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Was ist das nur für ein Gepränge im Königlichen Residenzschloß? Steht nicht, wie Ernst der Dritte in seiner Uberschwenglichkeit gewünscht, die Hofdienerschaft nun wirklich auf der großen Freitreppe? Und der alte Flimmer hat doch gesagt: Zuviel für einen Oberjägermeister? Oder vergeudet man etwa bereits des schönen Theodor »reichliche Deckung«?
Aber wer spricht vom Oberjägermeister allein? Wie nun, wenn nordische Engel angeflogen kämen, ein älterer, der gewiß schwerer flattert, und einer, der in aller Jugendschöne selig dahinzieht?
Gemach, gemach, wir sind noch nicht so weit. Erst sehen wir die mächtige Gestalt Seiner Exzellenz des Großherzoglich Waldenschen Oberjägermeisters Grafen Bärenfeist die Stufen hinanschreiten, den weißbestraußten Klapphut in der einen Hand, in der anderen einen rotledernen Kasten. Neben ihm geht der diensttuende Kammerherr von der Strecke auf Waidwund in der Illz, der größte Jäger Tillens, ihm aus Artigkeit beigegeben.
Sie treten in den Empfangssaal, rot mit Gold. Dort warten: Sturz, der alte Flimmer, infolge langer Jahre an der Spitze des Hofes mit Sternen berufsmäßig übersät, dann der Rauhreiter, sein erstes Großkreuz, den Nimrod, über dem linken Rippenraum.
Im Hintergrunde sieht man einen Türspalt blinzeln, wie bei einem Konzert, wenn sie aus dem Künstlerzimmer spähen, ob es bald anfangen kann. Piephacke, nicht am Boden, den Schnurrbart freilich nicht unter der Nase, sondern in der Brusttasche, öffnet die Tür: Seine Majestät König Ernst der Dritte tritt ein. Der Oberjägermeister hält eine prächtige Ansprache. Dabei öffnet er den roten Kasten, und wie ein Filmstreifen entrollt ihm ein grünes Atlasband, darüber der achteckige blitzende Stern des Hohen Hirschenordens mit dem berühmten wegbrechenden Geweihten. Ein unvergeßlicher Augenblick.
Nun fragt Ernst der Dritte den Grafen Bärenfeist, ob der Großherzog bereits der 1700 sich genähert, ob der Freiherr Ludwig van Intervall schon Opus 709 vollendet, ob die beiden Nimrode noch fegen und schälen, ob Herr Tastenhauer die Haare sich hat schneiden lassen, fragt nach dem Befinden der Frau Großherzogin und ob Prinzessin Ulna etwa wieder ein Tennismatch gewonnen hat?
Der Oberjägermeister verbeugt sich tief und tritt rückwärts. Verbeugt sich abermals tief und tritt wieder rückwärts. Verbeugt sich so lange tief und tritt rückwärts, bis die Kehrseite des gewaltigen Mannes an die Tür stößt, diese auffliegt und der dunkle Gang ihn jäh verschlingt. Ernst der Dritte hat mehrmals die abgründigen Diener beantwortet, als nun der Graf endgültig verschwunden ist, wendet der Rex sich ab, dunkelrot, und kann im ersten Augenblick nicht sprechen vor Heiterkeit. Endlich reißt er sich zusammen und sagt zu Sturz:
»Waldener Stil! Ist das nicht eigentlich unwürdig für einen so alten Kerl? Hoffentlich hat er mein Feixen nicht gesehen. Ich bin aber zu glücklich heute!«
Doch die Zeit drängt: die Herrschaften aus dem Nordischen Palais können jeden Augenblick eintreffen, und der Rex muß vorher noch den Hohen Hirschenorden anlegen. Piephacke versucht vergeblich, den achteckigen Stern in die Ösen auf der Uniform zu stecken, versucht es so lange, bis die entscheidende abreißt. Schon meldet der Rauhreiter die Ankunft des ersten Kraftwagens. Der Rex greift hastig zu und sprengt denn auch noch richtig Allerhöchstselbst die zweite Öse. Piephacke steht vernichtet da:
»Machestät, nu is alles verloren!«
