Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[VI]

Reise nach der Insel Bourbon. – Mauritius. – Reichthum der Insel. – Die Stadt Port-Louis. – Lebensweise der Einwohner. – Indische Dienerschaft. – Die großen Diners. – Die Landhäuser. – Gastfreundschaft der Kreolen.

 

Ich fuhr von dem Cap nach Mauritius auf dem schönen, ganz neuen Dampfer »Governor Higginson«, Kapitän French, 150 Pferdekraft. Das Schiff war auf Aktien gebaut worden, von welchen der größte Theil Herrn Lambert gehörte. Dieser Herr ließ mich nicht für meinen Platz bezahlen und würde es auch nicht zugelassen haben, selbst wenn er gar keine Aktie besessen hätte. Er behauptete, ich sei nun sein Gast, bis ich Mauritius für immer verließe.

Unsere Reise (bis Mauritius 2400 Seemeilen) war sehr glücklich. Wir gingen zwar bei stürmischer See unter Segel und hatten viel mit Gegenwinden zu kämpfen, dessenungeachtet soll noch kein anderer Dampfer diese Reise so rasch gemacht haben.

Zu sehen bekamen wir, außer einigen unbedeutenden Wasserhosen, bis zur Insel Bourbon nichts.

Ich erfuhr auf diesem Steamer genau den Betrag der laufenden Ausgaben. Ohne Kohlen steigt er über 500 Pfd. Sterl. pr. Monat. Das Dienstpersonal bestand aus 47 Personen. Steinkohlen wurden in 24 Stunden ungefähr 25 Tonnen (50.000 Pfund) verbraucht. Letztere kommen an manchen Orten, wie z. B. auf dem Cap, sehr theuer zu stehen – 2½ Pfd. Sterl. pr. Tonne.

Am 1. Dezember Morgens entdeckten wir Land und Nachmittags warfen wir Anker auf der eben nicht sehr geschätzten Rhede von St. Denis, der Hauptstadt der Insel Bourbon. Diese niedliche Insel, auch »Isle de la Réunion« genannt, liegt zwischen Mauritius und Madagaskar, unter dem 20. und 21. Grade südlicher Breite und dem 52. und 53. Grade östlicher Länge. Sie hat 40 englische Meilen Länge auf 30 Meilen Breite, und zählt gegen 200.000 Einwohner. Im Jahre 1545 von dem Portugiesen Mascarenhas entdeckt, wurde sie im Jahre 1642 von den Franzosen besetzt; von 1810 bis 1814 stand sie unter englischer Herrschaft; seitdem ist sie französisch geblieben.

Isle de Bourbon hat hübsche Gebirgszüge und auch bedeutende Ebenen, die sich der See entlang erstrecken. Die Flächen sind mit Zuckerrohr bepflanzt, das hier herrlich gedeiht und der Insel ein üppig frisches Aussehen verleiht.

Die Stadt St. Denis ist weit in die See hinausgeschoben und von immergrünen Gärten und Bäumen umgeben. In ihrem Rücken erhebt sich ein sanfter Hügel, auf welchem ein palastähnliches Gebäude steht, welches alles umher stolz übersieht. Ich hielt es für den Sitz des Gouverneurs; es hatte aber eine edlere Bestimmung, es war das Hospital. Auch die katholische Kirche steht auf dem Hügel, und an seinen Fuß lehnt sich ein langes Gebäude nur mit einem Erdgeschoß und schönen Säulengängen, das auf den ersten Blick einer römischen Wasserleitung gleicht; bei genauerer Besichtigung entdeckt man jedoch die Fenster und Thüren. Es ist die Kaserne. Das ganze Bild wird durch eine schöne Bergkette geschlossen, die sich in zwei Theile spaltet und eine reizende Fernsicht in eine großartige, dicht mit Pflanzen und Bäumen bewachsene Schlucht gestattet.

Alles das sah ich vom Decke aus, denn wir hielten nur einige Stunden an, und diese vergingen mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten, mit den Besuchen des Arztes, des Post-Offiziers, der Douane u. s. w. Kaum waren diese abgethan, so brauste auch der Dampf schon wieder auf, die Räder setzten sich in Bewegung und weiter ging es nach der hundert englische Meilen entfernten Insel Mauritius.

