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Wer wird die starke Löwin halten,
Wenn sie, zum Hort in Felsenspalten
Vom Raubzug heimkehrt, ihr Junges nicht mehr sieht?
Mit Brüllen und mit Flankenschlagen
Wird sie den kecken Jäger jagen,
Der dort, wo Algiers Berge ragen,
Mit jenem im Galopp durch Dorngestrüpp entflieht.
Und wer wird euch, Verliebte, halten? . . .
In ihres Bettes Linnenfalten,
Im dämmernden Gemach, bestrahlt von Sternenschein,
Verbringt die lange Nacht mit Weinen
Mirèio: Schützerin der reinen
Und treuen Liebe, uns zu einen,
Klagt sie, verweigert man! Was tun in solcher Pein?
Grausames Schicksal! Harter Vater!
Sonst mein so gütiger Berater!
Du riefst dein armes Kind, das einst du so geliebt,
Mit Kosenamen stets, mit süßen!
Jetzt, plötzlich, trittst du mich mit Füßen,
Jetzt soll ich unterm Joche büßen,
Als wär' ein Fohlen ich, dem man die Peitsche gibt.
O daß das Meer kein Ufer hemmte
Und Flut das Crauland überschwemmte!
Frohlockend würd' ich sehn, wie sie dies ganze Gut
Verschlingt, das schuld an meinen Leiden!
Das Bettlerkind muß ich beneiden,
Das einsam, draußen auf der Heiden,
Ein armes Weib gebar. Ich käme frohgemut
Und schnell, wär' ihr Kind ich, zum Ziele
Wenn mir ein armer Bursch gefiele!
Vincèn, es kann nicht sein, daß ich dich lassen muß!
Um dich wie Efeu zu umschlingen,
Mit dir mein Leben zu verbringen,
Will gern ich mit Entbehrung ringen!
Nicht Hunger und nicht Durst fühlt' ich bei deinem Kuß!
Und während so, in stiller Kammer,
Das arme Kind, bei Gram und Jammer,
Das Herz in Fieberglut, vor Liebe zitternd, weilt;
Und während sie die süßen Stunden
Durchdenkt, da sie den Freund gefunden,
Mit dem ihr ganzes Sein verbunden,
Entsinnt sie sich des Rats, den ihr Vincèn erteilt:
Ja! Als du einst zum Hof gekommen,
Ruft sie, hab' ich dein Wort vernommen:
Sollt' je ein böses Tier, ein Molch, ein Wolf, ein Hund
Euch wehe tun mit spitzen Zähnen,
Sollt' Unheil euch entgegengähnen,
Entpreßte Schmerz euch bittre Tränen,
Eilt zu den heil' gen Fraun, dort werdet ihr gesund!
Jetzt gähnt das Unglück mir entgegen,
Jetzt werde mir dein Rat zum Segen!
Und auf springt sie vom Pfühl. Der blanke Schlüssel steckt
Am Nußbaumschrank, drin feingenähte
Gewandung aller Art sich blähte;
Es war ein prächtiges Geräte,
Von eines Meisters Hand mit Blumen ganz bedeckt.
Sie öffnet und erkennt die Plätze
All ihrer kleinen Mädchenschätze:
Das Kränzlein, das sie trug beim ersten Abendmahl,
Ihr Spielzeug aus den Kinderzeiten,
Lavendelzweige, die geweihten
Kerzen, um Wolken abzuleiten,
Die fern im Dunkel drohn mit Sturm und Wetterstrahl.
Mit einem weißen Nestelbande
Befestigt nun sie am Gewande
Den roten Faltenrock, den jüngst mit eigner Hand
Mit Würfeln sie bestickt, so feinen,
Daß sie ein Nadelwunder scheinen;
Wirft auf den ersten wieder einen
Und schlingt um beide flugs ein breites Gürtelband.
Dann schmiegt sie um die zarten Glieder
Mit Leichtigkeit ein schwarzes Mieder,
Das, vorn hindurchgesteckt, ein goldner Stift verschließt.
