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Eins muß man den Unerbittlichen lassen: sie geraten niemals in Verlegenheit und strecken niemals die Waffen. Der Fall mag noch so schwierig liegen, – der Unerbittliche findet einen Ausweg in sein eigenstes Sprachland, in das von ihm mit so großer Virtuosität verhunzte Deutsch, das in seinem Verdeutschland gesprochen wird. Da gerät er z. B. an die Chemie und sieht sich zunächst von einem Dickicht fremdsprachlicher Ausdrücke umfangen. Ganz leicht wird's ihm ja nicht werden, sich aus dem Gestrüpp herauszuwinden. Aber mit alterprobter Tapferkeit durchhaut er die Hindernisse, und mit einer Geschwindigkeit, die jede Hexerei übertrifft, springt er aus der Umstrickung in sein vertrautes Gelände.
Er hat es geschafft, hat eine neue Sprachprovinz erobert und gibt durch amtlichen Anschlag – jeder Fex fühlt sich als Behörde – der Welt folgendes bekannt:
Es heißt nicht mehr »Chemie« sondern »Scheide- und Fügekunst«. Der Chemiker, im allgemeinen »Scheide- und Fügekünstler«, hat sich zu entscheiden, ob er als Organiker: »Kohlenstoffverbindungsscheideundfügekünstler« oder als Anorganiker wirken will, also als »Nichtkohlenstoffverbindungsscheideundfügekünstler«. Der Synthetiker schreitet fortan als »Grundstoffklebekünstler« durch die Wissenschaft, der Analytiker als »Scheidler«, der Laborant als »Scheidlergehülfe« oder »Scheidler zweiter Güte«. Das sind aber erst die vorbereitenden Anfänge, hoffnungerregende Proben, die eine in Mitteldeutschland erscheinende Chemiker-Zeitung vorschlagsweise der aufhorchenden Mitwelt schon vor Jahren unterbreitet hat. Die Liste geht natürlich weiter und öffnet uns eine wahre Schatzkammer sprachlicher Erfreulichkeiten:
Fremdsprachlich: | Neudeutsch aus Verdeutschland: | |
Oxydieren | versauerstoffen | |
reduzieren | entsauerstoffen | |
nitrieren | verstickstoffen | |
Katalysator | Scheidungskitzler | |
Spektroskop | Brechlichtlinienrohr | |
Hygroskopie | Wassersucht | |
Elektrochemie | Funkenscheideundfügekunst | |
Emulsion | Hängeschleim | |
Explosion | Plötz-Zersetzung | |
Guano-Industrie | Vogelabfallwerktätigkeit | |
Ultramarin | Übermeerblau | |
Qualitative Analyse | Was-drin-Scheidung | |
Quantitative Analyse | Wieviel-drin-Scheidung | |
Isolieren | bloßstellen | |
Eisenoxyd | Dreifachversauerstofftes Doppeleisen | |
Kaliumferricyanid | Zwölffachverblaugastes Sechskaliumdoppeleisen. |
Der Leitspruch »Alles läßt sich übersetzen« feiert hier schöne Triumphe. Die Wissenschaftssprache kapituliert und überliefert den Stürmern ihre lebenden und toten Bestände. Kein Zweifel, daß auch Worte wie »Paraphenylendiamin«, . . . »Phenylglycinorthocarbonsäure« und noch viel komplizierte Ausgeburten der chemischen Werkstätten sich nicht länger in ihrer bitterbösen Fremdsprachlichkeit behaupten können werden. Die Unerbittlichen werden sie schon zwangsweise in Verdeutschland anzusiedeln wissen.