Am folgenden Morgen hatten wir Bourbon nicht nur schon lange aus dem Gesichte verloren, sondern wir sahen bereits Mauritius vor uns liegen, und Nachmittags ruhte unser Dampfer im sicheren Hafen von Port-Louis, der Hauptstadt der Insel. Aber nicht weniger als drei Stunden vergingen, bis wir das Land betreten konnten, wo ich in dem Landhause Herrn Lambert's abstieg.

Die Insel Mauritius zeigt von der See aus ungefähr dasselbe Bild wie Bourbon, nur sind die Gebirge höher und in mehrfachen Ketten aufgethürmt. Die Stadt nimmt sich nicht so gut aus wie St. Denis; es fehlen ihr besonders die großen, stattlichen Gebäude, welche letzterer so vielen Reiz verleihen.

Die Insel Mauritius, früher »Isle de France« genannt, liegt auf der südlichen Hemisphäre unter dem 19.-20. Breiten- und dem 54.-55. Längen-Grade. Ihre Länge beträgt 37, ihre Breite 28 englische Meilen, die Einwohner-Zahl: 180.000.

Mauritius gehört gleich Bourbon zu Afrika und wurde im Jahre 1570 von den Holländern besetzt, soll aber schon früher von dem Portugiesen Mascarenhas entdeckt worden sein. Die Holländer gaben ihr den Namen: Mauritius; sie verließen sie jedoch wieder im Jahre 1712. Drei Jahre später nahmen sie die Franzosen in Besitz und nannten sie Isle de France. Im Jahre 1810 eroberten sie die Engländer, welchen sie seitdem gehört. Letztere haben ihr den Namen »Mauritius« wiedergegeben.

Als die Insel entdeckt wurde, war sie unbewohnt. Die Weißen führten Sklaven ein: Neger, Malebaren, Malegaschen, aus deren Vermischung in der Folge alle denkbaren Abarten entstanden. Seit der Aufhebung der Sklaverei (im Jahre 1825) kommen beinahe alle Arbeitsleute aus Indien. Das britisch-indische Gourvernement schließt mit den Leuten, die sich nach Mauritius verdingen wollen, Kontrakte auf fünf Jahre ab, nach deren Ablauf sie sich bei der Regierung auf Mauritius melden könne, und auf Kosten derselben nach ihrem Vaterlande zurückgesendet werden. Diejenigen, die sich nicht melden, verlieren das Recht auf die freie Ueberfahrt.

Der Dienstgeber muß für jeden Arbeiter an die Regierung das erste Jahr 2 Pfd. Sterl., jedes der folgenden Jahre 1 Pfd. Sterl. bezahlen; dieses Geld deckt die Kosten der Her- und Rückfahrt. Dem Arbeiter selbst hat er monatlich 5 bis 6 Rupien (ungefähr 5-6 fl. C. M.) und Kost und Wohnung zu geben. Dieß gilt für den gemeinen Arbeitsmann; für Köche, Handwerker u. s. w. steigt der Lohn je nach deren Fähigkeiten viel höher.

Ich fand die Bewohner von Mauritius gerade in sehr großer Aufregung; es war vor kurzem die Nachricht aus Calcutta gekommen, daß die Ausfuhr der Arbeitsleute verboten worden sei, indem man erfahren habe, sie würden in der Quarantäne (der Cholera wegen) sehr schlecht behandelt. Man sagt jedoch schon, daß die hiesige Regierung den Gebrechen der Quarantäne mit möglichster Sorgfalt abzuhelfen gedenke und hofft daher, daß das Verbot bald wieder aufgehoben werde. Sollte dieß nicht geschehen, so ginge die Insel in wenig Jahren ihrem Ruin entgegen.

