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Ein Zeugnis der Liebe. – Jemand sagte: "Über zwei Personen habe ich nie gründlich nachgedacht: es ist das Zeugnis meiner Liebe zu ihnen."
Wie man schlechte Argumente zu verbessern sucht – Mancher wirft seinen schlechten Argumenten noch ein Stück seiner Persönlichkeit hintennach, wie als ob jene dadurch richtiger ihre Bahn laufen würden und sich in gerade und gute Argumente verwandeln ließen; ganz wie die Kegelschieber auch nach dem Wurfe noch mit Gebärden und Schwenkungen der Kugel die Richtung zu geben suchen.
Die Rechtlichkeit. – Es ist noch wenig, wenn man in bezug auf Rechte und Eigentum ein Muster- Mensch ist; wenn man zum Beispiel als Knabe nie Obst in fremden Gärten nimmt, als Mann nicht über ungemähte Wiesen läuft, – um kleine Dinge zu nennen, welche wie bekannt, den Beweis für diese Art von Musterhaftigkeit besser geben als große. Es ist noch wenig: man ist dann immer erst eine "juristische Person", mit jenem Grad von Moralität, deren sogar eine "Gesellschaft", ein Menschen-Klumpen fähig ist.
Mensch! – Was ist die Eitelkeit des eitelsten Menschen gegen die Eitelkeit, welche der Bescheidenste besitzt, in Hinsicht darauf, daß er sich in der Natur und Welt als "Mensch" fühlt.
Nötigste Gymnastik. – Durch den Mangel an kleiner Selbstbeherrschung bröckelt die Fähigkeit zur großen ab. Jeder Tag ist schlecht benutzt und eine Gefahr für den nächsten, an dem man nicht wenigstens einmal sich etwas im kleinen versagt hat: diese Gymnastik ist unentbehrlich, wenn man sich die Freude, sein eigener Herr zu sein, erhalten will.
Sich selber verlieren. – Wenn man erst sich selber gefunden hat, muß man verstehen, sich von Zeit zu Zeit zu verlieren – und dann wieder zu finden: vorausgesetzt daß man ein Denker ist. Diesem ist es nämlich nachteilig, immerdar an eine Person gebunden zu sein.
Wann Abschied nehmen not tut. – Von dem, was du erkennen und messen willst, mußt du Abschied nehmen, wenigstens auf eine Zeit. Erst wenn du die Stadt verlassen hast, siehst du, wie hoch sich ihre Türme über die Häuser erheben.
Am Mittag. – Wem ein tätiger und stürmereicher Morgen des Lebens beschieden war, dessen Seele überfällt um den Mittag des Lebens eine seltsame Ruhesucht, die monden- und jahrelang dauern kann. Es wird still um ihn, die Stimmen klingen fern und ferner; die Sonne scheint steil auf ihn herab. Auf einer verborgenen Waldwiese sieht er den großen Pan schlafend; alle Dinge der Natur sind mit ihm eingeschlafen, einen Ausdruck von Ewigkeit im Gesichte – so dünkt es ihm. Er will nichts, er sorgt sich um nichts, sein Herz steht still, nur sein Auge lebt, – es ist ein Tod mit wachen Augen. Vieles sieht da der Mensch, was er nie sah, und soweit er sieht, ist alles in ein Lichtnetz eingesponnen und gleichsam darin begraben. Er fühlt sich glücklich dabei, aber es ist ein schweres, schweres Glück. – Da endlich erhebt sich der Wind in den Bäumen, Mittag ist vorbei, das Leben reißt ihn wieder an sich, das Leben mit blinden Augen, hinter dem sein Gefolge herstürmt: Wunsch, Trug, Vergessen, Genießen, Vernichten, Vergänglichkeit. Und so kommt der Abend herauf, stürmereicher und tatenvoller, als selbst der Morgen war. – Den eigentlich tätigen Menschen erscheinen die länger währenden Zustände des Erkennens fast unheimlich und krankhaft, aber nicht unangenehm.
Sich vor seinem Maler hüten. – Ein großer Maler, der in einem Porträt den vollsten Ausdruck und Augenblick, dessen ein Mensch fähig ist, enthüllt und niedergelegt hat, wird von diesem Menschen, wenn er ihn später im wirklichen Leben wiedersieht, fast immer nur eine Karikatur zu sehen glauben.