Dabei muß es auffallen, daß ihnen das Kleine und Allerkleinste doch größere Schwierigkeiten verursacht als das Große und Allergrößte. Kein Fex zögert eine Sekunde, wenn er »Universum«, »Kosmos«, »Totalität« gereinigt wiedergeben soll, aber jedem merkt man die Verlegenheit an, sobald er an das »Atom« gerät. Soll er »Ur-Teilchen« sagen? geschrieben ginge es ja, allein gesprochen hört es sich an wie ein kleiner Gerichtsbeschluß: Urteil‑chen. Und dann lassen sich auch die Ableitungen »Atomist«, »atomistisch«, »Atomistik« aus dem Ur-Teilchen nur höchst mangelhaft oder garnicht entwickeln. Man hat vorgeschlagen »Kleinchen«, ja ein besonders findiger Apostel der Sprachreinigung setzte sich dafür ein, statt des unleidlichen »Atom« die schmucke Bezeichnung »Das Etwas« in Umlauf zu bringen; in der Mehrheit: »Die Etwase«. Beim Begriff des Moleküls hat man dann die Auswahl zwischen »Doppelkleinchen«, »Kleinchengruppe« und »Doppeletwas«.
Der gewissenhafte Verdeutsch-Chemiker, der schon die Kleinchen so liebevoll sprachbetreut, wird selbstverständlich auch die Körperwelt der Elemente, also der »Größchen« unter seine Obhut nehmen. Der Stoff Jod kann allenfalls als genügend »eingedeutscht« gelten, obschon er noch deutlich seine Herkunft vom griechischen ioeides verrät und deshalb die Übersetzung »Veilchenfarb« ganz gut vertragen würde. Aber die Lumpazivagabunden Tellur, Helium, Selen tragen doch ihr Fremdattest zu auffällig vor sich her und müssen deshalb von den Sprachvögten zur Landessitte gezwungen werden. Also schnell ein gutes Lexikon her und nachgeschlagen; da haben wir's ja: tellus, – Helios, – Selene, und sogleich behängen wir die drei Fremdbürger mit den Täfelchen: Erdstoff – Sonnenstoff – Mondstoff. Daß dabei, wissenschaftlich betrachtet, ein Unsinn herauskommt, verschlägt uns nichts; denn der blanke Übersetzungsunsinn hat ja bei hundert anderen wissenschaftlichen Gelegenheiten auch nicht gestört. Also lassen wir es dabei und fügen wir noch für Radium und radioaktiv hinzu: Strahlstoff und strahlstofftätig (kürzer strahlstofflich), wobei nur zu beachten, daß die Radioaktivität noch einer ganzen Anzahl anderer Elemente zukommt, z. B. dem »Polonium«, das sich Polenstoff, Polenblende oder Polenglutstoff nennen mag, je nach der Polenvorlage mit Sprachparagraphen, die wir von den Tausendkünstlern zu erwarten haben.
Man darf annehmen, daß die Unentwegten bei allem sonstigen Selbsttrotz nicht mit ganz blanken Gewissen an derlei herantreten. Denn sie spüren bei der Beschäftigung mit den Atomen, daß sie damit in die Nähe des Elektrons, ja der ganzen »Elektrizität« geraten, und diese ist keines Sprachreinigers Freundin. Zwar für »elektrisieren« haben sie: durchblitzen, durchzucken, begeistern, aufrütteln, aber die Elektrizität als Erscheinung an sich ist ihnen unangenehm. Man findet dafür: »Bernsteinkraft«, auch wohl »Bernsteinigkeit« (in allerletzter Zeit: »Elt«), was ja an sich wunderschön wäre, wenn man nur im wissenschaftlichen oder landläufigen Gebrauch das Geringste damit anfangen könnte. Ich brauche das nicht im Einzelnen zu begründen und möchte nur darauf hinweisen, daß man mit dem Ausdruck »bernsteinige Straßenbahn« bei allen Mitbürgern, die mit der Elektrischen fahren, in den Verdacht des Irrsinns gelangen würde.
