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Die hohen Zürgelbäume weinten.
Die Bienen in den Stöcken seimten
Vor Leid nicht mehr; der Trift voll Thym und Pfefferkraut
Vergaßen sie betrübt und klagten.
Die weißen Lotusblumen fragten:
Wo weilt Mirèio? – Wehe! sagten
Die Amseln, die ihr Nest am Weiherrand erbaut.
Die armen Eltern, Todesjammer
Im Herzen, weinten in der Kammer
Des Zürgelhofs, allein. Sie ließen ihren Gram
Und Kummer in der Seele reifen;
Ach! Wahnwitz mußte dich ergreifen,
Fort in die weite Welt zu schweifen,
Unsel'ges Kind, das jäh so tief zu Falle kam.
Mirèio, unsre Augenweide,
Mit dem Zigeuner aus der Heide!
O Tränen! Heimlich hat sie sich von uns gewandt . . .
So bar der Scham! So unbesonnen!
Wie wird Gewißheit nun gewonnen,
Wohin der Gauch mit ihr entronnen?
Und stöhnend stützten sie die Häupter in die Hand.
Mit seinem Lasttier kam zur Stelle
Der Schenk und grüßte von der Schwelle:
Mein Meister, guten Tag! Ich soll das Morgenbrot
Für unsre Leute draußen holen. –
Kehr um! so wird ihm barsch befohlen:
Ich bin verraten und bestohlen,
Ein wundgeschälter Baum, ein steuerloses Boot!
Du mußt mir, ohne zu verweilen,
Hin, wo du hergekommen, eilen;
Entbiete gleich zu mir das ganze Feldgesind!
Quer durch die Äcker mußt du fliegen:
Verlasset Rinder, Schafe, Ziegen,
Laßt Pflüge, Sensen, Sicheln liegen –
So rufst du allen zu – und kommt zum Hof geschwind!
Ich lasse alle zu mir bitten! –
Und allsogleich, mit leichten Schritten,
Enteilt der treue Knecht. Durch Kies und Haldenbruch
Springt er auf kurzen Nebenwegen
Am Klee vorbei, an Baumgehegen;
Schon weht vom Wiesland ihm entgegen
Des frischgemähten Heus erquickender Geruch.
Und aus der blumigen Luzerne
Hört er der Sensen Klang von ferne;
Er sieht in langen Reih'n, in gleichem Schritt und Takt,
Die starken Mäher vorwärts rücken,
Sich leicht nach beiden Seiten bücken
Und Streich um Streich die Klingen zücken.
Zu Schwaden sinkt das Gras, vom scharfen Stahl gepackt.
Er sieht in den gemähten Flächen
Kinder und junge Mädchen rechen;
Sie bau'n bei Scherz und Sang das Heu mit flinker Hand
Zu Schobern auf, die ringsum ragen.
Vom Eisen in die Flucht geschlagen
Lauschen die Grillen scheu. Den Wagen
Sieht er, aus Eschenholz, mit Stieren wohlbespannt,
Am Saum des Feldes, hoch beladen,
Mit beiden Armen hob die Mahden
Der Wagenführer auf, der emsig oben stand,
Versunken bis zum Gürtelleder.
Er türmte rüstig, was die Mähder
Ihm reichten, hoch, bis Baum und Räder
Und alles Wagenholz im Kräuterberg verschwand.
Doch als in ihrem Heubehange
Des Wagens Last mit schwankem Gange
Vorrückt, gleich einem Schiff des Meeres anzusehn,
Ruft von der aufgelegten Leiter
Der Großknecht, aufrecht wie ein Streiter:
Ihr Schnitter, haltet ein! Nicht weiter!
Mir ist, als sei im Hof ein Ärgernis geschehn!
Die Knechte, die bis jetzt die Schwaden
Mit vollen Gabeln aufgeladen,
Wischten die Stirnen ab und schauten spähend aus.
Die Sensen auf den Boden setzend,
Den Schleifstein in der Büchse netzend,
Und an der blanken Schneide wetzend,
Lugt auch das Schnittervolk ins sonn'ge Feld hinaus.
Ein Bote naht auf flinken Sohlen:
Hört, was der Meister mir befohlen:
Entbiete gleich zu mir das ganze Feldgesind!
Quer durch die Äcker mußt du fliegen:
Verlasset Rinder, Schafe, Ziegen,
Laßt Pflüge, Sensen, Sicheln liegen –
So rufst du allen zu – und kommt zum Hof geschwind!
