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Lorenzo hatte sich trotz der Vorbereitungen zum Kriege alle Mühe gegeben, um dennoch eine freundliche Ausgleichung zu finden, da er die schweren Lasten, welche ein Krieg unter allen Umständen der Republik auferlegen mußte, vollkommen würdigte und sehr wohl wußte, wie leicht die Volksgunst, die ihm jetzt zujubelte, sich unter dem Druck solcher Lasten von ihm abwenden könnte. Er hatte dem Grafen Girolamo auf dessen Vermittelungsanerbieten freundlich geantwortet, er hatte den Kardinal Mario freigegeben und dieser hatte bei seiner Rückkehr nach Rom selbst für die Verständigung gewirkt. Auch die unter Borgias und Estoutevilles Einfluß stehenden Mitglieder des heiligen Kollegiums waren im gleichen Sinne thätig gewesen, aber die Feinde der florentinischen Republik, unter denen der König von Neapel trotz seiner äußerlich vermittelnden Haltung nicht zu den Geringsten zählte, hatte immer mehr den Zorn des Papstes gereizt, der durch den Widerspruch einzelner Kardinale immer noch tiefer erbittert wurde und eine absolute Unterwerfung Lorenzos verlangte, zu welcher dieser sich nicht verstehen wollte und konnte, ohne sein Ansehen und seine Stellung in seiner Vaterstadt auf das äußerste zu gefährden.
So wurde denn am 1. Juni des Jahres 1478 der Bann gegen Lorenzo in den schärfsten Formen ausgesprochen, unter Aufzählung aller Vorwürfe, welche die römische Curie der florentinischen Republik und ihrem Leiter machen zu dürfen glaubte.
In den Bann waren eingeschlossen der Gonfaloniere, die Mitglieder des hohen Rats, die ganze Familie der Medici und alle, welche sich in Freundschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen zu dem Haufe der Medici befanden und dieselben nicht sofort lösten. An die Signorie war ein in versöhnlicherem Ton gehaltenes päpstliches Schreiben gerichtet, in welchem Sixtus erklärte, daß er der Republik seine Gnade bewahren wolle, wenn sie ihm Lorenzo de Medici sogleich persönlich ausliefere, geschähe dies nicht, so würden alle Florentiner als Majestätsverbrecher und Kirchenschänder ebenfalls dem Bann verfallen. Damit war der Krieg erklärt.
Von diesem Augenblicke an stellte sich auch der König von Neapel offen auf die Seite des Papstes und sendete seinen ältesten Sohn den Herzog von Calabrien, der nach militärischem Ruhme dürstete, nach Rom ab, um mit einer starken Truppenmacht sich zur Verfügung des Papstes zu stellen. Der Herzog von Urbino als Generalkapitän der Kirche, erhielt im Verein mit dem Herzog von Calabrien den Oberbefehl über die päpstlichen Heere, welche sogleich aufbrachen, um von Siena aus die militärischen Operationen zu beginnen. Aber auch Florenz hatte seine Bundesgenossen. Von Mailand war wenigstens keine Feindseligkeit zu erwarten. Der Herzog Ercole von Este war an der Spitze einer stattlichen Truppenmacht persönlich erschienen, Giovanni Bentivoglio kam mit Bolognesischen Hülfstruppen, Giovanni Emo brachte die Zusage Venedigs, treu an dem Bündnis festzuhalten und Ludwig XI. von Frankreich nahm eine scharfe Stellung gegen den Papst ein. – Ganz Florenz wurde befestigt und verproviantiert, die Stadt glich einem Kriegslager; das vereinigte Heer, das durch Anwerbungen in der Lombardei verstärkt war, stand unter den Befehlen des Herzogs Ercole von Este, des Grafen Nicolo Orsini von Petiligiano und des Rodolfo Gonzaga von Mantua.
Die venetianischen Hülfstruppen führte Galëotto Pico de Mirandela heran und täglich wurden Übungen vorgenommen, um die Truppen zum Kriege vorzubereiten, während Lorenzo mit glänzender Gastfreundschaft die fremden Fürsten und Hauptleute bewirtete.
