Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Bei Tagesanbruch finden drei Viehzüchter Vincèn in der einsamen Crau in seinem Blute liegend. Sie bringen ihn auf ihren Armen zum Zürgelhofe. – Abschweifung: Aufruf des Dichters an seine Freunde, die Poeten der Provence. – Mirèios Schmerz. Man trägt Vincèn in die Feenhöhle, Schlupfwinkel der Nachtgespenster und Wohnung der heilkundigen Zauberin Tavèn. Die Feen. Mirèio begleitet ihren Verlobten in die Höhlengänge des Berges. Die Alraunwurzel. Die Erscheinungen in der Höhle: Die Poltergeister, Esperit Fantasti, die Waschfrau vom Ventour. Bericht der Zauberin: Die Totenmesse, der Hexensabbat, der wilde Jäger. Das schwarze Lamm, die goldene Ziege. Tavèn bespricht Vincèns Wunde. Verzückung und Wahrsagung der Beschwörerin.
Dem ersten, fernen Frühlichtblinken Drei Männer, die vom Markte kamen, Als jäh der eine: Kameraden, Doch jetzt verstummen sie: Ein Klagen O! welch ein Anblick! Auf den Kieseln, Verlassen, aller Hilfe ferne, Und die drei Männer, voll Erbarmen, O Freunde! Jugendzeitgenossen!O Freunde! Jugendzeitgenossen! &c. – Der mit diesen Worten anhebende »Aufruf des Dichters an seine Freunde, die Poeten der Provence«, gewissermaßen eine Anrufung der Musensöhne anstatt der Musen, zeigt, wie Eduard Boehmer treffend bemerkt hat, in höchst eigentümlicher Weise den Poeten als Agitator, umringt von mitstrebenden Genossen im Dienste der provenzalischen Idee. »Es ist«, fügt Siegfried Samosch hinzu, »von besonderem Interesse, von Mistral selbst zu erfahren, wie hoch er die Mitbegründer des provenzalischen Dichterbundes, Roumanille, Aubanel, Tavan und andere Feliber geschätzt, wie innig er sie geliebt hat. Wie sympathisch erscheint uns Frederi Mistral in diesen Versen! Mit einer nie versagenden Anhänglichkeit für die provenzalische Heimat verknüpft er die innigste, treueste Freundschaft für die Jugendgefährten. So erscheint er uns nicht bloß als der hochbegabte Dichter, sondern auch als der charakterfeste Mann, der nicht minder als in seinem Vaterland im Auslande wertgeschätzt zu werden verdient.«
Zum besseren Verständnis des »Aufrufes« mögen hier die folgenden biographischen Notizen eine Stelle finden: Jóusè Roumanille, geboren am 8. August 1818 zu Saint-Remy-de-Provence, wird der Vater des Felibertums genannt. Als siebzehnjähriger Student verfaßte er einige mit Beifall aufgenommene französische Gedichte. Da seine Mutter, eine einfache, nur provenzalisch sprechende Gärtnersfrau, dieselben nicht zu verstehen vermochte, dichtete Jóusè (Joseph) sie in die Sprache seiner Kindheit um. Auf diesen Zug der Sohnesliebe läßt sich die Entstehung der ganzen zeitgenössischen provenzalischen Literatur zurückführen; denn ohne ihn wäre Roumanille, wie er selbst versichert hat, kaum je auf den Gedanken gekommen, in provenzalischer Sprache zu schreiben. Siebenundzwanzig Jahre alt, wurde Roumanille Lehrer am Dupuyschen Erziehungsinstitut in Avignon, unter dessen Schülern sich der damals fünfzehnjährige Frederi Mistral befand. Das innige Freundschaftsverhältnis, das sich bald zwischen dem jungen Lehrer und dem hochbegabten Knaben entspann, war von grundlegender Bedeutung für die provenzalische Renaissance. Roumanille gab später den Lehrerberuf auf und widmete sich als Buchhändler und Verleger in Avignon vornehmlich der Veröffentlichung neuprovenzalischer Schriften. Seine eigenen poetischen und Prosaerzeugnisse sind unter dem anspruchslosen Titel lis Oubreto erschienen. Den größten Ruhm brachten ihm seine Conte Prouvençau, eine Sammlung köstlicher humoristischer Erzählungen. Seit 1855 gab er den beliebten Volkskalender Armana Prouvençau heraus, der auch heute noch fast alle hervorragenden Feliber zu seinen Mitarbeitern zählt. Mistral und Roumanille sind zeitlebens in wahrhaft idealer, nie auch nur durch den leisesten Schatten getrübter Freundschaft verbunden geblieben. – Am 24. Mai 1891 ist Roumanille gestorben. Als der ehrwürdige Greis mit dem schönen, silberweißen Patriarchenhaupte, von seinen weinenden Familiengliedern und Freunden umgeben, auf dem Sterbebette lag, befanden sich Frederi Mistral und Frau seit einigen Monaten auf einer Erholungsreise in Italien. – »Anaïs,« flüsterte Roumanille mehrmals seiner Gattin zu, »du wirst Mistral, meinem lieben Mistral, sagen, daß ich in meiner letzten Stunde an ihn gedacht, nach ihm verlangt habe.