Um ihre weißen Schultern hangen
Gleich einem Mantel ihre langen,
Tiefdunkeln, seidnen Lockenstrangen.
Sie aber faßt das Haar, das sie verteilt umfließt,
Vereinigt es behende, bindet
In einen Knoten es und windet
Schneeweiße Spitze drum, aus seinem Linnenzwirn,
Die schönen Flechten einzuzwingen;
Dann eilt sie, diese mit drei Ringen
Von blauem Bande zu umschlingen:
Das Diadem von Arles auf jugendfrischer Stirn.
Die Schürze legt sie an. In Falten,
Die leicht und duftig niederwallten,
Kreuzt sie das Busentuch aus weißem Musselin;
Allein den Hut mit breitem Rande,
Den Schirmer im Provencerlande
Vor tödlich heißem Sonnenbrande,
Vergißt zum Unglück sie aus ihrem Schrank zu ziehn.
Dies all geschehn, verläßt sie hastend
Ihr Kämmerlein und schleicht sich tastend,
Die Schuhe in der Hand, die Treppe leis und sacht
Hinab, zum untern Hausflurgange,
Schiebt von der Tür die Riegelstange,
Empfiehlt den Heil'gen sich, und bange
Eilt sie, und doch beherzt, hinaus nun in die Nacht.
Die Stunde war's, da nach den Sternen,
Der Schiffer späht, in Meeresfernen.
Hoch oben im Zenith stand Sankt Johannis Aar;
Vom Dreigestirn zu seines süßen,
Heil'gen Evangelisten Füßen
Sah man ihn zwinkernd niedergrüßen.
Die Nacht war lau und lind und still und sternenklar.
Man sah durch die gestirnten Weiten
Des Himmelswagens Räder gleiten;
In unermessne Höhn ging sein beschwingter Lauf.
Erlöste Menschenseelen fuhren
In ihm zu Paradiesesfluren.
Zu seinen lichtumflossnen Spuren
Sahen im Dämmerschein die dunkeln Hügel auf;
Und sahn im Tal Mirèio schreiten,
Gleich Magelonen, die vor Zeiten
Nach Peter von Provence in Tränen ausgeschaut;
Dem Freunde, den die wilden Wogen,
Indessen sie der Ruh gepflogen,
Ins weite Meer hinausgezogen. –
Nun war im Heideland, das nie der Pflug bebaut,
Bei ihres Vaters Herdenscharen,
Die dort im Pferch behütet waren,
Mirèio angelangt. Die Hirten molken schon;
Und mancher hielt mit starken Händen,
Der Lämmer Säugen zu beenden,
Die Schafe fest, an Maul und Lenden.
Und fort und fort erscholl des Blökens heller Ton.
Die Mütter der entwöhnten Kleinen
Trieb man zum Melken. Rings auf Steinen
Saßen die Melker schon und ließen unverwandt
Aus den geschwellten, weichen Zitzen
In langen, schneeig weißen Blitzen
Die warme Milch ins Melkfaß spritzen;
Und dampfend stieg der Schaum bis an der Eimer Rand.
Am Boden lagen still die Hunde
Und spähten achtsam in die Runde;
Hürdrüden größter Art, mit lilienweißem Haar.
Noch schlief in ihrem Thymiankleide,
Dem duftenden, die weite Heide
Und regungslos lag rings die Weide;
Die Nacht war lau und lind und still und sternenklar.
Da huscht Mirèio, kaum die Erde
Berührend, rasch vorbei. Die Herde
Drängt um den Hirten sich, als sauste Wirbelwind.
Doch jene, im Vorüberfliehen:
Will zu den heiligen Marien,
Ihr Hirten, niemand mit mir ziehen?
Und eh zur Antwort Zeit enteilt sie blitzgeschwind.
Die Hunde ließen sich nicht stören,
Gewohnt, der Herrin Schritt zu hören.
