Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wann es Zeit ist, sich Treue zu geloben. – Man verläuft sich mitunter in eine geistige Richtung, welcher unsere Begabung widerspricht; eine Zeitlang kämpft man heroisch wider die Flut und den Wind an, im Grunde gegen sich selbst: man wird müde, keucht; was man vollbringt, macht einem keine rechte Freude, man meint zu viel bei diesen Erfolgen eingebüßt zu haben. Ja, man verzweifelt an seiner Fruchtbarkeit, an seiner Zukunft, mitten im Siege vielleicht. Endlich, endlich kehrt man um – und jetzt weht der Wind in unser Segel und treibt uns in unser Fahrwasser. Welches Glück! Wie siegesgewiß fühlen wir uns! Jetzt erst wissen wir, was wir sind und was wir wollen, jetzt geloben wir uns Treue und dürfen es – als Wissende.
Wetterpropheten. – Wie die Wolken uns verraten, wohin hoch über uns die Winde laufen, so sind die leichtesten und freiesten Geister in ihren Richtungen vorausverkündend für das Wetter, das kommen wird. Der Wind im Tale und die Meinungen des Marktes von heute bedeuten nichts für das, was kommt, sondern nur für das, was war.
Stetige Beschleunigung. – Jene Personen, welche langsam beginnen und schwer in einer Sache heimisch werden, haben nachher mitunter die Eigenschaft der stetigen Beschleunigung, – so daß zuletzt niemand weiß, wohin der Strom sie noch reißen kann.
Die guten Drei. – Größe, Ruhe, Sonnenlicht- diese Drei umfassen alles, was ein Denker wünscht und auch von sich fordert: seine Hoffnungen und Pflichten, seine Ansprüche im Intellektuellen und Moralischen, sogar in der täglichen Lebensweise und selbst im Landschaftlichen seines Wohnsitzes. Ihnen entsprechen einmal erhebende Gedanken, sodann beruhigende, drittens aufhellende – viertens aber Gedanken, welche an allen drei Eigenschaften Anteil haben, in denen alles Irdische zur Verklärung kommt: es ist das Reich, wo die große Dreifaltigkeit der Freude herrscht.
Für die "Wahrheit" sterben. – Wir würden uns für unsere Meinungen nicht verbrennen lassen: wir sind ihrer nicht so sicher. Aber vielleicht dafür, daß wir unsere Meinungen haben dürfen und ändern dürfen.
Seine Taxe haben. – Wenn man gerade so viel gelten will, als man ist, muß man etwas sein, das seine Taxe hat. Aber nur das Gewöhnliche hat eine Taxe. Somit ist jenes Verlangen entweder die Folge einsichtiger Bescheidenheit – oder dummer Unbescheidenheit.
Moral für Häuserbauer. – Man muß die Gerüste wegnehmen, wenn das Haus gebaut ist.
Sophokleismus. – Wer hat mehr Wasser in den Wein gegossen als die Griechen! Nüchternheit und Grazie verbunden – das war das Adels-Vorrecht des Atheners zur Zeit des Sophokles und nach ihm. Mache es nach, wer da kann! Im Leben und Schaffen!
Das Heroische. – Das Heroische besteht darin, daß man Großes tut (oder etwas in großer Weise nicht tut), ohne sich im Wettkampfe mit anderen, vor anderen zu fühlen. Der Heros trägt die Einöde und den heiligen unbetretbaren Grenzbezirk immer mit sich, wohin er auch gehe.