Da nestelt Sturz hinter dem Aufschlage seiner Staatsuniform, wie ein Schneider, eine Sicherheitsnadel hervor (seine Frau gibt ihm stets eine mit, denn, weiß der Teufel, bei seinem Rund platzt immer irgend etwas) und steckt Seiner Majestät den Hohen Hirschen an. Aber bei der nächsten Bewegung löst sich der Orden und fällt zu Boden. Man sieht, Sturz ist doch kein Schneider. Nun kommt Piephacke mit seinem Nähzeug aus der Soldatenzeit, denn bis eine der Hofscheuerfrauen zur Stelle ist, würde es zu spät sein, und näht Ernst dem Dritten den Geweihten an die Brust. Es ist zuzugeben, daß der Rex etwas ängstlich dreinschaut, überzeugt, Piephacke werde ihn stechen. In der Tat verzieht Seine Majestät auch plötzlich auf salbaderische Art die Lippen. Piephacke aber meint beruhigend:
»Sich mal ha, ich hab' nua das Hemd awischt!«
Da es nicht weh tut, bloß zerrt und zieht, mag es wohl so sein. Der König hat knapp noch Zeit, durch die lange Galerie in den Sigismundsaal zu huschen, da tun sich auch schon die großen Flügeltüren auf. Aber welch Wunder zeigt sich? Aus zwei nordischen Engeln sind, gleichsam durch Spaltung, deren drei geworden. Immer schlagender offenbart sich, weshalb die Hofdienerschaft auf der Treppe steht, denn der dritte Engel ist Ihre Majestät die Königin Ingrid von Öland, abends zuvor im Nordischen Palais eingetroffen. Und der schöne Theodor macht sein Fuchsgesicht, das neue Einglas im Auge, als wollte er fagen: Na, wirtschaftliche Seite geordnet und nun staatsrechtliche auch, denn Ihre Majestät die Königin von Öland hat den Heiratskonsens des Öländischen Chefs des Hauses gleich mitchebracht!
Im großen Heinrichssaale, wo Ernst der Dritte einst zum ersten Male allein gespeist, angekältet von Königlicher Einsamkeit, blitzt eine Tafel. Hofmundkoch Mehlschwitzer hat sich trotz seiner Krampfadern selbst überboten, Hofkellermeister Spund das Erlesenste geliefert an jenen Weinen, die an seinem Nierenleiden am Ende nicht ganz unschuldig sind, und wieder nicken die Orchideen des sonnengebräunten Oberhofgärtners Pistill mit ihren abenteuerlichen Blumengesichtern aus goldenen Schalen, dem Hochzeitsgeschenk des Landes zur Vermählung Ernsts des Zweiten.
Die Hofdienerschaft trägt die gestickten Galaröcke. Die Hoftafeldecker Augenmaaß und Leintuch I, die Lakaien Lauter, Redlich, Ohnefalsch, Demuth I und II, und wie sie heißen mögen, stehen nicht unnütz herum oder behindern einander in ungeordnetem Eifer, sondern unter Leitung des grauhaarigen Hoffuriers Ehrenfest wird kein Laut gehört: die abgegessenen Silberteller (deren nach langjährigem Schlummer in der Hofsilberkammer der Oberhofmarschall endlich sich entsonnen) werden gewechselt wie von Feenhänden. Unter Leitung des Hofkapellmeisters Wilhelm Stab spielt die Königliche Kapelle. Da sehnt des ersten Konzertmeisters Florian Dämpfer süße Geige, da singt die wahre Menschenstimme des Hofcellisten Matthias Bratsch. Lustige Verzierungen trillert die Flöte des Kammermusikers Erich Pfeiffer, und beim Tusch schmettert der Kammerhornist Hans Stopfer, schlägt wirbelnd die Kesselpauke drein des taktfesten Hofpaukers Philipp Bumm.
Ein Tusch? Wer spricht von Tusch? Der Herr Oberbürgermeister ist doch nicht etwa anwesend? Nein, Seine Majestät hat auf das Wohl Seiner Königlichen Hoheit des Großherzoges Hubert-Nimrod des Achten von Walden und des gesamten Großherzoglichen Hauses getrunken, dabei aber immer nur Prinzessin Ebba angeblickt. Oberjägermeister Graf Bärenfeist wird es freilich nicht gewahr, denn er schielt dauernd auf das schöne schimmernde Großkreuz des Sigismundordens, das ihm der König überreicht, schielt beseligt, hat ihm doch just dieser Stern in seiner reichen Sammlung noch gefehlt.