Gegenwärtig ist sie in den glänzendsten Umständen; die Einkünfte, die dieses Inselchen nicht nur den Pflanzern, sondern auch der Regierung abwirft, sind so bedeutend, wie es verhältnismäßig vielleicht auf keinem anderen Punkte der Welt der Fall sein dürfte. Im Jahre 1855 z. B. wurden 2½ Millionen Centner Zucker erzeugt, im Werthe von 1,777.428 Pfd. Sterl., das Einkommen der Regierung betrug in demselben Jahre 348.452 Pfd. Sterl.; die Ausgaben waren bedeutend geringer, und da dieß beinahe in jedem Jahre der Fall ist und der Ueberschuß nicht nach England geschickt wird, sondern im Lande bleibt, so ist die Staatskasse stets reichlich gefüllt. Im gegenwärtigen Augenblicke soll sie 300.000 Pfd. Sterl. besitzen. Und mit jedem Jahre steigt der Reichthum der glücklichen Insel. Im Jahre 1857 nahmen die Einkünfte der Regierung um 100.000 Pfd. Sterl. zu, welche Summe ganz allein die neue Steuer auf geistige Getränke einbrachte. Daß auch den Einwohnern ein großer Ueberfluß zu Theil wird, beweist der Unterschied zwischen der Aus- und Einfuhr. Im Jahre 1855 überstieg die erstere die letztere um eine halbe Million Pfd. Sterl.; könnten wir doch dasselbe von manchen großen europäischen Staaten sagen!

Die Beamten der Regierung sind sehr gut bezahlt, doch bei weitem nicht so gut wie in Britisch-Indien, obgleich das Leben auf Mauritius ungleich theurer zu stehen kommt. Die Ursache ist, daß das Klima in Indien für Europäer als sehr ungesund betrachtet wird, was mit jenem von Mauritius nicht der Fall ist. Der Gouverneur hat nebst freier Wohnung jährlich 6000 Pfd. Sterl.

Herrn Lambert's Landhaus »Les Pailles«, in welchem ich abstieg, liegt sieben Meilen von der Stadt in dem Bezirke von Mocca. Die ganze Insel ist in elf Bezirke eingetheilt.

Ich fand bei meinem freundlichen Wirthe alles, was ich nur wünschen konnte – schöne Gemächer, feine Kost, zahlreiche Dienerschaft und dabei die größte Unabhängigkeit; denn Herr Lambert fuhr jeden Morgen nach der Stadt und kam erst Abends wieder.

Nachdem ich einige Tage ausgeruht, begann ich meine Wanderungen.

Vor allem besuchte ich die Stadt Port-Louis. Leider gab es da wenig zu sehen. Obwohl ziemlich groß (50.000 Einwohner), besitzt sie mit Ausnahme des Regierungs-Palastes, in welchem der Gouverneur wohnt, und des Bazars, gar keine schönen öffentlichen Gebäude. Auch die Privathäuser sind durchaus klein, höchstens mit einem Stockwerke versehen. Die Brücke, welche über den großen Fluß führt, der häufig so wenig Wasser hat, daß man hindurchgehen kann, wäre nicht ohne Geschmack gebaut, hätte man nicht an ihrer Breite gespart – sie ist so schmal, daß nur ein Wagen darüber fahren kann; die entgegenkommenden müssen warten. Es scheint mit den Regierungen eben so zu gehen, wie mit vielen Privat-Personen: so lange sie wenig Geld oder gar Schulden haben, sind sie großmüthig und verschwenderisch; aber von dem Augenblicke an, wo sie zu Vermögen kommen, werden sie sparsam und geizig. Die Regierung von Mauritius wenigstens scheint in diesem Falle, und bei ihrem gefüllten Staatsschatze ist sie viel knickeriger als unsere europäischen Staaten bei ihren drückenden Schulden. Oder ist es vielleicht nicht eine erbärmliche Knickerei, an dem Orte der Stadt, wo der belebteste Verkehr herrscht, eine so schmale Brücke zu bauen.

Zwei andere Brücken aus gehauenen Steinen, stürzten während meines Hierseins gänzlich ein, als sie kaum beendet waren, glücklicherweise ohne jemanden zu beschädigen. Jeder Gouverneur ist nur auf das Füllen der Staatskassen bedacht; sein größter Stolz besteht darin, sagen zu können, daß sich unter seiner Regierung der Staatsschatz um so viel tausend und tausend Pfund vermehrt habe. Dieser Ansicht zufolge fand der gegenwärtige Gouverneur den Ueberschlag, welcher ihm von den Kosten der beiden Steinbrücken überreicht wurde, viel zu hoch, befahl sie billiger zu machen, und kann sie nun ein zweites Mal bauen.

Die Stadt besitzt auch einen Spaziergang, Champ de Mars, der aber wenig besucht wird, und ein Theater, in welchem eine französische Truppe spielt.