Was im griechischen Wort mit der Beziehung auf Elektron, Bernstein, als eine wertvolle und unverlierbare Erinnerung eingekapselt liegt, muß bei jedem Anklang an irgendwelche Neusprache wie ein Ulk wirken. Wer da einfach und unverdrossen den alten Keim auf den neuen Zweig hinüberpfropft, verfällt der Lächerlichkeit. Der Galvanismus, die Berührungselektrizität, gab sich zuerst als eine Erscheinung am zuckenden Froschschenkel zu erkennen, sowie diese Kraft im allgemeinen am geriebenen Bernstein. Es sollte mich daher nicht wundern, wenn der Bernsteinkraftler etwa dahin gelangte, das Wort »Galvanoplastik« mit »Froschschenkelzuckungsbildnerei« zu verdeutschen. Er hätte ja damit den historischen Zusammenhang, er, der nämliche, der in tausend anderen Fällen tausend wichtigere geschichtliche Zusammenhänge in Weltworten nicht erkennt oder verleugnet, wenn sie mit seinen Reinigungs- und Putzversuchen in Widerstreit geraten; wo er dann den historischen Edelrost unbedenklich abkratzt und mit seinem Sprachputzpulver darüber wegschrubbert. – Ein »Planet« ist ursprünglich zweifellos ein »Wandelstern«, und das Deutschwort mag heute noch statthaft erscheinen, wo der Zusammenhang irgendwelchen Hinweis auf das Wandeln darbietet. Kriegt es einer sonst fertig – (es ist und bleibt natürlich eine sprachliche Unmöglichkeit) –, so mag er sogar die Keplerschen Gesetze mit Wandelsternen vortragen. Wenn aber z. B. von der »Seeherrschaft auf dem Erdplaneten« gesprochen wird, so bedeutet der Planet unsere Welt, den Schauplatz unseres Wirkens, aber durchaus nicht ein Gestirn, welches wandelt. Es wäre mithin abgeschmackt, von der »Seeherrschaft auf dem irdischen Wandelstern« zu reden, wie es anderseits vollkommen richtig wäre, im Gegensatz zu vielen Vergänglichkeiten von der »Unwandelbarkeit« unseres »Planeten« zu sprechen. – Für »Komet« ist »Schweifstern« unbedingt abzulehnen, da ja auch andere Himmelskörper wegen ihres Schweifens im Raume als Schweifsterne angesprochen werden können. Bleibt also »Irrstern« oder »Haarstern«. Mit diesen zwei Übersetzungen bewehrt mag sich der Reinmachemann über Goethes Epilog zu Schillers Glocke hermachen, um ihm den alten Sprachflecken abzuscheuern. Denn da heißt es:
»Er glänzt uns vor, wie ein »Komet« entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend«,
womit ganz bestimmt weder die Eigenschaft des Irrwandelns noch das Auffallende eines Haarbusches gemeint ist, sondern ganz ausschließlich das Glänzende, Übersinnliche, das sich nach kurzem Leuchten in dem Dunkel des Weltalls verliert. Nun wird es aber Zeit, dem ewig fremdwörtelnden Goethe den Text zu verbessern:
»Er glänzt uns vor, wie ein Haarstern entschwindend . . .«
was ja auch im Munde eines Vortragenden, rein dichterisch genommen, viel besser klingt!
*
Wenn man statt Säson, Saison (season) »Spielzeit« sagen will, so wäre wenig dagegen einzuwenden, obwohl »Spielzeit« mit einem leisen Doppelsinn behaftet ist und sich z. B. von der Spieldauer des einzelnen Stückes nicht genügend unterscheidet. Aber der Begriff der Saison, wie die Welt ihn versteht, ragt über den Theaterbetrieb weit hinaus und umfaßt auch den Wechsel der Jahreszeit mit ihren vielfachen Hinweisen auf Sonnenstand, Klima, Mode, Sport, gesellschaftliche Veranstaltung. Da versagt also die »Spielzeit«, und der Ruf nach Ersatz hat bereits zu Preisausschreibungen geführt, die zwar bis heute ergebnislos blieben, indes doch den Ausdruck »Gezeiten« als den begünstigten erscheinen lassen. Ein anerkanntes Pluralwort, das sich nunmehr auch die Einzahl, die »Gezeit« wird angewöhnen müssen. Wiederum liegt ein unangenehmer Doppelsinn vor, da die Gezeiten, um den neuen Bedürfnissen gerecht zu werden, sich von ihrer Grundbedeutung als dem Spiel von Ebbe und Flut abdrängen lassen sollen. Aber derartige zarte Erwägungen pflegen ja die Reformer nicht zu beunruhigen. Sie werden für Sportsaison wohlgemut Sportgezeit sagen, auf die Gefahr hin, ein Wort mit dem früheren Geltungsbereich vom Nord- bis zum Südpol auf den Engbereich ihrer Versteher einzuschränken, vorausgesetzt, daß sie nicht auch den »Sport« als lästigen Ausländer hinauswerfen und sich zu »Leibesübungsgezeit« oder »Wettrenngezeit« entschließen. Sie werden aber an noch stärkere Peinlichkeiten geraten, z. B. in der »Badezeit«, wenn sich da etwa ein junges Paar während der »Hochsaison« vermählt, wo dann die »Hochzeit« in der »Hochgezeit« stattfindet.
