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Zu den Geschichten des vorigen Abschnittes gehörte manches, was hier in gereimter Form gebracht wird. Tiergeschichten und Erlebnisse mit Tieren lockten immer, sie in gebundener Form weiterzugeben. So finden wir sie schon als »Fliegendes Blatt« im Mittelalter. Selbstverständlich bedienten sich auch die Moralisten und andere Dichter des 18. Jahrhunderts der Tiere, um den Menschen die Wahrheit zu sagen. (Abraham a Santa Clara.) Schließlich lockte die Überzahl von Tiergedichten auch zu lustigen Parodien, von denen hier wenigstens ein Probe gegeben sei. Daß fast alle großen Dichter ihre Freude an den Tieren fanden und sie auch festlegten (Goethe – Flohgedicht), beweisen auch die schelmischen Gedichte von Möricke und Storm, denen Hoffmann von Fallersleben mit seinen derben Gedichten von dem Streit der Katzen und Hunde eine fröhliche Ergänzung gibt.
*
Die gefährliche Schnecke.
Es sind einmal drei Schneider gewesen,
Sie hab'n einen Schnecken für ein' Bären angesehen.
Sie waren dessen so voller Sorgen,
Sie haben sich hinter ein' Zaun verborgen.
Der erste sprach: »Geh' du voran«, Der andre sprach: »Ich trau' mich nicht 'ran.«
Der dritte, der war wohl auch dabei,
Er sprach: »Der frißt uns alle drei.«
Und als sie sind zusammen kommen,
So haben sie das Gewehr genommen.
Und da sie kommen zu dem Streit,
Da machte ein jeder Reu' und Leid.
Und da sie auf ihn wollten hin,
Da ging es ihnen durch den Sinn:
Heraus mit dir, du Teufelsviech,
Wann du willst haben einen Stich!
Der Schneck, der kroch zum Haus heraus,
Die Schneider zittern, es ist ein Graus.
Und da der Schneck das Haus bewegt,
So haben die Schneider das Gewehr abgelegt.
Dar Schneck, der kroch zum Haus heraus,
Er jagt die Schneider beim Plunder hinaus.
*
Die Fischpredigt des heiligen Antonius von Padua.
Von Abraham a Santa Clara.
Antonius zur Predig
Die Kirche find't ledig,
Er geht zu den Flüssen
Und predigt den Fischen:
Sie schlagen mit den Schwänzen,
Im Sonnenschein glänzen.
Die Karpfen mit Rogen
Sind all' hierher 'zogen,
Hab'n de Mäuler auf'rissen,
Sich Zuhörens beflissen:
Kein' Predig niemalen
Den Karpfen so gefallen.
Spitzgoschete Hechte,
Die immerzu fechten,
Sind eilends her'schwommen,
Zu hören den Frommen:
Kein' Predig niemalen
Den Hechten so gefallen.
Auch jene Phantasten,
So immer beim Fasten,
Die Stockfisch' ich meine,
Zur Predig erscheinen:
Kein' Predig niemalen
Dem Stockfisch so gefallen.
Feine Aale und Hausen,
Die immer fett schmausen,
Sich selber bequemen,
Die Predig vernehmen:
Kein' Predig niemalen
Den Aalen so gefallen.
Auch Krebse, Schildkroten,
Sonst langsame Boten,
Steigen eilend vom Grund,
Zu hören diesen Mund:
Kein' Predig niemalen
Den Krebsen so gefallen.
Fisch' große, Fisch' kleine,
Vornehme, Gemeine,
Erheben die Köpfe
Wie verständ'ge Geschöpfe:
Auf Gottes Begehren
Antonium zu hören.
Die Predig geendet,
Ein jeder sich wendet,
Die Hechte bleiben Diebe,
Die Aale viel lieben.
Die Predig hat g'fallen,
Sie bleiben wie alle.
Die Krebs' gehn zurücke,
Die Stockfisch bleiben dicke,
Die Karpfen viel fressen,
Die Predig vergessen.
Die Predig hat g'fallen,
Sie bleiben wie alle.
*
Die Katzen und der Hausherr.
Tier' und Menschen schliefen feste,
Selbst der Hausprophete schwieg,
Als ein Schwarm geschwänzter Gäste
Von den nächsten Dächern stieg.