Er läßt euch alle zu sich bitten! –
Und allsogleich, mit leichten Schritten,
Enteilt der treue Knecht. Durch tiefgefurchtes Land,
Wo Althens köstlich Erbe blühte,
Der Krapp in reichster Fülle glühte,
Wo hell der Reife Fackel sprühte,
Durchleuchtend rings die Au mit goldnem Feuerbrand.
Im Feld voll gelber Centaureen
Sieht er von fern die Pflüger gehen;
Sie folgen dem Gespann, auf ihren Pflug geneigt.
Er sieht aus ihrem Winterweben
Die Flur von neuem sich beleben,
Sieht zwischen Schollen, die sich heben,
Manch zierlich Bachstelzlein, das in die Furche steigt.
Er eilt hinzu auf flinken Sohlen:
Hört, was der Meister mir befohlen:
Entbiete gleich zu mir das ganze Feldgesind!
Quer durch die Äcker mußt du fliegen:
Verlasset Rinder, Schafe, Ziegen,
Laßt Pflüge, Sensen, Sicheln liegen –
So rufst du allen zu – und kommt zum Hof geschwind!
Er läßt euch alle zu sich bitten! –
Und unverweilt, mit leichten Schritten,
Enteilt der treue Knecht, durch weißen Haferstand,
Quer über Gräben, über Hecken,
Die bunte Blumen ganz bedecken;
Dann, wo sich hoch die Ähren recken,
Verliert er sich weithin im falben Weizenland.
Verzehrend wie ein Ungewitter
Entrissen vierzig wackre Schnitter
Sein sommerlich Gewand, aus Rot gewebt und Gold,
Dem weiten Feld. Dem Flammenherde
An Gier vergleichbar und der Herde
Von Wölfen, raubten sie der Erde
Den roten Blumenschmuck, den gelben Erntesold.
In lange Reihen fiel der Schwaden
Hinter die Männer, gleich geraden
Schoßreisern, die am Berg der kluge Winzer hält.
Die flinken Binderinnen hoben
Die Garben emsig auf, umwoben
Mit Bast die Bündel rasch und schoben
Sie rücklings hinter sich, aufrecht ins freie Feld.
Wie eines Bienenschwarmes Schwingen
Erglitzerten die Sichelklingen;
Wie Meerflut blitzten sie, wenn drauf im Sonnenschein
Ein Schifflein zieht die goldne Fährte.
Der spitzen Schober Zahl vermehrte
Beständig sich, die rauhen Bärte
Der Garben mengten sich in schimmernd stolzen Reihn.
Es glichen die ins Feld gestellten
Schober des Krieges Lagerzelten:
Dem Lager von Beaucaire, von Simon angeführt,
Der, als von seinen Franzenhorden
Der Graf Ramoun geschlagen worden,
Kam, die Provence hinzumorden,
Weil ein Legat aus Rom den Kreuzzug angeschürt.
Die Ährenleserinnen wandern
Indeß von einem Feld zum andern,
Die Garben in der Hand, mit Scherzen und Gesang.
Und Amor, hinter unbewachten
Kornschobern, neckt die unbedachten,
Von Feuerblicken Glutentfachten:
Das keckste Schnitterlein, das je die Sichel schwang.
Der Bote naht auf flinken Sohlen:
Hört, was der Meister mir befohlen:
Entbiete gleich zu mir das ganze Feldgesind!
Quer durch die Äcker mußt du fliegen:
Verlasset Rinder, Schafe, Ziegen,
Laßt Pflüge, Sensen, Sicheln liegen –
So rufst du allen zu – und kommt zum Hof geschwind!
Er läßt euch alle zu sich bitten! –
Und wiederum, mit leichten Schritten,
Enteilt der treue Knecht. Im grauen Ölbaumland
Braust er, wie Nordsturm, durch die Flächen;
Er fährt, um mitten durch zu stechen,
Durch Reben, deren Ranken brechen
Und ist zuletzt allein, da drauß am Heiderand.
Fern sieht er, in der öden Heide
Der Crau, die Herden auf der Weide
Bei Eichenbüschen ruhn. Und rings umher zerstreut,
Auf wildem Minz, im Mittagsschlafe
Die Hirten. Ohne Furcht vor Strafe
Picken im Rückenvließ der Schafe
Bachstelzchen, während still die Herde wiederkäut.
Durchsichtig weißes Lichtgedüfte
Stieg aus dem Meer auf in die Lüfte
Und wogte hin und her. Wer kennt und wer begreift
Der Ätherhöhen Wunderweben?
