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Erster Theil
Fünfte Rede

Unschuld

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der ehrwürdige Sāriputto an die Mönche: »Brüder Mönche!« – »Bruder!« antworteten da jene Mönche dem ehrwürdigen Sāriputto aufmerksam. Der ehrwürdige Sāriputto sprach also:

»Viererlei Arten von Menschen, Brüder, findet man da in der Welt: und was für welche? Da ist einer, Brüder, schuldig und erkennt nicht der Wahrheit gemäß ›In mir ist Schuld‹, und da ist einer, Brüder, schuldig und erkennt der Wahrheit gemäß ›In mir ist Schuld‹; da ist einer, Brüder, unschuldig und erkennt nicht der Wahrheit gemäß ›In mir ist keine Schuld‹, und da ist einer, Brüder, unschuldig und erkennt der Wahrheit gemäß ›In mir ist keine Schuld‹. Einen Mann aber, Brüder, der schuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, den bezeichnet man als den Schlechteren von den beiden, die gleiche Schuld haben. Einen Mann aber, Brüder, der schuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, den bezeichnet man als den Besseren von den beiden, die gleiche Schuld haben. Einen Mann aber, Brüder, der unschuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist keine Schuld‹, den bezeichnet man als den Schlechteren von den beiden, die gleiche Unschuld haben. Einen Mann aber, Brüder, der unschuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist keine Schuld‹, den bezeichnet man als den Besseren von den beiden, die gleiche Unschuld haben.«

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Mahāmoggallāno an den ehrwürdigen Sāriputto und sprach:

»Was ist nun der Grund, Bruder Sāriputto, was ist die Ursache, dass man den einen der beiden gleich Schuldigen als den Schlechteren und den anderen als den Besseren bezeichnet? Und was ist der Grund, Bruder Sāriputto, was ist die Ursache, dass man den einen der beiden gleich Unschuldigen als den Schlechteren und den anderen als den Besseren bezeichnet?«

»Wenn da, Bruder, einer schuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, so darf man von ihm erwarten, dass er den Willen nicht beugen wird, nicht kämpfen wird, nicht die Kraft besitzen wird, seiner Schuld zu entsagen, dass er mit Gier, mit Hass, mit Irre, mit Schuld beladen unlauteren Herzens sterben wird. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, voller Schmutz und Flecken, und die Eigner würden sie weder brauchen noch säubern, sondern in einen Winkel werfen: da würde wohl, Bruder, diese messingerne Schüssel nach einiger Zeit noch schmutziger und noch fleckiger geworden sein.«

»Allerdings, Bruder.«

»Ebenso nun auch, o Bruder, darf man von einem Manne, der schuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, erwarten, er werde den Willen nicht beugen, werde nicht kämpfen, nicht die Kraft besitzen, seiner Schuld zu entsagen, er werde mit Gier, mit Hass, mit Irre, mit Schuld beladen unlauteren Herzens sterben. – Wenn da, Bruder, einer schuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, so darf man von ihm erwarten, dass er den Willen beugen wird, kämpfen, die Kraft besitzen wird, seiner Schuld zu entsagen, dass er ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre, ohne Schuld lauteren Herzens sterben wird. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, voller Schmutz und Flecken, aber die Eigner würden sie brauchen und säubern, nicht in den Winkel werfen: da würde wohl, Bruder, diese messingerne Schüssel nach einiger Zeit blank und rein geworden sein.«

»Gewiss, Bruder.«

»Ebenso nun auch, o Bruder, darf man von einem Manne, der schuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, erwarten, er werde den Willen beugen, werde kämpfen, die Kraft besitzen seiner Schuld zu entsagen, er werde ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre, ohne Schuld lauteren Herzens sterben. – Wenn da, Bruder, einer unschuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist keine Schuld‹, so darf man von ihm erwarten, dass ihn das Blenden der Erscheinung bewegen wird, und er vom Blenden der Erscheinung bewogen sein Herz von der Gier wird aufwühlen lassen, dass er mit Gier, mit Hass, mit Irre, mit Schuld beladen unlauteren Herzens sterben wird. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, blank und rein, aber die Eigner würden sie weder brauchen noch säubern, sondern in einen Winkel werfen: da würde wohl, Bruder, diese messingerne Schüssel nach einiger Zeit schmutzig und fleckig geworden sein.«