Ernst der Dritte aber faßt jedesmal schmerzlich an die Brust, wenn er den Kopf von Prinzessin Ebba wendet. Greift ihn die Liebe derart an? Da Seine Majestät nun blaß ist, denkt Prinzessin Ingeborg erschrocken an Ernsts des Zweiten Hinschied. Sie weiß, es war das Herz, und eine große Angst überfällt sie. Doch schon erhebt sich der schöne Theodor:
»Ihre Machestät die Königin von Öland hat mich beauftracht, zum Ausdruck zu bringen, wie sehr Seine Machestät der König Knut bedauert, Seine Hohe Gemahlin nicht haben begleiten zu können, da im letzten Augenblick wichtige Staatsgeschäfte ihn zurückgehalten haben (aufs Tischtuch gleichsam für sich gesprochen: business everywhere). Seine Machestät bedauert dieses um so mehr, als er, in seiner Eigenschaft als Chef des Hauses Öland Seiner Schwägerin Prinzessin Ebba die Genehmigung erteilt hat zur Verlobung mit...«
Der schöne Theodor hält inne, klemmt plötzlich die Scherbe ins Auge, belächelt Seine Erzellenz Oberjägermeister Grafen Bärenfeist (so ist wenigstens der allgemeine Eindruck gewesen), hält dem Lakai Ohnefalsch sein geleertes Sektglas hin und fährt fort, während jener einschenkt:
»...mit Seiner Machestät unserem Allverehrten und Allergnädigsten Könije. Ich bitte, das Glas zu erheben und mit mir zu rufen: Das Allerhöchste Brautpaar, Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Ebba von Öland und Seine Machestät Könich Ernst der Dritte von Tillen, sie leben lange und glücklich hoch!«
Man steht auf. Die Gläser klirren. Dreimal tönt das Hoch. Seltsam zittert ein einsamer und hohler Ruf hinterdrein. Der alte taube Oberstabelmeister Freiherr von Quatsch hat geschrien, der nun, obwohl die Musik bereits die Königshymne »Ernst dem König, Heil und Segen« spielt, mit dem Mundtuche zur Galerie des Saales emporwedelt, damit der Herr Hofkapellmeister Wilhelm Stab beginnen möchte.
Steigt etwa Ernst dem Dritten eine Erinnerung auf an jenes Wedeln des berühmten Haloander vom Fenster auf den Markt hinaus? Es ist im Grunde zu bezweifeln, denn der Rex hat nur noch Augen für die Braut, die hold errötend ihr Glas an das seine klingen läßt, während er immer ganz eigen mit der Schulter zuckt und sich bedrohlich ans Herz greift. Da sagt plötzlich Prinzessin Ingeborg, ihrem Rang entsprechend links neben dem Könige, während rechts von ihm die Königin von Öland Platz genommen hat, ob sie nicht mit der Braut tauschen dürfe, damit das junge Paar nebeneinander komme. Hier nun äußert Ernst der Dritte wieder eine jener Seltsamkeiten, die ihm doch die Herzen gewinnen:
»Ich weiß nicht, ob es geht. Ich kenne das Hofzeremoniell nicht genügend. Ich glaube, wir müßten lieber erst Flimmer fragen.«
Aber glücklicherweise stimmt Seine Exzellenz der Herr Oberhofmarschall gnädig nickend zu. Der ältere Engel flattert herab, der jüngere schwebt hinauf. Ernst der Dritte aber hebt nach alter Kasinositte sein Glas gegen seinen Oberhofmarschall, der ihm sein Glück erlaubt, und ruft ihm über die Tafel zu:
»Glänzend, Exzellenz! Sehr anständig, auch ohne Tennis!«
Der Oberhofmarschall legt den verschrumpelten Greisenfinger auf den Mund und lächelt beglückt. Alle sind sie erfreut. Die alte Prinzessin Aurora verständigt durch Winkerzeichen das Mirabellchen: »himmlisch!« Dann wischt sie sich verstohlen mit dem Mundtuch die Augenwinkel, denn wir wissen, wie völlig unzureichend ihre Taschentücher nun einmal sind.
Der Oberjägermeister steckt die Speisenfolge, eine goldgeränderte Karte mit Aufdruck des Osterburger Wappens, verfertigt in der Hofbuchdruckerei Spieß & Durchschuß, Tillenau, Gehege neun, verstohlen in die Brusttasche, denn er hebt, wie er Exzellenz von Flimmer sagt, alle »Menüs« auf, durch die er sich in nun bald vierzig Jahren Hofdienstzeit »hindurchgefressen«. Dabei versäumt er nicht, abermals einen Blick auf seinen neuen Sigismundorden zu werfen. Unaufgefordert sagt er dem obersten Leiter des Tillenauer Hofes Artigkeiten über die Hofhaltung. Der alte Herr lauscht aufmerksam. Doch Graf Bärenfeist bricht ab: »Ist Seine Majestät nicht wohl?« Der Oberhofmarschall lächelt: »Nie so wohl und nie so glücklich wie heute!« Warum nun aber die Frage?... Weil der Rex immer zuckt... Er zuckt?... Jawohl, er zuckt... Nun sieht es der Oberhofmarschall selbst. Ablenkend bringt er die Rede auf die hohe Braut. Der Oberjägermeister beginnt von ihr zu schwärmen; damit öffnet er sein Herz und ist ganz anders, als man sich ihn gedacht. Er hat das Hofleben satt. Wohl ist er begeisterter Jäger, doch nichts als Jagd?