Läßt eine Himmelsheil'ge eben
Den Nonnenschleier niederschweben,
Weil sie auf ihrem Flug die Sonne nah gestreift?
Der Bote naht auf flinken Sohlen:
Hört, was der Meister mir befohlen:
Entbiete gleich zu mir das ganze Feldgesind!
Quer durch die Äcker mußt du fliegen:
Verlasset Rinder, Schafe, Ziegen,
Laßt Pflüge, Sensen, Sicheln liegen –
So rufst du allen zu – und kommt zum Hof geschwind!
Da hielten alle Sensen inne
Und alle Pflüge. Bang zu Sinne
Ward es den Schnittern da. Sie stoben stracks davon,
Wie Bienen, die in Schwärmen steigen,
Um plötzlich von den Pinienzweigen
Sich raschen Flugs ins Tal zu neigen,
Zum Stock zurückgeführt durch ehr'ner Zymbel Ton.
Zum Hofe kam der Harkerinnen
Und kam der Garbenbinderinnen
Behende Schar herbei. Es kamen auch geschwind
Die Ährenleser und die Hirten;
Die Garbenhäufer alle schwirrten
Heran, die Karrenführer schirrten
Schnell aus und liefen zu, so hurtig wie der Wind.
Düster und stumm, des Kummers Beute,
Warteten auf die Arbeitsleute
Der Meister und sein Weib, auf ihrem Tennenplan.
Und von der Störung ganz beklommen,
Die plötzlich in sein Werk gekommen:
Wir haben euren Ruf vernommen,
O Meister, sprach sein Volk, was hat man euch getan?
Ramoun erhob das Haupt: O Schnitter,
Zur Ernte kommen stets Gewitter!
Unsel'ge die wir sind! Was hilft uns Vorsicht, Fleiß:
Der Böse wetzt ja stets die Krallen!
Ich künde, was geschehn euch allen,
Doch erstlich tut mir den Gefallen,
Sag jeder, was im Feld er sah und was er weiß.
Laurèns aus Goùt beginnt zu sprechen.
Kein Jahr, wann gelb die Weizenflächen,
Verstrich, seit er ein Kind, daß er den Köcher nicht
Ergriff, im Tal sich einzustellen
Zum Schnitt. Ein Fels, an dem die Wellen
Des Meeres ohne Spur zerschellen.
Verwittert wie am Dom ein Stein war sein Gesicht.
Ein alter Held der Sichel. Frühe
Der erste, ob die Sonne glühe,
Ob rauh der Wind. Ihm war der Söhne Siebenzahl
Geboren, die mit ihm nun schritten;
So stark wie er, so schlicht an Sitten,
Gebrannt und bäurisch. Unbestritten
Hatt' ihn zum Oberhaupt gesetzt der Schnitter Wahl. –
Wenn's wahr, daß Regengüsse drohen
Nach blutig rotem Frühlichtlohen,
Dann, Meister, sprach Laurèns, erscheint es mir gewiß,
Es werde heut noch Tränen geben.
Behüte Gott uns Leib und Leben!
Hört, was vor Aufgang sich begeben:
Schon scheuchte Morgenlicht gen West die Finsternis,
Als wir, mit taubenetzten Klingen,
Ins Feld die Gasse schlagen gingen.
Gesellen, sprach ich, kommt, laßt uns ans Schaffen gehn
Mit Lust und Mut, wie alle Tage.
Ich hole aus: Beim ersten Schlage
Verwund' ich mich. Seht hier die Plage!
Nun sind es dreißig Jahr, daß dies mir nicht geschehn!
Dies sagend wies er in der Runde
Der Finger blutig tiefe Wunde.
Ein junger Mäher, Jan Bouquet, trat ernst und schnell
Nun vor die Eltern, die schon bitter
Getroffen, was dem alten Schnitter
Geschehn. Jan war Tarasco-Ritter
Aus Tarascon. So stark als sanft war der Gesell.
Kein Bursche konnt' in Condamine
Mit mehr Geschick und bess'rer Miene,
Bei »Lagadigadèu!« bei Jauchzen und Gesang,
Den Beilspeer und die Fahne schwingen,
Wann Scharen Volks, mit Reigenschlingen,
Alljährlich die Tarasco bringen
Und sich die düstre Stadt belebt im Jubelklang.
Leicht hätt' er auf dem Arbeitspfade
Es bis zum Sensenmeistergrade
Gebracht. Doch kam ein Fest, so war's um ihn geschehn!
Ade dann Dengeln, Sensenwetzen!