Sie aber ist schon weit. Sie streift die Kräuter kaum;
Durch Kampferpflanzen, Männertreuen,
Fliegt sie dahin, gleich einem scheuen
Rebhühnchen, dem Verfolger dräuen,
Und quer durch Busch und Gras durchmißt sie schnell den Raum.
Brachvögel, die im Kräuterschragen
In tiefer Ruh gekauert lagen
An der Zwergeichen Fuß, wo ihr Nestgras gedieh
Und deren Schlaf nun jäh zu Ende
Durch das Geräusch, entflohn behende
Ins düstre, kahle Craugelände
Mit dem Schrei: Kurrelì, Kurrelì, Kurrelì!
Die schönen Locken taubefeuchtet,
Stieg vom Gebirge, glanzumleuchtet,
Die Morgengöttin jetzt mit sachtem Schritt zu Tal;
Der Haubenlerchen helles Schlagen
Begrüßte froh das neue Tagen,
Und der Alpinen Gipfellagen
Erschienen wie bewegt im ersten Sonnenstrahl.
Es zeigte sich im Morgenscheine
Die Crau, das öde Land der Steine,
Die unfruchtbare Crau, die endlos hier sich reckt.
Wenn Sagen sich als wahr erwiesen
Bärge sie unter ihren Kiesen
Die Leiber jener stolzen Riesen,
Die eine Steinflut einst zerschmetternd zugedeckt.
O wahnbetörte Riesenrotte!
Sie hatten frech dem Donnergotte
Krieg angesagt. Noch fehlt zum Sturm die Leiter nur!
Schon wankt vom Drucke ihrer Hüften
Der Siegesberg in seinen Klüften
Und die Alpinenkette liften
Und türmen sie voll Trotz aufs Haupt von Mount-Ventonr.
Da winkt der Gott vom Wolkensitze:
Der Nordwind, der Orkan, die Blitze
Enteilten kampfesfroh, gleich Adlern, seiner Hand.
Und aus den Gründen, aus den Schluchten
Und aus den Meerestiefen suchten
Sie eifrig ungeheure Wuchten
Von Steinen; und empor, wie eine Nebelwand,
Hoben die drei dann im Vereine
Die fürchterliche Last der Steine
Und gossen sie mit Wut aufs Haupt der Riesen aus . . .
Die öde Crau, drin die Gewalten
Der losgelassnen Stürme schalten,
Hat ihren Steinbelag behalten . . .
Mirèio war nun weit von ihrem Vaterhaus.
Des Sonnenballes Flammensprühen
Ließ nach und nach die Lust erglühen.
Ein blendend heller Glanz durchflimmerte das All;
Und in der Heide tiefer Stille,
Aus heißem Grase, stieg der schrille
Gesang der kleinen, frohen Grille
Von allen Seiten auf, mit langgezognem Schall.
Kein Baum, kein Schatten, keine Seele!
Denn vor des Sommers Feuerschwele
Müssen die Herden all, die Winters hier den Halm,
Den würzigen, der Eb'ne weiden,
Um von der Sonne nicht zu leiden,
Das kahle Craugelände meiden
Und ziehen früh zu Berg, auf immergrüne Alm.
Unter des Junius Glutenpfeilen
Sahen die Maid vorübereilen,
Vom Saum der Ritzen aus, Eidechsen groß und grau
Und sprachen: Ist sie bei Verstande?
Was sucht sie hier im Kies und Sande
Zur Stunde, da vom Sonnenbrande
Der Ginster zitternd glüht und jeder Stein der Crau? . . .
Und die Libellen baten leise
Die Eilende: Gib auf die Reise
Und kehre, Pilgerin, zurück. Die klare Flut
Gab Gottes Güte ja der Quelle,
Er gab der Bäume Schattenwälle
Zum Schutze deiner Farbenhelle,
Und du versengst die Stirn in dieser Mittagsglut!
Sie lauscht auch nicht den Schmetterlingen.
Des Glaubens und der Liebe Schwingen
Tragen Mirèio fort, fast wie am Meeresstrand
Man Möwen sieht, die sich im blassen
Frühlichte vom Nordost erfassen
Und in die Lüfte tragen lassen.
