paus. 4, 36, 3. Ueber jene Höhle s. O. Müller in Gerhards hyperb. röm. Stud. 1, 310, Curtius Pelop. 2, 177., zwei davon den Göttern opfert und darauf wieder in seinem Schlupfwinkel auf dem Kyllene sich verbirgt, ohne von Jemandem bemerkt zu werden. Wie ein Lüftchen schlüpfte er durch das 301 SchlüssellochEbenso das Traumbild Od. 4, 802 ἐς ϑάλαμον δ' εἰσῆλϑε παρὰ κληῖδος ἱμάντα, vgl. v. 838. in die Grotte und in seine Wiege, wo er nun die Tücher um sich zog und wie ein unschuldiges Kind da lag, das Saitenspiel in seiner Hand. Da macht sich mit dem ersten Strahle des Morgens Apollo auf um seine Rinder zu suchen, erfährt von jenem Alten bei Onchestos daß der Dieb vorbeigekommen, gelangt mit Hülfe seiner Seherkunde schnell nach Pylos, wo er auch die seltsam verworrenen Spuren findet, und schwingt sich alsbald hinauf zum Gipfel des Kyllene, wo Maia den Hermes geboren. Dieser duckt sich in seine Wiege und thut als ob er schliefe, und als Apollo heftig droht weiß Hermes so pfiffig zu lügen und zu grimassiren, daß der zürnende Bruder lachen mußte. Und als dieser ihn aus der Wiege nimmt und zwingen will, da weiß er sich in einer so wirksamen Weise zu wehren, daß Apollo ihn wohl laufen lassen mußte. So gingen sie denn mit einander auf den Olymp zum Vater Zeus, Hermes noch immer in seinem Betttuche, in das er sich gewickelt hatte. Zeus entscheidet daß der listige Dieb dem Bruder seine Heerde wieder herausgeben solle; worauf Hermes, um den Mächtigen ganz auf seine Seite zu bringen, nun auch sein schönes Saitenspiel erklingen ließ, was Apollo ganz entzückt. Und als er ihm vollends auch dieses gern und willig überlassen hatte, da wurden sie die allerbesten Freunde und Kameraden, Hermes und Apollo, welcher jenem nun für alle Zukunft die Weide von allem Vieh überließ, wozu sich Hermes alsbald eine neue Musik erfunden hat, die sonst dem Pan zugeschriebene Hirtenflöte. Auch schenkte ihm Apollo den Zauberstab der Heroldsruthe und die Weissagung der Thrien, welche Apollo noch als Knabe erfunden hatte, als er am Parnaß seine Heerde hütete, denn alle übrige Weissagung, wo der Rath des Zeus im Spiele war, hatte er von diesem bekommen und Apollo durfte davon nichts veräußern. Und so ist es gekommen daß Apollo und Hermes ein sehr eng und innig verbundenes Brüderpaar wurden, das sich gegenseitig in allen Dingen hilft und vertritt, wie sich ihre Thätigkeit denn wirklich bei aller Verschiedenheit ihres Wesens in vielen Punkten berührt und ergänzt. Apollo ist der allgemeine Verkündiger der Beschlüsse des Zeus, sein Mund und Prophet, Hermes die vollstreckende rechte Hand des Zeus, sein Ausrichter (διάκτορος), der überall durchdringende, jeden Auftrag gewandt und listig vollziehende Bote: beide Brüder 302 auch an Gestalt und Gemüth einander nahe verwandt (Od. 8, 334 ff.), blühende und kräftige Jünglinge, beide Hirten, beide Freunde der Musik und der Palaestra, beide auf allen Straßen und Plätzen zu Hause, Apollon als ἀγυιεύς, Hermes als ἐνόδιος, beide auch in dem örtlichen Gottesdienste oft neben einander verehrtSo wurden sie im karneasischen Haine in Messenien als νόμιοι neben einander verehrt, s. oben S. 198, [Anmerkung 542]. In Olympia galt ihnen einer der sechs Altäre, nach Paus. 5, 14, 6 als musischen Göttern, vgl. Schol. Pind. Ol. 5, 10. Pindar stiftete in Theben Bilder von beiden, des Ap. βοηδρόμιος und des H. ἀγοραῖος, P. 9, 17, 1. Auch auf Vasen sieht man sie oft zusammen. Rinderdiebstahl und Leiererfindung auf Vasen, El. céramogr. 2, 51–53; 3, 86. 89. 90..

Und die Bedeutung dieser oft erwähnten Heerden des Apollo und des von der Kunst und Dichtung immer geflissentlich hervorgehobenen Rinderdiebstahls? Er ist verschieden erklärt worden, doch wird man am richtigsten auf die schon aus Homer bekannten Heerden des Helios zurückgehen, die kaum etwas Anderes bedeuten können als die Tage des Jahres. Ein altes und weit verbreitetes Bild, die Tage in ihrer regelmäßig verlaufenden Lichterscheinung, wie sie in der stetigen Folge von Morgen und Abend hinter einander kommen und gehen, auftreten und wieder verschwinden, mit einer wandelnden Heerde zu vergleichen, deren einzelne Stücke den einzelnen Tagen oder Sonnen entsprechen: ein Bild welches sogar vielleicht zu dem gemeinsamen mythologischen Stammcapitale der indogermanischen Völkerfamilie gehörtAuch die Veden wissen von Kühen oder Stieren des Indra, welche der finstre Ahi raubt und Indra wieder aus dessen Höhle befreit. Sie werden bald für Wolken erklärt bald für Sonnenstrahlen, Lichtstrahlen.. In der griechischen Mythologie wird es uns oft wieder begegnen, beim Helios, in den Sagen vom König Minos auf Kreta, vom König Augeias in Elis, endlich in der Sage von dem Raube der Riesen Alkyoneus und Geryon, denen Herakles ihren Raub wieder abjagt. Und zwar scheint in dieser Sage die Entführung der Rinder des Helios durch jene Riesen, in denen die Macht des Winters personificirt ist, das allmäliche Abnehmen der Tage gemeint zu sein welche der Winter in seine Höhle treibt, bis Herakles sie wieder befreit und jene Riesen todtschlägt. Dahingegen man bei jener Dichtung von Apollo und Hermes richtiger mit WelckerGr. Götterl. 1, 338 ff. Auch Wehrmann das Wesen und Wirken des Hermes 2, 17, Magdeb. 1849, war der richtigen Erklärung nahe. an den regelmäßigen Wechsel von Licht und Dunkel 303 denken wird, wie er sich mit jedem Morgen und mit jedem Abend als neues und unbegreifliches Wunder darstellt. Hermes schleicht mit einbrechender Dämmerung aus seiner Höhle, entführt die an dem strahlenden Götterberge weidenden Rinder, verbirgt sie am westlichen Strande von Griechenland in der Höhle von Pylos, welches Wort den Griechen von selbst an Finsterniß und die Pforten der Unterwelt erinnerte, um endlich mit Tagesanbruch wieder in seine eigne Höhle auf dem Kyllene zu schlüpfen, wie ein Lüftchen, wie ein feiner NebelH. in Merc. 147 αὔρῃ ὀπωρινῇ ἐναλίγκιος ἠύτ' ὁμίχλη. Bei Philostr. Imag. 1, 26 weiden die Rinder am Olymp, schneeweiß mit goldnen Hörnern. Hermes verbirgt sie in derselben Gegend in einer Schlucht (χάσμα γη̃ς), nicht damit sie verloren gehen sollen, ἀλλ' ὡς ἀφανισϑεῖεν ἐς μίαν ἡμέραν.. Apollo macht sich beim ersten Aufleuchten der Morgenröthe auf um sie wiederzufinden und heimzutreiben. Wie gewöhnlich ist der regelmäßige und immer sich wiederholende Vorgang der Natur in der Mythologie zu einem einmaligen Vorgange der Göttergeschichte geworden.

Nicht minder alterthümlich und in demselben Geiste gedichtet ist die Fabel von der Argostödtung, auf welche schon Homer und Hesiod so oft durch den Namen des starken Argeiphontes (κρατὺς Ἀργειφόντης) hinweisen. Ohne Zweifel ist diese Fabel argivischen Ursprungs, da sie mit dem dortigen Culte der Hera und mit der Fabel von der Io aufs engste zusammenhängtBeide Fabeln, Io und Argos, wurden von Euboea, der Trift beim T. der Hera (S. 125, [Anmerkung 302]), ziemlich früh auf die Insel Euboea übertragen, Steph. B. Ἀβαντίς und Ἄργουρα..