Die reichen Leute leben meistens in ihren Landhäusern und kommen nur des Tages über nach der Stadt.

Die Lebensweise der Europäer und Kreolen (unter letzteren versteht man die von weißen Eltern auf der Insel Geborenen) ist ungefähr dieselbe wie in Britisch- oder Holländisch-Indien. Mit Sonnen-Aufgang erquickt man sich an einer Tasse Milchkaffee, welche in das Schlafzimmer gebracht wird, zwischen 9 und 10 Uhr ruft die Glocke zum Frühstücke, das aus Reis und Curey und einigen warmen Gerichten besteht, und um 1 oder 2 Uhr genießt man Früchte oder Brod und Käse. Das Hauptmahl findet Abends statt, und zwar gewöhnlich erst nach 7 Uhr.

Das Leben ist sehr theuer. Häusermiethe, feinere Lebensmittel, Dienerschaft u. s. w. haben unglaublich hohe Preise. Der einfachste anständige Haushalt einer Familie mit drei bis vier Kindern kostet monatlich 250 bis 300 Thaler (1 Thaler gleich 2 fl. C. M.). Die Dienerschaft, zwar ungleich geringer als in Indien, ist bei weitem zahlreicher als in Europa. Familien, die wenig Aufwand machen, haben z. B. einen Diener, einen Koch, einen Mann, der das Wasser trägt und das Geschirr reinigt, einen anderen, der die Wäsche wäscht und ein Paar Jungen von 12 bis 14 Jahren. Die Frau hat außerdem eine Dienerin für sich und eine oder mehrere für die Kinder, je nach deren Anzahl. Wer Pferde hält, braucht noch einen Kutscher für jedes Paar Pferde. Der monatliche Lohn der Diener ist ungefähr folgender: für einen gewöhnlichen Koch 10 bis 12 Thaler, für einen Diener oder eine Magd 8 bis 10 Thaler, für einen Kutscher 15 bis 30 Thaler. Ein ganz gewöhnlicher Knecht erhält wenigstens 6 Thaler, die Jungen jeder 2 Thaler nebst Kleidung. Man gibt ihnen Wohnung, aber keine Kost. In Britisch-Indien bezahlt man den Dienern nicht so viel Rupien als hier Thaler. Die Kost kommt den Leuten monatlich höchstens auf 1¼ Thaler zu stehen; sie leben von Reis mit rothem Pfeffer, etwas Gemüse oder einigen Fischen, und alle diese Gegenstände sind beinahe für nichts zu haben. Man ist hier schlechter bedient, als in allen Ländern, die ich kenne, Amboina auf den Molukken vielleicht ausgenommen. Ueberall muß man seine Diener mitnehmen, denn geht man z. B. zu jemanden auf das Land, ohne Bedienung bei sich zu haben, so ist man der Gefahr ausgesetzt, Abends das Bett nicht gemacht, die Wasserkanne leer zu finden u. s. w. Die armen Hausfrauen haben hier wirklich die größte Noth, wenn sie ihr Haus nur einigermaßen in Ordnung halten wollen. In Indien sind sie ungleich besser gestellt; da führt der erste Diener unter dem hochtrabenden Namen »Major domus« die oberste Leitung. Das ganze Haus- und Tischgeräthe, die Wäsche, das Silberzeug, alles wird ihm übergeben; er steht dafür gut, er überwacht die Dienerschaft, rechnet mit den Leuten ab, verabschiedet die einen, nimmt die anderen auf. Ist man mit irgend etwas unzufrieden, so wendet man sich an den Major domus. Hier aber muß die Hausfrau dieses beschwerliche Amt selbst übernehmen, und da sich die Kreolinnen gerade nicht sehr durch Thätigkeit und Sorgfalt auszeichnen, so ist es nicht zu wundern, wenn es im Inneren mancher Haushaltung nicht zum besten aussieht. Ich würde keinem Besucher rathen, vorwitzig zu sein und seinen Fuß in ein anderes als das Empfangszimmer zu setzen.

Geselligkeit herrscht wenig auf Mauritius, es gibt nicht einmal einen Clubb; die Hauptursache mag die sein, daß die Gesellschaft beinahe zu gleichen Theilen aus Franzosen und Engländern besteht – zwei Nationen von zu verschiedenem Charakter, zu verschiedenartiger Denkungsweise!