Von Zeit zu Zeit erschien am fernen Heiderand
Ein Hirtenheim, von den Insassen
Zu dieser Jahreszeit verlassen.
Nun blieb sie plötzlich stehn, von Durst verzehrt und Weh.
Allein, ermattet von der Reise,
Nicht Bach noch Bächlein rings im Kreise,
Und betete mit Zittern, leise:
O großer Eremit, Sankt Gentus von Bausset!
Du, einst ein junger Landmann, banntest
Mit deinem Blick den Wolf und spanntest
Vor deinen Pflug ihn an. Des Gottesgeistes voll
Berührtest du des Felsens Flanke,
Daß draus für deine mühsalkranke
Mutter, zum kühlen Labetranke
Ein feiner Doppelstrahl von Wein und Wasser quoll.
Gleich mir bist du bei Nacht entwichen,
Bist von den Deinen fortgeschlichen,
Und im Gebete fand, im Felstal von Bausset,
Dich deine Mutter. . . . Nieder blicke,
Sankt Gentus, nun auf mich und schicke
Den Wasserstrahl, der mich erquicke,
Weil meine Sohle brennt und ich vor Durst vergeh'!
Im Himmel hört's in seiner Güte
Sankt Gentus, Mitleid im Gemüte:
Und einen Brunnen schaut, der in der Ferne liegt,
Mirèio jetzt zu ihrem Heile;
Und froh die Glut der Sonnenpfeile
Durchschneidet sie mit Windeseile,
Wie einen Regenguß ein Schwälblein rasch durchfliegt.
Ein alter Brunnen war's, gegraben
Zu Nutz der Herden; ihn umgaben
Viel Epheuranken rings. Ein kleiner Knabe saß
Im winzig kleinen Schattenkreise
Des Troges. Eines Liedchens Weise
Summt' er, mit Schnecken spielend, leise.
Ein Korb voll Schnecken stand dabei, im Heidegras.
Und sacht ließ, eine nach der andern,
Die Schnecken durch die Hände wandern
Der kleine braune Mann und sang in sie hinein:
O recke, Nönnlein, recke schnelle,
O recke, Nönnlein, auf der Stelle
Die feinen Hörnchen aus der Zelle,
Wo nicht, so schlag' ich dir dein kleines Kloster ein!
Mirèio, nach dem heißen Gange,
Kühlte begierig Lipp' und Wange;
Dann wandte lächelnd sie ihr holdes Angesicht
Vertraulich grüßend nach dem Kleinen:
Was tust du hier? In Gras und Steinen
Suchst du nach Schnecken, will mir scheinen?
Das Büblein aber sprach: So ist's, ihr irrt Euch nicht.
Schaut! wie sie sich im Korbe recken!
Plattlinge, Nönnchen, Ernteschnecken . . .
Ihr eßt sie wohl? – Ach nein, es nimmt die Mutter sie
Um an bestimmten Wochentagen
Den Fang nach Arles zu Markt zu tragen
Und bringt, was der Verkauf ertragen,
An Brot heim. War't in Arles ihr auch schon? – Nein, noch nie! –
Was? Ihr seid nie nach Arles gekommen?
Mich hat man einmal mitgenommen!
Euch nie? Ihr tut mir leid! Hei, das ist eine Stadt!
Man nennt sie unsrer Landschaft Krone;
Denn sie beherrscht in weiter Zone
Die sieben Mündungen der Rhone!
Viel Herden weiden sich auf ihren Inseln satt.
Arles hat die schönsten wilden Pferde:
So fruchtbar ist um Arles die Erde,
Daß es, im Fall der Not, wohl könnte sieben Jahr
Von eines Sommers Ernte zehren;
Hat Fischer, die ihm Fang bescheren
Und Schiffer, die in fernen Meeren
Kühn trotzen jedem Sturm und jeglicher Gefahr.