Io ist der Mond in der Gestalt einer schönen Frau, welche die Priesterin der Himmelskönigin ist, aber zugleich die Liebe des Zeus erregt und darüber in eine Kuh verwandelt wird. Ihr Aufseher ist Argos Panoptes d. h. der Allseher, der Kuhhirt mit den tausend Augen, wie Aeschylos ihn nenntAesch. Prom. 568 εἴδωλον Ἄργου γηγενοῦς – τὸν μυριωπὸν εἰσορῶσα βούταν. Erdgeboren ist er als Riese. Man dachte ihn sich mit einem Stierfell bekleidet, Apollod. 2, 1, 2, nannte ihn aber auch »den Hund« der Hera, in demselben Sinne wie die Erinyen und Keren Hunde des Pluton, die Harpyien Hunde des Zeus heißen. Daher Hermes κυνάγχης bei Hipponax fr. 1 d. i. Hundwürger, Ἀργειφόντης.. Ein Riese von gewaltiger Kraft, welcher auf einigen Vasenbildern wie der italische Ianus zwei Häupter hatR. Rochette choix d. peint. p. 212. Kratin, welcher in einer Πανόπται betitelten Komödie die Philosophen seiner Zeit verspottete, scheint den Chor derselben nach Art des Argos Panoptes ausgestattet zu haben d. h. mit einem Doppelschädel und einer Unzahl von Augen, s. Meineke fr. com. Gr. 2, 1 p. 102. und nach der Ueberlieferung der 304 Dichter mit seinen Augen, die bald über den ganzen Körper bald über Vorder- und Hinterkopf vertheilt sind, abwechselnd schlief und wachte, indem er einige beim Aufgang der Gestirne öffnet andre bei ihrem Untergange schließtEurip. Phoen. 1114. Einer der Helden hat als Schildzeichen στικτοῖς Πανόπτην ὄμμασιν δεδορκότα, τὰ μὲν σὺν ἄστρων ἐπιτολαῖσιν ὄμματα βλέποντα, τὰ δὲ κρύπτοντα δυνόντων μέτα. Die Scholien beziehen sich u. a. auf Pherekydes, nach welchem Hera ihm ein Auge an den Hinterkopf gesetzt und den Schlaf genommen hatte, und den Aegimios wo es von ihr hieß: καί οἱ ἐπίσκοπον Ἄργον ἵει κρατερόν τε μέγαν τε τέτρασιν ὀφϑαλμοῖσιν ὁρώμενον ἔνϑα καὶ ἔνϑα, ἀκάματον δέ οἱ ὦρσε ϑεὰ μένος οὐδέ οἱ ὕπνος πίπτεν ἐνὶ βλεφάροις, φυλακὴ δ' ἔχεν ἔμπεδον αὐτόν. Durch andre Dichter wurde er totus oculeus Plaut. Aulul. 3, 6, 16, wie er auch auf Vasenbildern und Gemmen erscheint, vgl. Panofka Argos Panoptes, Berl. 1839. Nach Ovid M. 1, 625 hatte er centum luminibus cinctum caput, von denen immer ein Paar schläft, während die übrigen auf die Io sehen.: ohne Zweifel ein Bild des gestirnten Himmels mit den Tausenden seiner funkelnden Augen, welche bald aufleuchten bald wieder zufallen, wie denn selbst der Name Ἄργος bildlich ist und den Leuchtenden, den Schimmernden bedeutetἌργος als N. pr. für ἀργός. Ovid M. 1, 664 nennt ihn stellatus d. h. Ἀστερίων, vgl. Nemesian Cyneg. 31 stellatumque oculis custodem virginis Ius, Macrob. S. 1, 19, 12, Pott Ibb. f. Phil. 3. Suppl. 1859 S. 314 ff.. Hermes erhält vom Zeus den Auftrag die Kuh durch List zu entführenκλέψαι τὴν βοῦν Apollod. l. c. Daher Hermes βοῖκλεψ b. Sophokles fr. 927., was er nach der gewöhnlichen Erzählung dadurch erreicht daß er durch seinen Zauberstab und das Spiel seiner Hirtenflöte erst die Augen des Riesen alle einschläfert und ihm dann mit der Harpe den Kopf abschneidet, weswegen er nach der Erklärung der Alten, welche die neuere Etymologie aber nicht gelten lassen will, Ἀργειφόντης d. h. der Argostödter genannt wurdeSchon die Alten erklärten verschieden, s. Hes. Et. M. v., M. Schmidt Didym. p. 337, Cornut. 16, nach welchem Ἀργειφόντης zu verstehen ist wie ἀργεφάντης ἀπὸ τοῦ ἀργῶς πάντα φαίνειν καὶ σαφηνίζειν, wie neuerdings auch Welcker erklärt Gr. G. 1, 336. Das erste Wort der Zusammensetzung scheint der Dativ zu sein, Ἀργέϝι von einer Nebenform in ευ, wie υἱέϝι neben υἱῶ. Sophokles nannte Apollo ἀργειφόντης, wahrscheinlich wegen der Tödtung des Drachen, Parthenios den Telephos, Meineke Anal. Al. p. 286.. Die Augen des Getödteten setzt Hera auf den Schwanz ihres Lieblingsvogels, des Pfaus, welcher gleichfalls an den gestirnten Himmel erinnerteS. oben S. 133, [Anmerkung 333]. Der Pfau stammt aus Indien, auch der griechische Name ταώς.. Also kann Hermes auch in dem Zusammenhange dieser Mythe nur 305 der listige und nebelnde Gott des Wechsels zwischen Licht und Finsterniß sein, wie die Sage denn von einem Sohne des Hermes wußte, welcher im Grunde nur eine andre Gestalt des Hermes selbst zu sein scheint, in dem diese Eigenschaft noch bestimmter hervorgehoben wird. Es ist dieses Autolykos, der am Parnaß heimische Großvater des Odysseus, welcher alle Menschen an Schlauheit und diebischer Gewandtheit übertrafOd. 19, 395 ὃς ἀνϑρώπους ἐκέκαστο κλεπτοσύνῃ ϑ' ὅρκῳ τε, ϑεὸς δέ οἱ αὐτὸς ἔδωκεν Ἑρμείας. Tzetz. Lykophr. 344 κλέπτων γὰρ ἵππους τε καὶ βόας καὶ ποίμνια τὰς σφραγῖδας αὐτῶν μετεποίει καὶ ἐλάνϑανε τοὺς δεσπότας αὐτῶν, ὥς φησι καὶ Ἡσίοδος· πάντα γὰρ ὅσσα λάβεσκεν (Et. M. 21, 26 ὅ τι κε χερσὶ λάβεσκεν), ἀείδελα πάντα τίϑεσκεν. Vgl. Pherekydes b. Schol. Od. 19, 432, Ovid M. 11, 313 furtum ingeniosus ad omne, candida de nigris et de candentibus atra qui facere adsuerat, patriae non degener artis. Hygin f. 201 ut quicquid surripuisset in quamcunque effigiem vellet transmutaretur, ex alho in nigrum vel ex nigro in album, in cornutum ex mutilo, in mutilum ex cornuto. Von Mercur wird dasselbe ausgesagt b. Albricius deor. imag. 6. De albis vero nigra et de nigris alba faciebat, quod ostenditur per eius pileum semialbum et seminigrum. Autolykos bestahl die Heerden des Eurytos und des Sisyphos., wie sein Vater Heerden stiehlt und von diesem die Gabe bekommen hatte daß ihm Alles unter den Händen unsichtbar wurde, wie Hesiod sich ausdrückt, oder, wie Andre erzählten, daß er Weiß in Schwarz, Schwarz in Weiß, Gehörntes in Ungehörntes und umgekehrt verwandeln konnte. Nur daß Hermes als diebischer Entführer der Mondkuh nicht die Dämmerung des Abends und der Nacht bedeuten kann, wie bei der Entführung der Rinder Apollons, sondern er wird in diesem Zusammenhange den Tag bedeuten welcher dem Leuchten der Sterne ein Ende macht. Oder sollte durch diese Fabel der Wechsel des Mondes vom Vollmonde zuerst zum abnehmenden Monde d. h. zur gehörnten Kuh, dann zum erblassenden Neumonde angedeutet werden, welcher durch Hermes den Augen des Himmels gleichsam entzogen wird, bis er in rastloser Wanderung von neuem als gehörnte Kuh am Himmel erscheint und endlich im fernen Morgenlande seine volle Schönheit wieder erlangt?

So leiten auch hier die Reste der Naturreligion zu dem Verständnisse und der Verknüpfung der einzelnen Eigenschaften des Gottes, mit welchen er in die verschiedensten Kreise des Natur- Götter- und menschlichen Lebens und Treibens eingreift.

Zunächst ist er als Gott der Befruchtung ein sehr wohltätiger, das Leben der Erde zu allen guten Gaben erregender Gott und als solcher der Gute, der Segenspender schlechthin, wie 306 dieses die alten Epithete ἐριούνιος oder ἐριούνης, δώτωρ ἐάων, ἀκάκητα und σῶκος ausdrücken, welches letztere dasselbe bedeutet wie σωτήρIl. 20, 72 σῶκος ἐριούνιος Ἑρμῆς. Das Wort hängt zusammen mit σάος σόος σῶς heil, davon σώζω und σωκέω, Aesch. Eum. 36, Soph. El. 119.. Da Hermes zugleich der Unterwelt angehört, nehmlich als Psychopompos, und ἐριούνιος hin und wieder durch χϑόνιος erklärt wirdArist. Ran. 1144 τὸν ἐριούνιον Ἑρμῆν χϑόνιον προσεῖπε, vgl. Et. M. v. und Antonin Lib. 25, wo οἱ ἐριούνιοι für οἱ χϑόνιοι d. h. Hades und Persephone gesagt ist. Auch konnten diese recht wohl ἐριούνιοι genannt werden, ohne daß deshalb alle ἐριούνιοι auch χϑόνιοι sind. Hermes ἐριχϑόνιος s. oben S. 159, [Anmerkung 412]., so hat man geglaubt ihn deswegen überhaupt zu den chthonischen Göttern d. h. den befruchtenden Mächten der tiefen Erde rechnen zu müssen. Doch scheint er ein Gott der Unterwelt nur insofern zu sein, als das ihm eigenthümliche Gebiet der nebelnden Luft und des Zwielichts von selbst zu der Vorstellung der nebelnden und dunkelnden Welt des Untergangs und der Verstorbenen hinüberleitete, nicht als ob er wie Demeter Persephone Pluton als bleibend in der Erdtiefe existirend oder von dort wirksam gedacht worden wäre. Vielmehr sind Höhen und Berge die ältesten Stätten seiner Verehrung, sowohl in Arkadien als in Boeotien und auf Lemnos, und die Oeffentlichkeit der Märkte und Gymnasien sammt der ganzen Rührigkeit und praktischen Geschäftigkeit seines Wesens passen vollends nicht zur chthonischen Natur. Auch erklären ältere Dichter das Prädikat ἐριούνιος durch seine listige NaturIl. 20, 35 ἐριούνης Ἑρμείας, ὃς ἐπὶ φρεσὶ πευκαλίμῃσι κεκασται. Die Phoronis b. Et. M. Ἑρμείαν δὲ πατὴρ ἐριούνιον ὠνόμασ' αὐτὸν, πάντας γὰρ μάκαράς τε ϑεοὺς ϑνητούς τ' ἀνϑρώπους κέρδεσι κλεπτοσύναισί τ' ἐκαίνυτο τεχνηέσσαις. Das Wort ist zusammengesetzt aus ἐρι und ὄνημι. Also μεγαλωφελής., und in der That war der Gewinn, den Hermes brachte und um dessentwillen man ihn auch κερδῶος nannte, eben so oft eine Folge des Glücks oder der List z. B. der Diebe oder der verborgnen Kunde z. B. eines SchatzgräbersAlkiphr. 3, 47, Lukian Tim. 41., als daß man deswegen immer an den natürlichen Segen der Befruchtung zu denken brauchte, welchen die ithyphallische Bildung andeutet. Dasselbe gilt von dem gleichfalls sehr alten Epithete ἀκάκητα, welches mehr die Bedeutung einer wohlthätigen Kraft im Allgemeinen als die bestimmtere einer besondern Art von Segen hatteIl. 16, 185, Od. 24, 10, Hesiod b. Strabo 1, 60. Prometheus ἀκάκητα b. Hesiod th. 614, Dareios ἀκάκας Aesch. Pers. 852, Pluton ἀκάκης C. I. n. 1067. Nach Döderlein Homer. Glossar. 1, 132 wäre es von ἀκεῖσϑαι und einem Aorist ἀκακεῖν abzuleiten, also der Heilende, der Beruhigende.. In Arkadien 307 hatte dieser Beiname einem Orte den Namen gegeben, welcher im Maenalischen Gebirge lag und gleichfalls von der Jugend des Hermes erzählte, wie man denn auch in Boeotien zu Theben und zu Tanagra eigenthümliche Sagen davon hatte (Paus. 8, 36, 6). Also wird der Segen des Hermes, wenn von diesem insbesondere die Rede ist, immer je nach der Natur des Landes in welchem er verehrt wurde, oder nach dem Zusammenhange der Sage oder des Gottesdienstes einer näheren Bestimmung bedürfen. In Arkadien dem Lande der Berge, der Triften, der ViehzuchtH. in Merc. 2 Κυλλήνης μεδέοντα καὶ Ἀρκαδίης πολυμήλου. Vgl. die Schilderung Arkadiens b. Philostrat v. Apollon. 8, 12. Hesych ἐριφύλλιον τὸν Ἀπόλλωνα καὶ τὸν Ἑρμῆν., galt er vorzugsweise für einen Gott der Weiden, aber auch für den Pfleger des jungen Arkas, also für κουροτρόφος, wie er sonst den kleinen Herakles oder das Dionysoskind auf seinen Armen trägt, entweder um ihn den nährenden Nymphen zu überbringen oder um ihn selbst zu nährenHaupt in den Ber. der G. d. W. zu Leipzig 1849 S. 44.. Dahingegen er in andern Gegenden für einen Gott des Getreidesegens gehalten wurdeAuf Samothrake s. oben S. 296. Auch die Münzen von Aenos deuten darauf, s. Müller D. A. K. 2 t. 28, 297. 298., aber auch für einen Gott der ehelichen Befruchtung und für einen Mehrer der BevölkerungHes. ἐπιϑαλαμίτης Ἑρμῆς ἐν Εὐβοίᾳ. Auch kennt derselbe einen H. αὐξίδημος., oder für einen Heilgott, wie in der Odyssee, wenn er die Wurzel, welche den Helden dieses Gedichts gegen den Zauber der Kirke schützen sollte, aus der Erde zieht und bei andern GelegenheitenOd. 10, 286 ἀλλ' ἄγε δή σε κακῶν ἐκλύσομαι ἠδὲ σαώσω u. s. w. Vgl. Paus. 6, 26, 3 u. Cornut. 16 ὅϑεν καὶ τὴν Ὑγείαν αὐτῷ συνῴκισαν.. So hatte auch Hermes κριοφόρος d. h. der Widderträger zu Tanagra die Bedeutung eines Heil- und Sühngottes. Die Sage erzählte daß er die Stadt durch Umtragung eines Widders von der Pest befreit hatte, daher beim Feste des Gottes der schönste Ephebe mit einem Bocke auf der Schulter um die Stadt gehen mußte, ein Gebrauch welcher nach Art jener im Culte des Zeus der Höhen herkömmlichen Sühnungen zu erklären sein wirdPaus. 9, 22, 2, vgl. oben S. 112. Hermes und Athena reinigen die Proetiden auf Geheiß des Zeus, Apollod. 2, 1, 5..