Noch eine Hilfe, die nicht zu unterschätzen war, kam der bedrängten Republik. Der Papst hatte gleichzeitig mit dem Bann gegen Lorenzo scharfe Zensuren gegen den gesamten Klerus der Republik ausgesprochen, weil derselbe sich nicht entschieden genug den Übergriffen der weltlichen Macht entgegengestellt hatte; die Florentinische Geistlichkeit fühlte sich dadurch in ihrer priesterlichen Würde wie in ihrem Vaterlandsgefühl verletzt. Unter der Führung fast sämtlicher Bischöfe trat eine Synode in der Kirche Santa Maria del Fiore zusammen und erließ ein von der Hand des Gentile Becchi abgefaßtes Schreiben an den Papst, in welchem alle Beschuldigungen desselben in schroffster Weise zurückgewiesen wurden. Die Synode erklärte, daß sie den Bannspruch als ungerecht und den Thatsachen nicht entsprechend betrachte und es verweigere, die von ihm Betroffenen als aus der Kirche gestoßen anzusehen und zu behandeln, sie verlangte die Berufung an ein einzuberufendes italienisches Konzil.
Diese Erklärung hatte die geistlichen Waffen, welche der römische Hof gegen Lorenzo und seine Freunde gerichtet, wesentlich abgestumpft, wenn nicht ganz gebrochen, und den Widerstand der Republik gegen den Papst auch bei dem streng kirchlich gesinnten Teil des Volkes als gerechtfertigt hingestellt. Sixtus war natürlich durch diese Auflehnung des Klerus gegen seinen Willen noch tiefer erbittert und sendete ein eigenhändiges Schreiben an den auf dem Marsche befindlichen Herzog von Urbino mit dem Befehl, seine kriegerischen Operationen zu beschleunigen und alles aufzubieten, um die rebellische Republik niederzuwerfen. Auch der Aufbruch der florentinischen Armee nach Urbino und Siena hin, von wo aus die ersten Angriffe zu erwarten waren, wurden beschleunigt und an einem sonnigen Julimorgen standen die Truppen, welche in Florenz selbst einquartiert waren, in glänzender Ausrüstung vor dem Palast der Signorie, in welchem der hohe Rat versammelt war, um die verbündeten Heerführer feierlich zu verabschieden.
Lorenzo de Medici führte den Herzog Ercole von Este und die übrigen Führer der Hilfstruppen, sowie die Gesandten der verbündeten Staaten in den Saal.
Die Mitglieder der Signorie erhoben sich von ihren Sitzen. Der Gonfaloniere trat den Verbündeten der Republik entgegen und sprach ihnen in kurzen kräftigen Worten den Dank für ihre Treue und Freundschaft aus.
»Das ganze große italienische Vaterland,« so schloß er, »wird von unserem Siege den Gewinn haben, Italien wird frei werden von den Übergriffen der geistigen Herrschaft, welche die Entwickelung des Volkslebens und der Volkskraft lähmen und eindämmen und die Kirche selbst, gegen welche wir uns trotz dieses beklagenswerten Kampfes aufrichtiger Verehrung und Ergebenheit rühmen dürfen, wird uns vielleicht später Dank wissen, daß wir sie auf das unbestreitbar ihr gebührende Gebiet zurückgewiesen haben, auf welchem sie allein die Segnungen des Christentums den Völkern zuführen kann. – Darum wünschen wir und erflehen den Sieg für unsere Waffen und er wird den erleuchteten Führern unserer tapferen Truppen nicht fehlen.«
Der älteste der ebenfalls anwesenden Bischöfe sprach ein Gebet, in welchem er für die Sache des Rechts und der Wahrheit den Schutz des Himmels anflehte und um Gottes Erleuchtung für den Papst bat, damit dieser die Unwahrheit der ihm von den Feinden des Vaterlandes und der Kirche selbst zugetragenen Verleumdungen erkennen möge.
