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I

Den meisten Leuten, die den Neckar kennen, ist sein Ende der Anfang. Vielen beginnt der Neckar in Heidelberg, er reicht für sie nicht weiter als bis Hirschhorn durch die Gasse der Odenwaldhöhen mit ihren Biegungen, die unterhalten und überraschen. Gewiß, das ist ein Flurstück wie es wenige Städte der Welt in ihrer Nähe haben. Ein Maitag in Heidelberg, grün wie Laub, wie frische Baumblätter! Alle Straßen dieser wohligen Stadt scheinen den Fluß zu begleiten oder kurz zu ihm hinzuführen, man glaubt nicht, wieviel Sang und Klang an einem hellen Sonntagmorgen hier emporsteigt, ein einziges hymnisches Toben! Der Fluß glänzt in der Sonne, die kleinen weißen Dampfer fahren, die Ruderboote treiben, auf der alten Brücke gehen Leute zum Wald hinüber, viele spazieren schon auf den Waldwegen der Höhe. Auf den Straßen, den Fluß entlang, sind Menschengruppen, Autos, Motorräder. Die rötlichen Villen leuchten an den Abhängen; ein wenig weiter von der Stadt, und alles wird naturhaft. Der Umriß der Berghöhe ist wie ein Raupenhelm. Durch den hellen Laubwald ziehen sich die schmalen dunklen Richtlinien der Tannen den Berg hinunter, und die Sandsteinbrüche sind rot wie das hinter einer Biegung verschwundene Schloß. Das ist das Tal, wie es die Jagdbilder aus dem Kurfürstenschloß in Mannheim und die Bilder der Romantiker zeigen, da ist das stille Stift Neuburg, klösterlicher wieder hergerichtet als seit Jahrhunderten, und der Schnurpfad durch die Wiesen folgt dem Wasser auf gleicher Höhe. Schwimmer sind im Fluß, Kanus wandern stromaufwärts und schlagen das Wasser mit gleichmäßig drehenden, blitzenden Ruderschlägen. Von der Höhe des Felsberges gesehen, aus dem Rotznasenhäusle, das sein spitziges Dach aus den Wipfeln hervorsteckt, liegt unten Neckargemünd, übereck wie ein Rhombus, ein wenig ausgehöhlt von seinem Straßenzug und dem Marktplatz, man sieht die kleinen Figuren der Fußgänger, Kähne liegen auf dem kiesigen Delta des Nebentales, aus dem die Elsenz hervorbricht. Die Gasse mit den ältesten Häusern, der Amerikanerweg, schiebt sich ein wenig in das Seitental hinein. Auf weißen Giebeln, auf zierlichen Baugerüsten neben dichten Kastanienwipfeln leuchtet die gelbrotgelbe Fahne, klein und flammenhaft. Und über der Stadt erhebt sich, der steile, breite, grasbedeckte Rücken mit Tannenrändern und waldiger Kuppe und weiter Fernsicht über die hellen Höhen des Kraichgaues im helleren Mittagshimmel. Alle Kraft der Landschaft ist im Vordergrunde mit den schön beleuchteten schwarzroten Steinbrüchen und dem weitausholenden Schwung der Berge. Quer über der glänzenden Wasserlinie, die alle Falten an sich zieht, steht der kahle zeltähnliche Berg mit der Mauerkrone von Dilsberg auf der Spitze, vergessenes Städtchen, zu dessen Füßen am Werktag nur das Hämmern der kleinen Bootswerft den Hohlraum des Tales mit Echo füllt.