308 Am meisten wurde freilich überall seine Lust an der Heerde und am Hirtenleben hervorgehoben, die zu den Praedikaten νόμιος und ἐπιμήλιος (Paus. 9, 34, 2) Veranlassung gegeben hatte. Zunächst betrifft diese Fürsorge das Zuchtvieh, Rinder Schafe Böcke, in weiterer Ausdehnung aber auch Pferde Maulesel Hunde und selbst wilde Thiere, Löwen und EberHom. H. 567 ff. Vgl. das Vasenb. El. céramogr. 3, 85.. Daß ihm diese Eigenschaft von den Pelasgern her erb- und eigenthümlich war beweist außer Arkadien die Sage von Samothrake daß Saon, der erste Ansiedler dieser Insel, ein Sohn des Hermes und der Ῥήνη d. h. der Göttin der Schafheerde gewesen seiSchol. Apollon. 1, 917, Diod. 5, 48. Σάος und Σάων, nach Andern der Sohn des Zeus und einer Nymphe, ist i. q. Σῶκος, also eigentlich wohl Hermes selbst. Dionys. H. 1, 61 nennt Σάμων einen S. des Hermes und einer kyllenischen Nymphe Arkadiens.. Aehnlich heißt es in der Ilias von dem Troer Ilioneus, einem Sohne des heerdenreichen Phorbas (des Weiders), daß Hermes ihn vor allen Troern geliebt und ihm seinen großen Reichthum geschenkt habe, Πολυμήλη aber, die jener samothrakischen Rhene entspricht, von ihm den Eudoros geboren habeIl. 14, 490; 16, 179. Πόλυβος ein S. des Hermes und der Εὐβοία Athen. 7, 47. vgl. Nicol. Damasc. fr. 15.. Heerdenreichthum aber ist in allen alten Sagen Reichthum überhaupt (pecunia) und ein Praedikat der königlichen Macht, daher auch der goldne Widder, das so bedeutsame Symbol der königlichen Herrschaft der Atriden, vom Hermes stammt; auch das Scepter der Atriden (Il. 2, 100) welches von Hephaestos an Zeus, von diesem an Hermes, durch diesen an Pelops und Atreus gelangt. Indessen wird Hermes selbst keineswegs königlich und vornehm, sondern immer als schlichter Hirte gedacht, der seinen Bock bald führt bald über den Schultern trägt und dabei gewöhnlich mit dem πῖλος versehen ist, einer runden Filzkappe wie sie die Schiffer und Hirten gegen Wind und Wetter in jenen Gegenden noch zu tragen pflegen. Auch die Weissagung der Thrien, welche Apollo dem Hermes schenkt, eine der zahlreichen Arten von künstlicher Divination wie sie in Griechenland unter dem Volke immer sehr beliebt waren, darf für eine Erfindung der Hirten vom Parnaß geltenDer Hymnus vs. 551–563, wo seit G. Hermann Θριαὶ gelesen wird, nennt sie drei geflügelte Schwestern, deren Haupt mit Mehl bestreut sei und welche, wenn sie sich mit Honig begeistert, das Richtige wahrsagen, sonst nicht. Andre nennen ϑριαὶ mantische Loose (ψῆφοι) und eine Erfindung der drei Thrien, Kallim. Ap. 45, Zenob. 5, 75, Hes. Et. M. v. Zu Pharae in Achaja wurde eine eigenthümliche Art von Divination durch begegnende Klänge unter dem Schutze des Hermes ausgeübt, Paus. 7, 22, 2. Es ist die μαντικὴ ἀπὸ κληδόνων, welche vorzüglich in Smyrna blühte, ib. 9, 11, 5, Aristid. 1 p. 754.. So sind ferner die Sitten des Hermes manchmal im 309 höchsten Grade bukolisch ja cynischHymn. 295 ff. Vgl. Dio Chrysost. or. 6 p. 104 ed. Emper., desgleichen seine Liebschaften. Am liebsten verkehrt er mit den Nymphen des Waldes und der Trift z. B. mit denen des troischen Ida, mit welchen auch die Silenen des Gebirges buhlen (H. in Ven. 262); daher in der Odyssee Eumaeos einen Theil des geschlachteten Schweines Hermes und den Nymphen darbringt, zu welchen Versen die alten Ausleger andere Beweisstellen seiner bukolischen Natur anführenOd. 14, 435, wo die Scholien u. Eustath. diese Worte aus dem lambogr. Simonides anführen: ϑύουσι Νύμφαις τῷ τε Μαιάδος τόκῳ, οὗτοι γὰρ ἀνδρῶν τημελοῦσι ποιμένων. Vgl. Aristoph. Thesm. 977 Ἑρμῆν τε νόμιον ἄντομαι καὶ Πᾶνα καὶ Νύμφας φίλας. Aristid. 2 p. 708 Ddf. τὸν Ἑρμῆν ὡς χορηγὸν ἀεὶ προσαγορεύουσι τῶν Νυμφῶν.. Darum galt auch der schöne Daphnis von Sicilien für seinen Sohn oder Liebling, jene elegische Hirtengestalt von welcher nach dem Vorgange des Stesichoros die alexandrinischen Dichter sangen. Und auch Pan war nach der gewöhnlichen Sage ein Sohn des Hermes, wie die Nymphen im Hom. Hymn. (19, 28) singen daß Hermes in das quellenreiche Arkadien, das Vaterland der Schafzucht gegangen sei und beim Dryops, dem personificirten Waldmenschen die Schafe gehütet und mit seiner Tochter den Pan gezeugt habe.