Nach diesem feierlichen Abschied wollten die Fürsten und Heerführer den Saal verlassen, Lorenzo aber bat sie, noch einen Augenblick zu bleiben und sprach, in die Mitte der Versammlung tretend mit bewegter Stimme:
»Edler Gonfaloniere und Ihr Herren vom hohen Rat, ich Habe Euch in dieser ernsten Stunde vor den Vertretern unserer erlauchten Bundesgenossen ein ebenso ernstes Wort aus aufrichtigem Herzen zu sagen. Ein schwerer Krieg soll beginnen, der, wie er sich auch wenden möge, viel Blut und harte Opfer kosten wird. Nach der Erklärung des Papstes soll dieser Krieg geführt werden um meiner Person willen und alle Opfer, die das Vaterland bedrohen, können erspart werden, wenn Ihr mich dem römischen Hof ausliefert, der nur in mir seinen Feind erblickt und Euch, wenn Ihr mich preisgebt, die Hand zum Frieden bieten will. Eine solche Verantwortung lastet schwer auf mir und ich bitte Euch, auf mich, den einzelnen Bürger, keine Rücksicht zu nehmen. Ich stelle mich Euch zur Verfügung und werde keinem von Euch einen Vorwurf machen, wenn Ihr mich, der Forderung des Papstes gehorchend, meinen Feinden ausliefert, die dann nicht mehr die Euren sein werden. Ich werde, wenn Ihr solches beschließt, mein Schicksal mit freudiger Ergebung tragen und stolz sein, mein Leben, das nur dem Vaterlande gehört hat, für das Wohl und den Frieden des Vaterlandes hinzugeben, wie das Blut meines Bruders Giuliano für das Vaterland geflossen ist.«
Heftig unterbrach ihn der Gonfaloniere:
»Fast möcht' ich Euch zürnen, erlauchter Lorenzo, daß Ihr Worte zu uns zu sprechen wagt, die uns eine Niedrigkeit und einen Verrat am Vaterlande zumuten. Niemals wird geschehen was Ihr in edler Selbstverleugnung von uns verlangt! Eure Feinde sind unsere Feinde, hinter Euch steht das ganze Vaterland, Eure Ehre ist die unsere und wenn wir Euch feige ausliefern wollten, so werden unsere tückischen und heuchlerischen Feinde nur um so siegesgewisser auch unser Recht und unsere Freiheit zertreten. Das ist meine Antwort und sie ist den Herren hier und dem ganzen Volke aus der Seele gesprochen und Kraft meines Amtes verbiete ich Euch, jemals wieder ein solches Wort, wie wir es eben von Euch gehört, zu sprechen!«
Er umarmte Lorenzo.
Dann rief er, seinen Degen ziehend und hoch emporstreckend:
»Es lebe der erste und edelste Bürger der Republik und des ganzen italienischen Vaterlandes, der erlauchte Lorenzo de' Medici! – Er und sein Haus sollen immerdar untrennbar verbunden bleiben mit der Republik und allen ihren Verbündeten!«
Die sämtlichen Herren der Signorie zogen ihre Degen und streckten sie zum Schwur empor.
Mit lautem Ruf, dem sich die Fremden anschlössen, stimmten sie dem Gonfaloniere zu und ihre Stimmen klangen durch die Fenster auf den Platz hinaus.
Das Volk, das die aufmarschierten Soldaten umgab, stimmte in den Jubel ein und alle einzelnen Mitglieder des hohen Rats traten zu Lorenzo heran, um ihm die Hand zu drücken und den Schwur ihrer Treue zu wiederholen.
Lorenzos Augen füllten sich mit Thränen, aber stolz richtete er sich auf und sprach zu den Fremden:
»Ihr seht es, erlauchte Herren, das Opfer, das ich willfährigen Herzens geboten, ist zurückgewiesen. – Ich freue mich dessen in dankbarem Stolz, denn ich bin mir bewußt, mit dem Vaterlande eins zu sein und meinen Willen und meine Kraft nur ihm zu weihen. So muß ich denn auf der Stelle bleiben, auf welche das Vertrauen meiner Mitbürger mich gestellt hat und ich werde auf derselben ausharren in unermüdlicher Arbeit, so lange noch ein Tropfen Blut in meinen Adern und ein Atemzug in meiner Brust vorhanden ist.«
Auch der Herzog Ercole und Bentivoglio umarmten Lorenzo, die übrigen Führer drückten ihm ehrerbietig die Hand und die Bischöfe grüßten ihn mit segnenden Zeichen des Kreuzes.
Dann stiegen die Führer herab, um sich an die Spitze der Truppen zu stellen und Lorenzo trat an der Seite des Gonfaloniere auf den Balkon des Palastes.
Cosimo hatte, während dies im Saale des hohen Rats vorging, von den Seinigen Abschied genommen und war dann schnell zu Lucretia geeilt, um auch ihr, die sein Herz mit Zaubermacht beherrschte und ihn immer mehr zu hohem Streben nach Ruhm und Ehre begeisterte, ein letztes Lebewohl zu sagen.