Bei Stierenrennen, Büffelhetzen,
Beim Trinkgelag an kühlen Plätzen,
Beim Farandoletanz war allzeit er zu sehn! –
Wir mähen, Herr, mit langen Streichen,
Begann der Jüngling, und erreichen
Ein Heidehühnernest, im Unkraut ganz versteckt.
Da regen sich im Grasbehänge
Die Flüglein und die kleinen Fänge;
Ich beuge mich auf das Gedränge,
Erfreut, daß vor dem Streich die Brut ich noch entdeckt.
O arme Tierchen! Welch Verhängnis!
Wie flehend reckten in Bedrängnis
Die Köpfchen sie empor. Im Neste war ein Schwarm
Ameisen, von den großen, roten.
Drei Vöglein lagen schon gleich Toten;
Mir schien, die übrigen, Bedrohten,
Bestürmten mich, daß schnell ich mich der Not erbarm'!
Allein erbittert, gierig, krochen
Die Ämsen zahllos her; zerstochen,
Erwürgt, war alles bald von ihrer gift'gen Wut.
Und ich, betrübt ob solchem Leide,
Nachdenklich auf den Stiel der Schneide
Gelehnt, vernahm aus naher Heide
Der Mutter Klageruf, ihr Jammern um die Brut.
Ein Lanzenstoß in eine Wunde
Ist diese neue Schicksalskunde,
Die in der Eltern Herz die Unglücksahnung mehrt.
Und wie in heißen Sommerzeiten
Gewitterwolken in den Weiten
Aufsteigen, bis von allen Seiten
Urplötzlich Blitz auf Blitz vom Himmel niederfährt,
Kommt nun auch noch Marran geschritten.
Auf allen Höfen wohlgelitten
War der. Und zog das Vieh zur Winterabendzeit
Aus seinen Krippen die Luzerne,
So plauderten die Knechte gerne,
Oft bis das Öl der Stalllaterne
Verzehrt, von seinem Tun beim Tagwerk und beim Streit.
Einst hatt' er sich zur Saat verdungen.
Da müht sich jeder, wohlgelungen
Den Furchenpfad zu ziehn. Marran, zuletzt im Zug,
Statt mit der Schar den Grund zu teilen,
Scheint unbeholfen zu verweilen
Und geht mit Sterz und Deichselkeilen
So um, als hätte sonst er nie die Hand am Pflug. –
Du gehst zum Pflügen dich verdingen,
Und einen Pflug in Stand zu bringen
Vermagst du, Tölpel, nicht! schrie ihm der Großknecht zu.
Ich wette, ungeschickter Bauer,
Ein Eber pflügt mit seinem Hauer
In wildem Zorne noch genauer! –
Die Wette nehm' ich an und wer, ich oder du,
Verspielt, den kost' es an Moneten
Drei Louisdor . . . Nun blast, Trompeten!
Den Grund durchfährt zugleich der beiden Pflüger Stahl.
Zwei Pappeln wählen sie als Zeichen
Am andern Rain sich und erreichen
Sie beide ohne Seitwärtsweichen.
Die Furchenkämme glühn wie Gold im Sonnenstrahl.
Potz tausend! riefen alle Knechte,
Ihr seid uns wahrlich ein paar Rechte!
Wer also pflügen kann, dem lag die Hand nicht brach!
Gut, Oberknecht! Doch jedem Teile
Sein Recht. Es ist des andern Zeile
So grad, daß man mit einem Pfeile
Sie wohl bestreichen kann, der ganzen Länge nach.
So hat Marran den Preis gewonnen. –
Und in den Rat, der wirr begonnen,
Trug nun sein bittres Wort auch er und sprach, ganz bleich:
Ich pflügte just und pfiff. In Scheiben
Hob sich der Boden. Zum Zerreiben
Von Hartgrund länger auszubleiben
Nahm ich mir eben vor und schaffte, Streich auf Streich.
Da, plötzlich, seh' ich meinen Tieren
Das Haar sich sträuben; sie verlieren
Den steten Gang zugleich, ein Schauer fährt sie an.
Ich sehe wie sie, ganz in Schrecken
Erstarrt, die Ohren rückwärts recken;
Ich selbst seh' doppelt. . . . Rings bedecken
Die Gräser, jäh verfärbt, den weiten Wiesenplan.
Ich treibe mein Gespann zum Gehen.
Umsonst! Es bleibt mit Zittern stehen.
Baiardo sah betrübt mich an, Falet beroch
Die Furchen. Ich, mit Peitschenhieben
Fahr ihnen um die Knie. . . . Da stieben
Sie fort, als wie von Spuk getrieben;
Der Pflug aus Ulmenholz zerbricht samt Baum und Joch.