Nicht minder alterthümlich sind die Vorstellungen welche sich mit Hermes ἐνόδιος d. h. dem allgegenwärtigen Schutzgott der Wege beschäftigen, wobei sich der Gedanke an den überall geschäftigen und thätigen Gott auf eigenthümliche Weise mit dem an den Gott des Segens und der Befruchtung durchdringt. Namentlich gehört dahin die alterthümliche Darstellung und Verehrung des Hermes durch aufgeschüttete Steinhaufen und durch viereckige Pfeilerbildung, wie wir beim Apollo ἀγυιεὺς die gleichartige Darstellung in der Form einer Spitzsäule kennen gelernt haben (S. 211). Solche Steinhaufen, durch welche zugleich der praktische Zweck der Wegereinigung erreicht und an den Hermes erinnert wurde, hießen in Griechenland seit alter Zeit ἑρμαῖα oder ἑρμαῖοι λόφοι und werden in den verschiedensten Gegenden erwähntDas Wort hängt zusammen mit ἕρμα, s. Buttmann Lexil. 1, 111, Dio Chrys. or. 78 p. 763 ὥστε μεγάλα ἕρματα ἀϑροίζεσϑαι λίϑων.. Schon die Odyssee kennt einen solchen 310 am Wege bei der Stadt Ithaka (16, 471), Strabo bemerkte viele in Elis an den Wegen (8, 343), Pausanias an der Grenze von Messenien und Arkadien (8, 34, 3) und neuere Reisende haben dergleichen noch jetzt als Grenzmarken und Wegezeichen in Griechenland, andere dieselbe Sitte durch solche Steinhaufen am Wege der Gottheit seine Verehrung auszudrücken in andern Ländern beobachtetRoß Peloponn. 1 S. 18. 174. Aehnliche Steinhaufen sah Strabo in Aegypten 17, 818. Vgl. die Salbsteine der Genesis und die Obos der Mongolen, Stuhr Religionssyst. d. heidn. Völker d. O. S. 254 u. v. Tschudi Peru 2, 77, Huc Souv. d'un voy. dans la Tartarie, le Thibet et la Chine P. 1850. 1 p. 25 sqq.. In Griechenland erhielten sie sich am längsten an Kreuzwegen, indem jeder Vorübergehende einen Stein hinzuwarf oder den Steinhaufen mit Oel salbte oder Kränze und Bänder und allerlei Erstlinge darbrachteTheophr. Char. 16 m. d. Note v. Casaub. Vgl. die drollige Fabel b. Babr. 48, Cornut. 16, Phot. v. ἕρμαιον.. Gewöhnlich wurden in solchen Haufen zugleich Pfeiler von Holz oder von Stein aufgerichtet, die mit dem männlichen Geschlechtszeichen versehen dem Wanderer die Gegenwart des Hermes ἐριούνιος noch deutlicher vergegenwärtigten. Daraus ist die sogenannte Herme im engeren Sinne des Wortes entstanden, welche gleichfalls zunächst blos als Darstellung des hülfreichen Gottes der Wege und alles öffentlichen Verkehrs aufzufassen sein wird, bis sie mit der Zeit auch auf die Darstellung andrer Götter übertragen und in Athen zu einer allgemeinen Kunstform ausgebildet wurde. Das Eigenthümliche besteht in der viereckigen PfeilerbildungThukyd. 6, 27 εἰσὶ δὲ κατὰ τὸ ἐπιχώριον ἡ τετράγωνος ἐργασία πολλοὶ καὶ ἐν ἰδίοις προϑύροις καὶ ἐν ἱεροῖς, vgl. Paus. 4, 33, 4 Ἀϑηναίων γὰρ τὸ σχῆμα τὸ τετράγωνόν ἐστιν τοῖς Ἑρμαῖς καὶ παρὰ τούτων μεμαϑήκασιν οἱ ἄλλοι., welche beim Hermes durch die Vorliebe seines Gottesdienstes für die Vierzahl gerechtfertigt schien. Ueberdies eignete sie sich am besten zur Aufstellung an den Straßen, auf öffentlichen Plätzen und vor den Thüren, von welchen letzteren Hermes als Gott eines gesegneten Aus- und Eingangs schon im Hymnus den Namen πυληδόκος d. h. der Pförtner und in Athen mit Beziehung auf die den Alten eigenthümliche Einrichtung der Thüren den Namen στροφαῖος führtAristoph. Plut. 1153, Poll. 8, 72, Hes. Phot. v. Vgl. Artemis στροφαία oben S. 234, [Anmerkung 653], von στροφεύς d. i. cardo. Besonders zahlreich waren in Athen die Hermen in der Gegend der bunten Halle und der Königshalle, Harpokr. v. Ἑρμαῖ.. Denn in Athen gab es solcher Wegehermen eine sehr große Menge, auf den Straßen und öffentlichen 311 Plätzen, in den Gymnasien, an den Thoren der Privathäuser und öffentlichen Gebäude, von denen die meisten in jener Nacht die so viel Unheil anrichtete von den s. g. Hermokopiden an den Köpfen und Gliedern verstümmelt wurden, welche immer wesentlich zur Sache gehörtenMacrob. S. 1, 19, 14 pleraque etiam simulacra Mercurii quadrato statu figurantur solo capite insignita et virilibus erectis. Die Extremitäten fehlten, der Heroldsstab pflegte hinzugemalt zu werden, auch trat wohl ein Himation hinzu. Die ältere Bildung war die mit bärtigem Kopfe und stehendem Gliede, die jüngere die mit jugendlich anmuthigem Kopfe und schlaffem Gliede. Am Pfeiler las man allerlei Sprüche, Gnomen, Räthsel, auch Wegebestimmungen u. dgl. Vgl. E. Curtius Wegebau der Gr. 43 u. Gerhard Hermenbilder auf griech. Vasen, Abh. d. Berl. Ak. v. J. 1855.. Ferner standen sie auf Kreuzwegen, wo die Köpfe und Glieder nach der Anzahl der Wege verdreifacht oder vervierfacht wurden, daher Ἑρμῆς τρικέφαλος, τετρακέφαλος: auch an Durchgängen in der Stadt, daher Ἑρμῆς ὁ πρὸς τῇ πυλίδι, eine besonders bekannte Herme in der Stadt, und προπύλαιος am Eingange zur Burg. Außer Attika war diese Bildung vornehmlich in Arkadien verbreitet (Paus. 8, 48, 4), aber später auch sonst ziemlich allgemein, auch auf Grenzen z. B. der argolisch-lakedaemonischen (Paus. 2, 38, 7) und an den Landstraßen mit Stadienbezeichnung und Angaben über die Richtung der Wege, ferner sehr allgemein in Palaestren und Gymnasien, endlich auch als tragende Mittelglieder an allerlei Utensilien und Mobilien, z. B. als Spinnrocken (ὁ γέρων Poll. 7, 73) und an Bettstellen. Das wesentliche der Vorstellung ist immer der gute und allgegenwärtige Hermes ἐριούνιος, welcher als ἐνόδιος, ὅδιος, ἡγεμόνιος, ἀγήτωρ oder wie man ihn sonst nannteἡγεμόνιος in Athen, wo ihm die Strategen im Frühjahre opferten, Arist. Plut. 1159, C. I. n. 157, ἀγήτωρ in Megalopolis, P. 8, 31, 4, ὅδιος Hes. alle Wege des menschlichen Verkehrs mit seinem Segen erfüllte und deshalb als solcher in den verschiedensten Berufskreisen verehrt wurde, auch von den JägernArrian d. venat. 34 οὕτω τοι καὶ τοὺς ἐπὶ ϑήρᾳ ἐσπουδακότας οὐ χρῆ ἀμελεῖν τῆς Ἀρτέμιδος τῆς ἀγροτέρας οὐδὲ Ἀπόλλωνος οὐδὲ Πανὸς οὐδὲ Νυμφῶν οὐδὲ Ἑρμοῦ ἐνοδίου καὶ ἡγεμονίου οὐδὲ ὅσοι ἄλλοι ὄρειοι ϑεοί. und von den Soldaten. Auch nannte man deshalb jeden unverhofften Fund am Wege eine Gabe des Hermes (ἕρμαιον), wie man diesen Gott überhaupt in den verschiedensten Beziehungen für einen Gott des Glücks und aller Ueberraschungen und Gaben des Glücks anzusehen gewohnt warPlato Phaed. 107 C. Daher Ἑρμοῦ ψῆφος τὰ ἐν ταῖς ὁδοῖς ἕρμαια und κοινὸς Ἑρμῆς bei einem gemeinschaftlichen Funde, Hesych, Theophr. char. 30, εὐερμία und δυσερμία d. i. Glück und Unglück, Ἑρμοῦ κλῆρος, sors Mercuri, der Treffer und die beste Portion, Schol. Ar. Pac. 365 u. A. im Bullet. d. I. Rom. 1859 p. 228 sqq..

312 Unter seinen übrigen Eigenschaften ist von der Mythologie immer ganz besonders die des διάκτορος gepflegt worden, sofern er nehmlich der allezeit fertige, behende und gewandte Bote und Ausrichter seines Vaters Zeus ist, daher sein gewöhnlicher Beiname Διὸς ἄγγελοςOd. 5, 29, H. in Ven. 213. Διὸς τρόχις b. Aesch. Prom. 941, Διὸς λάτρις b. Eurip. Ion 4. Bei Hom. H. 19, 29 ist Hermes ἅπασι ϑεοῖς ϑόος ἄγγελος, b. Pindar Ol. 8, 82 Ἀγγελία seine Tochter. H. εὐάγγελος Hes.. Hermes ist insofern der Verkehrslustige überhaupt, der von allen Göttern am liebsten mit den Menschen und unter den Menschen verkehrtIl. 24, 334 σοὶ γάρ τε μάλιστά γε φίλτατόν ἐστιν ἀνδρὶ ἑταίρισσαι. und durch seine Theilnahme, wie Odysseus sich ausdrückt, über alles Thun und Treiben der Menschen Anmuth und Ehre ausbreitet und alle geschickten und gewandten Menschen gern begünstigtOd. 15, 318 Ἑρμείαο ἕκητι διακτόρου, ὅς ῥά τε πάντων ἀνϑρώπων ἔργοισι χάριν καὶ κῦδος ὀπάζει. Hermes ἐπιτέρμιος Hes.. Als solcher tritt er namentlich in der epischen Götter- und Heldensage in den meisten Fällen auf, immer listig, gewandt, anmuthig und so daß er nicht durch Gewalt, wohl aber durch seine geschickte und verständige Weise, seine Beredsamkeit, im Nothfall durch seine Verschlagenheit, seinen Stab, seine Flöte zum Ziele gelangt. Sehr oft erscheint er in dieser Rolle neben der Athena, wie diese und mit ihr ein getreuer Helfer und Geleiter der Helden, wie in der Sage vom Perseus und vom Herakles, auch in der Ilias (24) und Odyssee, vorzüglich in dieser, weil er weit mehr mit den Werken des Friedens als mit denen des Kriegs zu thun hat.

Diese Lust am Verkehre und an allerlei listigen und pfiffigen Praktiken wird näher bestimmt durch die ihm angeborene diebische Natur welche wie oben bemerkt worden mit seiner Naturbedeutung einer nebelnden und dunkelnden Kraft aufs engste zusammenhängt, wie denn auch das vielsagende Wort κλέπτω lat. depo mit occulo, clam in der Wurzel zusammenhängtG. Curtius Grundz. 1, 50. 119, welcher das goth. hliftus d. i. Dieb vergleicht.. Hermes ist deshalb vorzugsweise der nächtliche, der in der Nacht spähende GottH. in Merc. 15 νυκτὸς ὀπωπητῆρα. Aesch. Choeph. 726 νῦν γὰρ ἀκμάζει πειϑὼ δολίαν ξυγκαταβῆναι, χϑόνιον δ' Ἑρμῆν καὶ τὸν νύχιον τοῖσδ' ἐφοδεῦσαι ξιφοδηλήτοισιν ἀγῶσιν. und als solcher zugleich der listige und 313 diebische, ein Hort und Freund aller Diebe, wie ihn der Homerische Hymnus und der Dichter Hipponax nennenH. in Merc. 66 ὁρμαίνων δόλον αἰπὺν ἐνὶ φρεσίν, οἷά τε φῶτες φηληταὶ διέπουσι μελαίνης νυκτὸς ἐν ὥρῃ. 175 δύναμαι φηλητέων ὄρχαμος εἶναι. 292 ἀρχὸς φηλητέων κεκλήσεαι ἤματα πάντα. Hipponax fr. 1 φωρῶν ἑταῖρε. Vgl. Arist. Plut. 1139 u. C. I. n. 2229 aus Chios: Ἑρμῆν τὸν κλέπτην τίς ὑφείλετο; Θέρμος ὁ κλέπτης, ὃς τῶν φηλητέων ᾤχετ' ἄνακτα φέρων. Horat. Od. 1, 10, 7 callidum quidquid placuit iocoso condere furto.; daher er im Gigantenkampfe mit der unsichtbar machenden Nebelkappe des Aïdes auftritt und sein Sohn Autolykos von ihm die Gabe bekommen hatte sich selbst und alle Dinge beliebig unsichtbar zu machenApollod. 1, 6, 2, oben S. 305.. Das Volksmärchen und die Dichter haben diese Eigenschaft beim Hermes natürlich gerne hervorgehoben. So soll es dem Alkaeos nachgebildet sein wenn Hermes bei Horaz (Od. 1, 10), während Apoll ihm droht, diesem die Pfeile aus dem Köcher stiehltDasselbe wiederholen Schol. Il. 15, 256 und Philostr. imag. 1, 26. Apollo beklagt sich bei der Maia, Hermes schleicht sich von hinten heran, klettert ihm auf die Schulter und stiehlt den Bogen. und aus derselben oder einer ähnlichen Quelle mag die Erzählung bei Schol. Il. 24, 24 stammen, wo das diebische Gelüste des Hermes dadurch erklärt wird daß Zeus diebischer Weise der Maia beigewohnt habe (ὅτι καὶ Ζεὺς κλέψας τὴν Ἥραν ἐμίγη Μαίᾳ) und der erste Ausbruch dieses Gelüstes darin besteht daß er seiner Mutter, als sie sich mit ihren Schwestern den Atlantiaden badet, die Kleider stiehlt. In der bildenden Kunst aber hat ein vorzüglicher Meister an dieser Figur des kleinen, unverwüstlich kecken Diebes ein solches Gefallen gefunden daß er ihn ganz nach der Beschreibung des Gedichts vom Rinderdiebstahl, wie er in sein Betttuch gehüllt vor Zeus steht und sich durch schlaue Ausreden verantwortet, in einer vorzüglichen Figur, von der verschiedene Copien vorhanden sind, verewigt hatS. bes. Braun Ant. Marmorw. Dec. 2 t. 1. Die Verhüllung mit dem Betttuche kommt auch auf Gemmen und auf Terracotten vor.. Hermes ist eben deswegen δόλιος schlechthin, πολύτροπος, αἰμυλομήτης, κλεψίφρων und wie der Hymnus auf ihn das in noch anderen derartigen Beiwörtern weiter ausführtSoph. Philokt. 133 Ἑρμῆς δ' ὁ πέμπων δόλιος. Auf Kerkyra gab es einen Monat Ψυδρεύς, der wahrscheinlich dem Hermes heilig war, von ψυδρὸς i. q. δόλιος, W. Vischer epigr. u. archäol. Beitr. S. 1.. So verdankt auch Pandora dem Hermes die 314 Kunst der Aufschneiderei und die Gabe des verschlagenen Gemüths, welche Hesiod für eine hervorstechende Eigenschaft des schönen Geschlechts hieltO. D. 67 κύνεόν τε νόον καὶ ἐπίκλοπον ἦϑος. 78 ψεύδεά ϑ' αἰμυλίους τε λόγους καὶ ἐπίκλοπον ἦϑος., und in den Fabeln des Babrios (57) erscheint Hermes mit einem ganzen Wagen voller Lügen und Ränke, bis die Araber ihm die ganze Ladung abnehmenSchon Hesiod und Stesichoros dichteten von der Abkunft der Araber vom Hermes, Strabo 1, 42. Auch Sichem in Samaria galt für seinen Sohn, Euseb. Pr. Ev. 9, 22.. Auch ist Hermes überall zugegen wo es etwas listig auszuführen und durch feine Praktiken zu erreichen, zu entwenden, zu entrücken giebtIl. 5, 390; 24, 24, Antonin Lib. 33.. Zu bemerken aber ist daß Hesychios auch einen Zeus ἐπικλόπιος kennt, so daß also Vater und Sohn doch auch in dieser Beziehung gleichartig gewesen sein müssen.