Sie war in leuchtende Farben gekleidet, mit Edelsteinen geschmückt und erschien ihm schöner, als er sie je vorher gesehen.
Als er ihre Hände küßte und mit schmerzlich bewegtem Blick zu ihr aufsah, sagte sie lächelnd:
»Ihr sollt nicht trübe blicken, mein geliebter Freund, wie ein schwacher Knabe, der den Abschied von einer freundlichen Gewohnheit scheut. – Eine solche Gewohnheit darf ich und will ich Euch nicht sein, nicht der schüchterne Cosimino sollt Ihr mehr bleiben, wie die Eurigen Euch tändelnd nannten, aufstreben sollt Ihr nun zu dem erlauchten Cosimo, Euerem Ahnherrn, die Proben sollt ihr ablegen ritterlicher Kraft und ritterlichen Mutes und in solchem Augenblick darf keine Wehmut des Abschiedes Euch beherrschen. – Und ist es ein Abschied? Nein, tausendmal nein!« rief sie mit flammend aufleuchtenden Augen. »Wohl geht Ihr fort von mir, aber getrennt werden wir nicht sein – bin ich nicht Eure Freundin mit dem Geiste ebenso sehr und mehr noch als mit dem Herzen – und muß der starke, kühne Geist, der uns die Gottesähnlichkeit giebt, nicht Herr sein über das schwache irdische Herz? Ich, mein geliebter Freund, fühle keinen Schmerz der Trennung, im Geist werde ich bei Euch sein und Euch folgen auf der Bahn des Ruhmes und der Ehre. Ohne Ruhm und Ehre und stolze Kraft ist der Mann nichts unter seinesgleichen, noch weniger vor einer Frau, die sich danach sehnt, ihn als ihren Herrn und Gebieter über sich zu erblicken. Ihr werdet, Ihr müßt es fühlen, daß mein Geist mit Euch ist, wenn Ihr vorstürmt zum Siege, der die Lorbeeren um Euer Haupt flechten soll. Hier« fuhr sie fort, eine neben ihr liegende Schärpe von blauer Seide mit goldenen Franzen ihm über die Schultern hängend und auf dem blinkenden Stahlharnisch ordnend, »nehmt dieses Feldzeichen, es trägt meine Farben – es soll Euch daran erinnern, daß ich bei Euch bin und im Geist ein Gebet für Euern Sieg zum Himmel sende.«
Er küßte ihre Hände und sagte wie zögernd mit einem leichten Seufzer:
»Und wenn man Euch diese Feldbinde zurückbringt mit meinem Blut gefärbt – als einen letzten Gruß?«
Noch heller flammten ihre Augen auf.
»Dann,« rief sie, »wird der Lorbeer sie schmücken und mein Stolz über Euren Ruhm wird mächtiger sein, als der Schmerz um eine kurze irdische Trennung! – Dies edle Zeichen wird dann das Heiligtum meines Lebens sein, das Euch dennoch gehören wird, bis wir uns wieder vereinigen und Euer Name wird um so inbrünstiger von meinen Lippen klingen.«
»Ihr habt recht,« rief er, sich stolz aufrichtend, »fort mit der knabenhaften Wehmut, – Ihr habt mich zum Manne gemacht und der Mann soll Eurer wert sein.«
Sie umschlang ihn mit ihren Armen und drückte einen heißen Kuß auf seine Lippen.
»Fort,« rief sie dann, »fort – ich höre die Trompeten, nach diesem Abschied darf kein mattes Wort mehr unsern Geist beugen und unsere Herzen erschlaffen.«
Noch einmal drückte er sie an sich. Dann ging er, schnell sich umwendend, hinaus.
Im Vorzimmer fand er den Zwerg. Mit einem Ernst, der sein faltiges Gesicht verschönte, reichte der kleine Piccolo ihm die Hand.
»Lebt wohl, edler Herr,« sagte er mit thränenden Augen, »ich werde meiner Herrin von Euch sprechen und Gott bitten, daß er Euch den Sieg verleihe.«
Kräftig drückte Cosimo des Zwerges magere Hand. Dann eilte er davon, schwang sich in den Sattel und kam gerade vor dem Palast der Signorie an, als die Heerführer herabstiegen, um sich an die Spitze der ausrückenden Truppen zu stellen.
