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Zur Blätterlese singet wieder,
Magnanarellen, eure Lieder!
Die Maulbeerbäume stehn so schön und voll belaubt
Und fröhlich tummeln, sonnbeschienen,
Die jungen Mädchen sich in ihnen,
Gleich einem Schwarme goldner Bienen,
Der wildem Rosmarin den süßen Honig raubt.
Beim Zweigentblättern sendet hellen
Gesang empor, Magnanarellen!
Mirèio pflückt allein. Frühmorgens ist's, im Mai.
Ringsum ein Blühen und ein Prangen.
Ums Ohr geschlungen Kirschen hangen
Der Schelmin zierlich an den Wangen . . .
Früh kam an jenem Tag Vincèn am Hof vorbei.
Die scharlachrote Mütze deckte
Nach Fischerart sein Haupt; stolz reckte
Sich eine Feder dran. Hin schritt der schmucke Knab';
Vor seinem Tritt entfloh mit Bangen
Am Grabenrand die Brut der Schlangen,
Von Haufen Kies, die hell erklangen,
Schnellte sein leichter Stock die obern Steinchen ab.
Jetzt rief Mirèio aus den Bäumen:
Dir bangt wohl, etwas zu versäumen,
Weil du so eilst, Vincèn! Er wendete geschwind
Die Augen nach dem Maulbeerpferche;
Da saß auf eines Astes Zwerche
Gleich einer frohen Haubenlerche
Mirèio. Und voll Lust flog er zum schönen Kind.
Nun? Ist die Arbeit bald verrichtet,
Mirèio? – Ei! allmählich lichtet
Vom Blatt sich Zweig um Zweig. – Wollt ihr, so helf ich euch! –
Du wolltest? – Freilich, und aufs beste! –
Und flugs erklimmt zum Erntefeste,
Vincèn, dem Eichhorn gleich, die Äste:
Seid achtsam, denn Ramoun, der Meister, hat nur euch,
Mirèio! Nehmt die tiefern Zweige,
Indes die Wipfel ich ersteige!
Und sie, die Blätter stets abstreifend, flink und sacht,
Sprach: Ja, vereint der Arbeit pflegen
Ist hübsch und hilft, den einsam Trägen
Zu neuem Eifer anzuregen!
Und er: Ach, einsam sein, das ist's, was traurig macht!
Wann abends wir daheim dem Rauschen
Der ungestümen Rhone lauschen,
Die an den Ufern nagt, und rings sich sonst nichts regt:
Wie langsam schleichen dann die Stunden!
Im Sommer, ja! dann zieht in Runden
Mein Vater mit mir zu den Kunden,
Weitum von Hof zu Hof, dann leben wir bewegt!
Doch wann am Stechpalmstrauch die Beere
Sich rötet und des Winters Schwere
Uns drückt: Wie fühlt man da der langen Wachen Pein
Am kaltgewordnen Feuerorte!
Der Sturmwind rüttelt an der Pforte,
Und ohne Licht und ohne Worte
Erwarten wir den Schlaf, wir beide ganz allein . . .
Ihn unterbrach Mirèios Frage:
Wo ist denn deine Mutter, sage? –
Sie starb! . . . Der Knabe schwieg . . . Dann fuhr er lebhaft fort:
Als Vinceneto noch zu Hause,
Da gab's in unsrer engen Klause
Im Lachen selten eine Pause;
Das war euch eine Lust! – Wie? nahm nun sie das Wort:
Hast eine Schwester du? – Die Kleine
Ist nur zu sehr der bravsten eine,
Sprach er. Nach Font-dóu-Rèi – bei Beaucaire liegt der Ort –
War sie zur Erntezeit verdungen;
Und weil ihr alles wohl gelungen,
Hat sie der Herrschaft Gunst errungen:
Man gab sie nicht mehr her. Nun ist sie Dienrin dort.
Gleicht deine Schwester dir? – Bewahre!
Denn zart ist sie, mit hellem Haare,
Und ich bin, wie ihr seht, gleich einem Käfer braun . . .
Mit euren aufgeweckten Köpfchen,
So frisch und fein wie Myrtenknöpfchen,
Wärt ihr zwei lieblichen Geschöpfchen
Bei weitem eher noch für Schwestern anzuschaun.