[Aber was ist das nur: Seine Majestät zuckt!]
In Walden sind sie alle große Jäger, obwohl noch keiner etwas Erhebliches gestreckt hat, denn der Edelhirsch behält sich alles selbst vor. Wer ihm etwas wegschießt, mit dem redet der Großherzog ein halbes Jahr kein Wort. So schießt man lieber gar nicht. Wenn Seine Königliche Hoheit fragt, hat man gefehlt; wer nämlich gefehlt hat, steht in höchsten Gnaden.
[Es hilft aber nichts: Seine Majestät zuckt!]
Wie nun der Oberjägermeister bestätigt hört, daß der Rex kein Jäger ist, käme Seine Exzellenz am liebsten an den Tillener Hof.
[Aber Seine Majestät zuckt wirklich!] Denn in Tillenau wird keine Musik gemacht! Ja wenn die Frau Großherzogin musikalisch wäre, aber sie schläft ja immer ein bei der Musik.
[Der alte Flimmer, der schon erschrocken zum König hinübergeschielt, ist wieder beruhigt, denn der Rex zuckt nicht mehr, sondern versenkt sich in seine Braut.]
Und die Ulna! Der Oberjägermeister lacht: Ja wenn sie wenigstens Tennis spielen könnte! Aber sie hat einmal die Elle gebrochen und ist dadurch behindert. Die anderen lassen sie jedoch gewinnen. Sonst mault sie ja vierzehn Tage lang! Höchstens aus den beiden Nimroden könnte noch etwas werden, denn die sind gescheite und gute Jungen, aber denn doch zu unerzogen!
»Und warum sagen Sie nichts, verehrter Graf?« fragt der Oberhofmarschall. Der andere blickt auf den neuen Sigismundorden auf seiner Brust:
»Dann fliegt man. Und ich habe acht Kinder und kein ›Hausvermögen‹!«
Just in diesem Augenblick nun geschieht so Erstaunliches, wie es der große Heinrichssaal noch kaum gesehen. Wieder hat Seine Majestät beängstigend gezuckt, als plötzlich mit jähem Entschluß – ängstliche Seelen, blicket hinweg – die Braut das blitzende Tischmesser ergreift, es in grauenvoller Weise schwingt, in des ahnungslosen Königs Busen senkt – jeder Schwache halte jetzt den Atem an – und mit entschlossenem Schnitt das Großkreuz des Hohen Hirschenordens abtrennt.
So schnell ist es geschehen, daß keiner seinem Herrn und König hätte zu Hilfe eilen können. Dank dem Himmel ist er aber unverletzt geblieben, ja er atmet sogar erleichtert auf, und vor allem – er zuckt nicht mehr, endlich von der Naht befreit, die ihm Waffenrock und Hemd derart verbunden, daß die Halsbinde unerträglich zerrte und die Hosenträger Seiner Majestät Allerhöchstes Fleisch einklemmten. Zwar blicken sich Aurora und Mirabellchen erschrocken und doch himmlisch erregt an: »Wie unpassend, kaum sind sie verlobt, so schneidet sie schon an ihm herum,« zwar fühlt sich die hochgezogene Prinzessin Ingeborg ein wenig befremdet, aber mit ihrem schönen Theodor hat sie gewiß weit Schlimmeres erlebt!
Aller höfischer Bann ist gebrochen: die Tafelrunde schwatzt nun so laut wie nie. Noch ein abgeschnittener Orden, und die Judenschule kehrt zurück.
Doch solchen Möglichkeiten ist vorgebeugt: die Tafel wird aufgehoben.
Das »Cercle-machen« beginnt, wie jene verschollene Zeit mit deutscher Würde es zu nennen pflegte, wenn man im Kreise stand und auf die gnädige Ansprache Ihrer Majestäten wartete. Sollen wir nun alle Glückwünsche mit anhören? Ist es nicht besser, wir erfahren, daß der König, wie er einst beim Regimentsessen die Trompeter besucht, so jetzt in den Silbernen Saal hinübergeht, wo nach alter Überlieferung den Mitgliedern der Königlichen Kapelle ein Essen aufgetragen wird, das heute gewiß nicht unköniglich schmeckt? Ist es ein Wunder, daß der Rex von seinem jungen Glücke sich nicht trennen mag? Bleibt nicht den Herren vor Überraschung der Bissen im Munde stecken, als die Schönheit vor ihnen steht, nicht angestrichen gleich jener, die sie über sich abends auf den Brettern sehen, sondern ein Werk unberührter Natur?