Außer diesem Hauptgrunde gibt es aber noch einige andere, z. B. die späte Eßstunde und die großen Entfernungen. Wie ich bereits bemerkt habe, wird in den meisten Häusern um 7 oder 8 Uhr zu Mittag gegessen, wodurch der ganze Abend verloren geht. In anderen heißen Ländern, wo ebenfalls die Sitte herrscht, außer der Stadt in Landhäusern zu wohnen, kommen die Herren gewöhnlich um 5 Uhr von ihren Geschäften heim, essen um 6 Uhr zu Mittag und um 7 Uhr ist man bereit, Besuche oder Freunde zu empfangen.

Hier aber macht man die Besuche vor Tische – nach dem Essen ist es natürlich zu spät – und will jemand mehrere Personen für den Abend vereinigen, so muß er sie feierlichst zu einem Diner einladen. Diese Diners werden mit der größten Etiquette abgehalten. Jedermann erscheint in vollem Staate, die Beamten gewöhnlich in Uniform, als handelte es sich um eine Einladung bei Hofe. Man sitzt an der Tafel oft zwischen Leuten, deren Namen man nicht einmal kennt, und nachdem man sich da stundenlang gelangweilt hat, geht man gewöhnlich erst nach 9 Uhr in die Empfangszimmer, um sich da auch noch einige Zeit zu langweilen. Musik wird höchst selten gemacht, Spielkarten liegen zwar überall auf den Tischen, aber spielen sah ich nie. Jeder Gast erwartet mit Begierde die Stunde, wo er sich schicklicher Weise verabschieden kann, dankt Gott, daß der Abend vorüber ist und – nimmt dennoch die nächste Einladung mit der größten Freude an.

Dergleichen Diners finden aber nicht sehr häufig statt, denn so gerne die Leute bereit sind, der guten Gesellschaft und der wohlbesetzten Tafel zu Liebe heldenmüthig die Langweile zu ertragen, so hat andererseits der großmüthige Gastgeber zu bedenken, daß ihn jedes Couvert ohne Wein wenigstens 6 bis 8 Thaler kostet. Nicht viel geringere Auslagen mag ihm der Durst seiner lieben Gäste verursachen, denn sowohl Franzosen wie Engländer wissen guten Rebensaft zu schätzen, und Mauritius müßte keine englische Besitzung sein, daß nicht die feinsten Weine Europa's ihren Weg dahin gefunden hätten.

Dem glücklichen Gast, wenn er so unglücklich ist, keine Pferde, keinen Wagen zu besitzen, kommt ein solches Diner ebenfalls ziemlich hoch zu stehen, da er gewöhnlich 4 bis 6 oder noch mehr englische Meilen zu machen hat und die Miethe einer Kutsche wenigstens 5 Thaler kostet.

Auf dem Lande herrscht größere Gastfreundschaft als in der Stadt; aber auch nicht überall. Ich bekam sehr viele Einladungen, unter anderen eine von dem Gouverneur, Herrn Higginson, der zu »Reduit«, sieben englische Meilen von der Stadt, ein Landhaus besitzt. Die meisten der Einladungen, besonders jene, wo ich mehr Etiquette als herzliche Freundlichkeit vermuthete, wies ich zurück. Ich bin nie eine Freundin ceremonieller Besuche und steifer Gesellschaften gewesen; in einem kleinen Kreise von guten, gebildeten Menschen weilte ich dagegen stets sehr gerne. In dieser Beziehung wurde ich denn auch in einigen Häusern befriedigt, vor allen bei den englischen Familien Kerr und Robinson, welche beide gleichfalls in dem Bezirke Mocca wohnten.

Herr Kerr hatte lange in Oesterreich gelebt und sich nebst der Sprache auch ganz die Gemüthlichkeit meiner lieben Landsleute angeeignet; seine Frau besaß gleichfalls durchaus nichts von der bekannten englischen Steifheit. Mit allen meinen kleinen Anliegen, wenn ich was immer benöthigte, kam ich zu dieser freundlichen Familie. Ich war bei ihnen wirklich wie zu Hause. – In der Familie Robinson, die auch aus gar guten, liebenswürdigen Leuten bestand, hörte ich die beste Musik; die drei erwachsenen Töchter spielten ganz meisterhaft Klavier.

