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Vierter Theil Zehnte Rede

Vor Assapuram

II

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene in Bengalen, bei einer Stadt der Bengalier Namens Assapuram. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»'Asketen, Asketen sind's': so denken, ihr Mönche, von euch die Leute. Ihr aber, wenn ihr gefragt werdet: ›Was seid ihr?‹, bekennet: ›Wir sind Asketen.‹ Die ihr also bekannt seid, ihr Mönche, die ihr euch also bekennet, ihr habt auch die Pflichten zu üben: ›Den geraden Weg des Asketenthums, den werden wir wandeln. Und so soll dieser Name, den man uns giebt, wahr und unser Bekenntniss wirklich sein. Und für das Almosen von Kleidung, Speise, Obdach und Arzenei, dafür sollen die Geber bei uns hohen Lohn haben, hohe Förderung. Unsere Pilgerschaft aber soll nicht unfruchtbar bleiben, sondern Zweck und Ziel erwirken.‹

»Wie aber, ihr Mönche, wandelt der Mönch den geraden Weg des Asketenthums nicht? Ein Mönch, der da gierig die Gier nicht verleugnet hat, gehässig den Hass nicht verleugnet hat, zornig den Zorn nicht verleugnet hat, feindsälig die Feindschaft nicht verleugnet hat, häuchlerisch die Häuchelei nicht verleugnet hat, neidisch den Neid nicht verleugnet hat, eifernd die Eifersucht nicht verleugnet hat, selbstsüchtig die Selbstsucht nicht verleugnet hat, listig die List nicht verleugnet hat, gleißnerisch die Gleißnerei nicht verleugnet hat, boshaft die Bosheit nicht verleugnet hat, falsch die Falschheit nicht verleugnet hat: der wandelt, sage ich, ihr Mönche, weil er diese Flecken, Schäden und Schwären des Asketenthums, diese abwärts, zum Verderben führenden Eigenschaften nicht verleugnet hat, den geraden Weg des Asketenthums nicht. Wie eine Mordwaffe, ihr Mönche, zur Schlacht geeignet, zweischneidig, blinkend geschliffen, und mit einer Kutte umhangen, umhüllt: so erscheint mir, ihr Mönche, eines solchen Mönches Pilgerschaft.

»Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Kuttenträger, weil er die Kutte trägt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Unbekleideten, weil er unbekleidet ist, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Schmutzbeschmierten, weil er schmutzbeschmiert ist, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Wasserbesprenger, weil er sich mit Wasser besprengt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Waldeinsiedler, weil er im Walde wohnt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Feldeinsiedler, weil er auf dem Felde wohnt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Stetigsteher, weil er sich nicht setzt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Fastenpfleger, weil er Fasten pflegt, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Spruchgewaltigen, weil er Sprüche in seiner Gewalt hat, das Asketenthum zu. Nicht spreche ich, ihr Mönche, einem Flechtenträger, weil er Flechten trägt, das Asketenthum zu.

»Wenn durch das Tragen der Kutte, ihr Mönche, des gierigen Kuttenträgers Gier verschwinden könnte, des gehässigen Hass verschwinden könnte, des zornigen Zorn verschwinden könnte, des feindsäligen Feindschaft verschwinden könnte, des häuchlerischen Häuchelei verschwinden könnte, des neidischen Neid verschwinden könnte, des eifernden Eifersucht verschwinden könnte, des selbstsüchtigen Selbstsucht verschwinden könnte, des listigen List verschwinden könnte, des gleißnerischen Gleißnerei verschwinden könnte, des boshaften Bosheit verschwinden könnte, des falschen Falschheit verschwinden könnte, würden Blutsverwandte und Freunde einem Neugeborenen die Kutte bringen, nur die Kutte verleihen: ›Komm', du Glückskind, sei Kuttenträger! Als Kuttenträger wird dir, dem Gierigen, durch das Tragen der Kutte die Gier schwinden, dem Gehässigen der Hass schwinden, dem Zornigen der Zorn schwinden, dem Feindsäligen die Feindschaft schwinden, dem Häuchlerischen die Häuchelei schwinden, dem Neidischen der Neid schwinden, dem Eifernden die Eifersucht schwinden, dem Selbstsüchtigen die Selbstsucht schwinden, dem Listigen die List schwinden, dem Gleißnerischen die Gleißnerei schwinden, dem Boshaften die Bosheit schwinden, dem Falschen die Falschheit schwinden!‹ Da ich nun aber, ihr Mönche, auch manchen Träger der Kutte hier sehe, der gierig, gehässig, zornig, feindsälig, häuchlerisch, neidisch, eifersüchtig, selbstsüchtig, listig, gleißnerisch, boshaft, falsch ist, so spreche ich keinem Träger der Kutte, weil er die Kutte trägt, das Asketenthum zu.