Cosimo ritt an der Seite des Herzogs Ercole, dem er von Lorenzo beigegeben war.
Der Herzog sprengte in seiner glänzenden Waffenrüstung, mit dem wehenden weißen Federbusch auf dem vergoldeten Helm, voran; hell schmetterten die Fanfaren und die Truppen setzten sich in Marsch, während Lorenzo und der Gonfaloniere vom Balkon herab grüßten und das Volk ringsum in begeistertem Jubel sein »Palle, Palle« erschallen ließ. – – –
Lorenzo war nach dem Ausmarsch der Truppen, von der Menge begleitet, nach dem Mediceischen Palast zurückgekehrt.
Inmitten des jubelnden Volkes schritt ein Dominikaner, dessen Gesicht unter der Kapuze seiner Ordenstracht fast verborgen war.
Auch er trat in den Palast und wurde auf seine Meldung sofort in Lorenzos Kabinett geführt.
Er schlug die Kapuze zurück.
Lorenzo erblickte das bleiche Gesicht Savonarolas, der leicht den Kopf neigte und sprach:
»Der hochwürdige Prior, der bei dem drohenden Kriege sich mit den übrigen Brüdern in eine entlegenere, von der Unruhe weniger bedrängte Gegend zurückzuziehen beabsichtigt, hat mir den Befehl erteilt, hierher zu gehen und mich zu Eurer Verfügung zu stellen.«
»Ich bin dem Prior dankbar,« erwiderte Lorenzo, »daß er meine Bitte erfüllt und sich in dieser schweren Zeit als meinen Freund bewiesen hat. Ihr kommt zu rechter Zeit, ehrwürdiger Bruder und von Herzen heiße ich Euch willkommen. Ihr habt gesehen, daß unsere Truppen ausrücken zum Kampf mit dem Schwert, aber die Macht, die wir bekämpfen wollen, richtet gegen uns nicht nur die Spitze des Schwertes, sondern auch die Waffen des Geistes, eines finsteren, verderblichen Geistes der Lüge – und auch diese Waffen gilt es zu bekämpfen und zu besiegen im Geiste der Wahrheit und der Freiheit. Dazu, mein ehrwürdiger Bruder, sollt Ihr mein Bundesgenosse sein, dazu biete ich Euch die Hand und Eures Wortes Schärfe wird ebenso schwer wiegen in der Wagschale des Sieges, als die Schwerter meiner ritterlichen Verbündeten. Zieht aus und predigt dem Volk die Lehre, die Ihr oft schon verkündet, die Lehre von der rechten und einigen christlichen Kirche, welche, von aller weltlichen Herrschsucht und Habgier frei, im Geist und in der Wahrheit ihr Reich aufrichtet und in der Freiheit die Völker zur Liebe und Demut führt.«
Er streckte Savonarola seine Hand entgegen.
Dieser schien es nicht zu bemerken und antwortete ernst und kalt:
»Ihr dürft auf mich zählen, Lorenzo de Medici, Eure Feinde sind die meinen, weil sie die Feinde Gottes und der wahren Kirche sind und ich werde mein Wort erklingen lassen überall, so scharf und noch schärfer, als die Lanzen Eurer Heere, um das Volk zu überzeugen, daß, die römische Anmaßung und Herrschsucht der bitterste Feind der Freiheit und des wahren christlichen Glaubens ist. Doch darum,« fuhr er fort, eine Erwiderung Lorenzos mit erhobener Hand abwehrend, »darum bin ich Euer Freund nicht, Lorenzo de' Medici, denn auch Ihr unterdrückt die Freiheit des Volkes, dem Ihr in heuchlerischer Falschheit schmeichelt und Ihr bekämpft die Macht und den Ehrgeiz des Papstes nur darum, weil er Eure Macht beschränken und Euern Ehrgeiz beugen will. Das Volk, das einer gereinigten, in Haupt und Gliedern gebesserten Kirche bedarf, wird bei Eurem Kriege nichts gewinnen, als daß seine schlimmsten Feinde sich einander aufreiben und den großen Kampf um die Freiheit der Kirche um so leichter machen. Die weltliche Tyrannei und die geistliche sind Früchte aus der Drachensaat des Jason, die sich untereinander vertilgen müssen, um den Acker freizumachen für die Saat des Evangeliums.«
Lorenzo schüttelte traurig den Kopf.