In seiner goldnen Sprache Tönen
Rühmte der Knabe so der Schönen
Sein sonnig Heimatland und pries mit stolzem Mund
Das Meer in zitternd blauem Scheine
Und Mount-Majours Olivenhaine
Mit ihres Öles Duft und Feine,
Und Vogelruf und Sang im weiten Marschengrund.
Allein das Wunder, das vor allen,
O Arles, dich schmückt mit Wohlgefallen,
Vergaß der Kleine doch: Der Himmel, der dich liebt
Hat deinen Töchtern mit ins Leben
Der reinen Schönheit Glanz gegeben,
Wie seine Huld dem Herbste Reben,
Den Bergen Kräuterduft, den Vögeln Flügel gibt. Mirèio stand in stummem Träumen;
Dann sprach sie: Komm, ich darf nicht säumen,
Geleite mich zum Fluß, du bist gewiß so gut!
Eh' noch aus Moor und Weidenhagen
Der Frösche Rufen tönt und Klagen,
Muß mich ein Boot hinübertragen
Zum andern Rhonebord, ein Boot in Gottes Hut!
Da kommt ihr an die rechten Leute,
Denn wir sind Fischer. Doch für heute –
Bot ihr der Kleine an – könnt ihr in unserm Zelt
Am Fuß der Pappeln übernachten
Und morgen, wenn beim kaum erwachten
Frühlicht wir unsern Prahm befrachten,
Ist es mein Vater selbst, der euch hinüberstellt. –
Ach nein! Ich wandre nachts. Ich fühle
Nicht so die Mühsal in der Kühle . . .
Nicht doch! Ihr werdet sehn, wie mitten in der Nacht
Die klagenden Gespensterscharen
Dem tiefen Capoteich entfahren.
Hilf Himmel! Wenn sie euch gewahren,
So ziehn sie euch hinab in ihren finstern Schacht! –
Was ist das mit dem Capoteiche? –
Noch eh' ich unser Heim erreiche
Hab' ich es, Fräulein, euch erzählt . . . Und er begann:
Einst hat in diesen Uferlanden
Ein großer Tennenplan bestanden,
Drauf Garben sich in Fülle fanden.
Den Schlund, der ihn verschlang, erblickt ihr morgen dann.
Es hatten zwölf Camargopferde
Die Garben auf der harten Erde
Seit Monatsfrist und mehr von früh bis spät zerstampft.
Beständig trieb die müden Hufe
Der Lenker an mit lautem Rufe;
Die Ähren trägt zu dem Behufe
In Bergen man herbei. Die Tenne staubt und dampft.
Die Sonne glastet zum Verzehren,
Und um die halb zerstampften Ähren
Loht es wie Flammenschein. . . . Stets neue Garben trug
Die Gabel zu. Die Hülsenschlossen
Und Weizenbärte, gleich Geschossen
Der Armbrust, wirbelten den Rossen
Ohn' Unterlaß und Rast um Nüstern, Hals und Bug.
Ob auf Sankt Karl, ob auf Sankt Peter
Der Glockenklang in Arles die Beter
Gerufen: Immer zu! Nie brach ein Sonntag an
Für jene müden, armen Pferde,
Und immer trieb sie zur Beschwerde
Mit wilder drohender Gebärde
Und heiserm Schrei der Knecht im glüh'nden Tennenplan.
Vom kargen Bauern war den Rossen
Zudem der Maulkorb angeschlossen . . .
Da brachte der August das Muttergottesfest;
Und wieder riß man von den Raufen
Die Tiere zu den Garbenhaufen,
Und rings im Kreise ging das Laufen,
Bis keuchend sie erschöpft der Kräfte letzten Rest.
Da wird ein Heulen jäh vernommen,
Und wütend ist der Sturm gekommen
Und auf die Tenne bläst des Mistral eis'ger Mund;
Dem, der den Tag des Herrn verachtet,
Und gierig nur nach Gold getrachtet
Ist plötzlich Aug' und Sinn umnachtet:
Die Tenne wankt und bebt und spaltet sich im Grund!
Es drehten sich im Wirbelwinde
Wie toll die schweren Fruchtgebinde,
Und weder Mann noch Roß entkam dem Tennenrund!
