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Wetterzeichen der Kultur. – Es gibt so wenig entscheidende Wetterzeichen der Kultur, daß man froh sein muß, für seinen Haus- und Gartengebrauch wenigstens ein untrügliches in den Händen zu haben. Um zu prüfen, ob jemand zu uns gehört oder nicht – ich meine zu den freien Geistern –, so prüfe man seine Empfindung für das Christentum. Steht er irgendwie anders zu ihm als kritisch, so kehren wir ihm den Rücken: er bringt uns unreine Luft und schlechtes Wetter. – Unsere Aufgabe ist es nicht mehr, solche Menschen zu lehren, was ein Skirokko-Wind ist; sie haben Mosen und die Propheten des Wetters und der Aufklärung: wollen sie diese nicht hören, so –
Zürnen und strafen hat seine Zeit. – Zürnen und strafen ist unser Angebinde von der Tierheit her. Der Mensch wird erst mündig, wenn er dies Wiegengeschenk den Tieren zurückgibt. – Hier liegt einer der größten Gedanken vergraben, welche Menschen haben können, der Gedanke an einen Fortschritt aller Fortschritte. – Gehen wir einige Jahrtausende miteinander vorwärts, meine Freunde! Es ist sehr viel Freude noch den Menschen vorbehalten, wovon den Gegenwärtigen noch kein Geruch zugeweht ist! Und zwar dürfen wir uns diese Freude versprechen, ja als etwas Notwendiges verheißen und beschwören, im Fall nur die Entwicklung der menschlichen Vernunft nicht stille steht! Einstmals wird man die logische Sünde, welche im Zürnen und Strafen, einzeln oder gesellschaftsweise geübt, verborgen liegt, nicht mehr übers Herz bringen: einstmals, wenn Herz und Kopf so nah beieinander zu wohnen gelernt haben, wie sie jetzt noch einander ferne stehen. Daß sie sich nicht mehr so ferne stehen wie ursprünglich, ist beim Blick auf den ganzen Gang der Menschheit ziemlich ersichtlich; und der einzelne, der ein Leben innerer Arbeit zu überschauen hat, wird mit stolzer Freude sich der überwundenen Entfernung, der erreichten Annäherung bewußt werden, um daraufhin noch größere Hoffnungen wagen zu dürfen.
Abkunft der "Pessimisten". – Ein Bissen guter Nahrung entscheidet oft, ob wir mit hohlem Auge oder hoffnungsreich in die Zukunft schauen: dies reicht ins Höchste und Geistigste hinauf. Die Unzufriedenheit und Welt-Schwärzerei ist dem gegenwärtigen Geschlechte von den ehemaligen Hungerleidern her vererbt. Auch unsern Künstlern und Dichtern merkt man häufig an, wenn sie selber auch noch so üppig leben, daß sie von keiner guten Herkunft sind, daß sie von unterdrückt lebenden und schlecht genährten Vorfahren mancherlei ins Blut und Gehirn mitbekommen haben, was als Gegenstand und gewählte Farbe in ihrem Werke wieder sichtbar wird. Die Kultur der Griechen ist die der Vermögenden, und zwar der Altvermögenden: sie lebten ein paar Jahrhunderte hindurch besser als wir (in jedem Sinne besser, namentlich viel einfacher in Speise und Trank): da wurden endlich die Gehirne so voll und fein zugleich, da floß das Blut so rasch hindurch, einem freudigen, hellen Weine gleich, daß das Gute und Beste bei ihnen nicht mehr düster, verzückt und gewaltsam, sondern schön und sonnenhaft heraustrat.