« – Dann, als nach einer Weile seine Hand tastend auf der Bettdecke umherrirrte und Frau Anaïs den schon fast Bewußtlosen fragte: »Jóusè, was suchst du?« – antwortete er: »Ich suche die Hand des Freundes, um sie zu drücken.« – Und so verschied er. Nun ruht der liebe Sänger an der Seite seiner Eltern im Friedhofe seines Heimatstädtchens Sant-Roumié, nach dem Wunsche, den er vor vielen Jahren in dem Sonett mounte vole mori ausgesprochen hat. Es lautet in Nikolaus Welters, des Biographen Mistrals, trefflicher Übersetzung wie folgt: Wo ich sterben will. Bei sieben Kindern ist gar groß die Plage; O trautes Haus in Grün und Blütenschein! Und du, mein Gott, o schließ' mit sanfter Hand, Neben Mistral und Roumanille hat den größten Anteil an der literarischen Auferstehung Südfrankreichs Theodor Aubanel, geboren zu Avignon am 26. März 1829, gestorben 1886. Sein Hauptwerk, La Mióugrano entreduberto, hat ihm den Beinamen des provenzalischen Petrarca eingetragen. Außerdem verfaßte er mehrere Dramen und größere erzählende Dichtungen. Mit diesen dreien waren Mitbegründer des am 21. Mai 1854 im Schlosse von Font-Segugno gestifteten Bundes der Feliber (s. d. im >Namenverzeichnis) die provenzalischen Dichter: Anselme Mathieu, geboren 1828 zu Châteauneuf-du-Pape (Vaucluse), Verfasser von La Farandoulo, gestorben 1895. Alphonse Tavan, geboren 1833 zu Châteauneuf-de-Gadagne (Vaucluse), Verfasser von Amour e plour. Paul Giéra, geboren 1816 zu Avignon, Verfasser von Li Graup. Schrieb unter dem Pseudonym Glaup (Anagramm von Paul G.), gestorben 1861. Jean Brunet, geboren 1822 zu Avignon, gestorben 1894. Die übrigen im »Aufruf« genannten Freunde Mistrals sind: Antoine Crousillat, der Dichter von La Bresco und Li Naudau, geboren 1814 zu Seloun am Flüßchen Touloubro in der Crau, gestorben daselbst 1899. – Sein Landsmann Michael Nostradamus starb zu Seloun im Jahr 1565. Adolphe Dumas aus Bompas (Vaucluse), der die persönliche Bekanntschaft Mistrals mit Lamartine vermittelt hat und Du, der in Wäldern und an Flüssen Anselm Mathieu, der du in Schauen Und du, der in Durancefluten Du, Garcin, dessen Sehnen, Lieben Meister Ramoun, grüß Gott: wir fanden Als, was geschehn, Mirèio hörte, Vincèn, was tat man dir? O wehe, Vincèn erkennt der Teuren Hände. Ja trinke, trinke! rief geschäftig Ein Weidenschoß wollt' ich zerspalten Der Schmerzenszug an eurem Munde Bleibt da . . . und laßt aus euren Augen Mirèio weint und schluchzt. . . . Indessen Denn je gefährlicher die Wunde, Von Rosmaringebüsch verborgen Als lichte, wunderbare Geister Doch bald schon für die Jugendschöne Im engen, dunkeln Höhlenmunde An des geneigten Schachtes Ende Bescheidner Halm! Es schmähn die Leute Dann wieder sprach mit Meckertönen Die Hexe schwieg. Rings in die Klause Jetzt sprach Tavèn: Die zu mir kamen, An Hast der Wölfin zu vergleichen Steigt rasch herab! Schon naht die Stunde Steht stille! Winkte hier die Hexe. . . . Dann stand sie auf: Es ist die Stunde! Auf allen Rücken Lichtgefunkel Noch war das Wort ihr nicht entflogen, Und kalter Schweiß entrinnt den Schläfen O der Verruchten, Bösen, Tollen! Denn uns, den Herren, offenbaren Durchstich das Faß: in heißen Wellen Ein neckisch Stimmchen, dünn und schrille Laß, Mühmchen, dich nicht