Als das Paar ihnen entschwunden ist, sagt nachdenklich die süße Geige: »So einfach!« Und die Menschenstimme: »Nein, ist das Fräulein aber schön!« Doch das Horn schmettert ungestopft hinein: »Fräulein sagt man doch nicht!« Der Hofpauker hat sich auf seinen Teller niedergebeugt, als stimme er seine Kesselpauken, und klirrt mit dem Nagel an das Porzellan: »Engel!« Daß es ein nordischer ist, weiß er nicht einmal.
Bis hierin ist nun alles trefflich gegangen, doch ohne Hirschenorden kann der Rex füglich nicht wieder erscheinen. Piephacke kommt mit eingefädelter Nadel. Ernst der Dritte sagt zu seiner Braut nichts als vier Worte:
»Das ist nämlich Piephacke.«
Prinzessin Ebba reicht ihm die Hand. Spricht gleichfalls nur vier Worte:
»Dank für meinen Ernst!«
Dann näht sie den Stern an des Königs Brust. Sticht ihn aber nicht. Er zuckt auch nicht, sondern fragt:
»Du kannst nähen?«
»Wir mußten zu Haus alles selbst machen!«
Drüben trägt Ernst der Dritte dem Oberjägermeister Grüße auf für seine Herrschaften und fragt ihn – er kann es sich nicht verkneifen –, ob er zufrieden sei mit seinem Tage. Der alte Hofmann, der er nicht sein will, der alte Jäger, der nicht schießen darf und doch nicht lassen kann vom Berufe, der trotz der Brust voller Sterne über den neuen glückselig ist wie ein spielendes Kind, verbeugt sich tief nach Waldener Sitte:
»Ich werde Seiner Königlichen Hoheit sagen, ich hätte in vierzig Jahren Hofdienst noch nie einen so schönen Tag erlebt.«
Wird sich aber schwer hüten. Nie wird er solches sagen. Spräche nicht dann am Ende der Edelhirsch sechs Monate lang nicht mehr mit ihm?
Barhaupt bringt der Rex Ihre Majestät die Königin von Öland an das Auto. Wie er ihr die Hand küßt, meint die stille Frau:
»Die glückliche Ebba!« Sie hat es schwer: eine Sehnsucht im Herzen und ein nüchterner Mann, aber einer, der ein ehrlicher Arbeiter ist. Vielleicht mehr als eine Sehnsucht.
Die Schloßwache steht unter Gewehr. Der schöne Theodor hat sie diesmal nicht abbestellen können. Und vor den braungebrannten Jungen küßt der Rex zum Abschied seine Braut. Die Leute präsentieren dazu und machen steinerne Gesichter.
Aber der rechte Flügelmann, Gefreiter Liebegern, denkt: Recht haste, Machestät, ich mach's mit meiner jenau so! Und der Unteroffizier Krach: Wenn man nur ooch erst so weit wäre! Und der Herr Leutnant Drall: Euer Machestät sollten vorsichtiger sein. Ich sehe mich immer erst um.
Dann steigt Ernst der Dritte wieder hinauf zu seinen einfachen Zimmern und summt auf der Treppe (es ist mehrfach belegt) das Lied, das er in Walden nicht hätte nennen dürfen, weil es von Brahms ist, summt als echter Tille bei allem Jubel seines Herzens die glücklich-traurigen Worte:
»Mir ist, als ob ich längst gestorben bin,
Und ziehe selig mit durch ew'ge Räume!«
Piephacke fragt, wie jeden Abend, ob Seine Majestät noch Befehle habe. Aber heute sagt der König nicht danke und nicht gute Nacht wie sonst, sondern will wissen, wie ihm seine Braut gefällt. Piephacke antwortet:
»Jetzt haut's Seiner Machestät.«
Damit ist er entlassen. Der Rex hat träumend den Waffenrock abgelegt und betrachtet den Hohen Hirschenorden. Ist Seine Majestät etwa auf gleichen Wegen wie der Oberjägermeister, als er vom Sigismundorden sich nicht trennen gekonnt? Doch nein: Piephacke sieht im Spiegel, daß Ernst der Dritte den Waffenrock hebt und den Mund dort ruhen läßt, wo der Prinzessin Ebba geschickte Hände genäht. Ob da nicht Zweifel aufgestiegen sind in des Getreuen einfacher Seele am Tun und Treiben seines hohen Herrn? Es wäre Unzartheit, ihn darüber zu befragen.