Aber auf den Klang kommt es ja nicht mehr an. Hat sich doch statt des kurzen, von zwei Vokalen getragenen, so leicht wie eine Stimmgabel ansprechenden »Büro« die mindestens doppelt so lange, von Konsonanten erdrückte »Geschäftsstelle« durchgesetzt. Und wieviele der neuzeitlichen Übersetzungskünste laufen im Nebenberuf darauf hinaus, die musikalischen Ansprüche des Ohres auf Null und unter Null hinabzudrücken! Das abgestumpfte Gehör, die stolpernde Zunge sind ja vergleichsweise noch die geringeren Übel. Der Mann aus Verdeutschland bemerkt sie überhaupt nicht, er kennt nur ein Ziel und blendet sich mit Scheuklappen gegen alles ab, was rechts und links auf dem Wege liegt, mag sich da auch das Wichtigste und Wesentlichste befinden: die Bestimmtheit des Ausdruckes, seine Unterscheidbarkeit, seine Übereinstimmung mit dem Vorgestellten. Die »Alliierten« sind selbstverständlich die »Verbündeten«. Daß es aber im großen Kriege zwei Sorten von Verbündeten gab, darauf kam es nicht an, die »Übersetzung« geht vor; geht so unbedingt vor, daß selbst Blätter, die sonst gar nicht im Übersetzungstaumel befangen sind, das Verdeutschwort unterschiedslos schreiben oder doch wenigstens schrieben, allen Verdunkelungen im Zusammenhange zum Trotz. Da las man denn zu unzähligen Malen von den Erfolgen der »Verbündeten« denen die Niederlagen der »Verbündeten« gegenüberstehen; in ein und demselben Satz marschierten die Verbündeten gegen die Verbündeten, sie bekämpften einander, zogen sich voreinander zurück, erlebten und bereiteten Schicksale und überließen es dem Leser, sich aus dem verwirrenden Gleichklang herauszuwickeln. In der Regel gelang das, da man ja die Tatsache kannte. Aber in hunderten von Fällen schritten die Verbündeten ohne Abzeichen durch das Satzgefüge, so daß für den Leser immer wieder die Frage offen blieb: Welche Verbündete? . . . »wie die holländischen Zeitungen mitteilen, holen die ›Verbündeten‹ zu einem neuen Schlage aus«; »es verlautet, daß die ›Verbündeten‹ eine neue Note vorbereiten«; »die Verluste der ›Verbündeten‹ waren schwer«; »auf spanischem Boden wird ein Wechsel der Stimmung gegen die ›Verbündeten‹ bemerkbar«. Was wäre einfacher und klarer gewesen, als von Anfang an unsere verschworenen Feinde als die Alliierten und die vereinigten Mittelmächte als die Verbündeten auseinanderzuhalten? Aber dazu konnten sich die Schreibefedern nicht entschließen, denen eine Zwiespältigkeit des Sinnes willkommener war, als das Fremdwort. Lieber übersetzte man: Franzosen, Engländer, Italiener, Portugiesen, Rumänen, als daß man sie unter dem Sammelwort der »Allianz« vereinigte; sie mochten uns Fremde sein, fremde Feinde, fremde Verlästerer deutschen Wesens, aber zu einem Fremdwort durften sie uns nicht zwingen! Dazu wurden die Gegensätze aufgestellt und festgehalten: Dreibund – Dreiverband; Vierbund – Vierverband; aber Sprachgeist und Logik haben auch dabei nicht Gevatter gestanden. Herrscht in Bund kontra Verband sprachlich irgendwelcher Kontrast? lebt in ihnen irgend eine Ausdrucksdeutlichkeit zur Bezeichnung eines weltgeschichtlichen Gegensatzes? Man braucht die Frage nur aufzustellen, um sie zu verneinen. Das Wesen dieser Worte, sobald sie gegeneinander gestellt werden, ist die Verschwommenheit, die vollständige Abwesenheit begrifflicher Grenze. Wenigstens hatte man, um der letzten Verwirrung vorzubeugen, immer noch das Fremdwort »Entente«, das einer glatten Übersetzung widerstrebend vielfach als »Angtante« verkleidet auftrat, womit doch dem dringendsten Verdeutschungsbedürfnis Genüge geleistet wurde! Wie sich die Zukunft zu diesen Künsten stellen wird, bleibt abzuwarten; ich vermute, daß sie das natürliche Verhältnis wieder herstellen und in der Geschichtsschreibung die Mächtegruppen mit aller Evidenz als das bezeichnen wird, was sie waren: als die Verbündeten und die Alliierten.