»Wenn durch Unbekleidetsein, ihr Mönche, durch Schmutzbeschmierung, durch Wasserbesprengen, durch Waldeinsiedlerthum, durch Feldeinsiedlerthum, durch Stetigstehn, durch Fastenpflege, durch Spruchgewalt, durch Flechtentragen des gierigen Unbekleideten, des gierigen Schmutzbeschmierten, des gierigen Wasserbesprengers, des gierigen Waldeinsiedlers, des gierigen Feldeinsiedlers, des gierigen Stetigstehers, des gierigen Fastenpflegers, des gierigen Spruchgewaltigen, des gierigen Flechtenträgers Gier verschwinden könnte, des gehässigen Hass, des zornigen Zorn, des feindsäligen Feindschaft, des häuchlerischen Häuchelei, des neidischen Neid, des eifernden Eifersucht, des selbstsüchtigen Selbstsucht, des listigen List, des gleißnerischen Gleißnerei, des boshaften Bosheit, des falschen Falschheit verschwinden könnte, würden Blutsverwandte und Freunde dem Neugeborenen Unbekleidetsein vorschreiben, Schmutzbeschmierung, Wasserbesprengung, Waldeinsiedlerthum, Feldeinsiedlerthum, Stetigstehn, Fastenpflege, Spruchgewalt, Flechtentragen, würden ihn damit belehnen: ›Komm', du Glückskind, sei unbekleidet, sei schmutzbeschmiert, sei wasserbesprengt, werde Waldeinsiedler, werde Feldeinsiedler, werde ein Stetigsteher, werde ein Fastenpfleger, werde Spruchgewaltiger, werde Flechtenträger! Also wird dir, dem Gierigen, die Gier schwinden, dem Gehässigen der Hass, dem Zornigen der Zorn, dem Feindsäligen die Feindschaft, dem Häuchlerischen die Häuchelei, dem Neidischen der Neid, dem Eifernden die Eifersucht, dem Selbstsüchtigen die Selbstsucht, dem Listigen die List, dem Gleißnerischen die Gleißnerei, dem Boshaften die Bosheit, dem Falschen die Falschheit schwinden!‹ Da ich nun aber, ihr Mönche, auch manchen Unbekleideten, Schmutzbeschmierten, Wasserbesprenger, Waldeinsiedler, Feldeinsiedler, Stetigsteher, Fastenpfleger, Spruchgewaltigen, Flechtenträger hier sehe, der gierig, gehässig, zornig, feindsälig, häuchlerisch, neidisch, eifersüchtig, selbstsüchtig, listig, gleißnerisch, boshaft, falsch ist, so spreche ich keinem solchen aus solchem Grunde das Asketenthum zu.

»Wie aber, ihr Mönche, wandelt der Mönch den geraden Weg des Asketenthums? Ein Mönch, der da gierig die Gier verleugnet hat, gehässig den Hass verleugnet hat, zornig den Zorn verleugnet hat, feindsälig die Feindschaft verleugnet hat, häuchlerisch die Häuchelei verleugnet hat, neidisch den Neid verleugnet hat, eifernd die Eifersucht verleugnet hat, selbstsüchtig die Selbstsucht verleugnet hat, listig die List verleugnet hat, gleißnerisch die Gleißnerei verleugnet hat, boshaft die Bosheit verleugnet hat, falsch die Falschheit verleugnet hat: der wandelt, sage ich, ihr Mönche, weil er diese Flecken, Schäden und Schwären des Asketenthums, diese abwärts, zum Verderben führenden Eigenschaften verleugnet hat, den geraden Weg des Asketenthums. Er merkt, dass er von all diesen bösen, schlechten Dingen geläutert ist, dass er befreit ist. Dieses Merken durchwonnigt ihn. Der Durchwonnigte wird besäligt. Des Besäligten Körper wird still. Der Körpergestillte fühlt Heiterkeit. Des Heiteren Herz wird einig.

»Liebevollen Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.

»Erbarmenden Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.

»Freudevollen Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit freudevollem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.

»Unbewegten Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit unbewegtem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Lotusweiher mit klarem, süßem, kühlem Wasser, hell spiegelnd, leicht zugänglich, entzückend gelegen: wenn da von Osten ein Mann herankäme, vom Sonnenbrande gebraten, vom Sonnenbrande verzehrt, erschöpft, zitternd, dürstend; der gelangte nun zu dem Lotusweiher und löschte den Durst, löschte die quälende Gluth; wenn da von Westen oder von Norden oder von Süden ein Mann herankäme, vom Sonnenbrande gebraten, vom Sonnenbrande verzehrt, erschöpft, zitternd, dürstend; der gelangte nun zu dem Lotusweiher und löschte den Durst, löschte die quälende Gluth: ebenso nun auch, ihr Mönche, erlangt, wer da aus einem Kriegergeschlechte vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen und zu des Vollendeten dargelegter Lehre und Ordnung gekommen ist und also die Liebe, das Erbarmen, die Freude, den Gleichmuth gezeugt hat, die eigene Ebbung. Weil er die eigene Ebbung erlangt hat, sage ich, wandelt er den geraden Weg des Asketenthums. Wer da aus einem Priestergeschlechte oder Bürgergeschlechte oder Dienergeschlechte oder aus was immer für einem Geschlechte vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen und zu des Vollendeten dargelegter Lehre und Ordnung gekommen ist und also die Liebe, das Erbarmen, die Freude, den Gleichmuth gezeugt hat, erlangt die eigene Ebbung. Weil er die eigene Ebbung erlangt hat, sage ich, wandelt er den geraden Weg des Asketenthums.

»Wenn da einer aus einem Kriegergeschlechte vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen ist und durch die Wahnversiegung die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen hat, so wird er durch die Wahnversiegung Asket. Wenn da einer aus einem Priestergeschlechte oder Bürgergeschlechte oder Dienergeschlechte oder aus was immer für einem Geschlechte vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen ist und durch die Wahnversiegung die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen hat, so wird er durch die Wahnversiegung Asket.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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