Doch eines Häubchens helles Linnen
Zu binden – das ist ein Beginnen,
Das besser ihr versteht. Nein, häßlich ist sie nicht,
Die Schwester; aber nie erreichen
Wird sie's, mit euch sich zu vergleichen! –
Hier ließ den Zweig der Hand entweichen
Mirèio: Ei, rief sie, was der Vincèn da spricht! . . .
Zur Blätterlese singet wieder,
Magnanarellen, eure Lieder!
Die Maulbeerbäume stehn so schön und voll belaubt
Und fröhlich tummeln, sonnbeschienen,
Die jungen Mädchen sich in ihnen,
Gleich einem Schwarme goldner Bienen,
Der Minz und Rosmarin den süßen Honig raubt.
So? fuhr Mirèio fort, ich scheine
Dir wirklich hübscher als die Kleine? –
Ich bitt' euch! rief Vincèn, wer wählte da noch lang. –
Wieso denn? fragte sie den Knaben. –
Nun ja! was wird voraus an Gaben
Der Buchfink vor dem Sperling haben,
Wenn nicht die Schönheit selbst, die Anmut, den Gesang!
Dem muß mein Schwesterlein entsagen:
Den Schönheitspreis davonzutragen,
Sind ihre Augen schon wie Meerflut klar und blau . . .
Dem schwarzen Bernstein zu vergleichen
Sind eure: wirken Wunder, Zeichen!
Wenn ihre Blitze mich erreichen,
Ist mir's, ich tränk' ein Glas vom Feuerwein der Crau.
Mit ihrer Stimme, fein und helle,
Sang manchmal mir die Peyronelle
Mein Schwesterlein. Dem Lied horcht' ich mit großer Lust.
Doch was sind Klänge, was sind Lieder?
Hör' ich das kleinste Wörtchen wieder
Von euch, so taut es auf mich nieder,
Entzückt mein Ohr und sät Verwirrung in die Brust.
Mein Schwesterchen, stets auf den Fluren,
Trägt, wie ein Dattelzweig, die Spuren
Der Sonnenglut, gleich all den Mädchen auf dem Land.
Ihr könnt den Sonnenschein vertragen
Wie Goldwurzkraut. Man möchte sagen,
Es dürfe nicht zu streicheln wagen
Der Sommer eure Stirn mit seiner braunen Hand.
Die Schwester gleicht der Bachlibelle,
So schmächtig ist sie; denn zu schnelle
Wuchs sie im letzten Jahr. Doch ihr – wie sag' ich's denn
Mirèio? – Euch umschließt das Mieder
So wunderzierlich schon die Glieder! . . .
Der Maulbeerzweig entglitt schon wieder
Mirèios Hand. Sie rief, ganz rot: O der Vincèn!
Beim Zweigentblättern sendet hellen
Gesang empor, Magnanarellen! . . .
So, in des Baumes Laub, wo Spähblick sich verlor,
Versuchten sich in holdem Minnen,
Mit jungen, unschuldsvollen Sinnen,
Die schönen minder . . . Fern die Zinnen
Der Berge tauchen jetzt aus Morgenduft hervor.
Dort, von den starren Felsenspitzen,
Wo nachts auf ihren alten Sitzen
Die Fürsten von Li-Baus umgehn, von Spuk umschwärmt,
Erheben sich in weiten Kreisen
Die Weihe zu den Wolkenreisen;
Die Flügel, stark und blank wie Eisen,
Blitzen im Sonnenschein, der schon die Büsche wärmt.
O! rief Mirèio, welche Schande!
Was brachten wir bis jetzt zu stande?
Da kommt nun dieser Schelm, verspricht, er helfe mir
Und neckt mich dann, nicht zum Ertragen!
Nun müssen wir uns tüchtig plagen,
Sonst möchte meine Mutter sagen,
Ich wär als junge Frau noch keines Hauses Zier.
Geh, schalt sie, geh, der du dich brüstest!
Wenn du vom Pflücken leben müßtest,
Mein armer Freund, und gäb' vom Zentner dir man Lohn
Und würde selbst die Reiser schneiden,
Du müßtest dennoch Hunger leiden! –
Ihr scheint mein Können nicht zu neiden!