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»Worte über Worte«, das wäre ein besonderes Kapitel und soll auch besonders behandelt werden. Wir verstehen darunter die gültig gewordenen Kunstausdrücke, welche die Sprache als solche in ihren inneren Beziehungen zum Gegenstand haben, in Prosa, Vers, Struktur, Anordnung, Stil usw. Was auf diesem Gebiete von den Reinemachern verbogen, verwischt, verwaschen und vermanscht wird, übersteigt alle Begriffe. An dieser Stelle soll nur ein Abenteuer erwähnt werden, das dem nicht sonderlich wichtigen, aber ganz interessanten »Palindrom« zugestoßen ist. Man versteht darunter ein Wort oder eine Wortfolge von solcher Eigentümlichkeit, daß die Vorwärts- oder Rückwärtslesung genau den nämlichen Sinn ergibt, wie »Marktkram«, »Reliefpfeiler« usw. Da aber Palindrom ersichtlich welsch ist, so muß es ausgerottet werden. Wie verdeutscht man es nun? Man höre und staune; wir sollen sagen: »Rückläufer«! Das kommt dem Herrn, der in und von der mechanischen Übersetzung lebt, ganz genau vor, und der Lehrer in Obersekunda könnte ja auch damit zufrieden sein, wenn eben nur Griechisch-Deutsch verhandelt wird, ohne die Sonderbedeutung des Wortes. Hört man nun »Palindrom«, so weiß man sofort ganz eindeutig, was gemeint ist, und die ganze Kompliziertheit der Vorwärts- und Rückwärtslesung mit gleichbleibendem Klang und Sinn wird uns gegenwärtig. Was aber ist »Rückläufer« ohne weiteren erklärenden Zusatz? Da hat man die Auswahl: ein ausreißender Soldat; eine Schachfigur; ein Billardball unter Wirkung des Tiefstoßes; eine im Buchhandel zurücklaufende (als »Krebs« bezeichnete, remittierte) Druckschrift. Schließlich kommt dem Mann aus Verdeutschland diese Vielsinnigkeit dunkel zum Bewußtsein, und so schlägt er denn vor, ein funkelnagelneues Wort einzuführen: »Hinterfür«! Ich nehme an, daß es sich so schreibt und nicht etwa »Hinterführ«, was etwa besagen würde, daß die Sprachfuhre auch nach hinten fahren kann; nein, nur die zwei Richtungen »fürwärts« und »nach hinten« sollen verschmolzen werden, und wer das Wort wirklich annehmen will, der könnte sich beruhigt schlafen legen, mit dem süßen Gefühl, dem scheußlichen Welschwort endgültig den Kragen umgedreht zu haben. Ach, ihr lieben Herrn! wenn ihr nur eine Ahnung hättet, mit wieviel »Hinterfürs« euer zusammengeklaubter Wortschatz belastet ist und wie der Sprachgenius schaudert, wenn er von solchen bösartigen Neubildungen Kenntnis erhält!