»Freilich, Bruder.«

»Ebenso nun auch, o Bruder, darf man von einem Manne, der unschuldig ist und nicht der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, erwarten, das Blenden der Erscheinung werde ihn bewegen, vom Blenden der Erscheinung bewogen werde er sein Herz von der Gier aufwühlen lassen, er werde mit Gier, mit Hass, mit Irre, mit Schuld beladen unlauteren Herzens sterben. – Wenn da, Bruder, einer unschuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, so darf man von ihm erwarten, dass ihn das Blenden der Erscheinung nicht bewegen wird, und er vom Blenden der Erscheinung nicht bewogen sein Herz von der Gier nicht wird aufwühlen lassen, dass er ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre, ohne Schuld lauteren Herzens sterben wird. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, blank und rein, und die Eigner würden sie brauchen und säubern, nicht in den Winkel werfen: da würde wohl, Bruder, diese messingerne Schüssel späterhin noch blanker und reiner geworden sein.«

»Ohne Zweifel, Bruder.«

»Ebenso nun auch, o Bruder, darf man von einem Manne, der unschuldig ist und der Wahrheit gemäß erkennt ›In mir ist Schuld‹, erwarten, das Blenden der Erscheinung werde ihn nicht bewegen, vom Blenden der Erscheinung nicht bewogen werde er sein Herz von der Gier nicht aufwühlen lassen, er werde ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre, ohne Schuld lauteren Herzens sterben.

»Das aber, Bruder Moggallāno, ist der Grund, das ist die Ursache, warum man den einen der beiden gleich Schuldigen als den Schlechteren und den anderen als den Besseren bezeichnet; und das, Bruder Moggallāno, ist der Grund, das ist die Ursache, warum man den einen der beiden gleich Unschuldigen ab den Schlechteren und den anderen als den Besseren bezeichnet.«

 

»'Die Schuld, die Schuld', so heißt es, Bruder; was versteht man aber eigentlich, Bruder, unter dem Begriffe der Schuld?«

»Die bösen, verderblichen Sinnesrichtungen, Bruder, die versteht man unter dem Begriffe der Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn ich mich vergangen habe, so brauchen die anderen nicht zu wissen: 'Er hat sich vergangen'‹. Möglich, Bruder, dass sie erfahren: ›Er hat sich vergangen.‹ Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Sie wissen es, dass ich mich vergangen habe!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn ich mich vergangen habe, so sollen mir's die Brüder im Geheimen verweisen, nicht vor den anderen Mönchen.‹ Möglich, Bruder, dass sie ihn öffentlich zurechtweisen, nicht im Geheimen. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Öffentlich weisen sie mich zurecht, nicht vertraulich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld.– Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn ich mich vergangen habe, so mag mich ein Freund zurechtweisen, kein anderer Mönch.‹ Möglich, Bruder, dass ihn ein anderer Mönch zurechtweist, kein Freund. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer Mönch weist mich zurecht, der mir ferne steht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Ach möchte doch der Meister in Wechselrede mit mir den Mönchen die Lehre darlegen, nicht in Wechselrede mit einem anderen Mönche!‹ Möglich, Bruder, dass der Meister mit einem anderen Mönch in Wechselrede die Lehre darlegt, nicht mit diesem Mönche. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Mit einem anderen Mönch in Wechselrede legt der Meister den Mönchen die Lehre dar, nicht mit mir!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Die Mönche sollten beim Gang nach dem Dorfe um Almosenspeise mich an die Spitze stellen, keinen anderen!‹ Möglich, Bruder, dass sie einen anderen Mönch vorangehn lassen, nicht diesen. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einen anderen stellen sie voran, nicht mich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn doch bei der Mahlzeit der beste Sitz, das beste Wasser, der beste Bissen keinem anderen zufiele als mir!‹ Möglich, Bruder, dass der beste Sitz, das beste Wasser, der beste Bissen einem anderen Mönche zufällt und nicht diesem. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer hat den besten Sitz, das beste Wasser, den besten Bissen erhalten, nicht ich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn nur ich und kein anderer bei der Mahlzeit satt werden kann!‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer und nicht er bei der Mahlzeit satt werde. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer wird satt und ich nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn die Mönche den Garten besuchen, soll es nur meine Sache und nicht die eines anderen sein, ihnen die Lehre darzulegen.‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer Mönch den im Garten versammelten Mönchen die Lehre vorträgt, nicht dieser Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer trägt den Mönchen die Lehre vor, nicht ich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn die Nonnen den Garten besuchen, soll es nur meine Sache und nicht die eines anderen sein, ihnen die Lehre darzulegen.‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer Mönch den im Garten versammelten Nonnen die Lehre vorträgt, nicht dieser Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer trägt den Nonnen die Lehre vor, nicht ich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Wenn Anhänger und Anhängerinen den Garten besuchen, soll es nur meine Sache und nicht die eines anderen sein, ihnen die Lehre darzulegen.‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer Mönch den im Garten versammelten Anhängern und Anhängerinen die Lehre vorträgt, nicht dieser Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Ein anderer trägt den Anhängern und Anhängerinen die Lehre vor, nicht ich!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Mich, wahrlich, sollten die Mönche hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht einen anderen!‹ Möglich, Bruder, dass die Mönche einen anderen Mönch hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht diesen Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einen anderen schätzen die Mönche hoch, halten ihn werth, achten und ehren ihn, mich aber nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Mich, wahrlich, sollten die Nonnen hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht einen anderen!‹ Möglich, Bruder, dass die Nonnen einen anderen Mönch hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht diesen Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einen anderen schätzen die Nonnen hoch, halten ihn werth, achten und ehren ihn, mich aber nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Mich, wahrlich, sollten die Anhänger und Anhängerinen hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht einen anderen!‹ Möglich, Bruder, dass die Anhänger und Anhängerinen einen anderen Mönch hochschätzen, werthhalten, achten und ehren, nicht diesen Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einen anderen schätzen die Anhänger und Anhängerinen hoch, halten ihn werth, achten und ehren ihn, mich aber nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Man sollte doch mir eine auserlesene Kutte zukommen lassen, nicht einem anderen!‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer Mönch eine auserlesene Kutte erhält, nicht dieser. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einem anderen geben sie auserlesene Kleidung und mir nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. – Möglich, Bruder, dass da einem Mönche in den Sinn kommt: ›Man sollte doch mir auserlesene Bissen, auserlesene Lagerstatt, auserlesene Arzeneien für den Fall einer Krankheit zukommen lassen, nicht einem anderen!‹ Möglich, Bruder, dass ein anderer Mönch auserlesene Bissen, auserlesene Lagerstatt, auserlesene Arzeneien für den Fall einer Krankheit erhält, nicht dieser Mönch. Da wird er erbittert und missvergnügt: ›Einem anderen geben sie auserlesene Bissen, auserlesene Lagerstatt, auserlesene Arzeneien für den Fall einer Krankheit, mir aber nicht!‹ Diese Erbitterung, Bruder, und dieses Missvergnügen: beides ist Schuld. –- Das aber, Bruder, sind die bösen, verderblichen Sinnesrichtungen, die man unter dem Begriffe der Schuld versteht.