Antwortete der Bursch, beschämt von ihrem Hohn.
Nun gut, mein Fräulein! wollen schauen,
Ob euch, ob mir mehr zuzutrauen!
Sie gehn im Sturm ans Werk und ohne Rast und Ruh
Wird Blatt um Blatt herabgerissen.
Kein Wort gesagt! Ganz dienstbeflissen!
(Dem Lamm, das blökt, entfällt der Bissen.)
Der Baum, der beide trägt, ist kahlgepflückt im Nu.
Jetzt ruhen sie vom Ungemache.
Jung sein ist eine schöne Sache!
Dann, wie derselbe Sack von beiden Laub empfing,
Fühlte der Knabe mit den seinen
Von ungefähr die schlanken, feinen
Finger des Mädchens sich vereinen.
Zwei Hände trafen sich dort in des Sackes Ring.
Und sie und er, von Schreck befangen,
Erzitterten und ihre Wangen
Färbte der Liebe Rot. Ein unbekannt Erglühn
Schoß jählings auf in beider Seelen.
Sie ließ es nicht an Eile fehlen,
Ihr Händchen aus dem Sack zu stehlen;
Und er, noch ganz verwirrt, mit sorglichem Bemühn:
Was gibt's? War was im Laub verkrochen?
Ein Wesplein? Hat es euch gestochen? –
Ich weiß nicht! hauchte sie, die Stirne tief gesenkt.
Und ohne weitre Worte machte
Man wieder sich ans Werk, bewachte
Verstohlen, schalkhaft sich und dachte:
Laß sehen, wer von uns zuerst ans Lachen denkt.
O welch ein fröhlich Herzbewegen! . . .
Die Blätter fielen, dicht wie Regen!
Und füllte sich der Sack mit Laub von neuem an:
Ob's Absicht oder Zufall heiße,
Stets wieder traf die kleine, weiße
Hand jene andre, braune, heiße;
Und Arbeit wurde nie mit größrer Lust getan.
Zur frohen Ernte singet wieder,
Magnanarellen, eure Lieder! . . .
Jäh schnellt Mirèio auf, und rasch, im Flüsterton,
Den Finger auf dem Mund, voll Leben,
Froh wie ein Finklein in den Reben:
O schau doch, schau! im Baum . . . hier neben . . .
Das hübsche Vogelnest! . . . O hätt' ich es nur schon!
Ei! das ist keine große Sache!
Und gleich dem Sperling auf dem Dache
Behend, schwang sich Vincèn von Ast zu Ast empor.
In einer Höhlung, zwischen Rinden,
War leicht das kleine Nest zu finden;
Die junge Brut, schon mit den linden
Flaumfederchen bedeckt, sah munter draus hervor.
Vincèn schlingt nun die starken Beine
Um den gewundnen Stamm. Die eine
Der Hände tastet sacht, die andre hält ihn fest.
Mirèio, mit entflammten Wangen,
Verfolgt sein keckes Tun mit Bangen:
Was ist's? Was gibt es da zu fangen?
Fragt sie ganz leis Vincèn. – Blaumeisen sind im Nest!
Und weißt du, scherzt sie, was die Leute
Behaupten, daß es vorbedeute,
Wenn hoch in einem Baum, in dichten Laubes Hort
Ein Paar ein Vogelnestchen findet?
Man sagt, daß dann ein Jahr nicht schwindet,
Eh' Priesterspruch die zwei verbindet . . . .
Sprichwort, mein Vater sagt's, ist stets ein wahres Wort,
Erwidert er, doch heißt's im weitern,
Es könne jene Hoffnung scheitern,
Wenn man aus Unbedacht die Brut entwischen läßt. –
Barmherzigkeit! rief ganz beklommen
Mirèio, ach, zu aller Frommen
Gib acht, daß sie uns nicht entkommen!
Ich bitte dich, Vincèn, laß keines aus dem Nest!
Wohin sie bergen? fragt nun wieder
Der Knabe. Wär' nicht euer Mieder
Vielleicht der beste Ort? – Ja freilich! nickt das Kind.
Er taucht sogleich vom Rindensaume
Die Hand hinab zum Innenraume
Und langt vier Vöglein aus dem Baume –
Nein! ruft Mirèio froh, wie viel es ihrer sind.