Ferner schließen sich hier die Eigenschaften an, welche Hermes zu einem chthonischen Gott machen. Denn da er eine Macht der dunkelnden Erscheinungen am Himmel und auf der Erde ist, mußte sich ihm von selbst auch das Gebiet des Dunkels unter der Erde aufschließen; obwohl sich auch hier alsbald der Gedanke an einen segenspendenden und mit durchdringender Gewalt thätigen Gott anschließt. So ist Hermes zunächst ein Gott des Bergbaus und der metallischen Schätze welche in der Erde stecken, auch der Schatzgräbern, daher Aeschylos die Ausbeute der laurischen Silberbergwerke in seinem Vaterlande eine Gabe des HermesAesch. Eum. 946 γόνος πλουτόχϑων ἑρμαίαν δαιμόνων δόσιν τίοι, Lukian Tim. 41 ὦ Ζεῦ τεράστιε καὶ φίλοι Κορύβαντες καὶ Ἑρμῆ κερδῷε πόϑεν τοσοῦτον χρυσίον; Cosmas Indicopl. 2 p. 141 τὸν μὲν Ἡρακλέα σύμβολον εἶναι δυνάμεως, τὸν δὲ Ἑρμῆν πλούτου. nennt und Lukians Timon, als er den Schatz findet, Hermes κερδῷος neben dem Zeus der Wunder und den Korybanten anruft. Indessen drängt sich die Vorstellung von einer magischen Gewalt über das Seelenleben in der Zeit des nächtlichen Dunkels und in der des ewigen Schlafes doch noch mehr vor. Namentlich galt Hermes seit der Ilias und Odyssee allgemein für einen Gott des Schlafes und der Träume, wie er dort die Wachen der Griechen mit seinem Stabe einschläfert, mit dem er die Augen der Menschen weckt oder zufallen läßt wie er eben willIl. 24, 343 εἵλετο δὲ ῥάβδον, τῇ τ' ἀνδρῶν ὄμματα ϑέλγει ὧν ἐϑέλει, τοὺς δ' αὖτε καὶ ὑπνώοντας ἐγείρει. 445 τοῖσι δ' ἐφ' ὕπνον ἔχευε διάκτορος Ἀργειφόντης πᾶσιν., also grade wie er es mit dem allsehenden Argos 315 macht. Aus demselben Grunde ist er ἡγήτωρ ὀνείρων (Hymn. v. 14) und ὀνειροπομπός d. h. der Gott von dem die Träume kommen und zwar gewöhnlicher als vom Zeus; daher schon die Phaeaken der Odyssee 7, 137 ihm vor dem Schlafengehen die letzte Spende bringen, welche nach griechischer Sitte regelmäßig dargebracht und schlechtweg Hermes genannt wurdePoll. 6, 100 Ἑρμῆς ἡ τελευταία πόσις, vgl. Hesych v., Philostr. Her. 10, 8 p. 311 σπένδων ἀπὸ κρατῆρος οὖ Ἑρμῆς ὑπὲρ ὀνείρων πίνει, Apollon. 4, 1732 u. A.. Endlich ist er mit besonderer Beziehung auf die Unterwelt ψυχοπομπός oder ψυχαγωγός d. h. derjenige Gott welcher die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt geleitet oder wieder aus derselben herausführt, also überhaupt den Verkehr zwischen der Ober- und Unterwelt vermittelt, wie es in dem Hymnus auf ihn heißt v. 572 οἶον δ' εἰς Ἀίδην τετελεσμένον ἄγγελον εἶναιAesch. Choeph. 165 κήρυξ μέγιστε τῶν ἄνω τε καὶ κάτω. Horat. Od. 1, 10, 17 tu pias laetis animas reponis sedibus virgaque levem coerces aurea turbam, superis deorum gratus et imis. Ovid F. 5, 665 superis imisque deorum arbiter.. So sind Od. 11, 626 Hermes und Athena die Führer des Herakles als es den Kerberos aus der Unterwelt heraufzuholen galt, wie er bei andern Gelegenheiten das Demeterkind Persephone hinab und wieder heraufführt, während er Od. 24, 1–10 zuerst als Psychopompos im engeren Sinne des Wortes auftritt, der die Seelen der getödteten Freier auf dunklen Wegen in die Unterwelt geleitet sie mit seinem Stabe hinter sich her ziehend, »sie aber folgten wie schwirrende Nachtvögel.« In Athen und in andern Gegenden wurde ihm deshalb im Winter, wenn es gegen den Frühling ging, eine Art von Allerseelenfest gefeiert, weil man glaubte daß in dieser dunkelnden Jahreszeit, wenn die Tage wieder zunehmen und die Keime der vom Winter durchnäßten Erde sich zu regen anfangen, auch die Seelen der Verstorbenen in Aufregung geriethen und auf die Oberwelt drängten. In Athen wurde deshalb beim Dionysosfeste der Anthesterien am dritten Tage des Festes, am 13 Anthesterion, welcher Monat unserm Februar entspricht, dem chthonischen Hermes und den Geistern der Verstorbenen ein Opfer von allerlei Früchten in Töpfen (χύτροις) dargebracht, nach welchen dieser Tag der der Chytren hieß; angeblich zum Andenken der in der Deukalionischen Fluth Umgekommenen, in Wahrheit weil diese Fluth das mythologische Sinnbild des nun wieder einmal überwundenen Winters 316 war, welcher an Tod und Unterwelt erinnerteSchol. Ar. Acharn. 961. 1076. Ran. 218. Andre hielten auch die Choen (χόες) für ein Todtenfest (χοαί), daher sie den Hermes auch an diesem Tage betheiligten, vgl. Hesych μιαραὶ ἡμέραι τοῦ Ἀνϑεστηριῶνος μηνός, ἐν αἱς τὰς ψυξὰς τῶν κατοιχουμένων ἀνιέναι ἐδόκει und Phot. μιαρὰ ἡμέρα. Auch der Mt. Ἑρμαῖος in Boeotien und Argos fiel in diese Jahreszeit, in welcher man auch zu Apollonia auf Chalkidike und zu Rom die Todten feierte, s. Athen. 8, 11, Röm. Myth. 483. 499, Sallust b. Gale opusc. myth. 251 περὶ τὸ ἔαρ καὶ τὴν ἰσημερίαν, ὅτε τοῦ μὲν γίνεσϑαι παύεται τὰ γινόμενα, ἡμέρα δὲ μείζων γίνεται γῆς νυκτός, ὅπερ οἰκεῖον ἀναγομέναις ψυχαῖς.. Daher man überhaupt bei Todesfällen dem Hermes zu opfernPlut. Qu. Gr. 24, Valer. Max. 2, 6, 8, defusis Mercurio delibamentis et invocato numine eius ut se placido itinere in meliorem sedis infernae deduceret partem. und Hermen an den Gräbern aufzustellen pflegteCic. d. leg. 2, 26, 65, Hesych κάτοχοι λίϑοι οἱ ἐπὶ μνήμασι τιϑέμενοι καὶ οἱ ἱερεῖς Ἑρμοῦ d. h. des Hermes χϑόνιος, C. I. n. 538 Ἑρμῆς χϑόνιος, Γῆ κάτοχος, n. 539 Ἑρμῆ κάτοχε., wie er denn auch in den chthonischen Götterdiensten, den Todtenorakeln, den Todtenbeschwörungen gewöhnlich mit verehrt und angerufen wurde, wovon Aeschylos in den Choephoren und in den Persern Beispiele giebtChoeph. 1 Ἑρμῆ χϑόνιε πατρῷ' ἐποπτεύων κράτη. 124. 147. Pers. 628 χϑόνιοι δαίμονες ἁγνοί, Γῆ τε καὶ Ἑρμῆ βασιλεῦ τ' ἐνέρων, πέμψατ' ἔνερϑε ψυχὴν ἐσ φῶς. Vgl. die Beschwörung b. Lucan Phars. 6, 702 ianitor et sedis laxae etc.. Auch wurde er eben deswegen in jenen mystischen Sagen auf Samothrake, Imbros, in Thessalien und Eleusis als Buhle der Persephone und Hekate gedacht, theils wegen seiner befruchtenden Kraft theils wegen dieses Doppellebens zwischen Oberwelt und Unterwelt. Vorzüglich aber hatten die Pythagoreer sich dieser Anschauung bemächtigt, in der Lehre daß Hermes der allgemeine Custode der Seelen sei (ταμίας τῶν ψυχῶν) und in diesem Sinne πομπαῖος und πυλαῖος und χϑόνιος heiße, weil er nehmlich alle Seelen der Verstorbenen sowohl vom festen Lande als die der auf der See Verunglückten aus ihren Leibern abhole und an den Ort ihrer Bestimmung bringeDiog. L. 8, 31. Die Wörter πομπὸς πομπαῖος werden, obgleich von allgemeinerer Bedeutung, doch immer vorzugsweise von der Psychagogie des Hermes gebraucht, Soph. Ai. 832, O. C. 1548, vgl. Aesch. Eum. 90. Auf Vasenbildern ist Hermes auch der die Seelen Wägende, in der Psychostasie der Aethiopis.. Auch mit ihrer Lehre von der Seelenwanderung suchten sie bei den herkömmlichen Vorstellungen vom Hermes anzuknüpfen, wie wenn sie behaupteten daß Pythagoras der wiedergeborne 317 Aethalides gewesen sei, ein Sohn des Hermes und hochberühmter Herold der Vorzeit, welcher sich vom Vater her der Gabe rühmte mit seiner Seele beliebig in der Unterwelt oder auf der Erde verweilen zu können und selbst unter den Verstorbenen nicht seines Bewußtseins und des Gedächtnisses verlustig zu gehnApollon. 1, 640 mit den Auszügen der Scholien v. 645 aus Pherekydes u. A., Diog. L. 8, 4..

