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[Schluß]

Bis hierher geht das Tagebuch von Frau Ida Pfeiffer. Leider haben sich ihre letzten Worte nicht bewährt: die Gefahr war nicht vorüber. Wenn auch mitunter die Fieber-Anfälle auf kürzere oder längere Zeit ausblieben, kehrten sie doch immer wieder, und nie mehr sollte Ida Pfeiffer zu vollkommener Gesundheit gelangen. Ihr Aufenthalt in Mauritius verlängerte sich noch durch mehrere Monate, und wie sich aus den Briefen ergibt, die sie von dieser Insel an ihren Sohn schrieb, machte sie während dieser Zeit verschiedene neue Reisepläne, von welchen jedoch keiner zur Ausführung kam.

So schrieb sie in einem Briefe, datirt vom 16. Dezember 1857:

»Meine Leiden an dem Fieber und besonders an den Nachwehen des Fiebers waren groß und sind noch nicht ganz überwunden; ich hoffe, eine Seereise wird mich vollkommen wieder herstellen. Nach Europa kann ich aber in dieser Jahreszeit nicht gehen; ich würde zu viel mit Kälte und Unwetter zu kämpfen haben, und ich weiß nicht, ob mein jetziger Gesundheits-Zustand dieß ertrüge. Hier auf eine bessere Witterung zu warten, geht auch nicht an, da die Luft dieser Insel mir nicht gut bekommt. Ich werde daher wahrscheinlich nach Australien gehen.«

 

In einem anderen Briefe vom 13. Jänner 1858:

»Wie ich hoffe, ist dieß der letzte Brief aus Mauritius. Ich bin wirklich sehr erfreut darüber, dieser Insel Lebewohl zu sagen, und nur von den beiden Familien Moon und Kerr wird mir der Abschied recht, recht schwer werden. Hätten sich diese trefflichen Menschen meiner nicht angenommen, so wäre ich ganz gewiß auf dieser Insel gestorben. Eine Tochter kann ihrer Mutter nicht größere Liebe und Sorgfalt bezeugen, als Frau Moon mir es that, und sämmtliche Mitglieder beider Familien wetteiferten in Dienstleistungen jeder Art. Meine lieben Söhne, prägt Euch diese Namen tief in das Gedächtniß ein, und sollte je der Zufall Euch mit Gliedern der einen oder der anderen von jenen Familien zusammenführen, so betrachtet sie wie Eure Brüder, und schätzt Euch glücklich, wenn Ihr ihnen Dienste erweisen könnt.«

 

»Seit drei Wochen geht es mir von Tag zu Tag besser, das Fieber scheint mich endlich doch ganz verlassen zu wollen; ich habe wieder Schlaf und Eßlust.«

 

»Vor einigen Tagen lernte ich hier einen jungen deutschen Botaniker kennen, Herrn Herbst. Er ist in Rio de Janeiro ansäßig und wurde von der brasilianischen Regierung nach Mauritius und Bourbon geschickt, um von diesen beiden Inseln Zuckerrohr-Pflanzen zur Verbesserung der in Brasilien einheimischen zu holen. Er nimmt eine ganze Schiffsladung davon mit und hofft im Monat Mai in Rio de Janeiro anzulangen. Ich war beinahe willens mit ihm zu gehen; allein da ich nicht weiß, ob Du um diese Zeit schon daselbst sein wirst, so denke ich, ist es doch besser, erst die Reise nach Australien zu machen. Ich habe eine sehr gute Gelegenheit nach Sidney gefunden und gehe in einigen Tagen ab. Die Seereise und die stärkende Luft in Australien, wo ich gerade in der besten Jahreszeit, im Spätherbst, ankommen werde, sollen, wie ich hoffe, den Schlußstein meiner Kur machen und meine gänzliche Erholung zu Stande zu bringen.«

 

Nur zwei Tage später, in einem Briefe vom 1. März schrieb sie dagegen:

»Ich war gezwungen meinen Reiseplan plötzlich zu ändern, und zwar des abscheulichen Madagaskar-Fiebers wegen, das noch immer wiederkehrt und mich sehr schwächt. Ich war schon zur Einschiffung nach Australien bereit, hatte den größten Theil meines Gepäckes bereits an Bord, als ich einen neuen Anfall bekam. Ich ließ meine Koffer wieder von dem Schiff zurückbringen, und am 8. dieses Monates gehe ich mit dem Packetboot nach London, wo ich mich aber nur kurze Zeit aufhalten werde. – Ich will trachten, so rasch als möglich nach der Heimath zu gelangen.«

 

Sie verließ endlich Mauritius. Während der langen Ueberfahrt erlitt sie erneuerte Anfälle des Fiebers, und in wenig gebessertem Gesundheits-Zustande langte sie zu Anfang des Monats Juni in London an, wo sie jedoch nur wenige Wochen verweilte. Von London begab sie sich nach Hamburg; auch da litt es sie nicht lange, und im Monate Juli reiste sie nach Berlin, dem Rufe ihrer Freundin, der Frau Geheim-Räthin Weiß folgend, in deren Hause ihr die beste und sorgsamste Pflege zu Theil wurde.