In dem Vorsaal eines Reichen
Stimmten sie ihr Liedchen an,
So ein Lied, das Stein' erweichen,
Menschen rasend machen kann.
Hinz, des Murners Schwiegervater,
Schlug den Takt erbärmlich schön,
Und zwei abgelebte Kater
Quälten sich, ihm beizustehn.
Endlich tanzen alle Katzen,
Poltern, lärmen, daß es kracht,
Zischen, heulen, sprudeln, kratzen,
Bis der Herr im Haus erwacht.
Dieser springt mit einem Prügel
In dem finstern Saal herum,
Schlägt um sich, zerstößt den Spiegel,
Wirft ein Dutzend Tassen um;
Stolpert über ein'ge Späne,
Stürzt im Fallen auf die Uhr
Und zerbricht zwei Reihen Zähne. –
»Blinder Eifer schadet nur!«
Aus M. G. Lichtwers Fabeln.
*
Allerlei Getier.
Der Krebs ist ein besondres Tier,
Strebt immer rückwärts mit Begier
Grad' wie gewisse Leute!
Acht Beine gab ihm die Natur,
Von Fortschritt zeigt er keine Spur:
Im Leben wird er niemals rot,
Bekommt erst Farbe, wenn er tot,
Grad' wie gewisse Leute!
Der Aal ist auch so ein Patron,
Der zeigt die schwarze Hülle schon
Grad' wie gewisse Leute!
Wenn man schon meint, daß man ihn hat,
So schlüpft er durch die Finger glatt,
Er schlängelt sich durch jeden Raum,
Und umzubringen ist er kaum,
Grad' wie gewisse Leute!
Die Auster schließet zu ihr Haus,
Läßt niemand ein, kommt nie heraus,
Grad' wie gewisse Leute!
Sie stillet ihren Appetit
An Orten, wo es niemand sieht,
Und öffnet sie von selbst das Maul,
So ist sie auch ganz sicher faul,
Grad' wie gewisse Leute!
Der Fuchs ist auch ein schlaues Tier,
Tut fromm bei aller Diebesgier,
Grad' wie gewisse Leute!
Wenn er die Beute hat verschmaust
Und gleich nachher noch ärger haust,
Schleicht er mit frommer Mien' umher,
Als ob nichts vorgefallen wär',
Grad' wie gewisse Leute!
Ein störrisch Biest ist
das Kamel,
Hat seines Eigensinns kein Hehl,
Grad' wie gewisse Leute!
Es tappst plump in die Welt hinein,
Das Maul ist groß, das Herz ist klein,
Und wenn auch schwach bestellt das Hirn,
Zeigt es doch eine dreiste Stirn,
Grad' wie gewisse Leute!
Ein gar dickfällig dummes Oos
Und faul ist
das Rhinozeros,
Grad' wie gewisse Leute!
Es ist trotzdem ein großes Tier,
Wird respektiert weit im Revier,
Ist stolz darauf, man sieht's ihm an,
Daß niemand ihm zu Leibe kann,
Grad' wie gewisse Leute!
*
Der Esel.
Hab' nichts, mich dran zu freuen,
Bin dumm und ungestalt,
Ohn' Mut und ohn' Gewalt;
Mein' spotten und mich scheuen
Die Menschen, jung und alt;
Bin weder warm noch kalt;
Hab' nichts, mich dran zu freuen,
Bin dumm und ungestalt;
Muß Stroh und Distel käuen,
Werd' unter Säcken alt –
Ach, die Natur schuf mich im Grimme!
Sie gab mir nichts, als eine schöne Stimme.
Matthias Claudius.
*
Ode an das Schwein.
Der Wiener Jesuitenpater und Dichter Aloys Blumauer besang einmal das Schwein in folgenden anmutigen Versen:
Heil dir, geborstetes, ewig geworstetes,
Dutzend-geborenes, niemals geschorenes
Liebliches Schwein!
Krummhakenbaumelnd, Mistpfützentaumelnd,
Grunzen erzeugend, Ferkelchen säugend
Bist du, o Schwein!
Dichter begeistert du, Eicheln bemeisterst du,
Unflat verzehrest du, Christen ernährest du,
Gütiges Schwein!
