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Des Heilands Kreuz, Mirèio, ragte
Noch auf Judäas Berg und klagte
Des höchsten Undanks an das Volk Jerusalems;
Es rief, noch feucht vom Gottesblute,
Der Stadt zu, die am Abhang ruhte:
Was tatest du im Frevelmute,
Was tatest ruchlos du dem König Bethlehems?
Und auf den Plätzen, auf den Gassen
Drang nicht mehr irrgeführter Massen
Geschrei und Lärm empor. Der Kidron ganz allein
Schlich, klagen murmelnd, längs der Mauern;
Der Jordan trug sein tiefes Trauern
Fern zu der Wüstenöde Schauern
Durch Terebinthenwald und dunklen Pinienhain.
Das arme Volk, vom Wahn genesen,
Sah wohl, daß der sein Christ gewesen,
Der auferstanden war aus Todesnacht und Grab,
Um himmlisch strahlend all den Seinen,
Den Freunden, Jüngern zu erscheinen
Und dann, dem Vater sich zu einen,
Auffuhr und Petri Hut die Schlüssel übergab.
Den Zimmermann aus Galiläa
Beweinte man in ganz Judäa!
Den blonden Zimmermann, der Sünder aufgeschreckt
Mit weisen, milden Gleichnisworten,
Mit Passahbroten mancherorten
Das Volk gespeist, an Tempelpforten
Aussätzige geheilt und Tote auferweckt.
Die Priester aber und die Lehrer
Und das Gezücht der Mammonsmehrer,
Die einst sein Zorn verjagt vom heiligen Palast.
Sie flüsterten sich in die Ohren:
Die Menge murrt, wir sind verloren,
Wenn auf Samarias Mauertoren
Und Zions nicht alsbald des Kreuzes Licht erblaßt.
Und nun ein Wüten, Morden, Schnauben.
Blutzeugen starben für den Glauben:
Stephanus' Treue ward die Steinigung zum Lohn,
Jakobus sank am Block zusammen,
Allorts ein Richten und Verdammen! . . .
Doch unter Eisen, unter Flammen
Rief sterbend jeder Mund: Ja! Er ist Gottes Sohn!
Uns, ihm durch brüderliche Bande
Vereinten, die in alle Lande
Ihm treulich nachgefolgt, hat man auf schlechtem Boot,
Dem Ruder nicht noch Segel blieben,
Den wilden Wogen zum Belieben
Aufs hohe Meer hinausgetrieben.
Wir Schwestern weinten laut. Stumm war der Brüder Not.
Schon sehn wir im Vorübergleiten
Paläste, Türme, sehn die weiten
Olivenhaine fliehn; fern grüßt des Karmel Wand
Das Boot beim Auf- und Niederwallen.
Da scheint uns, schmetternd und kristallen,
Vom Ufer her ein Schrei zu schallen:
Ein junges Mädchen winkt und ruft nach uns vom Strand.
Die Hände hob in heißem Flehen
Sie auf: O laßt mich mit euch gehen,
Nehmt Sara, eure Magd, zu euch ins Schiff. Ich will,
O Herrinnen, mit euch den herben
Märtyrertod um Jesum sterben! . . .
Jetzt siehst du sie den Himmel färben
Mit ihrem Glorienschein, gleich Frührot im April.
Weit war das Land zurückgeblieben;
Doch Salome, von Gott getrieben,
Riß ihren Schleier ab und warf ihn auf die Flut . . .
O Glaube! Höchste Stärkequelle!
Auf der bewegten blauen Welle
Schritt nun das junge Mädchen schnelle
Auf unser Schifflein zu, in seines Engels Hut.
Durch Wind und Wogen, ohne Bangen,
War auf dem Schleier sie gegangen.
Doch als nun Berg um Berg in fernem Duft verschwand
Und endlich rings nur Meer zu sehen,
Da fühlten wir des Abschieds Wehen,
Da war's um unsre Kraft geschehen!
Der ahnt nicht unsern Schmerz, der Heimweh nie empfand!