»Ein Mönch, Bruder, bei dem sich diese bösen, verderblichen Sinnesrichtungen ungeschwächt zeigen und äußern, und wäre er auch ein abgeschiedener Waldeinsiedler, ein stummer Brockenbettler, bekleidet mit der selbstgeflickten Fetzenkutte, der wird von seinen Ordensbrüdern nicht hochgeschätzt, nicht werthgehalten, nicht geachtet, nicht geehrt: und warum nicht? Weil sich ja bei dem Ehrwürdigen jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen ungeschwächt zeigen und äußern. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, blank und rein, und die Eigner füllten sie mit Schlangenaas oder mit Hundeaas oder mit Menschenaas, deckten eine andere Schüssel darüber und gingen damit auf den Markt. Diese Schüssel sähe einer und sagte: ›Freund, was birgst du darin und entziehst es dem Auge?‹ Und er höbe den Deckel ab, legte die Schüssel bloß, spähte hinein: und bei dem Anblicke stiege ihm Widerwille, Ekel und Abscheu auf, und selbst Hungrigen verginge die Esslust, geschweige Gesättigten: ebenso nun auch, Bruder, wird da ein Mönch, bei dem sich jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen ungeschwächt zeigen und äußern, und wäre er auch ein abgeschiedener Waldeinsiedler, ein stummer Brockenbettler, bekleidet mit der selbstgeflickten Fetzenkutte, von seinen Ordensbrüdern nicht hochgeschätzt, nicht werthgehalten, nicht geachtet, nicht geehrt: und warum nicht? Weil sich eben bei dem Ehrwürdigen jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen ungeschwächt zeigen und äußern.

