Dmitri Mereschkowski
Julianus Apostata
Dmitri Mereschkowski

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XVIII.

Bei Sonnenaufgang erblickten sie die Perser. Die Feinde kamen langsam näher. Erfahrene Soldaten schätzten ihre Zahl auf nicht weniger als 300 000 Mann; hinter den Hügeln tauchten immer neue Massen auf. Die Rüstungen leuchteten so blendend, daß es die Augen auch durch den dichten Nebel hindurch kaum ertragen konnten.

Die Römer verließen schweigend das Tal und stellten sich in Schlachtordnung auf. Ihre Gesichter waren ernst, doch nicht bekümmert. Die Gefahr hatte alle feindseligen Gefühle niedergedrückt. Alle Blicke waren wieder auf den Kaiser gerichtet. Die Galiläer wie die Heiden suchten in seinem Gesicht zu lesen, ob noch eine Hoffnung vorhanden sei. Das Gesicht des Cäsars strahlte vor Freude. Er hatte auf diese Begegnung mit den Persern wie auf ein Wunder gehofft, denn er wußte, daß ein Sieg alles wieder gut machen und ihm eine solche Macht und Ehre einbringen würde, daß die Galiläer sich für besiegt bekennen müßten.

Der schwüle, staubige Morgen des 22. Juli ließ einen heißen Tag voraussehen. Der Kaiser wollte seinen ehernen Panzer nicht anlegen. Er behielt seine leichte, seidene Tunika an. Der Feldherr Victor trat an ihn mit dem Panzer in der Hand heran und sagte:

»Cäsar, ich habe heute einen bösen Traum gehabt. Versuche nicht das Schicksal und lege den Panzer an . . .«

Julianus winkte ab.

Der Alte kniete nieder und hob den leichten Panzer empor.

»Lege ihn an! Erbarme dich deines Sklaven! Die Schlacht wird gefährlich werden.«

Julianus ergriff den runden Schild, warf den wehenden Purpur der Chlamys über eine Schulter und sprang aufs Pferd.

»Laß mich, Alter! Ich will nicht.«

So sprengte er fort, und sein böotischer Helm mit dem hohen, goldenen Kamme funkelte in der Sonne.

Victor blickte ihm nach und schüttelte besorgt den Kopf.

Die Perser rückten immer näher heran. Nun hieß es eilen.

Julianus stellte sein Heer in einer besonderen Schlachtordnung – in Form eines gedehnten Halbkreises – auf. Der große Halbkreis sollte mit seinen beiden Spitzen in das persische Heer eindringen und es von zwei Seiten umfassen. Den rechten Flügel befehligte Dagalaifus, den linken Hormisdas, die Mitte Julianus und Victor.

Die Kriegstrompeten erklangen.

Die Erde erzitterte und erdröhnte unter dem weichen, schweren Trabe der persischen Elefanten; auf ihren breiten Stirnen zitterten Straußfedern; sie trugen auf ihren Rücken Türme aus Leder, die von Riemengurten festgehalten wurden; in jedem Turme saßen vier Schützen, die Falaricas – mit brennendem Pech und Werg versehene Wurfgeschosse – schleuderten.

Die römische Reiterei hielt dem ersten Ansturm nicht stand. Die Elefanten brüllten betäubend, erhoben ihre Rüssel und rissen ihre fleischigen, feuchten, rosa Rachen auf; die Soldaten fühlten auf ihren Gesichtern den Atem der Ungeheuer, die die Barbaren durch ein besonderes Getränk aus reinem Wein, Pfeffer und Weihrauch wild gemacht hatten; die mit Zinnober gefärbten und durch Stahlspitzen verlängerten Stoßzähne schlitzten den Pferden die Bäuche auf; mit ihren Rüsseln ergriffen sie die Reiter, hoben sie in die Luft und schlugen sie gegen die Erde.

Der faltigen Haut der grauen Ungeheuer entströmte in der Mittagshitze ein scharfer, durchdringender Schweißgeruch. Die Pferde scheuten, schlugen aus und schnaubten, als sie den Geruch der Elefanten witterten.

Eine Kohorte wendete sich schon zur Flucht. Es waren Christen. Julianus stürzte ihnen nach, um die Fliehenden aufzuhalten, schlug den ersten Decurio ins Gesicht und schrie wütend:

»Feiglinge! Ihr könnt nur beten! . . .«

Die thrakischen, leichtbewaffneten Schützen und die paphlagonischen Schleuderer rückten gegen die Elefanten vor. Ihnen folgten die geschickten illyrischen Martiobarbulen mit ihren Wurfspießen, die mit Blei ausgegossen waren.

Julianus befahl, alle Pfeile, Steine aus den Schleudern und bleierne Wurfspieße auf die Beine der Ungeheuer zu richten. Ein Pfeil traf einen großen indischen Elefanten ins Auge. Er brüllte und erhob sich auf den Hinterbeinen; die Bauchgurte zerrissen, der Sattel mit dem Lederturm glitt herab, und die Schützen fielen, wie junge Vögel aus einem Nest, heraus. Die ganze Elefantenabteilung geriet in Unordnung. Die an den Beinen getroffenen Tiere fielen um, und bald bildete sich ringsherum ein beweglicher Berg aus übereinandergehäuften Elefantenleibern. Ihre nach oben gekehrten Füße, die blutenden Rüssel, die zerbrochenen Stoßzähne, die umgeworfenen Türme, die halberdrückten Pferde, die verwundeten und toten Perser und Römer – alles lag in einem wirren Knäuel durcheinander.

Schließlich wandten sich die Elefanten zur Flucht, stürzten in die Reihen der Perser und begannen sie niederzutreten.