Ade, Judäa! Einst vor allen
Gesegnet, jetzt dem Fluch verfallen,
Weil du das Wort verfolgt, den Herrn mit frevler Hand
Gekreuzigt hast. Dem Wild zum Raube
Reift nun die Dattel dir und Traube;
Bald nisten Schlangen nur im Staube
Der Städte, die dein Stolz! Ade, du Heimatland!
Mit Brüllen und mit Wogenschlagen
Begann ein Sturm das Boot zu jagen.
Am Buge hingekniet, befahlen Saturnin
Und Martial uns des Himmels Walten;
Nachdenklich saß, beim edlen, alten
Trophim, der in des Mantels Falten
Sich fröstelnd eingehüllt, der Bischof Maximin.
Lazarus, fast noch eine Leiche,
Der grabentriss'ne, todesbleiche,
Stand aufrecht vorn auf Deck und schaute vom Verhag
Wie trotzend in des Abgrunds Gähnen.
Martha saß stumm bei Magdalenen,
Die, aufgelöst in Reuetränen,
Auf dem verlornen Schiff in einem Winkel lag.
Im Bauch des Fahrzeugs, das Dämonen
Fortstießen, knieten bei Sidonen
Joseph von Arimathia, der treue Mann,
Eutrop, Marcella. Psalmen schwangen
Sich auf zum Himmel. Es erklangen
Die Stimmen im Verein und sangen
Zu ihm, der aus Gefahr und Not erretten kann.
O, wie das schwache Fahrzeug eilte,
Die schäumenden Gewässer teilte!
Oft glauben jetzo noch die Wogen wir zu sehn,
Die vor der Wirbelwinde Toben
Sich jäh aus finstern Tiefen hoben,
Um dann, in seinen Dunst zerstoben,
Am fernen Horizont gleich Geistern zu verwehn.
Die Sonne stieg aus fahlen Fluten,
Die Sonne sank in düstern Gluten,
Und immer irrten wir auf weitem Meeresplan,
Den Stürmen hilflos preisgegeben.
Doch schützte Gott uns Leib und Leben;
Sein Wille war's, uns Frist zu geben,
Bis dem Provencervolk Sein Wort wir kundgetan.
Einst, bei der Morgendämm'rung Nahen
War still das Wetter: vor uns sahen
Die Nacht wir leise fliehn, ihr Lämplein in der Hand
Gleich einer Witwe, die beim roten
Frühlicht vom Lager steigt, den Broten
Im Ofen nachzusehn. Die toten
Flutwellen schlugen kaum an unsres Schiffes Wand.
Doch jetzt erhebt sich fern ein Brausen,
Das schwillt und wächst. Es füllt mit Grausen
Der nie gehörte Laut die Seele. Weitum brüllt
Es dampft und dräut wie zorngeschwollen,
Mit Ächzen, mit Geheul und Grollen,
Mit markerschütternd schwerem Rollen . . .
Wir spähten sprachlos aus, erstaunt und angsterfüllt.
Und übers Meer, das wie vor Bangen
Sich duckte, kam die Bö gegangen,
Und dröhnend war ihr Schritt. Doch blieb zur selben Zeit,
Wie wenn durch Wunder es geschähe,
Ganz still die See in unsrer Nähe;
Nur in der Ferne hob sich jähe
Ein Wasserberg empor, erschreckend hoch und breit.
Von dunkeln Wolken überzogen
Kam nun das Meer in wilden Wogen
Mit Schnauben und Gebrüll auf unser Schifflein zu;
Und plötzlich schlug uns eine Welle
Hinab ins Dunkel, aber schnelle
Riß uns die nächste auf zur Helle,
Und wieder ab und auf! Hilf, Herr im Himmel du!
O welche Furcht! O welches Zittern!
O welch ein Blitzen und Gewittern!
Der Donner rollt und kracht, es häuft sich Schreck auf Schreck!
Nun muß der Hölle das Verschlingen
Des schwanken Kieles doch gelingen!
Der Weststurm naht auf Adlerschwingen
Und unsre Stirnen schlägt er wütend auf das Deck.