irre machen! – Wie heißt dein schönes junges Nichtchen? Ein Kobold nur! Kannst ruhig bleiben! Doch spuken Grillen ihm im Kopfe, Hört, hört der dürren Spindel Surren! Die Tropfen, die dem Quell entrinnen Und wenn ein Abgrund an der Stelle Es ist die Waschfrau. Auf der Kuppe Und findet sie, der Haufe tauge Und eilig treibt der Hirt zum Stalle. . . . Horch! Paukenschall und Zimbelklänge! . . . Reicht mir die Hand, ich will euch leiten Wenn Jäger an beschneiten Tannen Jetzt aber schrie die Hexe mächtig: Geht schnell in eure finstern Ecken, Und sie verzogen sich in Schwärmen; Zur Zeit, da Februar dem Hohne Eine alte Frau hütete ihre Schafe. Es war gegen Ende des in Südfrankreich meist sehr milden Monats Februar. Die Alte, welche wähnte, dem Winter schon entronnen zu sein, erlaubte sich, den abziehenden Februar zu verhöhnen, indem sie sang: Der Spott der Alten ärgert den Februar, der, sobald März in seine Nähe gekommen, diesen anruft: »Heda, März! Du könntest mir einen Gefallen tun.« – »Zwei, wenn's sein muß,« antwortet der höfliche Nachbar. – »Leihe mir drei von deinen Tagen; ich will mit ihnen Und alle Kerzen sich erhellen Fragt nur des Kirchturms Schleiereulen, Zur Zeit, da Februar dem Hohne Denn alles was den Pakt beschworen, »Und in die Crau begibt sich, auf allen vieren oder im Fluge, alles, was den Pakt geschlossen hat; und auf den gewundenen Fußpfaden kommen durch den Thymian der Magier von Varigoulo und der Hexenmeister von Fanfarigoulo, um aus der goldenen Tasse zu trinken. Seht, wie die Heide tanzt! Schon wartet mit zitternden Eingeweiden die Garamaudo auf den Gripet . . . Pfui die Satansvettel! Gripet, beiße das Aas und reiße ihm mit den Krallen die Gedärme aus dem Leibe . . . Sie verschwinden . . . Seht, dort sind sie wieder, Greuel und Höllenlärm! Jene dort unten, die sich durch die Wolfsmilchstauden kriechend davonmacht, wie ein nächtlicher Dieb, der gebückt entflieht: Es ist die mürrische Bambaroucho! In ihren langen Krallen und auf ihrem gehörnten Kopfe trägt sie die nackten und weinenden kleinen Kinder hinweg . . . Seht ihr dort den Alp? Durch die Schornsteine kommt er verstohlen herab auf die müde Brust des Schlummernden, der sich unruhig umherwirft. Stumm kauert er darauf, drückt sie wie ein Turm und verwirrt den Geist des Schlafenden mit entsetzlichen Träumen und schmerzlichen Truggebilden. Hört ihr, wie man die Türen aus ihren Angeln reißt? Die Escarinche, der Marmau, der Barban streifen in den Feldern umher . . . Sie bilden einen Nebel in der Heide; bis aus den Sevennen kommen die Kobolde mit ihren Salamanderleibern zu Dutzenden herbeigelaufen, und im Vorüberziehen, plumps! reißen sie das Dach vom Bauernhause. Welch ein Getöse! . . . O Mond, o Mond, was erzürnt dich, daß du so rot und groß über Li-Baus hinabsteigst? Gib acht auf den bellenden Hund, o toller Mond! Wenn er dich erschnappt, wird er dich verschlucken wie einen Kuchen, denn der Hund, der dir auflauert, ist der Hund von Cambau!« Es knickt die Sträucher in der Heide, Tavèn sprach leis und immer leiser; Mehr noch als am Sambücopasse Blendet es mit Herodes' Schatze Dann wird er, statt der Gnadengaben, Und dreimal, durch die Nebelwellen, Ein Kessel hing an einer Kette; Durchsichtig weiße Säulenschäfte, Erhabne, stolze Tempelhallen, Gleich Strahlen, die den Raum durchzittern, Schon stand Tavèn, ihr Werk bedenkend, Hochaufgerichtet, ernst und prächtig, Und mit geheimnisvollem Winken, Wird auferstehn! . . . Und wie der Tiger Und wie verworrne Geisterkunde, Und im Gebüsch und im Gesteine Und reich und arm steht rings im Schatten Als für den Hund, den, ihn zu strafen, Dann wird, was Stein, zu Staub versinken. . . . Weh mir! Sankt Petri morscher Nachen O unermess'ne Himmelsgnade! Und seh', erkannt in seinen Lehren, Zur Cordohöhle führt die Enge |