Das hübsche Nest! Ihr armen Kleinen!
Nehmt einen Kuß . . . und wieder einen!
Und außer sich vor Lust, mit Küssen ohne Zahl,
Liebkosungen und Zärtlichkeiten,
Läßt sie die Tierlein zum bereiten,
Gar holden Käfig niedergleiten . . .
Jetzt reicht mir, ruft Vincèn, die Hand zum andern Mal!
Wie aus den Köpfchen, aus den blauen,
Die nadelfeinen Äuglein schauen! –
Drei neue Meisen hält der schöne Kerker fest;
Wie warm die Kleinen dorten liegen,
Sich wohlig kauernd an das Wiegen
Des sanft bewegten Busens schmiegen!
Sie wähnen sich wohl gar im kaum verlass'nen Nest.
Jetzt gibt es nichts mehr zu gewinnen! –
Ja doch! Es steckt noch mehr da drinnen! –
Ist deine Hand verhext? Du fängst sie wohl im Traum! –
Die Meisen? Zur Georgifeier
Legt oft ein Paar bis vierzehn Eier! . . .
Hier sind die letzten kleinen Schreier,
Die untersten im Nest. Ade nun, schöner Baum!
Kaum hat Vincèn den Ast verlassen,
Kaum sind die Tierchen eingelassen,
Recht zart und leis, in ihr geblümtes Busentuch . . .
Ach! Ach! entringt sich bang der Schönen,
Mit erst verhaltenen Klagetönen
Und laut und lauter dann, ein Stöhnen;
Und sich zu helfen macht sie zaghaft den Versuch.
O! weinte sie, sie kratzen, zwicken!
O weh, Vincèn! O, wie sie picken!
Seit einem Augenblick – wer hätte das gedacht –
War, abwärts von des Mieders Rande,
Der helle Aufruhr im Gewande;
Es hatten in die kleine Bande
Die letzten aus dem Nest die Unordnung gebracht.
Und in des schönen Tales Enge
Wehrt sich die aufgeregte Menge –
Weil man sich nun zu sehr den kleinen Raum versperrt –
In scharfem Aufeinanderprallen
Wie toll mit Flügeln und mit Krallen . . .
Des Kerkers weiße Wände wallen,
Indes das kecke Volk da drinnen reißt und zerrt.
Komm, hole sie! ertönt ihr Flehen,
O eile, komm! Und wie, vom Wehen
Des Sturmes, Rebenlaub sich bebend neigt und schmiegt,
Und wie vom Bremsenstich das Fohlen
Erschauert, so erharrt das Holen
Sie zitternd, bis auf Windes Sohlen
Zum Aste, der sie trägt, ihr junger Retter fliegt.
Beim Zweigentblättern, sendet hellen
Gesang empor, Magnanarellen!
Nun sitzt er neben ihr. Der Schmerz ist halb gestillt.
Er tröstet sie: Nur nicht verzagen!
Wie wollt ihr um so wenig klagen;
Seht, ich darf auch danach nicht fragen,
Wenn mir der nackte Fuß vom Brand der Nesseln schwillt.
Und lachend hält er ihr entgegen,
Die kleine Brut hineinzulegen,
Der Seemannsmütze Rund. Mirèio senkt die Hand
Verschämt ins Mieder; und in leisen,
Mit Vorsicht wiederholten Reisen
Bringt sie die armen jungen Meisen
Ans Tageslicht und füllt die Mütze bis zum Rand.
Ihr schien, noch dürfe sie nicht wagen,
Die Augen zu ihm aufzuschlagen;
Doch vor dem Lächeln schwand nun schon der Tränen Qual.
Dem Taue gleich in Morgenfrühen,
Der zarter Windenkelche Blühen
Mit diamantnem Farbensprühen
Verschönt . . . und schnell vergeht im ersten Sonnenstrahl.
Da, plötzlich, knackt der Ast entzweie,
Der beide trug . . . Mit lautem Schreie
Schlingt um Vincènsens Hals das tief erschrockne Kind
Die weißen Arme. Niederfliegen,
Im Fall sich aneinander schmiegen
Und unversehrt im Grase liegen
Ist eins . . . Der Wiesengrund empfängt sie weich und lind.