Heil dir drum, ewiges, immerfort schäbiges,
Niemals gereinigtes, vierfach gebeinigtes,
Liebliches Schwein!
Heil, Heil! und dreifach Heil!
Dem Schwein und seinem Hinterteil!
*
Eine traurige Geschichte.
Ein Hering liebt' eine Auster
Im kühlen Meeresgrund;
Es war sein Dichten und Trachten,
Ein Kuß von ihrem Mund.
Die Auster, die war spröde,
Sie blieb in ihrem Haus;
Ob der Hering sang und seufzte,
Sie schaute nicht heraus.
Nur eines Tages erschloß sie
Ihr duftig Schalenpaar;
Sie wollt' im Meeresspiegel
Beschauen ihr Antlitz klar.
Schnell kam der Hering geschwommen
Streckt seinen Kopf herein,
Und dacht' an einem Kusse
In Ehren sich zu freun.
O Harung, armer Harung,
wie schwer bist du blamiert!
– Sie schloß, in Wut ihre Schalen,
Da war er guillotiniert.
Jetzt schwamm sein toter Leichnam
wehmütig im grünen Meer,
Und dacht': »In meinem Leben
Lieb' ich keine Auster mehr!«
Joseph Victor v. Scheffel (1826–1886).
*
Huhn und Hecht.
Zu Passau saß am Morgen der alte Probst allein,
Da trat zu ihm ein Diener geheimnisvoll herein:
»Verzeiht, daß ich Euch, störe so früh am Tage schon,
Doch heischt die Pflicht, zu klagen, spricht man der Satzung Hohn.
Der Negerknabe, welchen in Japan Ihr gekauft,
Und den zu seinem Heile Ihr kürzlich hier getauft,
Der aß zum Morgenimbiß heut ein gebraten Huhn,
Obwohl's an einem Freitag verboten ist zu tun.«
»Ruft mir den Frevler, daß ich ihn strafe nach Gebühr!«
Und bald schritt auch der Neger herein zur Zimmertür.
Da spricht der Probst mit Zürnen: »Bekenn' es offen nun:
Wie konntest du genießen am heut'gen Tag das Huhn?«
Doch dieser: »Wahrlich nimmer hätt' ich mich des erfrecht,
Auch war mein Morgenimbiß kein Huhn, es war ein Hecht!«
Der Diener drauf: »Ha, Frecher, der uns zu täuschen denkt,
Es war das Huhn, das gestern Hochwürden Euch geschenkt.«
»Es war das Huhn von gestern? – Nun ja, da habt Ihr recht;
Doch als ich's aß, da war es kein Huhn, da war's ein Hecht.«
»Wie soll ich das verstehen?« der Probst verwundert spricht,
»In einen Hecht verwandeln kann doch ein Huhn sich nicht?«
»Und dennoch ist's nicht anders,« nimmt jener drauf das Wort,
»Und sprech' ich eine Lüge, so jagt sogleich mich fort;
war ich doch selbst vor kurzem ein Heide, blind und taub,
Und ohne Eure Milde der Finsternis zum Raub.
Da gosset Ihr mir Wasser aufs Haupt mit eigner Hand
Und spracht: von jetzt ab, Ali, bist Ambros du genannt;
Und wie Ihr mir, dem Heiden, getan nach Christenbrauch,
Ei seht, so tat ich eben an jenem Huhne auch.
Bevor ich's aß, begoß ich's, und glaub' mit gutem Recht,
Und sprach darauf zum Huhne: ›Jetzt, Huhn, bist du ein Hecht!‹
Und so als Hecht genoß ich! das frühere Huhn sodann;
Darum verzeiht mir, wenn ich Euch nicht nach Wunsch getan.«
Wohl zieht sich da zum Lächeln des Probstes Angesicht:
»Für diesmal noch entrinnen magst du dem Strafgericht;
Doch laß in künftgen Fällen das Taufen mir allein,
Sonst dürft' nicht sehr willkommen dafür mein Dank dir sein.«
Johann Nepomuk Vogl.
*
»Kommt a Vogerl geflogen.«.
(Wie verschiedene Dichter dieses Volkslied gedichtet hätten.)
Friedrich Schiller:
Durch des Weltalls Riesenatmosphäre,
Nach dem Urgesetz der Schwere,
Schwirrt auf Zephirs Zwillingsflügeln
Zu des Diesseits goldbesonnten Hügeln,
Übers schaumgekrönte Donnermeer
Ein ambrosisch Vöglein her.