»Ein Mönch, Bruder, bei dem sich jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen nicht mehr zeigen, nicht mehr äußern, und wäre er auch ein Landpilger, ein Ausgespeister, bekleidet mit einer geschenkten Kutte, der wird von seinen Ordensbrüdern hochgeschätzt, werthgehalten, geachtet und geehrt: und warum das? Weil sich ja bei dem Ehrwürdigen jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen nicht mehr zeigen, nicht mehr äußern. Gleichwie etwa, Bruder, wenn da eine messingerne Schüssel wäre, am Markte oder beim Kupferschmidte erstanden, blank und rein, und die Eigner füllten sie mit einem saftigen, würzigen Gerichte aus gekochtem gesichteten Reis, deckten eine andere Schüssel darüber und gingen damit auf den Markt. Diese Schüssel sähe einer und sagte: ›Freund, was birgst du darin und entziehst es dem Auge?‹ Und er höbe den Deckel ab, legte die Schüssel bloß, spähte hinein: und bei dem Anblicke stiege ihm Behagen auf, kein Ekel, kein Abscheu, und selbst bei Gesättigten regte sich Esslust, geschweige bei Hungrigen: ebenso nun auch, Bruder, wird da ein Mönch, bei dem sich jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen nicht mehr zeigen, nicht mehr äußern, und wäre er auch ein Landpilger, ein Ausgespeister, bekleidet mit einer geschenkten Kutte, von seinen Ordensbrüdern hochgeschätzt, werthgehalten, geachtet und geehrt: und warum das? Weil sich eben bei dem Ehrwürdigen jene bösen, verderblichen Sinnesrichtungen nicht mehr zeigen, nicht mehr äußern.«

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Mahāmoggallāno an den ehrwürdigen Sāriputto und sprach:

»Ein Gleichniss, Bruder Sāriputto, leuchtet mir auf.«

»Es leuchte dir auf, Bruder Moggallāno.«

»Einst weilte ich, Bruder, auf der Bergeshalde bei Rājagaham. Und ich erhob mich frühmorgens, nahm Mantel und Schaale und ging zur Stadt um Almosenspeise. Zu jener Zeit aber war Samiti, der Sohn eines Wagenbauers, damit beschäftigt eine Radscheibe abzuhobeln, und Paṇḍuputto, ein Nackter Büßer, der vorher Wagner gewesen, stand dabei. Da kam nun der ehemalige Wagner, der Nackte Büßer Paṇḍuputto auf folgende Gedanken: ›O dass doch der Wagnersohn Samiti seinem Rade diese Rille und diesen Bug und diesen Knoten abhobeln möchte: dann würde das Rad, befreit von Rillen, Bügen und Knoten, aus reinem Kernholz bestehn.‹ Und während, Bruder, dem Nackten Büßer Paṇḍuputto, dem früheren Wagner, Gedanke um Gedanke erschien, hobelte der Wagnersohn Samiti seinem Rade Rille um Rille, Bug um Bug, Knoten um Knoten ab. Da ließ der Nackte Büßer Paṇḍuputto, der frühere Wagner, freudig bewegt den frohen Ruf ertönen: ›Wie aus dem Herzen heraus hobelt er mir!‹ –: Ebenso nun auch, Bruder, giebt es da Leute, die unwillig, aus Nothdurft, nicht aus Zuversicht vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen sind, Häuchler, Gleißner, Scheinheilige, aufgeblasene Windbeutel, geschäftige Schwätzer und Plauderer, schlechte Hüter der Sinnesthore, ohne Rückhalt beim Mahle, der Wachsamkeit abgeneigt, gleichgültig gegen das Asketenthum, lässig in der Ordenspflicht, anspruchsvoll, aufdringlich, vor allem Gesellschaft suchend, Einsamkeit als lästige Last fliehend, matte, schwache Herzen, verworrene, unklare Köpfe, unbeständige, zerstreute Geister, Beschränkte und Stumpfe: diesen hat der ehrwürdige Sāriputto mit seiner Darstellung wie aus dem Herzen heraus gehobelt. Es giebt aber auch edle Söhne, die aus Zuversicht vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen sind, keine Häuchler, keine Gleißner, keine Scheinheiligen, keine aufgeblasenen Windbeutel, kein geschäftigen Schwätzer und Plauderer, strenge Hüter der Sinnesthore, mäßig beim Mahle, der Wachsamkeit ergeben, dem Asketenthum zugethan, eifrig in der Ordenspflicht, anspruchslos, nicht aufdringlich, vor allem Einsamkeit suchend, Gesellschaft als lästige Last fliehend, muthige, starke Herzen, einsichtige, klare Köpfe, beständige, einige Geister, Weise und Witzige: diesen war des ehrwürdigen Sāriputto Darstellung gleichsam Speise und Trank für Herz und Ohr. Trefflich, fürwahr, hast du die Ordensbrüder vor dem Unrecht gewarnt und im Recht bestärkt. Gleichwie etwa, Bruder, ein Weib oder ein Mann, jung, blühend, gefallsam, sich den Kopf wäscht, Lilien, Gelsaminen oder Windlinge pflückt, zum Kranze bindet und damit den Scheitel schmückt: ebenso nun auch, Bruder, giebt es da edle Söhne, Asketen der Zuversicht, die du trefflich, fürwahr, vor dem Unrecht gewarnt und im Recht bestärkt hast.«

 

So, wahrlich, ergetzten sich jene beiden Großen an gegenseitiger trefflicher Rede.


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