Und ich stand da, bleich und beklommen;
Mir war's wie Fallsucht angekommen,
Die Zähne klappten mir, mich packte Atemnot.
Und über Haar und Augenlider
Und über die bestürzten Glieder
Fuhr es wie Eiseswehen nieder,
Wie Grufthauch streift' es mich: Ich weiß, es war der Tod! –
O Mutter unsres Herrn! Umwallten
Doch deines Himmelsmantels Falten,
Rief auf den Knieen laut des Meisters arme Frau,
Mein schönes Kind, zu Schutz und Frommen! . . .
Kaum den Verzweiflungsschrei vernommen,
Sieht man in Eil des Weges kommen
Antèume, Hirtenhaupt und Melker in der Crau:
Was hatte sie so früh am Tage
Zu tun denn, im Wacholderschlage?
Mit diesen Worten tritt Antèume in den Rat.
Wir melkten in der Hürdenscheide
Die Schafe draußen auf der Weide,
Und über unsrer Kieselheide
Spannte sich hoch und weit der Gottessterne Saat.
Ein Luftgebild, ein leichter Schatten,
Streift unsern Pferch – die Hunde hatten
Aus Furcht nicht einen Laut – die Herde drängte sacht
Zusammen . . . Alle guten Geister!
Dacht' ich bei mir, nun selbst nicht dreister!
Doch ließ er mir nicht Zeit, mein Meister,
Daß Unsrer Lieben Frau ein Ave ich gebracht.
Will nicht ein Hirte mit mir ziehen
Zu den drei heiligen Marien?
Ertönt es wohlbekannt. Dann, plötzlich, war der Schein
Verschwunden, gleich der Spur des Windes.
Es war die Stimme eures Kindes,
O Herr! . . . Der Eltern, des Gesindes
Erstaunter Ruf erschallt: Ist's möglich, kann es sein? –
Mirèio war es, sprach der Hirte,
Ich sah's als sie vorüberschwirrte;
Auf ihrem Antlitz lag der Sterne Schein so klar!
Doch ist sie nicht wie sonst gewesen,
Nein: traurig, von verstörtem Wesen;
In ihren Zügen war zu lesen,
Daß schweres Herzeleid des Ganges Antrieb war.
Bei so verhängnisvoller Kunde
Ging neues Seufzen durch die Runde
Und leidenschaftlich rief die arme Mutter nun:
O folgen wir geschwind, geschwinde
Zu den drei Heiligen dem Kinde!
Gib, Gott! daß ich es wiederfinde
Mein süßes Vögelein, mein junges Heidehuhn!
Wenn Ameisen es überfallen,
Bis auf die letzte werd' ich allen
Tod bringen, müßt' ich sie zerbeißen insgesamt!
Und wenn der Tod, das Schreckgerippe,
Dir schließen wollte Lid und Lippe:
Ich schlüg' ihm Scharten in die Hippe
Und hülfe dir zur Flucht, verzweifelt, mutentbrannt!
So drohte, außer sich, und schmähte
Jano-Marìo laut und säte
Den Jammer auf den Weg, von Sorge ganz verwirrt.
Der Meister rief den Kärrnerknaben:
Deck ein den Wagen, netze Naben
Und Achsen tüchtig, denn wir haben
Gar weiten Weg. Nur schnell Moureto angeschirrt!
Und als die Mutter auf den Wagen
Gestiegen, hallten ihre Klagen,
Ihr wildes Schmerzgeschrei, nur lauter in den Wind! –
Mein schönes Liebchen! . . . Kieselpfade
Der Crau, ihr, weite Salzgestade,
Seid mild und freundlich! Sieh voll Gnade
Ach, große Sonne, du auf mein verschmachtend Kind!
Doch jene Satanswerkverstockte,
Die es in ihre Höhle lockte
Und Gift und Zaubersaft gewiß zu trinken zwang:
Tavèn, du altes Scheusal! Hetzten
Doch all die Geister, bis zum letzten,
Die Sankt Antonius einst entsetzten,
Dich ewig bei Li-Baus durch Kluft und Felsenhang!
Der Armen Ruf und Wort verhallen
Im Wagenrütteln, Peitschenknallen . . .
Die Männer kehrten still zum Tagewerk zurück,
Ausspähend, ob mit neuem Leide
Kein Bote nahe durch die Heide . . .
In Schwärmen tanzten auf der Weide
Die Mücken. Sie allein empfanden Lust und Glück! |