Gleich dem Hypograph der Fabel
Hält's die Zauberschrift im Schnabel,
Die 's mir zitternd übergibt.
Ha, was seh ich? Bei der Schaumgebornen,
Ha, von Laura, meiner Gotterkornen,
Ein poetisch Manuskript!
Ludwig Uhland:
Es flog von früh bis abend ein Vöglein hin und her,
Weit flog es über die Lande, bis an das blaue Meer.
Bis wo im hohen Schlosse das Saitenspiel erbraust,
Und wo der stolze König mit stolzen Mannen haust.
Dort bringt's der Königstochter gar holden Minnegruß
Und setzt sich, träumespinnend, dem Mädchen auf den Fuß.
Sie aber, hold zerflossen von sel'ger Minnelust,
Sie steckt ihm in den Schnabel die Rose von ihrer Brust.
Ferdinand Freiligrath:
Was durchsaust wie Ungewitter fern den Kral der Hottentotten,
Daß die braunen Wüstensöhne bebend sich zusammenrotten?
Ha, ich fühl es, beim Propheten! Ja, beim Dattelschnaps! ich ahne,
Von beschwingten Vögeln ist es eine Geisterkarawane.
Und der erste, dessen Büschel hinten so verwirrt und kraus ist,
Der nach meinem Vogelhandbuch offenbar ein Strauß ist,
Ha, der bringt von meiner Fatme Briefe mir, der wackre Zieher.
Auf, den muß ich jubelnd grüßen, und begrüß ihn mit Gewieher!
Victor von Scheffel:
Am öden Gestade im Feuerland hockt durstend ein deutscher Student,
Da fliegt was heran, was der Bursche sofort als
Larus marinus erkennt.
Am öden Gestade im Feuerland brüllt's weit in die Lüfte hinaus:
O Vogel, du bringst mir Kunde gewiß, vom nächsten Hofbräuhaus!
Am öden Gestade im Feuerland da schreit der Vogel: Halt an!
Hier gibt's nur rheinischen Apfelwein, den man nicht trinken kann.
Am öden Gestade im Feuerland da brummt der Bursche: Kein Bier?
Ja, lieber Vogel, dann frag' ich dich, was tut und treibt man denn hier?
Am öden Gestade im Feuerland lacht's kreischend: Wie dumm bist du,
Ich mach' Guano scheffelweis, mach' du nun ein Lied dazu!
Richard Wagner:
Ein preislich Vöglein flügelt und flattert
Vom hohen Himmelshaus herab zum Herdbord,
Der schnelle Schnabel schluckelt ein Schnitzlein
Papiernen Prunktums preisbares Prachtwerk.
Ein Gruß, ein grumlich grabbliger Goldgruß
Von kosig-keuscher, kerzschlank kräftiger,
Köstlicher Kosima.
Heinrich Heine:
Aus heiliger Wolkenhöhe
schwingt sich ein Vogel zu Tal,
Die schneeigen Schwingen leuchten
Im rosigen Abendstrahl.
Er hält ein Blatt im Schnabel,
Das die Liebste gesendet mir hat,
sieh da, nun läßt er was fallen –
Doch leider nicht das Blatt.
Verfasser der Parodien unbekannt.
*
Eine Hundegeschichte.
Ach, Männchen, unser Hund ist fort,
Der schöne Affenpinscher!
Den muß ich suchen! rief der Mann,
Und fort lief Meister Kintscher.
Er sucht? O nein, er lief
Ins Wirtshaus ohne Pause,
Und statt des Affenpinschers bracht
Er einen Spitz nach Hause.
*
Eine merkwürdige Geschichte.
Es war einmal ein Pinscherhund,
Der war so kreuzfidele,
So wie man es nur wünschen kunnt
Von einer Hundeseele.
Ein Liebchen hatt' der Pinscherhund;
Das Liebchen hieß Pamele,
So wie man es nur wünschen kunnt
von einer Hundeseele.
Pamele ward Frau Pinscherhund
Und blieb stets kreuzfidele,
So wie man es nur wünschen kunnt
von einer Hundeseele.
*
Der Haifisch.
Von K. G. Nadler.