Der Bezirk von Mocca zeichnet sich vor den übrigen Bezirken der Insel durch sein angenehmes Klima aus, besonders 5 oder 6 englische Meilen von der Stadt entfernt, wo sich das Land bereits an 1000 Fuß über die Meeresfläche erhebt.

Die Gegend ist sehr romantisch, die vulkanische Gebirgsart zeigt sich in den bizarrsten Formen; die Vegetation ist üppig. Eine Eigenthümlichkeit, welche ich in anderen Distrikten weniger bemerkte, sind tiefe, breite Spalten, die weithin sich erstreckende Schluchten bilden. Ich besichtigte mehrere, unter anderen eine auf einer kleinen Hochebene ganz in der Nähe des Herrn Kerr gehörigen Landhauses. Sie mochte 80 bis 200 Fuß tief und unten ungefähr 40 Fuß breit sein; oben war ihre Breite viel bedeutender. Die Wände waren reich geschmückt mit stattlichen Bäumen, mit zierlichen Gebüschen und Schlingpflanzen, und in der Tiefe rauschte ein krystallheller Fluß, einige artige Wasserfälle bildend.

Eine der schönsten Aussichten, vielleicht auf der ganzen Insel genießt man von »Bagatelle«, dem Landsitze Herrn Robinson's. Auf der einen Seite ruht der Blick auf pittoresken Gebirgen, während er auf der anderen Seite über die üppig prangenden Felder, die sich in der Ebene ausbreiten, in die endlose See hinausgleitet. Bei klarer Atmosphäre soll man die Insel Bourbon erblicken.

Von allen Landsitzen, die ich auf Mauritius sah, schienen mir jene der Herren Robinson und Barday die schönsten. Die Wohnhäuser sind von geschmackvoll angelegten Parks und Gärten umgeben, in welchen tropische Blumen, Gesträuche und Bäume (besonders schöne Palmen) sich mit der europäischen Pflanzenwelt verschwistern. Bei Herrn Robinson aß ich so gute Pfirsiche wie in Deutschland oder Frankreich.

Auch die Häuser dieser beiden Herren zeichnen sich sehr vortheilhaft vor den übrigen auf der Insel aus. Die Zimmer sind hoch und geräumig, die Einrichtungen sehr bequem, und überall herrscht Ordnung und Reinlichkeit.

Diese Lobsprüche kann man leider den Landhäusern der Kreolen nicht ertheilen. Von letzteren hielt ich, aufrichtig gesagt, die meisten für Hütten armer Bauersleute. Sie sind zum größten Theile von Holz, sehr klein und niedrig gebaut, halb versteckt im Gebüsche – man sollte wahrhaftig nicht glauben, daß in einer solchen Barake mitunter sehr reiche Leute leben.

Die innere Einrichtung entspricht ganz dem äußeren Aussehen. Das Empfangszimmer und allenfalls das Speisezimmer gehen noch an; die Schlafstuben sind aber so klein, daß ein oder zwei Betten und einige Stühle sie vollkommen ausfüllen. Und dieß in einem Lande wie Mauritius, in welchem die Hitze drückend ist, man also mehr als irgendwo hoher geräumiger Gemächer bedarf. Um das Maß der Annehmlichkeiten ganz voll zu machen, haben die Leute häufig noch den drolligen Einfall, die Häuser zum Theile mit Weißblech zu decken. Ist man so unglücklich, ein solches Dachzimmer zur Wohnung angewiesen zu erhalten, so kann man sich ungefähr einen Begriff von den Leiden machen, welche die unglücklichen Gefangenen in den sogenannten »Bleikammern« in Venedig ausgestanden haben. Ich sah jedesmal, wenn mich mein böses Schicksal in ein ähnliches Haus führte, mit wahrer Angst der Nacht entgegen, die ich meistens ohne Schlaf, in Schweiß gebadet und aus Mangel an Luft fast erstickend verbrachte. In Ceylon deckt man den Dachstuhl auch zuweilen mit Blei oder Blech, aber die Häuser sind da ungleich höher und dann ist das Blech nicht den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, sondern stets mit Holz oder Stroh überdeckt.