Und weiter, immer weiter flogen
Wir, aufwärts bald in hohem Bogen
Und bald ins tiefe Tal, wo dumpf der Abgrund grollt.
Wir glaubten, durch der Flut Empören,
Bei Klippenfischen, Haien, Stören,
Ertrunkner Klagelaut zu hören;
Ertrunkner, die das Meer in seinen Wellen rollt!
Verloren sehn wir uns! Denn wieder
Schlägt eine Sturzsee auf uns nieder.
Da betet Lazar laut: Herr Jesus steh uns bei!
Der ohne dich dem Grab zum Raube,
Ruft nun dich an! Dein harrt sein Glaube! –
Dem Aufflug gleich der wilden Taube
Durchschnitt den Sturm und schwang sich himmelan der Schrei.
Von seines Himmelsthrones Hehre
Hat Jesus auf dem wilden Meere
Des Freundes Not gesehn, des Freundes Todesqual.
Nun ruht mit himmlischem Erbarmen
Sein Auge segnend auf uns Armen:
Wir fühlen plötzlich ein Erwarmen;
Denn durch das Dunkel bricht ein langer Sonnenstrahl.
Ein Halleluja! grüßt die Helle.
Noch einmal rüttelt uns die Welle,
Noch einmal kosten wir das klägliche Geschick;
Doch jetzt verschwinden alle Schrecken,
Es glättet sich das Meeresbecken,
Es reißen rings die Wolkendecken
Und schimmernd grünes Land erschließt sich unserm Blick.
Noch fühlen wir auf langen Wellen
Des Bootes Auf- und Niederschwellen.
Dann, endlich, beugen sich die Wogen unserm Kiel;
Und hin zur heiß ersehnten Landung
Durchschneidet unsres Schiffleins Wandung,
Dem Silbertaucher gleich, die Brandung
Und zieht durch Flocken Schaums die Furche bis ans Ziel.
Nun birgt ein klippenlos Gestade
Das Fahrzeug. Dank dir, Gott der Gnade!
Wir knien im feuchten Sand und rufen: Sieh uns hier,
Du Retter, der dem Sturme wehrte!
Wir sind bereit, dem Beil und Schwerte
Zu stehn, um was dein Mund uns lehrte
Zu künden: dein Gesetz! Dir, Jesus, schwören wir!
Der Strand, das Land, der Wald, die Heide
Erbebten bis ins Eingeweide
Bei diesem neuen Ruf, bei seines Namens Klang.
Provence fühlte vor dem Segen
Im ganzen Sein ein froh Erregen;
So eilt der Hund dem Herrn entgegen
Und springt an ihm empor zu festlichem Empfang.
Es lagen Muscheln rings gebreitet:
Ein Mahl, den Hungernden bereitet . . .
O Unser Vater, der im Himmel ist! Und nun,
Den Dürstenden ein froh Genießen,
Sahn wir die Wunderquellen fließen,
Die dort noch sich ins Meer ergießen
Wo unsre Leiber jetzt in heil'gem Schreine ruhn.
Des Glaubens voll, der in uns brannte,
Erklommen wir die steile Kante
Des Rhonedeiches schnell. In stetem Weitergehn
Durch Moorland und durch grüne Fluren
Begrüßten wir des Pfluges Spuren;
Dann sahn wir fern auf den Konturen
Der Turmbastei von Arles die Kaiserbanner wehn.
O Arles: Nur Schnitt'rin noch zur Stunde!
Du liegst auf deinem Tennengrunde
Und träumest liebevoll von längst entschwundner Macht;
Doch damals trug die Königsbinde
Dein Haupt. Es war dein Schiffsgesinde
So groß, daß keine Wucht der Winde
Den Mastenwald durchdrang in deines Hafens Pracht.
Rom hatte dir den Wall geschichtet,
Dir deine Kampfspielbahn errichtet
Aus schimmerndem Granit, als deiner Stirne Kranz;
Um dich, o Fürstin, zu erfreuen,
Um deine Launen zu zerstreuen,
Umgab es dich mit stolzen, neuen
Gebäuden jeder Art, zu Kurzweil, Spiel und Tanz.