Endlich mag die Anwendung dieser vielseitigen, zugleich mit dem Licht des Tages und des täglichen Geschäfts und mit den Geheimnissen der Nacht, der tiefen Erde und des Seelenlebens vertrauten Natur auf verschiedene Berufskreise des praktischen Lehens folgen, namentlich auf den der Herolde, der Kaufleute, der Turnerjugend und der der Kunst und Wissenschaft Beflissenen.

Die Herolde hatten zum Könige oder zur Obrigkeit überhaupt dieselbe Stellung wie Hermes zum Zeus oder zur Götterwelt. Sie waren seit alter Zeit die allgemeinen Ausrichter Vermittler Unterhändler, gingen aber auch beim Opfer dem Könige oder dem ihn vertretenden Magistrale zur Hand, so daß sie also zugleich eine priesterliche Bedeutung hatten. So ist nun auch Hermes in dieser doppelten Hinsicht der ideale Götterherold, ϑεῶν κήρυξ, wie ihn Hesiod Pindar u. A. nennen, indem er theils die Götter bedient z. B. als Kampfwart (Babrios fab. 68, 4), oder zur Schlichtung und Vermittlung streitiger Vorfälle in der Götterwelt, sowohl der Obern als der Untern, und zur Ausrichtung der entscheidenden Beschlüsse des Zeus. Noch häufiger aber erscheint er in den religiösen Functionen eines Opferers und Opferheroldes, welche beim Amte des Herolds namentlich in älterer Zeit bei weitem die wichtigsten waren. So zeigt sich Hermes in der Erzählung des Hymnus vom Rinderdiebstahl als einen in jeder Beziehung kundigen Opferer, indem er zuerst nach altherkömmlicher Weise ein Notfeuer gewinnt und darauf die Geschäfte des Opferschlächters durch Eintheilung und Vertheilung der Opferstücke auf kundige Weise vollziehtH. in Merc. 105–129, vgl. A. Kuhn die Herabkunft des Feuers S. 36. Das Schalenbild b. Gerhard Trinksch. t. 9, 3, El. céramogr. 3, 74 scheint nicht die Anfertigung des Kerykeion, sondern die des τρύπανον aus Lorbeer darzustellen, vgl. H. v. 109 δάφνης αγλαὸν ὄζον ἐλὼν ἐπέλεψε σιδήρῳ., grade wie Prometheus, welcher auch als Götterherold gedacht wurde, z. B. 318 in jener Dichtung von der Versammlung zu Sikyon (S. 73). Ferner schildern die Dichter und vergegenwärtigen die Vasenbilder den Hermes gern als den Ausrufer der Spende oder als Spendenden, wie namentlich Alkaeos und Sappho ihn als den οἰνοχόος der Götter vermuthlich bei einem Opfermahle geschildert hattenAthen. 10, 25 Ἀλκαῖος δὲ καὶ τὸν Ἑρμῆν εἰσάγει αὐτῶν (τῶν ϑεῶν) οἰνοχόον, ὡς καὶ Σαπφὼ λέγουσα· κάδδ' ἀμβροσίας μὲν κράτηρ ἐκέκρατο, Ἑρμᾶς δὲ ἑλὼν ὄλπιν ϑεοῖς οἰνοχόησε. Vgl. Arist. Pac. 433, Cic. d. Div. 1, 23, 46, El. céram. 3, 73. 76. 88, Roulez choix d. vases p. 86 pl. 20.. Das eleusinische Priestergeschlecht der Keryken oder Hierokeryken nannte deshalb Hermes seinen StammvaterAls Stammmutter nannten Einige Aglauros, Andre Pandrosos, Poll. 8, 103, Paus. 1, 38, 3. Hermes in der Umgebung des eleusinischen Triptolemos und bei der Einweihung des Herakles auf Vasenbildern b. Gerhard A. V. 41. 69.. Und so wurde jener Hermes Kasmilos oder Kadmilos in Samothrake (S. 296) von Varro, nach welchem das römische Wort für Opferknabe camillus oder casmillus desselben Ursprungs wäre, für einen Diener der s. g. großen Götter der dortigen Weihe d. h. der Kabiren erklärtVarro l. I. 7, 34 hinc Casmilus nominatur Samothrece mysteriis dius quidam administer Diis Magnis, welche Varro nach stoischer Doctrin auf Himmel und Erde d. h. das höchste männliche und das höchste weibliche Naturprincip deutete, 5, 58. Man identificirte damals die tyrrhenischen Pelasger auf Samothrake mit den italischen Etruskern und erreichte so die gewünschte Uebereinstimmung der Sprache, vgl. Macrob. S. 3, 8, 6, Serv. V. A. 11, 543. 548, Plut. Numa 7.; wie denn in der That vor den Pforten des Heiligthums auf jener Insel zwei ithyphallische Bilder in der Stellung adorirender Knaben zu sehen waren, welche höchst wahrscheinlich für Ἑρμαῖ προπύλαιοι gelten solltenHippol. ref. haer. 5, 8 p. 152 ἕστηκε δὲ ἀγάλματα δύο ἐν τῷ Σαμοϑρᾴκων ἀνακτόρῳ ἀνϑρώπων γυμνῶν, ἄνω τεταμένας ἐχόντων τὰς χεῖρας ἀμφοτέρας εἰς οὐρανὸν καὶ τὰς αἰσχύνας ἄνω ἐστραμμένας καϑαπερ ἐν Κυλλήνη τὸ τοῦ Ἑρμοῦ. Dieselben Bilder scheint Varro l. I. 5, 55 zu meinen: quas Samothracia ante portas statuit duas viriles species aeneas. Vgl. Paus. 9, 39, 4., zumal da man auch sonst z. B. bei der Weihe des Trophonios zu Lebadea die bei derselben behülflichen Knaben Ἑρμαῖ nannte. Endlich war es eine besondre Folge dieser Eigenschaft des Hermes als Götterherold, daß man eine starke Stimme und ein unverwüstliches Gedächtniß gleichfalls von ihm ableitete. Daher jene Fabel vom Aethalides, dem Herolde der Argonauten, welcher sein Gedächtniß auch in der Unterwelt nicht verlorΑἰϑαλίδης scheint den Feueranmacher (πυρκαεὺς) zu bedeuten., und die vom Stentor, 319 welcher sich mit Hermes in einen Wettkampf des lauten Ausrufs eingelassen habe und darüber habe sterben müssenSchol. Il. 5, 785, vgl. oben S. 132, [Anmerkung 330] u. Hesiod O. D. 79 ἐν δ' ἄρα φωνὴν ϑῆκε ϑεῶν κήρυξ. Aus demselben Grund war der Fisch βόαξ dem Hermes heilig, Athen. 7, 27..

Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhange das alte Symbol des Heroldsstabes, κηρύκειον, caduceus, eins der gewöhnlichsten Attribute des Hermes und nach ihm auch anderer Botschaft tragender Gottheiten. Hin und wieder sind auch dem Hermes heilige Stätten danach benannt worden, z. B. ein Berg bei Tanagra dessen Gestalt einem Heroldsstabe ältester Bildung einigermaßen ähnlich ist, und vermuthlich aus demselben Grunde ein Hügel bei Ephesos, auf welchem Hermes nach dortiger Legende die Geburt der Artemis verkündigt hatteHesych v. κηρύκειον, Paus. 9, 20, 3.. Es ist nehmlich wohl zu unterscheiden zwischen der älteren und jüngeren Form des Hermesstabes, denn nur in dieser letzteren ist derselbe der uns bekannte Schlangenstab. Die ältere Form entsprach im Wesentlichen der Wünschelgerte oder Wünschelruthe der deutschen Sage d. h. sie war wie diese eine Gerte mit einem Zwiesel, welche letztere in einen Knoten verschlungen wurde und in dieser Gestalt auf älteren Bildwerken, besonders Vasenbildern sehr oft zu sehen ist. Auch die Bedeutung des Hermesstabes war insofern dieselbe als dieser gleichfalls zunächst für einen Stab des Segens und des Reichthums angesehen wurde der Alles was er berühre in Gold und Ueberfluß verwandle, womit ohne Zweifel auch das alte Beiwort des Hermes χρυσόρραπις zusammenhängtH. in Merc. 529 ὄλβου καὶ πλούτου δώσω περικαλλέα ῥάβδον, χρυσείην τριπέτηλον, ἀκήριον ἥ σε φυλάξει. Arrian Epict. diss. 3, 20, 12 τοῦτ' ἔστι τὸ τοῦ Ἑρμοῦ ῥαβδίον. οὗ ϑέλεις, φησίν, ἅψαι καὶ χρυσοῦν ἔσται. Daher Cic. d. Off. 1, 44, 158 si omnia nobis quae ad victum cultumque pertinent quasi virgula divina ut aiunt suppeditarentur. Τριπέτηλος ist dieser Stab weil er aus drei Sprossen besteht, von welchen der eine die Handhabe bildet, die beiden andern die zum Knoten verschlungene Gabel. Vgl. meinen Aufsatz im Philol. 1, 512–22 und J. Grimm D. M. 926.. Also eigentlich ein Organ des Hermes ἐριούνιος und κερδῷος, obwohl derselbe Stab auch für mantischer und magischer Natur galt, denn Hermes bekommt ihn von Apollo und bei Homer wird vorzüglich seine einschläfernde Gewalt hervorgehoben oder wie Hermes die Seelen der Verstorbenen damit hinter sich her zieheIl. 24, 343, Od. 5, 47; 24, 2, Horat. Od. 1, 10, 18, Virg. A. 4, 242, Lukian D. M. 23, 3, Antonin Lib. 10. 23. Man hat wiederholt caducei in Gräbern gefunden., auch dient er ihm in verschiedenen 320 Erzählungen zu magischen Verwandlungen. Endlich und vorzüglich aber ist dieser Stab das Organ des Hermes διάκτορος und κήρυξ, daher das Kerykeion im engeren Sinne des Worts d. h. der Heroldsstab alles friedlichen, auf herkömmlichem Recht der Völker beruhenden VerkehrsPlaut. Amphitr. pr. 34 iuste ab iustis iustus sum orator datus. Ein Hermes δίκαιος – ἔλεγχος τῶν δικαίων κἀδίκων nach einer Inschrift aus Argos Rh. Mus. f. Phil. N. F. 1, 213., in welcher Bedeutung er seit alter Zeit das Abzeichen aller Herolde war und später selbst auf die Kaufmannschaft als deren Symbol übergegangen ist. In der Ilias freilich haben die Herolde bloße Stäbe in der Hand, σκῆπτρα, das Wahrzeichen jeder öffentlichen Handlung. Doch wird das κηρύκειον als Friedensstab in alten Sagen genannt, und in historischer Zeit war es das allgemeine Symbol aller Friedensbotschaften, daher auf Bildwerken außer Hermes auch Iris Nike und Irene damit versehen sindHermes als κήρυξ mit dem Kerykeion u. einem Botenbrief b. Gerhard A. V. t. 50. Ein heroischer Herold mit vollständiger Hermesausstattung ib. t. 200.. Die jüngere Form ist die des Schlangenstabes, welcher hin und wieder auch wohl schon auf alterthümlichen Vasenbildern zu sehen ist, aber ausnahmsweise und in ungewöhnlicher Gestalt, bis sich die uns geläufige feststellt und die allgemein herkömmliche wird. Die Bedeutung scheint die einer innigen Verschmelzung streitender Kräfte zu sein; das Sinnbild soll dem Geschlechtsleben der Schlangen entlehnt seinPlin. II. N. 29, 54, Macrob. S. 1, 19, 16, Hygin poet. astr. 2, 7. Ein Hermesstab mit Widderköpfen b. Minervini mon. ined. d. R. Barone t. 11, 1 p. 49..