Draus uffem große weite Meer
Do segelt e Schiff; un hinnerher,
Kaam hunnert Ehle hinnerm Steuer,
Schwimmt e g'fräßig grimmig Ungeheuer,
Drei Raihe Zähn im offene Maul, –
E Haifusch, wo en ganze Gaul,
Wie g'schweih en Mensch, un wär's der gröschte Mann,
Wie unsereens e Kuschter schlucke kann,
Fällt was vum Schiff ins Meer enein,
Glei is der Haifusch hinnedrein,
's mag sein, was 's werd nig geguckt,
Alles grimmig verbisse, viel aa nunnerg'schluckt, –
E dodter Hund, a Katsche Dreck, –er kummt halt g'schosse,
Er meent, er dürft nix schwimme losse,'
was er packe kann, des muß in Fetze,
Un wär's aa nar um die Zähn dran zu wetze,'
Er beißt aus Hunger und beißt zum bloße Zeitvertreib,
Un's Ärgscht is, mar kannem selde zu
Mar sichten nit oft, des is des Schlimme,
weil er mehrrendeels unnerm Wasser dut schwimme.
Doch wann mar, e recht Schtück, Schpeck dran wendt,
Do fängten midunner 's Schiffsvolk am End. –
Wär's nit in Raffs Nadurg'schicht zu lese,
Wollt ich noch viel verzähle vun seim Treiwe un wese –
Ihr habbt so zimmlich 's Bild, wann ihr euch denke könnt:
's Zchiff wär e Autor, un der Haifusch e Rezensent.
*
Storchenbotschaft.
Von Eduard Mörike.
Des Schäfers sein Haus und das steht auf zwei Rad,
Steht hoch auf der Heiden, so frühe wie spat'
Und wenn nur ein mancher so'n Nachtquartier hätt'!
Ein Schäfer tauscht nicht mit dem, König sein Bett.
Und käm' ihm zu Nacht auch was Seltsames vor,
Er betet sein Sprüchel und legt sich aufs Ohr;
Ein Geistlein, ein Hexlein, so lustige Wicht',
Sie Klopfen ihm wohl, doch er antwortet nicht.
Einmal doch, da ward es ihm wirklich zu bunt:
Es knopert am Laden, es winselt der Hund;
Nun zieht mein Schäfer den Riegel – ei schau!
Da stehen zwei Störche, der Mann und die Frau.
Das Pärchen, es machet ein schön Kompliment,
Es möchte gern reden, wenn es nur könnt'!
was will mir das Ziefer? – ist so was erhört?
Doch ist mir wohl fröhliche Botschaft beschert.
Ihr seid wohl dahinten zu Haufe am Rhein?
Ihr habt wohl mein Mädel gebissen ins Bein?
Nun weinet das Kind und die Mutter noch, mehr,
Sie wünschet den Herzallerliebsten sich her?
Und wünschet daneben die Taufe bestellt:
Ein Lämmlein, ein Würstlein, ein Beutelein Geld?
So sagt nur, ich käm' in zwei Tag oder drei,
Und grüßt mir mein Bübel und rührt ihm den Brei!
Doch halt! warum stellt ihr zu, Zweien euch, ein?
Es werden doch, hoff' ich, nicht Zwillinge sein? –
Da klappern die Störche im lustigsten Ton,
Sie nicken und knixen und fliegen davon.
*
Hund und Katzen.
Mauskätzchen gab ein großes Fest
Und hatte dazu geladen
Bekannt' und Verwandte von Ost und West
Und lauter Ihro Gnaden.
Miau, miau, miau.
Sie trieben vielerlei Possen und Scherz
Und füllten sich weidlich den Ranzen,
Und weil es nun eben war im März,
So wollten die Kätzerlein tanzen.
Miau, miau, miau.
Doch alle die gnädigen Kätzerlein,
Die gnädigen Kater und Katzen,
Die konnten nichts als miauen und schrein
Und schluchzen und pfuchzen und pfnatzen.
Miau, miau, miau.
Mauskätzchen schickt nach dem Pudel hin,
Der konnte das Hackebrett schlagen,
Der sollte sowas nach ihrem Sinn
Auf dem Hackebrett vortragen.
Miau, miau, miau.