Wir treten in die Stadt. Die Menge
Wälzte sich durch der Straßen Enge
Dem Schauspielhause zu, auf Lustbarkeit erpicht.
Wir folgen ihr. An Säulengängen
Vorbei, mit Jauchzen und Gesängen
Trieb sich das lärmumbrauste Drängen,
Wie wenn ein Regenstrom durch Felsenschluchten bricht.
O Fluch! O Schande! Toll im Kreise
Nach mollgestimmter Leier Weise,
Entblößten Busens, schwang sich eine Mädchenschar
Im Festsaal, unter Blumenkränzen,
Zu gellend lauten Chorkadenzen,
In ausgelassen Reigentänzen
Rings um ein Marmorbild, des Name Venus war.
Das Volk, in seiner Sinne Tiefen
Erregt, schrie Beifall; jauchzend riefen
Mädchen und Jünglinge dazwischen: Singen wir!
Dir, holde Venus, laß uns singen,
Dir, Freudenspendrin, Kränze bringen!
Sieh, wie wir feiernd dich umringen,
Du Mutter unsres Volks! Heil, große Göttin, dir!
Auf weißer Stirn die Myrtenkrone,
Umtost von hellem Jubeltone,
Erschien das Götzenbild wie stolz emporgereckt.
Trophim, empört durch solch Erkühnen,
Verjagt die Tänzer von den Bühnen
Und wendet sich, die Schmach zu sühnen,
An das erstaunte Volk, die Arme ausgestreckt:
O Volk von Arles, du mußt mich hören!
Bei Christo, lasse dich beschwören! . . .
Rief er mit Macht. Doch sieh! Vor dem, den er genannt
Und vor des Greises Zorngedanken
Begann das Götzenbild zu wanken
Und sieh! . . . Es stürzt! . . . Und mit ihm sanken
Die Tänzerinnen hin, von Schrecken übermannt.
Aus tausend Kehlen dringt ein Heulen!
Aus den Portalen, zwischen Säulen,
Drängt sich die Menge wild, durchstürmt die Stadt im Lauf.
Wild schmähn des Patriziates Glieder,
Sie rufen wütend: Schlagt sie nieder!
Die Bürgerschaft ermannt sich wieder,
Und plötzlich blitzt es rings von tausend Dolchen auf.
Doch seltsam! – unsrer Mäntel Wallen,
Umglänzt von trocknen Salzkristallen,
Trophimi Stirn, so hehr und leuchtend anzusehn,
Der Magdalena holde Züge,
Dem Aug' ein süßeres Genüge
Als jenes Marmors starre Lüge,
Dies alles ließ den Feind noch unentschlossen stehn.
Da rief Trophim: Hört, Arelaten!
Bei Christo, lasset euch beraten,
Vernehmet erst mein Wort und mordet dann mich hin!
O Volk von Arles, du sahst soeben
Dein Götzenbild vor mir erbeben;
Nicht uns ist solche Macht gegeben:
Es fiel vor unserm Gott! Nichts sind wir ohne ihn!
Der deinen Götzen dir entthronet,
Kein Gott ist's, der in Tempeln wohnet,
Auf Hügeln auferbaut. Doch schauen Tag und Nacht
Nur ihn dort oben. Streng dem Schlechten,
Mild dem Gebete des Gerechten,
Hat er in sieben Tag' und Nächten
Das weite Firmament und Erd' und Meer gemacht.
Einst sah er von der Sternenfeste,
Voll Raupenfraß des Weltbaums Äste;
Er sah, wie Sklaverei die eig'nen Tränen trank
Und ohne Tröster sich verzehrte,
Sah, daß man nicht den Tempel wehrte
Dem Bösen, der als Priester lehrte,
Er sah, wie keusche Scham der Lust zum Opfer sank!