Die weitere Ausstattung des Hermes als des Götterboten sind die bekannten Flügelschuhe und der Petasos, der schattige Hut der Epheben, wie diese ihn zu Pferde, auf der Jagd, auf Reisen trugen. Bei Homer ist die Sohle des Hermes noch nicht geflügelt, doch wird sein durch die Sohle und den Stab unterstütztes Fliegen über Land und Meer dem nachherigen Einherschreiten, wenn er an dem Orte seiner Bestimmung angekommen ist, ausdrücklich entgegengesetzt (Il. 24, 345, Od. 5, 51), und sicher sind die geflügelten Sohlen des Perseus im Hesiodischen Schilde v. 220. Auf älteren Vasenbildern fehlen die Flügel oft, auf jüngeren werden sie um so mehr hervorgehoben. Sie erscheinen zuerst an den Sohlen, dann am Hute, endlich auch am Stabe, hin 321 und wieder auch an den Schultern oder an der Brust des HermesZ. B. El. céram. 3, 75, vgl. Arist. Av. 574 καὶ νὴ Δί' ὅ γ' Ἑρμῆς πέτεται ϑεὸς ὧν πτέρυγάς τε φορεῖ κάλλοι γε ϑεοὶ πάνυ πολλοί. Der Petasos war ἐφήβων φόρημα Poll. 10, 164 und ist abzuleiten von πετάω πετάζω, nicht von πέτομαι, wie b. Grimm D. M. 828. 928 geschieht, welcher den Hut des Wuotan und das Wünschhütlein vergleicht, in welcher Bedeutung der Hut des Hermes meines Wissens nie genannt wird. So war die andere Kopfbedeckung desselben, der πῖλος, dem Leben der Hirten entlehnt..

Ferner ist Hermes der Gott des Handels und Wandels, der Märkte und des Marktverkehrs, der Handelsstädte, des zu Lande oder zu Wasser hin und her reisenden Kaufmanns, eine Auffassung welche sich auf den Wegen des griechischen Handels sehr weit verbreitet hat und namentlich in Italien in dem dortigen Mercurius wieder auftaucht, dessen Bild von dort weiter gegen Norden vorgedrungen ist. Es ist Hermes ἀγοραῖος, wie er in Griechenland wohl in jeder bedeutenderen Stadt auf dem Markte zu sehen warPoll. 7, 15. Berühmt war der H. ἀγοραῖος zu Athen, Paus. 1, 15, 1, Lukian Iup. Trag. 33, Diod. 5, 75 φασὶ δ' αὐτὸν καὶ μέτρα καὶ σταϑμὰ καὶ τὰ διὰ τῆς ἐμπορίας κέρδη πρῶτον ἐμποιῆσαι., auch ἐμπολαῖος genannt d. i. der Gott des gewinnbringenden Verkehrs, in Rhodos ἐπιπολιαῖος, bei Aristoph. Plut. 1156 παλιγκάπηλος d. h. der Gott des Kaufs und Verkaufs. Sein Symbol ist der volle BeutelPers. S. 6, 62 Schol. Hermes mit Kerykeion und Beutel auf attischen Münzen b. Beulé p. 362., mit dem er so häufig in kleineren Bronzen erscheint, welche durch die Kaufleute verschleppt sich zum Theil in ganz entlegenen Gegenden finden. Obwohl auch dieser Beutel ursprünglich nicht blos die engere Bedeutung des Geld - und Handelsgewinns, sondern zugleich die weitere des Segens der Tiefe hatte, so daß er wohl dem Wunschseckel unsrer Sagen entsprochen haben mag. Wurde dieses Attribut doch in mystischer Uebertragung sogar auf die von Hermes der Unterwelt zu übergebenden Seelen ausgedehntMüller D. A. K. 2, 329. 330, O. Jahn in den Leipz. Berichten 1849 S. 162 ff..

Als der allzeit rüstige und gewandte, Alles mit Geschick und Anmuth betreibende διάκτορος ist Hermes ferner zu einer von jenen Idealbildungen der männlichen Jugend geworden, an denen die griechische Mythologie und das griechische Leben, besonders das der Gymnasien, so reich war. Wurde er sonst als älterer Mann gedacht, meist nach dem Vorbilde der Hirten 322 und des Herolds, also bärtig und von reifen Jahren, so erscheint dagegen der Götterbote Hermes schon bei Homer als lieblicher Jüngling, dem der erste Bart sproßtIl. 24, 347, Od. 10, 278, Virg. A. 4, 558.. Auch hebt der Hymnus ausdrücklich die Kraft wie er mit den starken Rindern umgeht hervor (v. 117), während man ihn zu Metapont als εὔκολος d. h. den Flinken, Gewandten verehrte, und ϑεῶν ἄγγελος ὠκύς, Διὸς τρόχις und ähnliche Epithete sagen ja dasselbeAuch das Epithet πολύγιος zu Troezen, Paus. 2, 31, 13, scheint sich auf die Kraft und Gewandtheit seiner Glieder zu beziehen, i. q. πολυγύιος.. Alle diese Eigenschaften also machten ihn zum idealen Vorbilde der griechischen Epheben, wie sie auf der Palaestra, in den Gymnasien, in den gymnastischen Weltkämpfen ihren Körper schulten und ausbildeten, daher Hermes ἀγώνιος oder ἐναγώνιος ist und zwar ganz vorzüglich, neben dem Apoll und den angesehensten Heroen, Herakles Theseus u. A.Pindar Ol. 6, 79; P. 2, 10; N. 10, 53; l. 1, 60, Ovid F. 5, 667 nitida laetus palaestra.. Als Vorsteher der Turnerjugend hieß er zu Metapont παιδοκόρος (Hesych) und als Ephebe unter den Epheben erscheint er zu Tanagra, wo er als πρόμαχος an der Spitze der Gymnasialjugend mit der Strigel den Feind von den Mauern der Stadt zurückjagtP. 9, 22, 2, Tz. Lykophr. 680, nach welchem die Tanagraeer vor der Schlacht einen Knaben und ein Mädchen opferten und ein Bild des Hermes λευκός weiheten d. h. φαιδρός, des Gnädigen. Hermes mit der Strigel auf einer attischen Münze b. Beulé p. 362.. Daher galten die Palaestren und Gymnasien für seine Stiftungen, waren ihm heilig, wurden nach ihm benannt, waren voll von seinen Bildern und ihn verherrlichenden InschriftenP. 1, 2, 4: 4, 32, 1, vgl. Serv. V. A. 8, 138 und die Inschrift aus Sparta Rh. Mus. N. F. 1, 214 n. 24.. Auch wurden ihm an verschiedenen Orten Kampfspiele von Knaben und Jünglingen unter dem Namen Ἕρμαια gefeiert, namentlich zu Pheneos in Arkadien, zu Pallene in AchajaP. 8, 14, 7, Schol. Pind. Ol. 7, 156, Rh. Mus. N. F. 6, 599., zu Kydonia auf Kreta, wo die Herrn ihre Sklaven d. h. wohl die Knaben ihre Paedagogen an diesem Feste bewirthetenAthen. 6, 84: 14, 44. Kydon ein Sohn des Hermes und der Akakallis, P. 8, 53, 2, Schol. Apollon. 4, 1491. Von Athen und Syrakus s. Plato Lys. 206 D Schol., Theophr. char. 27, C. I. n. 108, von Teos C. I. n. 3087., zu Athen, in Syrakus u. s. w. Wird die Art des Kampfes angegeben worin Hermes stark war, so ist es der Faustkampf, der Diskos, der Lauf, denn Kraft und 323 Gewandtheit der Hände und Füße sind die Hauptsachen beim διάκτοροςKorinna fr. 11, Heraklit. incred. 9. Den Diskos schleudert er auf einer Gemme.. Indessen rühmen die Alten nicht blos die Stärke seiner Glieder, sondern auch deren Anmuth. Anakreon vergleicht die Hände seines Bathyll mit denen des Hermes und in dem Hymnus giebt Apoll ihm seine Ehrenämter, Zeus aber als Zugabe Anmuth (χάριν δ' ἐπέϑηκε Κρονίων v. 575). Daher ist er schon bei Homer der allgemeine Anmuthsverleiher (Od. 15, 320) und wurde als χαριδώτης angerufen und verehrt (Hom. H. 18, 12), letzteres besonders auf Samos, wo ihm unter diesem Namen ein Fest gefeiert wurde, an welchem mit Erinnerung an eine andere hervorragende Eigenschaft dieses Gottes zu stehlen erlaubt war (Plut. Qu. Gr. 55).