Der Pudel war ein gescheiter Mann,
Eine bürgerliche Kanaille:
»Was geht mich Dero Gesellschaft an,
Ew. Gnaden Katzengebalge?«
Wau wau wau wau!
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
*
Hund und Katze.
»Du willst mich kratzen, Katze?
Mich kratzen, Katze, du?
Birg, Katze, deine Tatze,
Sonst, Katze, patsch ick zu.«
So sprach der Hund zur Katze;
Und sah sie patzig an.
Mit einer süßen Fratze
Die Katze drauf begann:
»Mau, miau, miau, miau!«
Die Katze drauf begann.
»Lieb Hündlein, mußt mir schmeicheln
Und tun recht sanft und zart,
Du mußt mich kraun und streicheln:
So will es meine Art.
Glaub mir, daß ich nicht murre,
Glaub mir es meiner Six!
Ich schmiege mich und schnurre
Und mache manchen Knicks.
Miau, miau, miau, miau!
Und mache manchen Knicks.«
Da sprach der Hund zur Katze:
»Ich geb dir keinen Schmatz,
Ich fürchte deine Tatze,
Du bist ein falscher Schatz.
Wau wau, wau wau, wau wau, wau wau!
Du bist ein falscher Schatz.«
Heinrich Hoffmann von Fallersleben.
*
Die Hund' und die Katzen stritten sich.
von H. Hoffmann von Fallersleben.
Die Hund' und die Katzen stritten sich
Und zankten sich um die Wette,,
Wer unter ihnen urkundlich
Den ältesten Adel hätte.
»Wir haben ein ururaltes Diplom
Langher von undenklichen Tagen,
Was Remus mit Romulus einst zu Rom
Gab allen Isegrimmsmagen.«
»Zeigt uns, erwidern die Katzen, wohlan!
Zeigt her die alten Briefe!
was steht denn drinn, was hangt, denn drann?
Wo sind sie, in welchem Archive?«
Man schickte den Pudel eilig nach Rom
Zum Ärger der Katzen und Kater,
Der sollte holen das alte Diplom
Herbei vom heiligen Vater.
Der Pudel kommt ganz ungeniert
Zum Papst hereingetreten;
Und hat den Pantoffel ihm apportiert
Und ihn dann höflich gebeten.
Der Pudel empfing aus des Papstes Hand,
Was das Hundevolk begehrte;
Dann zog er wiederum in sein Land
Auf seiner alten Fährte.
Und als er kam an den Po bei Rom,
Da schwamm vor ihm ein Braten,
Er schnappte danach und verlor sein Diplom
Und mußt es auf ewig entraten.
So stand die Sache nun wie zuletzt,
Der Streit blieb unentschieden,
Und Hund' und Katzen halten bis jetzt
Noch immer keinen Frieden.
Die Hunde, die denken noch immer so:
Wir werden sie schon überwinden!
Sie suchen und forschen noch immer am Po –
Und können den Adel nicht finden.
*
Von Katzen.
Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Führwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber – Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche –
Die wollte von den sechsen fünf ertränken;
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! – Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sähe,
Ich preis mich selbst und meim Menschlichkeit. –
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! – wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen:
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar – nein, es ist unaussprechlich.
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß, mit schwarzen Schwänzchen.
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon –
O Menschlichkeit! wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen! –
Theodor Storm.
*
Der gescheite Storch.
Von Paul Altheer.
Ein Storch spazierte einst am Teiche,
Da fand er eine Blindeschleiche.
Er sprach: »Das ist ja wunderbar.«
Und fraß sie auf mit Haut und Haar.
Nun hatte er sie in dem Magen.
Das konnten beide nicht vertragen.
Drum sprach die Blindeschleich: »O Graus!«
Und ging zur Hintertür hinaus.
Der Storch besah das mit Verdruß.
»Daß dieses mir passieren muß!«
Dann fraß er, ohne lange Wahl,
Den Schleichewurm zum zweitenmal.
Er stemmte lächelnd mit Verstand,
Die Hintertür an eine Wand
Und sprach nach innen, zu der Schleiche:
»Nun bitte, wenn du kannst, entweiche.«
(Aus: »Der tanzende Pegasus.« Ein Buch boshafter und lustiger Verse. Verl. Art. Institut Grell Füßli, Zürich, 1922.)