Und jene Giftbrut zu verjagen,
Der Menschheit ganzes Weh zu tragen,
Die hilflos an den Pfahl der Schmach gefesselt war,
Hat er den eignen Sohn gesendet,
Der nicht sich herrlich, glanzumblendet,
Nein, nackt und arm an uns gewendet,
Durch einer Jungfrau Schoß, die ihn auf Stroh gebar.
Tu Buße, Volk von Arles, tu Buße!
Wir, noch erquickt von seinem Gruße,
Bezeugen dir, daß Gott in seinen Taten war.
Wir durften seine Wunder schauen,
Wenn in des Jordans fernen Gauen
Er wandelte, und voll Vertrauen
Die Armut zu ihm kam, der Mühbeladnen Schar.
Und allen hat er vorgeschrieben,
Einander brüderlich zu lieben;
Und seines Vaters Reich versprach sein heil'ger Mund
Nicht denen, die in Sünden schleichen,
Den Stolzen nicht und nicht den Reichen,
Wohl aber denen, die da weichen
Und reinen Herzens sind und klein und arm und wund.
Und er bezeugte seine Lehre
Im Sturme wandelnd auf dem Meere;
Die Kranken heilt' er oft mit einem Blick und Wort,
Die Toten, die schon Grabesbanden –
Wie hier den Lazarus – umwanden,
Sind auf sein Rufen auferstanden! . . .
Doch ward sein Wirken bald den Mächtigen ein Tort;
Sie nahmen meuchlings ihn gefangen,
Sind mit ihm vor die Stadt gegangen
Und dort, am Kreuzesstamm, mit Bitternis betaut,
Sein heilig Angesicht bespieen,
Ließ betend er den Geist entfliehen,
Zum Vater! . . . Gnade! Gnade! schrieen
Die Arelaten rings und alle schluchzten laut.
Gnade für uns! Was nun beginnen,
Des Vaters Nachsicht zu gewinnen?
Sprich, greiser Gottesmann, versöhnt man ihn durch Blut?
Befiehl, daß man die Opfer rüste!
Doch er: O, daß es jeder wüßte:
Er will, daß jeglich bös Gelüste
Ihr ihm zum Opfer bringt und damit Buße tut!
Denn das, woran der Herr Gefallen,
Ist nicht der Prunk der Tempelhallen
Und nicht des Opfers Blut. Doch hat er Lust am Brot,
Das ihr den Hungernden mit Güte
Verteilt, ihn freut ein rein Gemüte,
Das in der Jugend Maienblüte
Sich ihm zu eigen gibt und seines Sohns Gebote –
So ging des Gotteswortes Kunde
Gleich einem heil'gen Öl vom Munde
Des großen Jüngers aus. Und manche Träne rann;
Und küssend nahten dem Gewande
Des Heiligen, aus Stadt und Lande
Die Kranken. Und die Götzenschande
Der nackten Bilder stieß man aus der Tempel Bann.
Den Arelaten zum Beweise
Wies seiner Augen helle Kreise
Sidon, einst blind, und sprach: Seht, was der Glaube tut!
Und Maximin begann zu lehren,
Durch Reue sei der Herr zu ehren;
Und mächtig ward das Heilsbegehren:
Durch unsre Hand empfing ganz Arles der Taufe Gut.
Wie Wind des Reisigfeuers Lohe,
So trieb der Geist uns glaubensfrohe
Apostel vor sich her auf seiner heil'gen Bahn.
Da kniet, als wir zum Gehn uns wandten,
Vor uns ein Trupp von Abgesandten:
Ihr Sendlinge des unbekannten
Und großen Gottes, hört, so flehn sie, hört uns an!
Schon ist, was ihr mit Flammenzungen
Gepredigt, bis zu uns gedrungen;
Zu euren Füßen schickt uns unsre arme Stadt . . .
Wenn ihr nicht helft, sind wir verloren:
Es hat den Wald vor unsern Toren
Ein Drache sich zum Sitz erkoren. . . .
Seht zu, ob euer Gott mit uns Erbarmen hat!