Zephire, frische Meereswinde,
Weht einen Augenblick gelinde!
Die ihr den Baldachin des Waldes sanft bewegt,
Hemmt, Aeolssöhne, euer Rauschen!
Vergönnt dem Paar, dem Traum zu lauschen!
O, laßt ihm Zeit, sich zu berauschen
Am Glückstraum, den es hold in seinen Herzen hegt!
Du, kleines Bächlein, laß dein Rieseln,
Tu langsam und befiehl den Kieseln
In deinem schmalen Bett, zu dämpfen ihr Getön!
Denn himmelwärts, in Ätherwogen,
Vom selben Licht emporgezogen,
Sind ihre Seelen fortgeflogen . . .
Laßt sie verloren sein in jenen Sternenhöhn!
Sie aber, nach dem kurzen Traume –
Nicht bleicher sind am Quittenbaume
Die Blüten – wand sich los, und auf des Baches Rand
Ließen sich beide zögernd nieder,
Und jedes schlug verwirrt die Lider
Zum andern auf, bis endlich wieder
Des Körbeflechters Sohn die ersten Worte fand:
Ihr tatet euch doch nichts zuleide,
Mirèio? . . . Schande du, der Heide
Heimtück'scher Unglücksbaum, am Freitag eingesetzt!
O daß der Holzwurm dich verzehrte,
Daß deine Kraft dem Schwund nicht wehrte,
Dein Herr für dich nur Abscheu nährte!
Sie aber senkt beschämt ihr Köpfchen und versetzt:
Ach nein! Der Schreck ist überstanden!
Doch wie in seinen Wickelbanden
Ein Kindlein manchmal weint und selbst nicht weiß warum,
So ist mir wunderbar zu Sinnen:
Ich fühl' es heiß zum Herzen rinnen,
Es drängt und kocht und pocht da drinnen
Und trübt mir Ohr und Blick und macht mich scheu und stumm.
Vielleicht mag nur die Furcht euch quälen,
Meint er, vor eurer Mutter Schmälen,
Daß ihr so lange Zeit beim Pflücken zugebracht?
Wie mich, wenn ich in Abendspäten,
Beschmutzt, zerfetzt in allen Nähten,
Nach Hause schlich vom Maulbeerjäten . . .
Ach nein, das ist es nicht, was mich so ängstlich macht.
Hat euch ein Sonnenstich getroffen?
Fragt' er, dann läßt sich Bess'rung hoffen
Von jener Hexe Kunst; sie wohnt dort bei Li-Baus
Und heißt Taven: Die alte Dirne
Setzt ein Glas Wassers auf die Stirne
Des Kranken, und aus seinem Hirne
Zieht blitzschnell der Kristall die heißen Strahlen aus.
Nein, nein! Der Maiensonne Glühen
Läßt um so froher nur erblühen
Die Töchter unsrer Crau, rief sie . . . Allein warum
Bin dich zu täuschen ich beflissen?
Warum die süße Wahrheit missen?
Vincèn, mein Freund, willst du es wissen?
Ich bin dir gut, Vincèn! . . . Der Bachesrand ringsum
War plötzlich wie von Licht umflossen;
Aus Busch und Gras und Weidenschossen
Erglänzte helle Lust. Vincèn nur fühlte Pein
Und rief mit herben Vorwurfs Tönen:
Ist's möglich denn? Kann einer schönen
Prinzessin Mund so grausam höhnen?
Da hat man wahrlich Grund, erstaunt, bestürzt zu sein!
Wie? Mich zu euch . . . zu euch erheben?
Mit meinem armen jungen Leben
O spielt, Mirèio, so um Gottes willen nicht!
Denn seht, ihr redet da von Dingen,
Die, lass' ich sie zum Herzen dringen,
Mir Jammer, Not und Tod nur bringen!
Vergeßt, Mirèio, nie, nie mehr des Mitleids Pflicht!
Gott weigre mir des Himmels Pforten,
Wenn Lug und Spott in meinen Worten!
Es tötet nicht, Vincèn, der Liebe zu vertrau'n!
Doch willst du grausam mich verschmähen,
Nach einem andern Liebchen spähen,
So wird mich Krankheit niedermähen,
Du wirst mich matt und bleich zu deinen Füßen schau'n!