Dringende Briefe ihrer Brüder luden sie ein, nach der Heimath, nach Wien zu kommen, und die Gemahlin ihres Bruders Cäsar Reyer, Frau Marie Reyer, wollte nach Berlin reisen, um sie abzuholen. Sie verbat sich aber ausdrücklich jeden Besuch. Obgleich von Tag zu Tag leidender, schien sie ihre Krankheit doch nur als eine vorübergehende zu betrachten, und in diesem Glauben schrieb sie ihren Brüdern, daß sie hoffe, bald wieder hergestellt oder doch wenigstens kräftiger und reisefähiger zu werden, und daß sie dann nach Wien kommen wolle.

Unwillkürlich zog es sie jedoch nach der Heimath, und als nach mehreren Wochen noch immer keine Besserung in ihrer Krankheit eintrat, ließ sie sich zu einer ihrer Jugend-Freundinnen bringen, zu der Frau Baronin Stein, welche auf einem Landgut in der Nähe von Krakau lebt.

Ihre Krankheit nahm jedoch leider fortwährend zu, und nach und nach die Hoffnung auf eine baldige Herstellung verlierend, willigte sie endlich ein, nach Wien gebracht zu werden. Ihre Schwägerin kam, sie abzuholen. Schmerzlich war das Zusammentreffen mit der geliebten Freundin und Verwandten, welche die Kranke in einem so leidenden und angegriffenen Zustande traf, daß man an der Möglichkeit der Reise nach Wien verzweifelte. Da aber der Arzt erklärte, daß sie die Reise machen könne, und da die Kranke sehr große Sehnsucht zeigte, ihre Heimath noch einmal zu sehen, so brachte man sie mit der größten Sorgfalt auf der Eisenbahn in einem besonderen Coupé nach Wien zu ihrem Bruder Carl Reyer, wo sie am 15. September eintraf.

Hier wurden mehrere ärztliche Berathungen über sie abgehalten, zu welchen ihr Bruder die ausgezeichnetsten Aerzte Wiens berief. Die einstimmige Meinung der letzteren war, daß Frau Pfeiffer am Leber-Krebs leide, wahrscheinlich in Folge des Madagaskar-Fiebers, welches die inneren Körpertheile angreife und zerstöre, und daß ihre Krankheit eine unheilbare sei.

Die heimathliche Luft schien ihr wohl zu thun. Während der ersten Woche litt sie nur geringe Schmerzen und gab sich neuer Hoffnung hin. Sie sprach sogar davon, noch weitere kleine Reisen zu machen, um ihre übrigen Verwandten in Gratz, Triest, u. s. w. zu besuchen. Es war aber diese Unruhe wohl nur eine Wirkung krankhaften Zustandes. Ihre Kräfte nahmen immer mehr ab, heftige Schmerzen traten ein, die sie während der letzten vier Wochen ihres Lebens nur selten verließen, und häufig verfiel sie in Delirium.

Sie wurde in dem Hause ihres Bruders, unter der besonderen Aufsicht ihrer Schwägerin, auf das beste gepflegt, und einige Tage vor ihrem Tode hatte sie noch das Vergnügen, ihren ältesten Sohn zu umarmen, welcher in Steiermark lebte und auf die Nachricht von der schweren Krankheit seiner Mutter sogleich nach Wien eilte.

Während der letzten Tage gab man ihr Opiate ein, um die heftigen Leiden zu mildern, und in der Nacht vom 27. auf den 28. Oktober verschied sie leicht und sichtlich ohne Schmerzen. Ihr Leichenbegängniß fand am 30. Oktober statt, und außer zahlreichen Verwandten und persönlichen Freunden, erwiesen ihr sehr viele wissenschaftliche Notabilitäten und andere ausgezeichnete Personen Wiens die letzte Ehre. Ruhe ihrer Asche!

 

Möge es mir erlaubt sein, Ihnen, liebe Tante Marie Reyer, Dir lieber Onkel Carl Reyer, für alles, was Ihr an meiner Mutter gethan, hiemit meinen wärmsten, meinen innigsten Dank auszusprechen. Leider war es mir nicht vergönnt, ihre letzten Worte zu vernehmen, ihren letzten Blick zu erhaschen – in weiter Ferne traf mich die traurige Botschaft. Durch Euch beide wurde mir wenigstens der Trost gegeben, daß es meiner armen Mutter nicht an treuer Pflege fehlte, und daß sie bis zum Augenblicke ihres Hinscheidens freundliche, geliebte Stimmen um sich hörte.

Auch den übrigen Verwandten und den zahlreichen Freunden, die sich ihrer auf so zarte, liebevolle Weise angenommen haben, vor allem Herrn und Frau Moon in Mauritius, sage ich meinen tiefgefühltesten Dank – sie können versichert sein, daß ich ihre Namen eben so wenig vergessen werde, wie das Andenken meiner geliebten Mutter.

Oscar Pfeiffer


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