Das Tier hat Schuppenschweif und Klauen,
Hat Augen, rot wie Blut zu schauen
Und einen Panzerleib, der ganz von Stacheln blinkt.
Sechs Füße tragen schnell den Drachen,
Er hat des größten Löwen Rachen;
Nachts hören wir die Knochen krachen,
Wenn er im Felsversteck Erbeutete verschlingt.
Und Rhoneschiffer alle Tage
Raubt uns die fürchterliche Plage.
Man hört in Tarascon nur jammern noch und schrein. . . .
Wohlan! ruft Martha, kein Verweilen!
Mir brennt das Herz, dies Weh zu heilen!
O komm, Marcella, laß uns eilen
Mit Gott das arme Volk vom Drachen zu befrein!
Und nun, zum letztenmal auf Erden,
Umarmt man sich. Dort oben werden,
Ruft man sich scheidend zu, wir einst uns wiedersehn!
Limoges ward Martials Erwählte,
Toulouse Saturnins Vermählte,
Das prächtige Oranien wählte
Eutrop und ließ alldort das Gottesbanner wehn.
Wohin willst aber du dich wenden,
O sanfte Jungfrau? . . . In den Händen
Den Weihbusch und das Kreuz schritt Martha lächelnd fort
Auf die Tarasco zu. Die Heiden
Sahn immer kleinern Raum sie scheiden
Und sich am seltnen Kampf zu weiden,
Erkletterten sie flugs die Pinien rings am Ort.
Auf fährt vom Schlaf mit wildem Wüten
Das Tier. . . . Nun mag dich Gott behüten!
Doch seht! Mit einem Strahl Weihwassers ist's getan!
Vergebens ist des Scheusals Bäumen,
Sein Schnauben, Zischen, Fauchen, Schäumen,
Denn Martha führt an dünnen Zäumen
Es fort . . . Anbetend drängt die Menge sich heran.
Sprich, bist du Artemis, die Schnelle?
Bist Pallas du, die Weisheitshelle?
Die junge Christin fragt man also. Aber sie:
Nein, nein, nicht mir gebühren Ehren,
Als Gottes Magd, sein Reich zu mehren,
Komm' ich. Und sie begann zu lehren
Und alle beugten schnell mit ihr vor Gott das Knie.
Mit ihrem Worte traf die Reine
Bei Avignon die Felsgesteine,
Und also herrlich floß daraus des Glaubens Strom,
Daß spätre Männer, die mit Namen
Clemens und Gregor hießen, kamen
Und heil'gen Kelches ihn entnahmen.
Da bangte siebzig Jahr um seine Vormacht Rom.
Provencerland, von Gott erkoren,
Du wardst, lobsingend, neu geboren!
Habt ihr es je gesehn, im Feld und Walde dort,
Wie bei den ersten Tropfen Regen
Sich Bäum' und Büsche froh bewegen?
So kamen, dürstend nach dem Segen,
Die Herzen all herbei und labten sich am Wort.
Selbst du, Massilia, vom Denken
An Irdisches nicht abzulenken,
Gefahr und Sturm zum Trotz auf Goldgewinn bedacht;
Die Augen auf das Meer gerichtet,
Nur sinnend, wie man Schätze schichtet:
Du, Stolze, standest wie vernichtet
Beim Wort des Lazarus und schautest deine Nacht!
Und im Uvèunobach, den Zähren
Der heil'gen Magdalena nähren,
Hast du der Sünde Schlamm vor Gott hinweggespült.
Nun baust du Gärten und Paläste . . .
Erinnre dich, eh' Sturm die Äste
Geknickt, inmitten deiner Feste
Der Heiligkeit der Flut, die deine Füße kühlt.
Hügel von Aix, ihr Felsenkämme
Sambucos, hohe Pinienstämme
Des Esterel und du, erhabne Wälderpracht
Der Trevaresso, gebt uns Kunde,
Wie alle Täler in der Runde
Aufjubelten in jener Stunde,
Als Bischof Maximin das Kreuz dorthin gebracht.