Viele der Häuser fand ich in so verfallenem Zustände, dem Einsturze so nahe, daß ich den Muth der Leute nicht genug bewundern konnte, die es wagten, sie zu bewohnen; ich meines Theils schäme mich nicht zu gestehen, daß ich bei jedem Windstoße fürchtete, das Haus wurde zusammenstürzen, um so mehr, als auf Mauritius die Windstöße außerordentlich heftig sind und zeitweise auch Orkane wüthen. Mit eben diesen Windstößen und Orkanen wollen die guten Kreolen die niedere Bauart ihrer Baraken entschuldigen; sie behaupten, daß große hohe Gebäude dem Sturm nicht widerstehen können. Wenn sie so schlecht gebaut sind, wie ihre Hütten, freilich nicht; aber die Landhäuser der Herren Barday und Robinson haben, obwohl sie hoch und groß und schon seit Jahren gebaut sind, den Windstößen und Orkanen doch vollkommen widerstanden. Ich habe oben bemerkt, daß auf dem Lande größere Gastfreundschaft herrsche als in der Stadt; aber auch nicht überall. Ich kann aus eigener Erfahrung davon sprechen. So heimisch ich mich in gewissen Häusern fühlte, wie bei den Herren Kerr, Robinson, Lambert und anderen, so oft geschah es auch, daß ich, der anscheinenden Freundlichkeit der Kreolen trauend, Einladungen annahm, deren Folgen mich meine wieder erlangte Freiheit mit wahrer Herzensfreude begrüßen ließen.

Hochgestellte, einflußreiche Personen mögen natürlich überall zuvorkommend aufgenommen werden; für Fremde aber oder für gewöhnliche Gäste, von welchen man nichts zu hoffen hat, wird im allgemeinen ziemlich schlecht gesorgt. An Essen und Trinken fehlt es nicht, aber wohl an allem anderen. Die Wohnung weist man ihnen in dem Pavillon an – einer kleinen Hütte, die oft hundert und mehr Schritte von dem Hauptgebäude entfernt liegt, so daß sie das Vergnügen haben, zu jeder Mahlzeit einen Spaziergang im Regen oder im heißen Sonnenscheine zu machen. Und ist schon das Hauptgebäude unbequem und verfallen, so kann man sich denken wie es mit dem Pavillon aussieht.

Dieser besteht gewöhnlich aus zwei bis drei Zimmerchen, in welchen weder Thüren noch Fenster schließen, wo durch die gebrochenen Fensterscheiben der Regen schlägt, und wo an der Eingangsthüre das Schloß so verrostet ist, daß man sie verrammeln muß, damit nicht jeder Windstoß sie aufreißt. Jedes der kleinen Gemächer ist mit einem Bette, einem schlechten Tische und ein oder zwei Stühlen versehen. Von einem Schranke fand ich nirgends eine Spur. Meine Kleidungsstücke, meine Wäsche mußten stets eingepackt bleiben und für jede Kleinigkeit, die ich benöthigte, hatte ich die Mühe mich zur Erde zu beugen und den Koffer auf- und zuzuschließen.

Doch diese materiellen Unbequemlichkeiten hätten wenig zu sagen, fände man in der Zuvorkommenheit der Wirthe, in deren freundlichem Benehmen eine Entschädigung. Aber leider ist dieß nur selten der Fall. In den meisten Häusern ist der Gast den ganzen Tag über sich selbst überlassen. Niemand bemüht sich um ihn, niemand sucht ihm irgend eine Zerstreuung zu verschaffen. Gewöhnlich gibt es in jedem Hause 5 bis 6 Pferde; diese aber gehören alle für den Herrn vom Hause oder allenfalls für seine Söhne. Dem Gaste werden sie nie angeboten. Hat ja selbst die Frau des Hauses selten das Vergnügen, sagen zu können: »Heute will ich ausfahren.«

Sogar die in einem heißen Lande wie Mauritius so nothwendige Erfrischung eines kalten Bades mußte ich mir meistens versagen – ausgenommen, wenn es regnete. Da hatte ich sie unfreiwillig in meinem Zimmer; denn gewöhnlich war der Dachstuhl so schadhaft, daß das Wasser auf allen Seiten durchsickerte.


 << zurück weiter >>