Die Kriegskunst der Barbaren rechnete mit dieser Gefahr: das Beispiel der Schlacht bei Nisibis hatte gezeigt, daß das Heer von seinen eigenen Elefanten vernichtet werden kann.

Die Führer der Elefanten schlugen die Ungeheuer mit langen, sichelförmigen, am rechten Arme festgebundenen Messern mit aller Kraft zwischen den beiden letzten Rückenwirbeln, die dem Schädel am nächsten liegen; ein einziger Schlag genügte, um das größte und stärkste Tier zu töten.

Die Kohorten der Martiobarbulen stürmten vorwärts, kletterten über die verwundeten Elefanten und verfolgten die Fliehenden.

In diesem Augenblick mußte der Kaiser dem linken Flügel zu Hilfe eilen. Hier rückten die persischen Clibanarier vor; so hießen jene berühmten Reiter, die miteinander durch eine große, schwere Kette verbunden, gleichsam aneinander gelötet waren und vom Kopf bis zu den Füßen in biegsamen Schuppenpanzern aus Stahl staken; sie waren unverletzbar, beinahe unsterblich, wie aus Metall gegossene Statuen; man konnte sie höchstens durch die schmalen Spalten in den Visieren, die für Mund und Augen offen waren, treffen.

Julianus richtete gegen die Clibanarier seine alten, bewährten Freunde, die Bataver und die Kelten; sie starben für ein Lächeln des Cäsars und blickten ihn noch im Sterben mit entzückten Kinderaugen an.

Auf dem rechten Flügel waren inzwischen die römischen Kohorten in die Reihen der mit gestreiften, schlankfüßigen Zebras bespannten persischen Schlachtwagen eingedrungen; an den Achsen und den Speichen dieser Wagen waren scharfgeschliffene Sensen angebracht, die sich mit rasender Geschwindigkeit drehten und auf einen Streich den Pferden die Füße, den Soldaten die Köpfe abhieben und die Körper ebenso leicht entzweischnitten, wie die Sichel des Schnitters die feinen Ähren abmäht.

Gegen Mittag wurden die Clibanarier etwas matt: ihre Panzer waren von den Sonnenstrahlen heiß geworden und brannten an ihren Körpern.

Julianus richtete gegen sie alle verfügbaren Truppen.

Die Clibanarier schwankten und gerieten in Verwirrung. Dem Kaiser entfuhr ein Triumphschrei. Er stürmte vorwärts, um die Fliehenden zu verfolgen und merkte gar nicht, daß seine Truppen hinter ihm zurückblieben. Den Kaiser begleiteten nur wenige Leibtrabanten, unter denen sich auch der Feldherr Victor befand. Der Alte war am Arm verwundet, achtete aber nicht auf den Schmerz; er verließ den Kaiser für keinen Augenblick und schützte ihn vor der Todesgefahr mit seinem langen, nach unten zugespitztem Schilde. Der erfahrene Feldherr wußte, daß es ebenso unvernünftig sei, sich einem fliehenden Heere zu nähern, wie an ein einstürzendes Gebäude heranzutreten.

»Cäsar, was tust du?« rief er Julianus zu. »Hüte dich! Nimm meinen Panzer . . .«

Julianus stürmte aber, ohne auf ihn zu hören, mit erhobenen Armen und entblößter Brust vorwärts, als ob er allein, ohne Heer, nur durch sein furchtbares Antlitz und den Wink seiner Hände die zahllosen Feinde in die Flucht jage.

Auf seinen Lippen spielte ein Lächeln der Freude, sein böotischer Helm funkelte durch die Staubwolken hindurch, und die Falten der im Winde wehenden Chlamys glichen zweien riesigen, roten Flügeln, die ihn immer weiter und weiter trugen.

Vor ihm raste eine Abteilung Sarazenen. Einer der Reiter wandte sich um, erkannte Julianus an seiner Kleidung und rief seinen Kameraden einige wilden Kehllaute, die wie Adlerschreie klangen, zu:

»Malek! Malek!« was arabisch »König! König!« bedeutet.

Alle wandten sich um, sprangen, ohne die Pferde anzuhalten, stehend auf die Sättel und erhoben ihre Lanzen über den Köpfen; ihre langen, weißen Gewänder wehten im Winde.

Der Kaiser erblickte das braune Räubergesicht eines jungen Sarazenen, fast noch eines Knaben. Er ritt ein riesiges baktrisches Kamel, an dessen zottigem Bauche Klumpen trockenen Schmutzes hingen.

Victor hatte mit seinem Schilde schon zwei gegen den Kaiser gerichtete Sarazenenlanzen aufgefangen.

Mit gierigen, kecken Augen zielte der Knabe, der das Kamel ritt, auf den Kaiser; er fletschte die weißen Zähne und schrie voller Freude:

»Malek! Malek!«

»Wie froh er ist,« dachte Julianus, »während ich noch . . .«

Er brachte seinen Gedanken nicht zu Ende.

Eine Lanze streifte sausend seinen rechten Arm, zerkratzte leicht die Haut, glitt an den Rippen vorbei und blieb unterhalb der Leber stecken.

Er glaubte zuerst, daß die Wunde nur leicht sei, und ergriff die zweischneidige Lanzenspitze, um sie sich aus dem Leibe herauszuziehen; er zerschnitt sich aber dabei nur die Finger. Ein Blutstrom stürzte aus der Wunde.

Julianus schrie laut auf, sein Kopf fiel in den Nacken zurück; er starrte mit seinen weitgeöffneten Augen in den bleichen, glühenden Himmel und stürzte vom Pferde in die Arme der Leibtrabanten.

Victor stützte ihn. Die Lippen des Greises zitterten; mit getrübten Augen starrte er in die geschlossenen Augen des Cäsars.

Die zurückgebliebenen Kohorten sammelten sich wieder.


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