Doch wer ist dort in heißem Flehen
In einer Höhle Grund zu sehen,
Weißarmig, schmerzgebeugt? O schau, wie am Gestein
Die zarten Kniee sich verwunden!
Vom blonden Haar, das losgebunden
Ihr einzig Kleid, ist sie umwunden;
Der Mond wacht über ihr mit seinem bleichen Schein.
Der Büßenden Gebet zu lauschen
Neigt sich der Wald und hemmt sein Rauschen;
Und, atemlos gespannt, siehst Engel süß und hold
Die Trostverlaßne du umstehen,
Nach ihrer Tränen Perlen spähen
Und, wenn sie eine fallen sehen,
Sie sammeln unverweilt, in einen Kelch aus Gold.
Genug, schon längst genug der Tränen!
Der Wald bringt dir, o Magdalenen,
Auf Flügeln seines Hauchs das göttliche Verzeihn;
Die Reue ließ die Schuld verjähren
Und ewig werden deine Zähren
Der Frauenliebe Leid verklären
Mit eines Schleiers Glanz, wie Schnee so weiß und rein!
Doch vom verzehrenden Bereuen
Konnte die Ärmste nichts zerstreuen:
Nicht dort am Sant-Pieloun die Vöglein, reich an Zahl
In Ehrerbietung sie umgebend,
Auch nicht die Engel, die, sie hebend,
Wohl siebenmal des Tages, schwebend
Sie durch die Luft entführt, weit über Berg und Tal.
Dir, Herr des Himmels und der Erden,
Sei Lob und Preis! Uns mög' es werden,
Dir ewig nah zu sein in deiner Strahlenwelt!
Wir armen, heimatlosen Frauen,
Doch deiner Liebe voll, wir schauen
Mit Dank und innigem Vertrauen
Den Abglanz deines Lichts, der unsern Pfad erhellt!
Ihr, Hügel von Li-Baus, ihr blauen
Alpinen, tragt in euren Gauen
Die Spur von unserm Wort, das dort ins Felsgestein
Geschrieben steht für alle Zeiten.
In der Camargo Inselweiten,
In ihrer Sümpfe Einsamkeiten,
Befreite uns der Tod von unsrer Tage Pein.
Bald, wie es Schicksal alles dessen,
Was hinsinkt, barg auch das Vergessen
Der drei Marieen Gruft. Man sang von Lieb und Wein
Der Rhonestrom, der flutenreiche,
Saugt die Durance auf: Das gleiche
Geschah dem heitern Königreiche:
Denn endlich schlief Provence an Frankreichs Busen ein.
Sei du ihr Hort im Schwesternbunde
Frankreich! rief in der Sterbestunde
Ihr letzter König aus. O schreitet Hand in Hand,
Um euer Werk mit Ruhm zu krönen.
Das Starke du mit ihr, der Schönen:
Wenn einig eure Stimmen tönen,
Entflieht die finstre Nacht vor eurer Stirnen Band!
Der König hieß René der Gute.
An einem Sommerabend ruhte
Sein Haupt vom Tagwerk aus. Da zeigten wir den Strand
Im Traumbild ihm, wo wir begraben.
Zwölf fromme Bischöfe begaben
Mit König, Hof und Edelknaben
Sich her, wo unterm Moos man unsre Gräber fand.
Ade, Mirèio. Ach, wir sehen
Des Lebens Licht in dir verwehen
Gleich einer Lampe Schein, der zu erlöschen droht . . .
Auf, Schwestern, eilt, die Stunden rinnen!
Laßt, ehe noch ihr Geist von hinnen,
Die lichten Höhen uns gewinnen;
Denn daß wir vor ihr dort ist unsrer Pflicht Gebot.
Ein schneeiges Gewand und Rosen
Bereiten wir der Makellosen,
Die Liebesmartyrtum den Ihrigen entreißt . . .
Auf Paradieseswegen sprießen
Ihr Blumen. Heil'ge Strahlen gießen
Sich aus, Mirèio einzuschließen!
Gott in der Höh' sei Ehr', dem Sohn und heil'gen Geist! |