Bild: Joachim Lutz

Hirschhorn

So geht es weiter am gelenkigen, heiteren Flusse, den die Bahn auf ihren Dämmen berührt und mit ihren Gitterbrücken beschattet. Tunnels durchbohren die Felsenrücken mit der weitläufigen Burg von Hirschhorn, mit den schweren Rundtürmen von Zwingenberg, mit den luftigen Landhäusern von Eberbach. Man findet auch vom Zuge aus immer wieder den Fluß und bei Neckargerach dann den tiefen Einblick ins umgebogene schöne Tal. In der schmalen Ebene von Neckarelz mündet zwischen Wald und Weinbergen die mit Apfelbäumen besetzte Chaussee von Mosbach, gegenüber das römische Obrigheim und über den umbüschten, unzugänglichen Felsenhöhlen des Ufers die alte Kirche von Hochhausen mit dem Grabstein der sagenhaften Einsiedlerin Notburga. Von Neckarzimmern mit seinen verträumten Herrenhäusern führt die Eisenbrücke schräg nach Haßmersheim hinüber. Das Dorf hat einen flachen breiten Strand. Hinter der Fähre in den offenen bäuerlichen Gassen wohnen die Rheinschiffer, die von Holland und Basel zu erzählen wissen. Hoch über diesem mehr geglätteten und geöffneten Tal ragt der Hornberg. Die Rampe des Fahrwegs durchschneidet die Terrassen der Weinberge. Über dem geräumigen Burghof neben dem mit wilden Reben bewachsenen Rundturm, welch ein Blick in das Tal mit seinen grünen Rändern. Hier oben lebte der alte Raufbold Götz von Berlichingen seine letzten Jahre. Das Tal zu seinen Füßen war so lieblich wie jetzt. Das satte Goldgrün der Wiesen drüben, das Laubgrün der Anhöhe der finstere ins Blaue spielende Hochwald, den das starke Licht der Sonne durchbricht, das alles gibt der einfachen Landschaft eine milde, innige Kraft. Der Spiegel des Flusses, von der Sonne getroffen, wirft einen blendenden Glanz, feingerippt blinkt das ziehende Wasser, es geht in klare Schwärze über, es fließt im gleichmäßig geschnittenen Flußbett wie ein Luftstrom, durch eine Röhre hindurchgeblasen; das schmale Kettenschiff da unten geht seinen Weg wie ein Projektil, das man durch die Zeitlupe sieht.

Unten vor dem kleinen, aus rotem Stein erbauten Bahnhof stehen Gruppen von Ausflüglern. Kinder mit ihren Müttern steigen aus dem Zug, sie tragen das mit buntem Glanzpapier umwickelte Stöckchen mit dem Ei oder der Bretzel vom Sommerfest. Schwarzgekleidete Burschen stehen in der Abendsonne unter den Bäumen, junge Arbeiter, die wochentags zur Anilin nach Ludwigshafen fahren, vielleicht sind sie aus der weißgrauen Fabrik hier im Tal mit den allzu hohen Schornsteinen. Mädchen sitzen auf der Steinbank, sie tragen Rucksäcke und ausgeschnittene hellblaue Blusen mit weißen Kragen und Röcke aus gewürfeltem Stoff, sie sind blond und braun, mit roten, sonnverbrannten Gesichtern und nackten Armen, ein Jugendverein aus Heilbronn vielleicht auf der Fahrt durch den Sonntag.

Bild: Joachim Lutz

Burg Hornberg

Dieser Neckar hier kommt aus dem geräumigen Wimpfener Tal. Die Wiesen dort sind breiter, von bräunlichen Nußbaumreihen durchzogen, am Fluß stehen in lockerer Versammlung die uferschützenden Weiden, die Begleiterinnen des Weinbaues. Rebenbesetzte Hänge, das Kloster Himmelreich auf der Höhe; vor dem Abhang auf wuchtiger Felsenstufe das mit neuen Terrassen und Anbauten ausgestattete Schloß Hornegg, ein wenig tiefer das Städtchen Gundelsheim, in seine unversehrten Mauern eingeschnürt.

Jenseits liegt das Dorf Heinsheim mit dem viereckigen grauen Turm der Ruine Ehrenberg darüber. Die Landstraße dort läuft hinauf nach Wimpfen auf dem Berg, hinab in das von Baumkronen beschattete, von der Stiftskirche überragte Wimpfen im Tal, quer über den Fluß in das mit roten Ziegeln gedeckte Jagstfeld. Da beginnt ein Flachland, fast ein Stück Holland mit Deichen und Poldern, mit Schleusen und Stauwehr, Neckarsulm mit dem NSU auf den Stirnen der Glasdächer und den Arbeiterwohnungen, den kleinstädtischen Villen. Und schließlich kommt das lichte schöne Erlengehölz bis Heilbronn.


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