Solchen körperlichen Gaben entsprechen endlich die geistigen: das erfindsame, beredte, durchaus gewandte Wesen welches wie eine höhere Gestaltung und reife Entwicklung jener absolut listigen und diebischen Natur erscheint, die von der Sage und Dichtung als Merkmal seiner kindischen Jahre hervorgehoben wurde. So ward er zunächst als Erfinder der Leier von den Dichtern und Sängern immer viel gepriesenCurvae lyrae parens Horat. Od. 1, 10, 6, vgl. 3, 11. Bei Macrob. S. 1, 19, 15 wird dem H. der Tetrachord, dem Apoll die Leier mit sieben Saiten zugeschrieben. Nach Diod. 5, 75 erfand H. die Leier als Apollo nach der allzugrausamen Strafe des Marsyas seine Kithar zerschlagen und alle Musik verschworen hatte., neben Apollo als Urheber der feineren Bildung durch Musik und Gymnastik verehrt, und mit dem Attribute der Schildkröte oder als Leiererfinder häufig abgebildetAm Helikon Apoll und Hermes μαχόμενοι περὶ τῆς λύρας, P. 9, 30, 1, wie auf einem Vasenbilde. In Argos Ἑρμῆς ἐς λύρας ποίησιν χελώνην ἠρκώς P. 2, 19, 5, vgl. Müller D. A. K. 2, 326–328. Arrian d. venat. 34 οἷ ἀμφὶ παίδευσιν (πονούμενοι χαριστήρια ϑύουσι) Μούσαις καὶ Ἀπόλλωνι Μουσηγέτῃ καὶ Μνημοσύνῃ καὶ Ἑρμῇ. Hermathena in der Akademie Ciceros ad Att. 1, 1, 5; 4, 3.. Es muß dabei gewiß auf jenen musikalischen und poetischen Grundzug des griechischen und überhaupt des südlichen Hirtenlebens geachtet werden, wie er in vielen bukolischen Liedern und Sagen sehr vernehmlich durchklingt z. B. in den Gedichten vom Anchises, vom Paris, vom Linos, vom Daphnis u. A. So empfängt auch Amphion in seiner ländlichen Einsamkeit, als er noch bei den Heerden weilte, die Leier vom HermesPhilostr. Imag. 1, 10, Paus. 9, 5, 4, Apollod. 3, 5, 5. Hermes unter Satyrn musicirend El. céram. 3, 90., während die Erfindung der Syrinx, welche Hermes 324 schon auf alterthümlichen Vasenbildern in den Händen führt, nur eine niedere Stufe dieses Hirtengesanges bezeichnet. Eine andere Reihe geistiger Thätigkeiten aber ergab sich den Alten aus seinen Eigenschaften als διάκτορος und als Herold, nehmlich die des Hermes λόγιος, wie ihn vorzüglich die Redner und die Philosophen zu feiern pflegten. Als Herold ist er zugleich der Gott der lauttönenden Stimme, als Götterbote der Alles richtig Ausdrückende, Alle zu Allem Ueberredende, daher er bei Hesiod W. T. 79 der Pandora Stimme und Namen giebt und Horaz (Od. 1, 10) die ganze Reihe seiner musischen und gymnastischen Verdienste in diesen Worten zusammenfaßt: Mercuri facunde nepos Atlantis, qui feros cultus hominum recentum voce formasti catus et decorae more palaestrae u. s. w., und dasselbe spricht Ovid (F. 5, 668) aus: quo didicit culte lingua docente loqui, sammt vielen Andern. Die Alles überzeugende Beredsamkeit des Hermes ist sogar sprichwörtlich geworden (Strabo 2, 104) und auch mit Beziehung darauf wurde Hermes als Verleiher von Anmuth und als ἡγεμὼν τῶν Χαρίτων verehrtPlut. d. aud. 13, Schol. Il. 2, 104. Vgl. Aristid. 2 p. 14. 135. 143, wo das Prädikat ἐριούνιος in diesem Sinne erklärt wird, 398 Demosthenes Ἑρμοῦ τινος λογίου τύπος.. Daher die artige Fabel bei Philostrat daß Aesop, als Andre den Hermes um Gold und Silber baten, für seine einfachen aber frommen Gaben die Thierfabel als einzigen noch nicht vertheilten Rest der Weisheit, welche Hermes selbst von seinen Pflegerinnen den Horen erlernt hatte, zum Geschenk bekommen habe, wie Aesop als Repräsentant dieser Lehrform sonst auch wohl ein Diener des Pythischen Apollo genannt wurdePhilostr. v. Apollon. 5, 15 p. 91, Himer or. 13, 5, Act. Ap. 14, 12.. Noch zur Zeit der Apostel war der Volksglaube so lebendig daß Paulus und Barnabas in Lykaonien für Zeus und Hermes gehalten wurden, jener weil er einen Lahmen heilte, dieser weil er das Wort führte. Auch pflegte man deshalb die Zungen der Opferthiere vor der Nachtruhe dem Hermes zu weihen und in Augenblicken plötzlich stockender Unterhaltung zu sagen Ἑρμῆς ἐπεισῆλϑε d. h. Hermes ist eingetretenPlut. d. garr. 2, vgl. Od. 3, 332 m. d. Schol. u. Eustath., Athen. 1, 28.. Vollends sind die philosophirenden Mythologen immer eifrig mit dem Hermes λόγιος beschäftigt, indem sie die verschiedensten Attribute und Eigenschaften, selbst die des 325 ithyphallischen Hermes in diesem Sinne zu deuten wissenPlotin Enn. 25, 9 (3, 6 p. 321), Porphyr b. Euseb. Pr. Ev. 3, 11 p. 114, Hippol. ref. haer. 5, 7, Cornut. 16 u. A.. Sie nennen ihn den allgemeinen ἑρμηνεύς, der die Sprache und damit überhaupt die Möglichkeit des Gedankenausdruckes erfunden habe, den νοῦς und das Princip aller Erkenntniß, den λόγος προφορικός u. s. w., während auf der andern Seite die hellenistische Zeit, besonders die den Alexandrinern geläufige Gleichsetzung des aegyptischen Hermes mit dem hellenischen diesen letzteren auch zum Erfinder der Mathematik und Astronomie und allerlei Technik z. B. der Buchstaben machte. Namentlich war in diesem Sinne der Hermes des Eratosthenes gedichtet, welcher vorzüglich über die himmlischen Dinge Aufschluß gabBernhardy Eratosth. p. 110, vgl. Strabo 17, 816, Diod. 1, 16, Plut. Symp. Qu. 9, 3, 2, Hygin f. 277.. Eine ganz späte Figur ist der sogenannte Hermes τρισμέγιστος, welcher noch in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung nur μέγας καὶ μέγας oder μέγιστος genannt zu werden pflegtLetronne rec. des inscr. de l'Egypte 1 p. 206. 283–85..

Die bildliche Darstellung des Hermes ist gleichfalls eine sehr mannichfaltige, je nachdem er mehr in mythologisch-symbolischer Hinsicht oder als Vorstand practischer Lebensthätigkeit vergegenwärtigt werden sollteMüller Handb. § 379–381, D. A. K. 2, 28–30, Braun K. M. t. 87–97, Vasenbilder El. céramogr. 3, 72–101.. Bald erscheint er als Hirt, ein Stück der Heerde tragend oder die Schaf- oder Rinderheerden treibend, bald als der kleine listige Dieb, bald als ἐριούνιος und Kaufmann mit dem Beutel oder als ἀγώνιος mit der Strigel, dann mit der Lyra, anderswo als Herold, am allergewöhnlichsten als Götterbote und διάκτορος und zwar in unendlich vielen mythologischen Acten, in älteren Werken bärtig und als kräftiger Mann, in späteren jugendlich. Daneben behauptete sich an den Straßen, in alterthümlichen Tempeln, in den Mysterien die alte Darstellung entweder durch einen bloßen Phallos oder durch eine ithyphallische Herme, desgleichen die mit dem vielbedeutenden Symbole des Widders oder Bocks, welches zunächst geile Natur und den Segen der Wolke, aber auch den H. νόμιος bedeutete und von der älteren Symbolik der Kunst und des Gottesdienstes in sehr verschiedener Anwendung gebraucht wurde. So gab es von dem alten Künstler Onatas einen Hermes der den 326 Widder unter dem Arme trug, eine Kappe (κυνέη) auf dem Kopfe hatte und mit Chiton und Chlamys bekleidet warPaus. 5, 27, 5. Eine der St. des Onatas ähnliche Terracotta aus Tanagra ist mitgetheilt von Conze Ann. d. Inst. 1858 t. O. p. 348., von Kalamis einen H. κριοφόρος, der den Widder über den Schultern trugPaus. 9, 22, 2. Die Statue des Kalamis vergegenwärtigt eine Münze aus Tanagra Arch. Ztg. 1849 t. 9, 12. Vgl. das Epigramm C. I. Gr. n. 6272, das Vasenbild El. céram. 3, 87 und die kleine engl. Marmorst. b. Müller D. A. K. 2, 29, 324. Auch dieses Bild ist der Natur entlehnt s. Fellows Discov. in Lycia p. 175., eine auch sonst auf Bildwerken nicht ungewöhnliche Darstellung welche zuletzt in die christliche Symbolik als das herkömmliche Bild des guten Hirten übergegangen ist. Bei andern Bildwerken stand der Widder neben HermesP. 2, 3, 4, vgl. das Relief b. Boissieu Inscr. d. Lyon p. 13., oder dieser wird von dem Widder getragen oder er fährt mit WiddernArtemid. Oneirocr. 2, 12 Ἑρμοῦ νενόμισται εἶναι ὄχημα, vgl. D. A. K. n. 322. 323. Hermes und Dionysos auf dem Widder auf Vasenbildern.. Uebrigens haben alle vorzüglichen Meister, Phidias Polyklet Skopas Praxiteles, Hermesstatuen und Hermesgruppen geliefert und dadurch das ideale Bild geschaffen welches uns in den schönsten Bildern noch jetzt gegenwärtig ist. Außer dem erwähnten Bilde des kleinen Rinderdiebes gehört dahin besonders der Hermes mit dem Dionysoskindlein, wobei ein Vorbild des Praxiteles zu Grunde liegtP. 5, 17, 1 Ἑρμῆς Διόνυσον φέρει νήπιον, vgl. Zoëga Bassiril. 1 t. 3, Müller § 384, 2, D. A. K. 2, 34., ferner die schöne Bronzestatue in der Neapolitanischen Sammlung der Herculanensischen Bronzen. Es ist der H. διάκτορος, der auch sonst auf den Bildwerken in sehr verschiedenen Stellungen erscheint, sich in die Luft schwingend, laufend, der Befehle des Zeus harrend u. s. w., in diesem schönen Kunstwerke aber ausruhend. Der Gott ist mehr Knabe als Jüngling, eine feine jugendliche Figur in sehr anmuthiger Stellung, so daß man auch im Sitzenden den leicht Dahinschwebenden erkennt. Der Kopf ist sehr ausdrucksvoll, die Ohren stehen ab, das ganze Gesicht hat etwas Lauschendes und dabei etwas überaus Kluges und Gescheidtes. Nächst dem hat der Hermes der Palaestra (ἀγώνιος) zu den schönsten Darstellungen Anlaß gegeben. Eine reife Jünglingsgestalt von kräftigem Körperbau, in fester Stellung, die Chlamys zurückgeworfen, so daß man den ganzen Gliederbau übersieht, das Gesicht freundlichen Ausdrucks, das Haar kurz abgeschnitten und wenig gelockt, kurz 327 der ideale griechische Ephebe. So besonders der s. g. Antinoos von Belvedere, welchem bei der Restauration die Flügel an den Knöcheln abgemeißelt sind, so daß man erst durch Vergleichung ähnlicher Darstellungen den Hermes in ihm erkannte. Endlich der H. λόγιος pflegte in der Geberde eines Sinnenden oder Redenden dargestellt zu werden, in welcher Art eine Statue der Villa Ludovisi und der s. g. Germanicus im Louvre für die besten gelten.


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