Der Bauer und sein ganz Gedinge,
Gespann und Joch, Geschirr und Ringe
Samt Baum und Rad und Weizenschwinge
Versanken allzumal im bodenlosen Schlund!
Mirèio sprach: Du machst mir bange! –
Hört erst das Ende vom Gesange:
Kommt morgen ihr vorbei, so werdet ihr vielleicht,
O Fräulein, mich der Narrheit zeihen,
Seht ihr im blauen Teich in Reihen
Die Karpfen spielen und die Schleien
Und hört der Amsel Schlag, die rings im Röhricht streicht.
Doch laßt das Fest Maria kommen,
Wenn dann die Sonne, glutumglommen
Und flammenscheingekrönt, zur Mittagshöhe steigt,
Begebt euch an des Teiches Schründe:
Ihr seht, im tiefsten ihrer Gründe
Getrübt von Finsternis der Sünde
Die Flut, die eben noch sich rein und klar gezeigt.
Ein Summen, wie von großen Fliegen,
Kommt aus dem trüben Teich gestiegen,
Und stärker nach und nach braust es an euer Ohr;
Erst hört ihr fernes Schellenklingen,
Dann aus des Wassereppichs Schlingen
Verworr'ne, laute Stimmen dringen,
Und furchtbar wird der Lärm und sträubt das Haar empor.
Dann trappelt es wie hundert Pferde,
Die man aus harter Tennenerde
Mit Schreien überfiel und grausam schlug und schalt;
Es ist ein Stampfen und ein Jagen,
Ein Donnern, wie von schweren Wagen,
Ein mitleidsloses Rosseplagen,
Wie wenn ein Tennenplan vom Dreschen widerhallt.
Doch sinkt die heil'ge Sonne nieder,
So kehrt die Ruhe mählich wieder,
Und Lästerung und Lärm ersterben mit dem Tag;
Unter des Wassereppichs Schlingen
Verhallen Ruf, Gestampf und Springen,
Samt Peitschenknall und Schellenklingen,
Und wieder aus dem Schilf ertönt der Amsel Schlag.
Am Arme seinen Korb voll Schnecken
Erzählte von des Teiches Schrecken
Der kluge Knabe so. – Schon sieht man, schräg besonnt
Von milden, klaren Abendstrahlen,
Die Höhenzüge mit den kahlen
Felsgraten sich am Himmel malen,
Und weich verschwimmt ihr Saum im fernen Horizont.
Und nieder geht, im Strahlenkreise,
Die Sonne nach der Tagesreise.
Den Frieden Gottes gießt sie aus auf der Grand-Clar,
Auf Heide, Fruchtland und Oliven;
Und unten, in der Täler Tiefen,
Wo schon der Rhone Ufer schliefen,
Reckt sich und atmet auf der Schnitter müde Schar.
Seht, Fräulein, wie des Windes Wellen
Das Tuchwerk unsres Zeltes schwellen!
Rief nun der Knabe. Seht! Dort ist mein Vaterhaus!
Und auf den Pappelbaum daneben
Klettert mein Bruder Not soeben,
Um Grillennester auszuheben!
Vielleicht auch späht er nur nach meiner Rückkehr aus.
Er sieht, daß wir den Heimweg fanden! . . .
Und Zeto, die dabeigestanden,
Mein Schwesterlein, kehrt um und läuft geschwind ins Zelt,
Um meiner Mutter zu berichten,
Den Boui-abaisso herzurichten . . .
Und um den Fischvorrat zu lichten
Steigt Mutter jetzt ins Boot, das dort am Ufer hält.
Doch als die zwei den Deich erklommen
Und oben ganz in Sicht gekommen:
Sieh! rief der Fischer, Frau! Wie hübsch! Ja, sieh nur hin!
Der Andreloun ist mir ein Feiner!
Ich möchte wetten, unser Kleiner
Wird noch der kühnsten Fischer einer!
Da bringt er wahrlich schon die Aalenkönigin! |