O weckt kein unerfüllbar Hoffen!
Denn vor mir liegt ein Abgrund offen
Und scheidet mich von euch! versetzt' Ambròsis Sohn.
Ihr seid die Königin, es neigen
Vor euch sich alle . . . Niedersteigen
Wollt ihr zu dem, der nichts sein eigen
Auf dieser Erde nennt? Der Körbe flickt, um Lohn?
Was liegt daran, ist's nur der Rechte!
Ob er Baron, ob Körb' er flechte,
Was frag' ich danach viel, wenn er mir nur gefällt!
Doch willst du nicht um dich, den einen
Mein Sehnen dulden und mein Weinen:
Warum dann mir so schön erscheinen,
In deinem armen Kleid, wie niemand in der Welt?
Vor ihrer holden Jugendschöne
Fand er, betreten, keine Töne,
Dem Vogel gleich, dem, jäh erschreckt, der Sang entfällt.
Doch dann: Du kannst mit deinen Blicken
Zugleich mich bannen und erquicken;
Mit deiner Stimme mich bestricken,
Daß sie wie süßer Wein mein Hirn gefangen hält.
Seit deine Arme mich umfangen,
Hemmt nichts das glühende Verlangen,
Das du in mir entflammt! Hin ist der Zagheit Bann!
Mirèio: Höhntest du mich Armen
Gleichwohl, und fühltest kein Erbarmen:
Nun müßt' ich dennoch dich umarmen;
Denn sieh: ich liebe dich, mehr als ich sagen kann!
So lieb' ich dich, daß wenn du sagtest:
Vincèn, falls du dein Leben wagtest
Für mich, du nähmst es auf mit jenem Höllentier,
Nicht Flammen, noch des Eisens Streichen,
Nicht Wäldern, Strömen würd' ich weichen:
Auf Gipfeln, die zum Himmel reichen
Holt' ich den Stern herab, zu deiner Sonntagszier!
Je mehr dein Blick sich zu mir wendet,
Um so viel mehr bin ich geblendet!
Einst sah auf meinem Weg ich einen Feigenbaum
Am Felsen der Vau-Clüso-Grotte,
So dürr und arm, daß wie zum Spotte
Er dasteht; der Lacertenrotte
Gewährt der kleinste Strauch wohl mindern Schatten kaum.
Des Baumes Wurzel netzt im Jahre
Einmal des Quellenbeckens klare,
Kristallen grüne Flut. Er saugt sie gierig ein.
Der Quell ist seine ganze Habe,
Denn für ein ganzes Jahr zur Labe
Dient ihm die frische Liebesgabe:
Dies Gleichnis paßt auf mich wie auf den Ring der Stein!
Der Baum in heißer Mittagshelle
Bin ich; und du die frische Quelle!
Ach dürft' ich Armer doch, einmal im Jahre nur,
Mich knieend, so wie jetzt, in Wonnen,
An deiner Augen Strahlen sonnen!
Erquickung hätt' ich schon gewonnen,
Ließ ich auf deiner Hand nur eines Kusses Spur!
Mirèio hört, vor Liebe bebend,
Entzückt ihm zu . . . Er, sich erhebend,
Umfängt sie mit der Hast, die Zagheit jäh bereut,
Sie an sein heißes Herz zu pressen . . .
Mirèio! . . . weckt aus Weltvergessen
Der Mutter Stimme sie . . . was essen –
Tönt es vom Hofe her, – die Seidenwürmer heut?
In einer hohen Pinie Zweigen
Sitzt manchmal, bei des Tages Neigen,
Ein muntres Sperlingsvolk, des Zwitschern laut erschallt.
Da, plötzlich, kommt in weitem Bogen
In all das Durcheinanderwogen
Des Ährenlesers Stein geflogen,
Und hurtig sucht der Schwarm voll Schreck den nahen Wald.
So wendet mit verstörten Sinnen
Sich flugs zu eiligem Entrinnen
Das Liebespaar. Den Sack mit Laub hebt unverweilt
Aufs Haupt Mirèio, und vom Orte
Entflieht sie nach des Hofes Pforte.
Er, tief ergriffen, ohne Worte,
Sieht ihr wie träumend nach, wie sie das Feld durcheilt. |