»Ihr verkennt mich, ehrwürdiger Bruder,« sagte er, »bin ich nicht Bürger der Republik und nur der erste Diener des freien Volks, das mir die Macht, über die ich gebiete, gegeben hat und sie mir nach seinem Gefallen wieder nehmen kann?«
Savonarola schüttelte finster den Kopf.
»Ein Diener wie Ihr,« sagte er, »ist der Herr und neben ihm kann die Freiheit keine Wurzeln mehr schlagen und keine Früchte bringen.«
»Wir werden uns verstehen,« sagte Lorenzo fast bittend, »ruht Euch aus in meinem Hause, ehrwürdiger Bruder, wir werden Zeit finden uns auszusprechen...«
»Ich bedarf keiner Ruhe,« erwiderte Savonarola, »und die Zeit ist zu kostbar, um sie mit leeren Worten zu verschwenden. – Unsere Reden werden verloren sein, denn Ihr werdet mir nicht recht geben – und ich werde Euch nicht glauben. Gebt mir einen Befehl von Eurer Hand, daß Eure Truppen mich auf meinem Wege nicht stören, anderes verlange ich nicht – für jetzt haben wir ja denselben Feind.«
Lorenzo stand einen Augenblick sinnend, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, schrieb einige Zeilen und drückte sein Siegel neben die Unterschrift.
»Hier,« sagte er, Savonarola das Blatt reichend, »wenn Ihr dies vorzeigt, werden alle Truppen Euch unbelästigt ziehen lassen und Euch beschützen, wo es Not thut. Wenn Gott uns den Sieg giebt, so kehret zu mir zurück – wir werden dennoch Freunde werden.«
Savonarola schüttelte den Kopf, steckte das Papier in die Kutte und ging mit kaltem Gruß hinaus.
Lorenzo sah ihm eine Zeitlang schweigend nach.
»Der Kampf beginnt,« sagte er, »der Ausgang steht in Gottes Hand. Ich habe gethan, was möglich war, um den Sieg zu erringen – unsere Truppenmacht ist stark und dem Feinde gewachsen, und die geistige Waffenmacht, die ich mit diesem Mönch aussende gegen den hochmütigen Hohenpriester der Kirche, der sich den Statthalter Christi nennt und das Kreuz des heiligen Opfers zum Szepter der Weltherrschaft machen möchte, wird nicht minder wirksam in dem begonnenen Kampfe sein.«
»Und wenn der Sieg gewonnen wird,« sprach er, den Kopf auf, die Brust neigend, »dann wird die Abrechnung kommen mit den Verbündeten und sie wird schwerer vielleicht noch sein mit den geistigen Mächten, als mit den Verbündeten des Schwertes. Wird dann das entfesselte Volk nicht in roher Willkür alles Erhabene zertrümmern und alles Heilige in den Staub ziehen?«
Lange stand er sinnend da. Dann richtete er das Haupt auf und rief mit hell aufleuchtenden Augen:
»Was da kommen wird, liegt nicht in meiner, liegt in keines Menschen Hand, eines aber weiß ich, daß der Bau der Kirche gereinigt werden muß und gereinigt werden wird von allem irdischen Wollen und Wünschen, wie der Heiland die Makler und Verkäufer aus dem Tempel trieb, – daß die Kirche verbessert und umgestaltet werden muß in Haupt und Gliedern, um des heiligen Blutes Christi würdige Hüterin zu werden. Und das Vaterland, mein teures italienisches Vaterland, wird frei werden von der Tyrannei der römischen Herrschaft, welche statt des Kreuzes das Schwert führen will und höher hinaufgreift in ihrem hochmütigen Ehrgeiz als die Cäsaren der Vorzeit. Nach diesen Zielen alle Wege zu richten, das ist die Pflicht des einzelnen irdischen Menschen – wann und wie es erreicht wird, das liegt in der Hand der unerforschlichen Allmacht, welche die heiligen und unabänderlichen Ziele der Weltgeschichte gesteckt hat und ihnen nach ihrem Ratschluß die Menschheit zuführt.«
Er beugte das Knie vor dem an der Wand seines Zimmers hängenden Christusbild und faltete in stummem Gebet die Hände, während von fern her die Trompeten der davonziehenden Truppen herüberklangen.